Protokoll der Sitzung vom 24.03.2010

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist eine bös- willige Unterstellung!)

Sie haben die Mittel gar nicht eingeworben, sondern die sind Ihnen zugewiesen worden. Sie sind sozusagen zu Ihrem Glück gezwungen worden. Sie haben gar nichts dafür getan und haben trotzdem mehr Geld bekommen. Es gehört der Redlichkeit halber dazu, das zu sagen. Nur was Sie mit dem Geld angestellt haben,

(Beifall von den GRÜNEN – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Das ist unredlich!)

darauf wollen wir noch genauer schauen.

Wenn ich den Antrag eingehend lese, so sind die entscheidenden Punkte, auf die es im Naturschutz in Nordrhein-Westfalen ankommt, eben nicht erwähnt.

(Unruhe bei der CDU)

Frau Fasse, der Flächenverbrauch kommt in Ihrem Antrag nicht vor. Der hat ja mit Naturschutz nicht viel zu tun! Die Frage Kies und Sand kommt auch nicht vor. Auch der Raubbau Niederrhein hat mit dem Naturschutz und mit der Biodiversität nicht so viel zu tun! Und Landwirtschaft, Frau Fasse, kommt erst recht nicht vor.

Dort jedoch liegen die größten Probleme. Das wissen Sie. Die Integration von Nutzung und gleichzeitig Förderung von Biodiversität ist ein großes Problem. Die Landschaften, die Flächen werden heute ausgeräumt. Die Artenvielfalt, gerade in der intensiv landwirtschaftlich genutzten Fläche, ist gleich null. Hätten wir nicht in den Jahren zuvor eine Politik gemacht, die auf Schutzgebiete setzt, dann hätten wir in manchen Kreisen, wo die Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen sehr stark ist, eine Artenvielfalt, eine Biodiversität, die gegen null gehen würde. Die Arten haben sich sozusagen auf die Inseln zurückgezogen. Das kann doch nicht die Politik der Zukunft sein. Sie allerdings formulieren sie in dem Antrag so.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sagen, Sie wollen die Qualitätsentwicklung in den begrenzten Bereichen ausbauen. – Nein, das, was wichtig wäre, ist die Verbreiterung der Integration, dass also Naturschutz, Biodiversität, Artenschutz in der breiten Fläche stattfindet bzw. in der Landwirtschaft berücksichtigt wird – mit allen Möglichkeiten, die es dafür gibt. Aber es passiert ja das Gegenteil. Es wird ausgeräumt, weniger auf Artenschutz geachtet.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Frage, was wir nach „Kyrill“ gemacht haben. Unser Vorschlag war, 10 % der „Kyrill“-Schadensfläche privat und staatlich der natürlichen Sukzession zu überlassen. Davon hat diese Landesregierung nichts aufgegriffen. Das Wenige, was Sie hätten machen können oder was Sie vielleicht hätten aufgreifen können, ohne viel Geld in die Hand zu nehmen, haben Sie nicht getan.

Noch zwei Sätze zu exotischen Tieren. – Ja, wir haben heute den Tagesordnungspunkt dafür genutzt, weil es keine andere Gelegenheit gibt. Aber es ist höchst aktuell, und es erinnert Sie daran – das soll es auch tun –, dass wir zweimal in dieser Legislaturperiode – einmal zusammen mit der SPD – entsprechende Vorstöße unternommen haben. Das hat sehr wohl etwas mit Artenschutz zu tun, nämlich wenn es um die Frage geht, ob der Import und damit die Haltung gefährlicher und exotischer Tiere nicht begrenzt werden sollte, damit die Arten an anderer Stelle besser geschützt werden. Dafür sollte es eine Liste geben. Ich weiß ja, dass im Umweltministerium sehr ähnlich gedacht wird, aber der FDP-Innenminister, der Kommunalminister, Ihnen diese Lösung versagt, so wie sie in anderen Bundesländern – in SchleswigHolstein, Hessen, mittlerweile, glaube ich, auch in Berlin und Brandenburg – praktiziert wird. Wir wollen also nur das, was in anderen Bundesländern auch da ist.

Der aktuelle Fall ist der Anlass dafür, das endlich zu tun. Deshalb haben wir den Entschließungsantrag gestellt. Wir sind gerne damit einverstanden, über die einzelnen Punkte getrennt abzustimmen. – Vielen Dank für die Geduld, Frau Präsidentin.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Lienenkämper das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen der Spätschicht! In NordrheinWestfalen besteht ein dringender Handlungsbedarf: Etwa 50 % der heimischen Tier- und Pflanzenarten sind nach Angabe der „Roten Liste NRW“ in ihrem Bestand gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht. Deshalb betrachtet die Landesre

gierung den Erhalt der biologischen Vielfalt als eine zentrale Aufgabe der zukünftigen Naturschutzpolitik.

Das funktioniert allerdings in einem dicht besiedelten Land wie Nordrhein-Westfalen nur, wenn die Menschen diese Politik mittragen und wenn sie die berechtigten Ansprüche des Natur- und Umweltschutzes mit den Notwendigkeiten einer wirtschaftlichen Entwicklung in einen vernünftigen Einklang bringen.

Damit hat die Landesregierung im Jahre 2005 begonnen. Dabei hat sie eine ganze Reihe von Erfolgen erzielt. Seit November 2007 nutzen wir das „Bündnis für die Natur“. Es kommt endlich zu partnerschaftlicher Kooperation und nicht zum Ausbremsen der einen gegen die anderen.

Ferner ist der Aufbau eines landesweiten Netzes von Schutzgebieten auf ca. 11 % der Landesfläche fertiggestellt worden. Bis Ende 2011 wird das LANUV ein Biotopverbundkonzept für unser Land erarbeiten, dessen wichtiger Baustein auch Grünbrücken sind. Herr Minister Uhlenberg hat sich sehr darüber gefreut, dass vier dieser Grünbrücken aus dem Konjunkturpaket II finanziert wurden und bis 2011 gebaut sein werden.

Ein weiter wichtiger Punkt der Politik des Kollegen Eckhard Uhlenberg ist das möglichst wohnortnahe Erleben der Natur für alle Menschen. Hier sind zuallererst unsere 14 Naturparke zu nennen, die immerhin rund ein Drittel der Landesfläche ausmachen. Sie weiterzuentwickeln, wird eine der Aufgaben für die nächsten zehn Jahre sein. Das gilt auch für die Naturerlebnisgebiete, die gezielt der Beobachtung von Pflanzen und Tieren dienen, sowie für einzelne Wildnisgebiete, die sich ohne direkten Einfluss des Menschen entwickeln dürfen und für die Bevölkerung erlebbar sind.

Bei der Umsetzung der Naturschutzziele vor Ort spielt auch die Arbeit der Biologischen Stationen in Nordrhein-Westfalen eine große Rolle.

Eine erfolgreiche Naturschutzpolitik lässt sich im Übrigen nur mit einer angemessenen und dauerhaften finanziellen Ausstattung realisieren. Deshalb konnte im vergangenen Jahr der Naturschutzhaushalt auf über 53 Millionen € aufgestockt werden. Im Vergleich dazu lag der Haushalt des Jahres 2005 bei nur 41 Millionen €. Dies kommt auch unmittelbar Projekten zur Erhaltung der biologischen Vielfalt zugute.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Landesregierung ist es endlich gelungen, Landwirtschaft und Naturschutz wieder miteinander zu versöhnen. Auf der Grundlage des Vertragsnaturschutzes werden landesweit etwa 24.000 ha trotz schwieriger Rahmenbedingungen durch Landwirte gepflegt und erhalten.

Im Mai 2006 hat Herr Minister Uhlenberg die Allianz für die Fläche in Nordrhein-Westfalen begründet, um dem anhaltend hohen Flächenverbrauch entgegenzuwirken.

Die Erfolge bei der Wasserrahmenrichtlinie sind schon genannt worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Politik ist aber noch nicht am Ende. Es sind noch wichtige Schritte zu gehen. Ich will jedenfalls nicht, dass die alte Politik der Vergangenheit wieder Platz greift. Deswegen würde es viel Sinn machen, wenn diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen auch die nächsten fünf Jahre Gelegenheit bekommen würden,

(Bernd Schulte [CDU]: Zehn Jahre!)

diese erfolgreiche Politik soweit vorzubereiten, dass die nächsten zehn Jahre regiert werden kann.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Lienenkämper. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann sind wir am Schluss der Beratung und kommen zur Abstimmung.

Die antragstellenden Fraktionen der CDU und der FDP haben direkte Abstimmung beantragt. Wir stimmen deshalb zunächst über den Inhalt des Antrags Drucksache 14/10855 ab. Wer dem Inhalt dieses Antrags zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Sagel. Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltung. Damit hat der Antrag die Mehrheit des Hauses bekommen und ist damit angenommen.

Zweitens lasse ich abstimmen über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/10904. Hier wurde im Einvernehmen mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen von der SPD-Fraktion beantragt, getrennt über den ersten Absatz des Forderungsteils und über die Forderungen in den Einzelziffern abzustimmen.

Deswegen lasse ich zunächst über die ersten beiden Zeilen des Forderungsteils im Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abstimmen. Wer diesen Zeilen zustimmen möchte, den darf ich jetzt um das Handzeichen bitten. – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Herr Sagel. Die Gegenstimmen! – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP und der Fraktion der CDU. Abgelehnt.

Ich lasse nun über den zweiten Abschnitt der Forderungen abstimmen. Wer diesen sieben Forderungen zustimmen möchte, den darf ich um das

Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der SPD und der fraktionslose Abgeordnete Sagel. Die Gegenstimmen! – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP. Gibt es Enthaltungen? – Keine Enthaltungen. Damit, meine Damen und Herren, haben sind die Forderungen abgelehnt.

Wir kommen somit zur Gesamtabstimmung über den Entschließungsantrag. Wer dem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete Sagel. Die Gegenstimmen! – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP. Enthaltungen? – Die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der SPD. Der Antrag hat somit bei einem differenzierten Abstimmungsverhalten der Fraktionen nicht die Mehrheit gefunden und ist somit abgelehnt.

Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen wir zu:

14 Hartz 4 abschaffen

Antrag von Rüdiger Sagel (fraktionslos) Drucksache 14/10842

Ich eröffne die Beratung und erteile dem Abgeordneten Sagel das Wort. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Am 9. Februar 2010 stellte das Bundesverfassungsgericht in höchster Instanz eine ebenso langjährige wie massive Verletzung der Menschenrechte in Deutschland fest. Es folgte in seiner Entscheidung den gerichtlichen Vorinstanzen und entschied juristisch abschließend, dass die seit Januar 2005 geltenden Vorschriften des SGB II, welche die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Grundlagen auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz – die Würde des Menschen ist unverletzlich – in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz – Sozialstaatsprinzip der Verfassung – entsprechen.

Die nach dieser Entscheidung entfachte Diskussion von Vertretern derjenigen Parteien, welche die Hartz-IV-Gesetze eingeführt und seitdem immer wieder politisch verteidigt haben – das sind alle, die hier im Raume sitzen, nämlich SPD, Grüne, CDU und FDP –, ging auf diesen vom Bundesverfassungsgericht konstatierten gravierenden Umstand mit keinem einzigen Wort ein.

Stattdessen wurde von führenden Repräsentanten der gegenwärtigen CDU/FDP-Regierung im Bund wie in Nordrhein-Westfalen eine öffentliche Debat

te über die Hartz-IV-Gesetze in Gang gesetzt. Doch anstatt, wie es nach dem Karlsruher Urteil angemessen gewesen wäre, sich bei den Opfern langjähriger menschenrechtswidriger Gewalt in der Bundesrepublik zu entschuldigen, die Leidtragenden für erlittenes Unrecht zu entschädigen und die geltende Sozialgesetzgebung unverzüglich zu ändern, wurde den Opfern mit Hohn und Hetze begegnet.

Die dabei verwendeten Begrifflichkeiten wie „spätrömische Dekadenz“ von Guido Westerwelle, „Arbeitsverweigerer“ von Andreas Pinkwart – beide FDP – und sprachlichen Wendungen wie „problematische Tendenz zu einer übertriebenen Einzelfallbetrachtung“ von Minister Thomas de Maizière ließen das Kalkül deutlich werden, die Leidtragenden

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Kollege, wer hat dir das denn aufgeschrieben?)

einer jahrzehntelang verfehlten Wirtschafts-, Steuer- und Arbeitsmarktpolitik zu vermeintlichen Ausbeutern

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Zu einer eigenen Rede hat es nicht mehr gereicht!)

des Sozialstaates zu verkehren.

Bitte schön?