Protokoll der Sitzung vom 24.03.2010

Ich darf stichwortartig darauf verweisen: Wir sind diejenigen gewesen, die sich ganz maßgeblich in dieser Koalition in Nordrhein-Westfalen für eine Aufstockung des Schonvermögens eingesetzt haben, weil das in unsere Philosophie passt: Wer arbeitet, muss mehr haben, Herr Schmelzer, als derjenige, der nicht arbeitet. Das mögen Sie anders sehen. Unsere Philosophie ist – noch einmal zum Mitschreiben –: Wer arbeitet, muss mehr haben, als derjenige, der nicht arbeitet.

Deshalb muss derjenige, der etwas erarbeitet hat, sowohl ein größeres Schonvermögen für die Zeiten haben, in denen es einmal schwieriger wird, als auch eine Verbesserung der Hinzuverdienstgrenzen, die wir benötigen und für die wir ausdrücklich eintreten. Das ist ein weiterer, ganz wichtiger Reformpunkt, den wir auf Bundesebene verfolgen.

Ich sage ausdrücklich auch für die FDP: Wir wissen, dass es viele arbeitslose Menschen gibt, die sich bemühen, einen Job zu finden, die es aber aus unterschiedlichen Gründen auf dem Arbeitsmarkt nicht immer einfach haben. Die müssen wir unterstützen. Das tun wir. Diese Menschen brauchen Angebote. Fördern und fordern gehören zusammen.

Wir erwarten aber sehr wohl auch, dass Qualifizierungsmaßnahmen wahrgenommen werden und sich jeder nach seinen Kräften anstrengt und die nötige Flexibilität mitbringt, den Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt wiederzufinden. Das ist allemal besser als das große Volumen der Schattenwirtschaft, das wir gegenwärtig haben. Herr Sagel und die dunkelrote Linkspartei sind offenbar nicht daran interessiert, dass Menschen wieder in Arbeit kommen. Schließlich ist es ein Ziel von Teilzeittätigkeiten

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Haben Sie den Antrag überhaupt gelesen?)

und von Tätigkeiten, in denen man sich eine Beschäftigung vielleicht nicht auf Dauer über Jahrzehnte zu diesen Konditionen wünscht, dass man den Einstieg hinbekommt, um dann wieder den Aufstieg zu schaffen. Unser Anliegen ist es nämlich, Menschen in Arbeit zu bringen.

Was Sie hier vorlegen, ist nicht nur eine Rolle rückwärts, sondern ein Salto rückwärts. Das ist stümperhaft. Ihre arbeitsmarktpolitischen Vorstellungen sind unrealistisch und unbezahlbar. Das sieht man schon an Ihrer Forderung nach einem Mindestlohn von 10 €.

Wir werden alles dafür tun, dass es in diesem Haus keine linke Mehrheit gibt. Wie man an diesem Beispiel erkennt, könnte dann wahrlich eine Nichtverantwortungspolitik von dunkelroter Linkspartei, grüner Linkspartei und SPD zusammen betrieben werden. Wir treten weiter dafür ein, dass es nicht dazu kommt. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Das war der Abgeordnete Witzel für die Fraktion der FDP. – Nun hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Beer das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt in der Tat eine Vielzahl von Problemen bei Hartz IV, die wir schon lange kritisieren und in Bezug auf die wir Änderungen einfordern. Allerdings ist das, was der Kollege Sagel hier vorgelegt hat,

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Ein guter An- trag!)

wie so oft oberflächlich und unsystematisch.

Die Regelsätze des Arbeitslosengeldes II sind nicht nur viel zu niedrig, um die Teilhabe zu sichern. So hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 zu den SGB-IIRegelsätzen zutreffend festgestellt, dass die derzeitigen Verfahren zur Ermittlung der Bedarfe sowie zur Herleitung der Regelsätze überwiegend subjektiven Kriterien folgen und wenig transparent sind. Das Ergebnis dieser Verfahren ist natürlich überaus zweifelhaft, sodass nicht mehr von einer verfassungsgemäßen Ermittlung des Existenzminimums ausgegangen werden kann. Damit bestätigt sich auch die Kritik an der Höhe der Regelsatzleistungen für Kinder und Erwachsene.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sind gegenwärtig nicht bedarfsdeckend und nicht existenzsichernd.

Die Grünen fordern eine deutliche Anhebung der Regelsätze; denn die Grundsicherung für Arbeitsuchende muss neben der bloßen materiellen Absi

cherung auch die Teilhabe aller an der Gesellschaft ermöglichen. Deshalb müssen die Leistungen nach SGB II neu berechnet und auch angehoben werden.

Hier halten wir es für notwendig, dass die Regelsätze für Erwachsene regelmäßig in einem transparenten Verfahren an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten angepasst werden.

Für Kinder und Jugendliche müssen eigenständige Regelsätze ermittelt werden, die ihren tatsächlichen entwicklungsbedingten Bedarf decken. Unser Ziel ist eine eigenständige bedingungslose Kindergrundsicherung, die das soziokulturelle Existenzminimum und die Freibeträge für Erziehung und Betreuung umfasst.

Alles das kommt im Antrag von Herrn Sagel nicht vor. Fehlanzeige!

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wollen die Sanktionen gegenüber ALG-IIBeziehern nicht nur aussetzen, wie im Antrag von Herrn Sagel gefordert, sondern sie beseitigen und stattdessen Anreize und Förderungen schaffen.

Der Abbau der Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt und bei den Sicherungsleistungen spielt beim Antrag von Herrn Sagel ebenfalls keine Rolle.

(Beifall von den GRÜNEN – Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Nur die Überschrift gelesen?)

Jeder Mensch hat das Recht auf eine Arbeit, die seine Existenz sichert. Wer vollzeit arbeitet, muss von diesem Einkommen auch leben können. Deswegen halten wir die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns für dringend notwendig.

(Ralf Witzel [FDP]: Ach, du Schande!)

Im Unklaren über eigene Vorschläge lässt uns der Antrag von Herrn Sagel wiederum bei der Frage eines öffentlich finanzierten Beschäftigungssektors. Für die Gruppe derjenigen, die mittelfristig keine Chance zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt haben, müssen wir Perspektiven schaffen, indem wir dauerhafte Beschäftigung in einem öffentlich geschaffenen Sektor ermöglichen. Viele gesellschaftlich wünschenswerte Tätigkeiten könnten dort eingehen: Tätigkeiten im Umweltschutz, in der Umwelt- und Naturpflege, in der Gemeinwesenarbeit sowie auf dem Feld haushaltsnaher und pflegeergänzender Dienstleistungen.

Meine Damen und Herren, auch wenn wir deutliche Kritik gegenüber Hartz-IV-Regelungen haben, werden wir diesen Antrag ablehnen, da wir in vielen Details die darin erhobenen Forderungen für unausgegoren halten.

Anmerken möchte ich noch, dass wir die im Antrag angesprochenen Probleme wie die völlig unzureichenden Hartz-Regelsätze sowie den notwendigen eigenständigen Regelsatz für Kinder, die Bekämp

fung der Kinderarmut, die Leiharbeit, den Mindestlohn und den öffentlich finanzierten Beschäftigungssektor schon durch eine Vielzahl von eigenen Anträgen hier im Plenum dokumentiert haben.

In der Tat haben wir um die 40 Anträge gestellt, ohne dass es in diesem Zusammenhang einen Antrag des Abgeordneten Sagel gegeben hätte. Irgendetwas zu diesem Thema musste er zum Ende der Legislaturperiode aber wohl noch machen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Fortgesetzt Zu- rufe von Rüdiger Sagel [fraktionlos])

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da Herr Sagel und seine Partei in Deutschland dafür stehen, dass die Funktionäre eine Diktatur über die Arbeitnehmer ausüben, da seine Partei 40 Jahre dafür gestanden hat, dass es im anderen Teil unseres Landes keine freien Gewerkschaften gab,

(Beifall von der CDU)

da seine Partei 40 Jahre dafür gestanden hat, dass es keine freien Betriebsratswahlen gab,

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Sie sind doch selber eine Blockflöte!)

und da seine Partei dafür gestanden hat, jeden Arbeitnehmeraufstand in dieser Zeit mit Panzern niederzurollen,

(Beifall von CDU und FDP)

finde ich, dass man sich mit diesen Anträgen nicht auseinanderzusetzen braucht.

Deswegen lehnt die Landesregierung die Zusammenarbeit mit Ihnen und die Auseinandersetzung mit Ihren Anträgen ab.

Ich kann Sie von der SPD nur auffordern, endlich klar zu sagen, dass Sie mit dieser Partei keine gemeinsame Politik betreiben wollen. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Antrag sehe ich nicht.

Daher kommen wir jetzt zur direkten Abstimmung, wie vom Antragsteller beantragt. Wer dem Inhalt des Antrags Drucksache 14/10842 seine Zustim

mung geben möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das ist der Abgeordnete Sagel. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Keine Enthaltung. Damit hat der Antrag keine Mehrheit gefunden und ist abgelehnt.

Ich rufe nun auf:

15 Die Menschen in Nordrhein-Westfalen wollen keine Bündnisse mit der extremistischen FDPFraktion

Antrag von Rüdiger Sagel (fraktionslos) Drucksache 14/10860

Ich eröffne die Beratung und erteile dem Abgeordneten Sagel als Antragsteller das Wort.