Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

Frau Steffens, würden Sie mir in der Einschätzung recht geben, dass man Frau Pieper-von Heiden auch schulpolitisch nicht wählen kann?

(Heiterkeit von SPD und GRÜNEN)

Herzlichen Dank für die Frage. Ich möcht Ihnen da voll und ganz zustimmen. Bevor jetzt weitere entsprechende Fragen zu anderen Themenfeldern kommen, sage ich: Ja, auch in anderen Themenfeldern würde ich diese Frage mit Ja beantworten.

(Heiterkeit von SPD und GRÜNEN)

Und ich kann sagen: Nicht nur ich würde die Frage so beantworten, sondern der ehemalige Fraktionsvorsitzende Möllemann, glaube ich, hat Sie auch einmal so beantwortet.

Ich möchte gerne zum Inhalt dieses Antrags kommen. Die Forderung in der Überschrift des Antrags: „Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern beseitigen – Gesetzliche Regelungen vorantreiben“ kann ich unterstützen. Ich finde diese Forderung richtig.

Ich habe aber mit einer anderen Stelle ein Problem, nämlich mit der Forderung am Ende. Da kommen wir noch nicht zusammen. Ich hoffe aber, dass wir nach dem 9. Mai über die Details reden können, weil meine Forderungen da andere und weitergehend sind.

Mit dem, was hier steht, nämlich mit der Quotierung von Aufsichtsratsmandaten, stimme ich überein; das haben wir auch als Antrag gestellt. Aber alleine mit der Einführung einer staatlichen Entgeltanalyse und der Offenlegungspflicht kommen wir nicht weiter. Wir kommen natürlich erst recht nicht mit den Vorschlägen von Frau Westerhorstmann zur Erhöhung der Kinderbetreuungsplätze und zum Betreuungsgeld weiter. Das sind alles keine Dinge, durch die eine Frau mehr Geld in der Tasche hat. Wir reden an der Stelle nicht darüber, wie Frauen an ihren Arbeitsplatz kommen und welche Betreuungsprobleme sie haben. Wir redend hier darüber, wie viel Geld die Frau für ihre Arbeit hinterher in der Tasche hat.

Die Entgeltungleichheit wird nicht mit einem Betreuungsplatz beseitigt. Mit diesem Betreuungsplatz hat man Möglichkeit, arbeiten zu gehen, während das Kind betreut wird. Aber dadurch verdient man nicht mehr.

Wir brauchen das Verbandsklagerecht. Solange wir das Verbandsklagerecht nicht haben, haben wir immer noch das Problem bezüglich einer individuellen Klage. Wir haben kein umfassendes Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, das Diskriminierung am Arbeitsplatz effektiv bekämpft. Das ist wichtig. Sie haben bis heute noch nicht verstanden, was das Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft bedeutet. Aber bei Ihnen wundert mich das, wie gesagt, auch gar nicht.

Wir brauchen eine Änderung im Vergaberecht, damit Unternehmen die Gleichstellung aktiv fördern können, nämlich zum Beispiel bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Wir brauchen die Mindestlohnregelung, weil wir ohne eine Mindestlohnregelung dazu nicht kommen.

(Ralf Witzel [FDP]: Schade!)

Wir brauchen flexible Arbeitszeitmodelle. Wir brauchen eine bessere Möglichkeit und andere Maßnahmen, um den Wiedereinstieg zu erleichtern. Und wir brauchen natürlich neue transparente Bewertungskriterien, die endlich mit der Diskriminierung von Frauenberufen Schluss machen.

Frau Pieper-von Heiden, da kann man zwar sagen, das sind nicht Frauenberufe, sondern Berufe, in denen Frau tätig sind. Aber die heißen nun einmal in der Wissenschaft so, und sie werden auch so genannt, weil das die Berufe sind, die überwiegend von Frauen gewählt werden. Und sie werden nicht unbedingt deshalb alle von Frauen gewählt, weil sie alle so wenig verdienen wollen, sondern weil es an der Stelle bestimmte Rahmenbedingungen gibt.

Diese Frauenberufe werden anders bezahlt als von Männern besetzte Berufe, selbst wenn die Tätigkeit gleichwertig ist. Und diesen Begriff der „gleichwertigen Tätigkeit“

(Ingrid Pieper-von Heiden [FDP]: Das ist Un- sinn!)

haben Sie bis heute nicht verstanden.

(Ingrid Pieper-von Heiden [FDP]: Das ist nicht korrekt! – Sie haben null Ahnung! – Weitere Zurufe)

Dass ein Gabelstaplerfahrer ein Vielfaches verdient als eine Erzieherin, ist nicht korrekt. Gleichwertige Arbeit muss gleichwertig bezahlt werden.

(Zuruf von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Und Ihr Kindergartengeschrei, Frau Pieper-von Heiden, disqualifiziert Sie noch weiter an der Stelle.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es nützt überhaupt nichts, wenn Sie herumschreien. Sie haben ja schon die doppelte Redezeit in Anspruch genommen und trotzdem keine Inhalte vermittelt.

(Ingrid Pieper-von Heiden [FDP]: Sie haben es trotzdem nicht verstanden! – Wenn man Vollzeit arbeitet, meinen Sie nicht, dass man Vollzeit bezahlt wird?)

Also beherrschen Sie sich. Wenn Sie etwas wissen wollen, dann drücken Sie auf das Knöpfchen – das müssten Sie schaffen – und stellen Sie eine Zwischenfrage. Aber die Frau schafft noch nicht einmal mehr, eine Zwischenfrage zu stellen. Das zur Kompetenz der FDP.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Also: Wir wollen endlich Schluss mit den Diskriminierungen von Frauen. Deswegen wollen wir ein umfassendes Paket haben. Ich hoffe, dass wir das nach dem 9. Mai gemeinsam umsetzen können.

(Horst Becker [GRÜNE]: Welchen Listenplatz hat die eigentlich? Warum ist die so nervös?)

Weil uns der Antrag nicht weit genug geht, werden wir ihm nicht zustimmen. Und an die Kolleginnen und Kollegen der FDP: Wenn Sie so weiter schreien, dann leisten Sie noch einen weiteren Beitrag für die Pharmaindustrie, weil Sie sich gleich in der Apotheke was holen müssen,

(Beifall und Heiterkeit von GRÜNEN und SPD)

aber Sie leisten keinen Beitrag für die inhaltliche Politik in diesem Land.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Jetzt ist wieder ein bisschen Ruhe eingekehrt. Dann darf ich das Wort an Herrn Minister Laschet weitergeben.

(Horst Becker [GRÜNE]: Die Zahl 13 ist keine Glückszahl!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Anliegen der Debatte ist berechtigt.

(Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

Ich weiß nicht, ob jeder Wortbeitrag, besonders der letzte, dem Anliegen, das eigentlich über alle Fraktionen ein gemeinsames sein sollte und das eigentlich auch Frau Pieper-von Heiden deutlich gemacht hat, dient.

(Heiterkeit von SPD und GRÜNEN – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Haben Sie einen Hör- fehler?)

Aber das ist ja Ihre Art. Ich will nur zu den Fakten einiges beitragen, was auch bei Frau Steffens gerade durcheinandergeraten ist.

23 % beträgt bundesweit die Differenz zwischen den durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten von Frauen und Männern. In Nordrhein-Westfalen verdienen vollzeitbeschäftigte Frauen im Durchschnitt etwa 19 % weniger als vollzeitbeschäftigte Männer. Das heißt natürlich nicht, dass in jeder Funktion dieser Unterschied festzustellen ist. Vielmehr werden vollzeitbeschäftigte Männer mit vollzeitbeschäftigten Frauen verglichen.

Wenn man das so liest, klingt das nach einer eklatanten Verletzung des Grundsatzes „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Doch die isolierte Betrachtung der Zahlen sagt noch nicht viel aus. Wir müssen nämlich berücksichtigen, dass es sich bei dem Wert von 23 % um die sogenannte unbereinigte Entgeltdifferenz handelt.

(Ingrid Pieper-von Heiden [FDP]: Genau! Wissen Sie, Frau Steffens, was das ist? – Ralf Witzel [FDP]: So ist das! – Barbara Stef- fens [GRÜNE]: Trotzdem ist es falsch!)

Das heißt: Sämtliche Faktoren, die den Verdienst einer Person mitbestimmen, fließen in diesen Wert ein:

(Beifall von CDU und FDP)

Qualifikation, Alter, Beruf, Branche, Berufserfahrung, Beschäftigungsvolumen und vieles andere mehr. Daraus setzt sich dieser Wert zusammen – nur, damit wir wissen, worüber wir reden.

Das alles unterstreicht: Lohnungleichheit lässt sich nicht eindimensional erklären oder gar beheben. Es geht vielmehr um viele oft auch versteckte Ursachen. Und weil es schwierig ist, in einem Unternehmen das Ausmaß von Entgeltungleichheit zu bestimmen, ist auch der Wunsch nach mehr Transparenz und nach Offenlegung der betrieblichen Gehaltsstrukturen verständlich. Die Landesregierung unterstützt die Forderung nach Transparenz – aber muss es gleich wieder ein Gesetz sein?

Weil wir Unternehmen überzeugen wollen, fördert unser Haus beispielsweise ein Projekt, bei dem in zwei Unternehmen Ansätze zur Entgeltgleichheit erprobt werden. Es ist – das sollten wir im Auge behalten; das ist aus der heutigen Debatte völlig verschwunden – immer noch auch die Aufgabe der Tarifparteien. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände müssen für faire Löhne sorgen, nicht in allererster Linie der Staat. Ich glaube, dass sie diese Aufgabe auch lösen werden. Aber wir werden einen langen Atem brauchen. Sie stellen ja selbst in Ihrem Antrag dar, wie sehr das Lohngefälle auch ein Resultat struktureller Entwicklungen ist und wie stark es eingefahrenen Rollenmustern und Stereotypen entspricht.

An diesen strukturellen Faktoren müssen wir ansetzen. Das tut die Landesregierung mit einer Vielzahl von Initiativen: Wir fördern den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen und ihren beruflichen Wiedereinstieg. Wir setzen uns dafür ein, dass sich junge Frauen für Berufe und Studienfächer entscheiden, in denen Sie bessere Entwicklungschancen haben und letztlich auch mehr Geld verdienen. Und, Frau Steffens: Durch den Ausbau der Kinderbetreuung – insofern gehört das genau in diese Debatte hinein – können Mütter ihrem qualifizierten Beruf leichter nachgehen.

Ein Bestandteil des von Ihnen geforderten Entgeltgleichheitsgesetzes soll die Quotierung von Aufsichtsratmandaten sein. Auch hier bin ich der Meinung, dass wir mehr Frauen in Aufsichtsräten brauchen. Als Vorsitzender der Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz habe ich im letzten Jahr den Vorsitzenden der Regierungskommission deutscher Corporate Governance Kodex angeschrieben und gebeten, für verbindlichere Regeln zu sorgen, die den Anteil von Frauen in Aufsichtsräten erhöhen. Die Regierungskommission hat mittlerweile angekündigt, Ende Mai weitergehende Empfehlungen zur Repräsentanz von Frauen zu verabschieden.

Das aktuelle Beispiel der Telekom AG, diese 30%-Quote in Führungspositionen einzuführen, macht mich zuversichtlich, dass es in Zukunft immer mehr Unternehmen geben wird, die von sich aus zu der Überzeugung gelangen, nur dann attraktiv für Frauen zu sein, wenn Sie gute Löhne zahlen, Aufstiegschancen bieten und familienfreundlich handeln. Gerade dieses Beispiel zeigt, dass solche Unternehmen im Wettbewerb ein Plus haben werden. Auch deshalb brauchen wir keine gesetzliche Regelung, in der dies alles streng reguliert und vorgeschrieben ist.

In einem sind wir uns einig: Es ist völlig unstrittig, dass wir Entgeltungleichheit zwischen Männern und Frauen haben. Ein Entgeltgleichheitsgesetz halten wir für den falschen Weg; denn es ändert nichts an den strukturellen Ursachen. Dafür brauchen wir andere, wirksamere Instrumente. Deshalb empfiehlt die Landesregierung dem Landtag, den Antrag der SPD abzulehnen.