Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einführung des digitalen Antennenfernsehens in Nordrhein-Westfalen ist eine Erfolgsgeschichte. Da der Erfolg bekanntlich und richtigerweise viele Mütter und Väter hat, möchte ich mich im Namen der SPD-Fraktion bei allen Partnern bedanken, die zu diesem Erfolg beigetragen haben. Das sind in erster Linie der Westdeutsche Rundfunk, die Landesanstalt für Medien, die kommerziellen Fernsehveranstalter, vor allem hier in Nordrhein-Westfalen RTL, die Telekom, aber auch Landesregierung und Landtag.

Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer, meine Damen und Herren, schätzen den Mehrwert des digitalen Antennenfernsehens. Im unserem Antrag schreiben wir von etwa 2 ½ Millionen Geräten, allein über 800.000 in Nordrhein-Westfalen. Ich habe in der jüngsten Ausgabe von „Info Digital“, Januar 2006, gelesen, dass schon über 4 Millionen Geräte im Markt sein sollen. Der Herausgeber, Peter Doeppes, schreibt dazu: DVB-T ist das digitale Antennenfernsehen, das in Deutschland seit drei Jahren einen ungeheuerlichen Siegeszug hatte und immer noch hat. – Ich finde, Peter Doeppes hat Recht.

Gestern habe ich an dieser Stelle über den besonderen Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Innovation und die besondere Bedeutung dieses Zusammenhangs für das Medienland Nordrhein-Westfalen gesprochen. Die gestern erfolgte Ausschreibung der DMB-Frequenzen durch die Landesanstalt für Medien ist in diesem Kontext ein weiterer wichtiger Baustein, auch mit Blick auf die WM.

Mit unserer politischen Initiative, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, verfolgen wir heute drei Ziele.

Erstens: DVB-T flächendeckend in NordrheinWestfalen zu etablieren und die erfolgreiche Partnerschaft zwischen öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Fernsehveranstaltern fortzusetzen. Dabei ist der SPD-Fraktion klar: Es ist eine besondere wirtschaftliche Belastung für die kom

merziellen Veranstalter. Aber DVB-T ist auch der Übertragungsweg für das duale System in der digitalisierten Welt.

Das zweite Ziel, das wir verfolgen: Wir wollen deutlich machen, dass die Politik der Europäischen Union im Kontext der Digitalisierung widersprüchlich ist. Wir haben unter dem Kapitel III die Widersprüche der EU-Kommission deutlich gemacht. Auf der einen Seite will die Kommission, dass wir rasch digitalisieren. Aber die Möglichkeit, die wir nutzen wollen, um diesen innovativen Distributionsweg zum Durchbruch zu verhelfen, wird dann wiederum negiert. Das kann nicht in Ordnung sein. Deswegen brauchen wir hier ein deutliches Signal des Landtags Nordrhein-Westfalen.

Das dritte Ziel, meine Damen und Herren: Die Reform der Medienordnung in der Bundesrepublik Deutschland müssen wir jetzt aus nordrheinwestfälischer Sicht voranbringen. Den Ball, der die Berliner Koalition ins Spielfeld gebracht hat, müssen wir aus Nordrhein-Westfalen aufgreifen. Wenn wir weiter Medienland Nummer 1 bleiben wollen, dann müssen wir hier ganz aktiv unterwegs sein.

Wir fordern konkret von der Landesregierung,

1. sich aktiv für die Reform der Medienkommunikationsordnung in Deutschland einzusetzen;

2. eine konzertierte Aktion für die Digitalisierung der terrestrischen Verbreitung mit den Ländern und dem Bund zu verabreden und insbesondere DVB-T weiter zu unterstützen und für eine flächendeckende Verbreitung zu sorgen;

3. gegenüber der EU-Kommission deutlich zu machen, dass die negative Entscheidung der Kommission zum Förderkonzept Berlin-Brandenburg und möglicher Folgeentscheidungen nicht akzeptabel ist;

4. alle juristischen Möglichkeiten zu überprüfen, die zu einer Rücknahme der EU-Entscheidung führen können;

5. sich für einen verbindlichen Fahrplan für die Umstellung von analoger auf digitale Verbreitung einzusetzen.

Nur wenn es einen klaren Fahrplan gibt, wird man die Akteure gemeinsam dazu bringen, den Umstieg, den wir für Nordrhein-Westfalen, aber auch für die Bundesrepublik brauchen, tatsächlich auf den Weg zu bringen. – Herzlichen Dank für Ihre Geduld.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Eumann. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Dr. Brinkmeier.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Eumann hat den SPD-Antrag begründet und einige Grundlagen zum Thema DVB-T und auch die Zielsetzungen, die die SPD-Landtagsfraktion mit diesem Antrag verbindet, genannt. Darauf will ich jetzt im Einzelnen eingehen.

Kollege Eumann, Sie sagten auch, dass dieser heutige Antrag gewissermaßen ein Pendant zum gestrigen Antrag zum Thema DAB ist. Nun weiß man natürlich, was die technologischen und rechtlichen Rahmenbedingungen betrifft, dass sich hier und da einige Unterschiede auftun. Die haben Sie auch genannt.

Wir können sicherlich gemeinsam feststellen, dass wir alle wollen, dass DVB-T eine Erfolgsgeschichte wird. Die Gründe sind klar, denn die Digitalisierung aller Verbreitungsformen muss kommen. Es ist eine Binsenweisheit, dass auf Dauer die analoge Welt verschwinden muss. Die Verminderung von Kapazitätsengpässen und die digitale Weiterverwertung sind zwei der wichtigsten Schlagworte in dem Zusammenhang.

Der terrestrische Verbreitungsweg – als weiterer wichtiger Grundgedanke – ist der einzige, über den die Länder hoheitliche Rechte haben. So gesehen ist es aus meiner Sicht auch legitim, dass diese Länder auch einer nennenswerten Anzahl von Nutzern diesen Verbreitungsweg zur Verfügung stellen. Da das auf dem Stand der Technik geschehen muss, ist die Digitalisierung bei Radio und Fernsehen zwingend.

Ich stimme Ihnen zu, Herr Kollege Eumann, dass es tatsächlich ein Ziel sein muss, alle Regionen des Landes möglichst flächendeckend mit DVB-T zu versorgen, damit es kein Stadt-Land-Gefälle gibt.

Das Wachstum der Nutzerzahlen ist bei DVB-T schneller als bei DAB. Das ist bekannt. Auch die absoluten Zahlen sind in Nordrhein-Westfalen viel größer als bei DAB.

Ein wesentlicher Antrieb bei der erfolgreichen Einführung von DVB-T in den Ballungsräumen war vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk – in unserem Fall der WDR. Das sollten wir hervorheben. Er war für die Praxis in diesem Fall wichtiger als die allgemeine Politik der Landesregierung, denn der WDR hatte sich vorgenommen voranzupreschen. Auch hierfür möchte ich herzlich danken.

Persönlich freue ich mich ganz besonders, dass geplant ist, DVB-T noch vor der Fußball-WM in Ostwestfalen-Lippe aufzuschalten. Hoffentlich folgen demnächst auch die Regionen Münsterland und Aachen, sodass nach und nach eine Flächendeckung erreicht wird.

Die Nachrichten über weitere Aufschaltungen mit dem Wort „Erfolgsgeschichte“ zu beschreiben, birgt ein Problem. Ähnlich wie in Mitteldeutschland gehen nur die öffentlich-rechtlichen Sender auf Sendung, nicht die privaten. Darin liegt das wesentliche Hindernis.

Die Privaten haben kein Interesse, noch weiter DVB-T zu machen. Denn sie können durch DVB-T keine zusätzlichen Werbeeinnahmen erzielen, weil es nicht im GfK-Panel enthalten ist. Also besteht auch kein unmittelbarer wirtschaftlicher Anreiz. Das ist – da sind wir uns sicherlich einig – auf Dauer für den von uns allen gewünschten Erfolg eine Gefahr.

In Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, schreiben Sie: „Deshalb fordern wir die Beteiligten auf, hier weitere Anstrengungen zu unternehmen.“ Das ist in diesem Zusammenhang etwas unverbindlich und allgemein. So kommen wir nicht weiter.

Für die CDU-Fraktion kann ich ausführen, dass wir keine Neigung verspüren, die Privaten zur Verbreitung von DVB-T zu zwingen. Die Privaten müssen zunächst einmal ökonomisch erfolgreich sein.

Man muss als Konsequenz Wege finden, damit eine Verbreitung der privaten Sender über DVB-T ihnen keine ökonomischen Nachteile bringt. Damit kommen wir zum zweiten Hindernis, der Entscheidung der EU-Kommission, die Zuschussbewilligung der Medienanstalt Berlin-Brandenburg an die Privaten zur Einführung von DVB-T als rechtswidrig zu erklären. Das versperrt eindeutig diesen Weg.

Zwar berührt uns in Nordrhein-Westfalen diese Entscheidung nicht unmittelbar, weil wir bei der Einführung anders vorgegangen sind. Mittelbar berührt sie uns sehr, weil die Privaten nun noch weniger Lust haben, sich zu engagieren.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Deshalb wollen wir Stellung beziehen, Herr Brinkmeier!)

Sehr schön.

Es nützt nichts, die Entscheidung aus Brüssel mit aller Macht zu verdammen, wie Sie in einem Ihrer Punkte geschrieben haben. Denn sie ist gefallen. Man sollte sich diese Urteilsbegründung genau

ansehen, um Lösungspfade für die Einbindung der Privaten zu erschließen. Das wird nicht leicht sein. Man muss auch beachten, dass die Bundesländer bei Verhandlungen nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Das kommt erschwerend hinzu.

Wir sollten jedenfalls nicht darauf hoffen, dass in der Urteilsbegründung noch größere Unstimmigkeiten zu entdecken sind, sodass das ganze Verfahren noch einmal neu ausgelotet werden müsste.

In Ihrem Antrag nennen Sie unter Punkt III einige „Überzeugungen“. Sie stoßen im Wesentlichen auf unsere Zustimmung. Die von Ihnen betonte öffentliche Aufgabe des privaten Rundfunks, sehe ich kritisch. Das hat einen Unterton, den ich nicht befürworte. Wir sollten darüber noch einmal im Hauptausschuss diskutieren.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Aber Sie lesen doch auch die Urteile des Bundesverfas- sungsgerichts!)

Ja, ich merke aber den Unterton, der dahinter steckt. Das riecht ein bisschen nach Zwang.

Meine Damen und Herren, medientechnologische Anträge haben wir im Landtag immer in sehr großer Einmütigkeit entwickelt. Daher finde ich es nicht sehr förderlich, wenn Sie von der SPDFraktion vorpreschen, um intern vielleicht Fleißpunkte zu sammeln und um zu prüfen, ob man etwas mit relativ unbestimmten Anträgen erreicht.

Das war gestern beim Thema DAB nicht gut, wie Herr Kollege Schick ausgeführt hat. Dieser Antrag ist auch nicht gut. Das macht nichts. Unser Angebot gilt: Wir können versuchen, im Ausschuss einen gemeinsamen Antrag zu entwickeln. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir eine Einmütigkeit in jeglicher Hinsicht erzielen. Wir sollten versuchen, Unstimmigkeiten auszugleichen. Deswegen stimmen wir natürlich der Überweisung in den Hauptausschuss zu. – Vielen Dank.

Danke schön, Herr Dr. Brinkmeier. – Herr Keymis von Bündnis 90/Die Grünen hat nun das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin etwas erkältet, wie man hört. Das macht nichts. Das Thema ist wichtig. Der Antrag ist an sich gut. Er entspricht im Wesentlichen dem, was wir in gemeinsamer Regierungsverantwortung mit der SPD zum Thema DVB-T immer vertreten haben.

Terrestrisch verbreitetes digitales Fernsehen bedeutet zweierlei:

Erstens. Aus grüner Sicht ist die soziale Dimension nicht zu vernachlässigen. Man hat die Möglichkeit, rund 20 Fernsehprogramme in digitaler Qualität ohne Zugangshindernisse zu empfangen. Man muss nur eine leicht handhabbare, günstige Technik einsetzen. Insofern ist dieser soziale Aspekt bei der Verbreitung auf terrestrisch-digitalem Wege sehr wichtig.

Vor dem Hintergrund dieses Zugangs, den man barrierefrei nennen kann, haben wir uns immer dafür stark gemacht, dass DVB-T in NordrheinWestfalen vorangebracht wird. Das haben wir gemeinsam mit unserem damaligen Koalitionspartner, der SPD, immer so vertreten. In der letzten Legislaturperiode gab es im Landtag weitestgehende Einigkeit – auch über die Fraktionsgrenzen hinweg. Das kann auch so bleiben.

Gleichwohl, Herr Kollege Brinkmeier, ist es das gute Recht einer Fraktion, dieses Thema in einem Antrag aufzugreifen, um daran weiter zu arbeiten. Genau das werden wir im Hauptausschuss tun. Es gibt überhaupt keine Alternative zur Digitalisierung. Das gilt für DAB – das haben wir gestern diskutiert – als auch für DVB-T. Es geht insbesondere darum, keine Regionen auszusparen.

Unter dem eben genannten Gesichtspunkt der sozialen beziehungsweise der Verbraucherdimension macht es überhaupt keinen Sinn, Teile des Landes – das gilt für Nordrhein-Westfalen und für die ganze Republik – vom digitalen terrestrischen Empfang auszusparen. Das ist die Alternative für alle, die keinen Empfang über Satellitenschüssel oder Kabel wollen. Der digitalterrestrische Empfang gehört daher aus meiner Sicht unabdingbar zu den drei entscheidenden verfügbaren Verbreitungswegen.

Vor diesem Hintergrund gibt es nicht viel Positives hinzuzufügen. Das Positive wurde schon erwähnt. Nordrhein-Westfalen ist sehr weit vorne. Rund 14 Millionen Menschen haben die Möglichkeit, 24 TV-Programme in digitaler Qualität über die Antenne zu empfangen.

Spannend ist dabei die Mobilität. Das werden manche erst nächstes Jahr testen, wenn sie im Sommer im Freien Fußballspiele ansehen möchten. Deshalb glaube ich, dass wir an diesem Thema weiter gemeinsam arbeiten können.

Sie haben in einer Hinsicht Recht, Herr Kollege Brinkmeier: Das ist kein entscheidendes Verdienst der Politik. Das ist vor allen Dingen ein Verdienst