Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

Sie haben in einer Hinsicht Recht, Herr Kollege Brinkmeier: Das ist kein entscheidendes Verdienst der Politik. Das ist vor allen Dingen ein Verdienst

derer, die sich sehr engagiert haben: allen voran der öffentliche Rundfunk – bei uns der WDR.

Aber ich möchte auf einen Punkt noch gern hinweisen:

Natürlich steht auch der private Rundfunk in einer öffentlichen Verantwortlichkeit. Das sehen wir genauso wie die SPD. Das haben wir auch immer gemeinsam hier vertreten. Das ist auch vom Bundesverfassungsgericht so gesagt worden. Deswegen glaube ich, dass die sich nicht der Pflicht entziehen können, wie sie gerade – Sie haben das Wort eben benutzt, Herr Brinkmeier – Lust haben. Denn wenn es danach ginge, wer wozu Lust hat, dann würde manches sicher nicht so laufen, wie wir es uns gemeinsam – Sie sicher auch – politisch vorstellen.

Vor dem Hintergrund stehen natürlich diese Betreiber in der Pflicht. Wir werden alles dazu beitragen, dass wir uns in diesem Bewusstsein auch gemeinsam in die digitale Zukunft bewegen. Für die stehen wir Grüne gerne und mit Überzeugung, unter anderem auch deshalb, weil wir gelernt haben, dass digitales terrestrisches Fernsehen, was die Sendekapazitäten betrifft, was sozusagen die Qualität des Sendens betrifft, weniger gesundheitsschädlich ist als die alte analoge Verbreitungstechnik. Das ist ein Argument, das wir zusätzlich immer wieder ins Feld führen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Keymis. – Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Witzel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die FDPLandtagsfraktion – wen wundert’s – ist für den weiteren Ausbau von Digital Video BroadcastTerrestrial, wie DVB-T ausgeschrieben heißt. Wir freuen uns wie alle anderen Fraktionen auch über die Innovationspotenziale, die in diesem Bereich stecken. Wir haben das auch in der Vergangenheit deutlich gemacht. Wir liegen deshalb von der Zielsetzung her nicht auseinander, weil wir natürlich auch die Möglichkeit nutzen möchten, über die neue digitale Fernsehprogrammübertragung zu guter Ton- und Bildqualität zu kommen. Zudem ermöglicht DVB-T gerade auch für Nutzer die Perspektive eines kostengünstigen Folgebetriebs nach einmaliger Investition in die Set-Top-Box. Insofern ist das eine wertvolle Ergänzung und Alternative im Angebot zu Kabel und Satellit, die wir durch DVB-T erhalten.

Wir haben Probleme, was die Versorgung angeht. Das muss man zugeben. Es ist im Wesentlichen nach jetzigem Stand des Ausbaus DVB-TBallungsraumfernsehen mit den großen Schwerpunkten Rheinschiene und Ruhrgebiet. Das liegt natürlich auch an Grenzen der Wirtschaftlichkeit in dem Bereich. Überall dort, wo Private Geld in die Hand nehmen sollen – so ist das in der Marktwirtschaft –, geht es eben auch um Fragen von Reichweiteneffizienz und Investitionskostenberechnungen usw.

Genau da liegt auch der entscheidende Pferdefuß Ihres Antrags – bei aller Gemeinsamkeit in der Zielsetzung, an dieser Stelle voranzukommen. Es ist im Kern eben nicht Aufgabe des Staates, sich um alle Infrastrukturaufgaben zu kümmern. Politisch dafür werben kann man. Man kann auch Vieles an Ausbaumöglichkeiten anregen. Man kann auch für die richtigen politischen Rahmenbedingungen sorgen. Letzten Endes ist es aber Sache der Marktteilnehmer auf der einen Seite und natürlich des Interesses privater Rundfunkveranstalter auf der anderen Seite, das hier gegeben sein muss. Gerade im privaten Bereich gibt es dort doch noch erhebliche Defizite. Deshalb hat der Kollege Eumann ja auch darauf hingewiesen, dass vieles zu einem großen Anteil sicherlich bislang auch in der Verantwortung des WDR gelegen hat.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Aber auch RTL!)

RTL war auch mit dabei. Sie geben mir aber doch sicher Recht, Herr Eumann, dass das in der Breite für die privaten Veranstalter nicht das Thema ist, sondern eher für die großen Öffentlichen?

Bei aller Zielsetzung, an dieser Stelle voranzukommen, und allen richtigen politischen Rahmenbedingungen, für die auch wir sind, legen wir deshalb großen Wert auf die Feststellung, dass letzten Endes der Markt die treibende Feder sein muss. Wir wollen Entscheidungen durch Marktteilnehmer, durch die Interessen auch privater Rundfunkveranstalter. Wenn wir irgendwann einen flächendeckenden Versorgungsgrad von DVB-T erreichen wollen, wird das zu erheblichen Mehrkosten führen. Die müssen in irgendeiner Weise auch im marktwirtschaftlichen Prozess gewollt sein.

Gerade deshalb, weil Politik hier wenige Steuerungsmöglichkeiten hat, glaube ich, müssen wir an dieser Stelle im Antrag noch nachjustieren. Letzten Endes muss Medienwirtschaft auch immer auf den Grundlagen der Marktwirtschaft und

nicht auf der Basis zu großer staatlicher Vorgaben beruhen.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Wir reden über Artikel 5 Grundgesetz, Herr Kollege Witzel!)

In der Zielsetzung, Herr Eumann, sind wir uns deshalb einig. Alle fachlichen Details könnte ich jetzt noch wiederholen. Die hat mein Kollege Brinkmeier von der anderen Koalitionsfraktion schon vorgetragen. Weil ich dem auch so weit in der Analyse und Perspektive zustimme, spare ich mir das jetzt aus Zeitgründen und wünsche uns weiterhin gute Beratungen dieses Antrags im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Kollege Witzel. – Für die Landesregierung spricht Minister Breuer.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem wir bereits gestern über die Digitalisierung des Hörfunks beraten haben, sprechen wir heute über DVB-T – ich kann das nicht so perfekt aussprechen, wie Sie das eben getan haben –, die terrestrische Verbreitung von Fernsehen. In Nordrhein-Westfalen sind die Ballungsräume, die Rheinschiene und das Ruhrgebiet, inzwischen ausreichend versorgt. Die Fernsehzuschauer können mit Indoor-Qualität in diesen Ballungsräumen zwölf öffentlich-rechtliche und zwölf private Fernsehprogramme empfangen. Der reibungslose Umstieg von analoger auf digitale terrestrische Verbreitung von Fernsehen war in diesen Gebieten ein Erfolg.

Die Freude darüber wird aus Sicht der Landesregierung allerdings getrübt. Die privaten Fernsehveranstalter sind nicht bereit, sich an einem weiteren Ausbau in der Fläche zu beteiligen. Nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird kurzfristig das Verbreitungsgebiet auf die Räume Bielefeld und Minden und danach auf Münster und Aachen erweitern.

Mittelfristig ist sogar an eine flächendeckende Versorgung gedacht. Diese wird allerdings nicht mehr Indoor-Qualität besitzen, sodass der Empfang in der Fläche nur mit Hochantennen möglich sein wird.

Ein zweiter Grund, warum unsere Freude getrübt ist, ist das Verhalten der Europäischen Kommission beziehungsweise die Tatsache, dass der gelungene Einstieg in diese Technik auch dadurch erschwert wird, dass die Europäische Kommission

die den privaten Fernsehanstalten im ersten Umstellungsgebiet Deutschlands – das war Berlin – von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg als Unterstützung gewährten finanziellen Zuwendungen für rechtwidrig erklärt hat. Nach Auffassung der Kommission handelt es sich um eine rechtswidrige Beihilfe. Das ist geschehen, obwohl die Europäische Kommission in ihren Mitteilungen zum digitalen Übergang vom September 2003 selbst die Überführung der analogen in die digitale Rundfunkverbreitung für alle Verbreitungswege befürwortet hat.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Wie im Antrag steht!)

Auch in Nordrhein-Westfalen beabsichtigt die Landesanstalt für Medien, der privaten Fernsehgruppe Pro sieben/Sat 1 die Teilnahme an dem Umstieg auf die neue Technik durch finanzielle Hilfen zu erleichtern. Aber da das nordrheinwestfälische Förderkonzept der EU-Kommission zur Billigung vorgelegt worden ist, haben wir eine etwas andere Ausgangslage als in Berlin, wo die Unterstützungsleistungen ohne Einschaltung der Kommission bereits gewährt worden sind und jetzt zurückgefordert werden müssen.

Die LfM prüft zurzeit in enger Abstimmung mit der Staatskanzlei – Abteilung Medien –, welche Schlussfolgerungen sich aus der Entscheidung über die Berliner Förderung ergeben. Ob die MABB gegen die Entscheidung der Kommission ein Rechtsmittel einlegen wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Es liegt in erster Linie in der Verantwortung der MABB, darüber zu befinden, ob vor dem Europäischen Gerichtshof ein Rechtsstreit mit sämtlichen damit verbundenen Risiken geführt werden soll. Die Rechsmittelfrist, sehr geehrte Damen und Herren, läuft noch ungefähr einen Monat. NRW ist in diesem Verfahren nicht klagebefugt.

Der Inhalt des Antrags, aber auch die Beiträge aller vier Fraktionen machen deutlich, dass es immer viel Konsens in Medienfragen gegeben hat, und deswegen freuen wir uns auf die Diskussion im zuständigen Fachausschuss.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Breuer.

Wir kommen zum Schluss der Beratung. Der Äl

testenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags an den Hauptausschuss. –

(Widerspruch von den GRÜNEN)

Ach nein, halt. Herr Keymis möchte noch einmal sprechen. Bitte schön.

Frau Präsidentin, vielen Dank. – Ich hatte noch eine Minute Zeit. Ich will die auch gar nicht ganz ausschöpfen. Ich möchte vielmehr nur eine Bitte an die Regierungsbank äußern.

Uns ist sehr groß und vollmundig angekündigt worden, dass die Themen „Kultur“ und „Medien“ in diesem Lande eine große Rolle spielen werden. Darüber haben wir uns als Fachpolitiker gefreut. Ich stelle jetzt aber fest, dass Sie, Herr Breuer, für alles herhalten müssen, also nicht nur bei Paraphen, sondern auch dann, wenn es um die Themen geht.

Ich würde mir einfach wünschen, dass der Ministerpräsident, wenn es um Kultur geht – wie wir es heute schon einmal hatten und auch gestern schon – und wenn es um Medien geht, dann auch anwesend ist. Gestern ging es nicht, das wissen wir. Heute hätte es vielleicht gehen können; ich kenne die Gründe nicht, warum er nicht hier ist. Aber es wäre schön, wenn das, was Sie uns da angekündigt haben, auch einmal zum Ausdruck kommt.

Das wollte ich einfach nur einmal loswerden. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Keymis.

Somit kommen wir nun zum Schluss der Beratung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 14/871 an den Hauptausschuss. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Das ist einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

14 Immissionsschutz: Landtag muss Ausschluss der Öffentlichkeit und Reduktion der Umweltstandards verhindern!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/883

Ich eröffne die Beratung und gebe Herrn Remmel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 8. November hat das Kabinett einen Gesetzentwurf zur Reduzierung und Beschleunigung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren verabschiedet. Diesen Entwurf haben die Mitglieder des Hauptausschusses und des Umweltausschusses – also die Abgeordneten, das Parlament – erst letzte Woche erhalten, nachdem der Bundesrat schon am 25. November darüber beraten hat. Im Umweltausschuss wurde am 23. November erst auf unsere Nachfrage hin über die Gesetzesinitiative des Umweltministeriums und der Landesregierung berichtet.

Dieses Verfahren ist offensichtlich ein Beispiel dafür, wie die Landesregierung mit Beteiligungsrechten und Informationsrechten des Parlaments umgeht, und ist insofern konsistent, was den Inhalt und den Zweck des Gesetzentwurfs angeht: nämlich weniger beteiligen und Standards reduzieren.

Wenn wir einmal in den Entwurf genau hineinschauen, was denn da passieren soll – beispielsweise in den Katalog der Anlagentypen, bisher in der 4. BImSchV aufgeführt –, dann wird sehr deutlich, wohin die Reise gehen soll. Da sind in erster Linie mittlere Tierhaltungsanlagen mit bis zu 1.500 Schweinen bzw. 250 Rindern zu nennen, die zukünftig von entsprechenden Verfahren einschließlich Öffentlichkeitsbeteiligung ausgenommen werden sollen. Da schimmert wieder der Landwirtschaftsminister durch und das lässt uns dann – schelmisch, wie wir sind – auch wieder das eine oder andere Böse denken.

Das Vorhaben baut nämlich auf dem Trugschluss auf, dass Beschleunigung von Genehmigungsverfahren mit Ausschluss der Öffentlichkeit gleichgesetzt werden kann. Dagegen besagen zahlreiche Studien, dass mangelhafte Anträge der Vorhabensträger und eine verschleppende Bearbeitung gerade von kommunalen Behörden Ursache längerer Genehmigungsverfahren sind.

Zudem – das müssten Sie, Herr Minister, wissen – hat das Umweltministerium jüngst eine Statistik veröffentlicht, die zeigt, dass sich die Dauer von Genehmigungsverfahren in den letzten Jahren deutlich verringert hat. Betrug die Verfahrensdauer einer Neugenehmigung mit Öffentlichkeitsbeteili

gung im Jahre 1995 noch durchschnittlich 8,4 Monate, so lag sie im Jahre 2003 bei 5,4 Monaten. Die Verfahrensdauer von Zulassungsverfahren stellt bereits heute kein Problem mehr dar. Die vorgeschlagenen Änderungen können somit nicht für positive Effekte in Anspruch genommen werden.