Protokoll der Sitzung vom 18.01.2006

Was macht nun die neue Landesregierung? – Sie führt nicht nur Studiengebühren für alle ein – Ihre Einbringung, Herr Henke, zu den Studienkonten war nur ein peinliches Ablenkungsmanöver; das ist ja wohl überhaupt nichts gegen das, was Sie jetzt gerade machen –, sondern Sie beabsichtigen auch noch einen weiteren Kahlschlag bei den Studentenwerken.

Die anvisierten Kürzungen treffen nämlich vor allem diejenigen Studierenden, die ohnehin mit jedem Euro rechnen müssen; Frau Gebhard hat das eben deutlich gesagt. Ohne Zweifel werden die Studentenwerke ihre Preise für das Mensaessen und die Wohnheimmieten deutlich erhöhen. Dazu muss man wissen, dass ungefähr 27 % der Studierenden ein monatliches Einkommen von nur 600 € haben und dass zum Beispiel der durchschnittliche Preis für eine Einzimmerwohnung in Köln etwa 300 € beträgt. Man kann sich also an fünf Fingern ausrechnen, dass diese jungen Menschen dringend auf die Mensapreise und auf niedrige Wohnheimmieten angewiesen sind.

Gleichzeitig muss man sich aber auch fragen, wie Schwarz-Gelb bei solch massiven Belastungen noch von Sozialverträglichkeit bei den Studienbeiträgen und der Unterhaltsfinanzierung reden kann und wie wir unter diesen Bedingungen dem Anspruch gerecht werden sollen, dass zukünftig mehr junge Menschen in Nordrhein-Westfalen ein Hochschulstudium aufnehmen und erfolgreich abschließen.

Dafür ist Vorbedingung, dass nicht nur an den Hochschulen selbst, sondern auch im Umfeld die Rahmenbedingungen stimmen, beim Wohnen, beim Essen, bei der Information und Beratung sowie bei der Betreuung von Kindern. Die Studentenwerke – das wissen Sie alle – sind zuständig für Verpflegung, Unterkünfte, Ausbildungsförderung, Kindergartenplätze, Beratungsdienste, kulturelle Aktivitäten, Betreuung ausländischer Studierender und internationale Aktivitäten. Die von den Studentenwerken aufgebaute wirtschaftliche und soziale Infrastruktur trägt zur Profilierung von Hochschulen und Hochschulstätten bei und bildet einen Erfolgsfaktor für Studienzugang, Studienverlauf und Studienabschluss.

Deshalb sage ich: Es ist kontraproduktiv, wenn eine Regierung die Attraktivität eines Hochschulstandortes hinsichtlich seiner wirtschaftlichen und sozialen Struktur zurückfährt.

Sie werden langsam unglaubwürdig in der Hochschulpolitik, meine Damen und Herren von der Regierung. Eines wird deutlich: Ihre bildungspolitischen Vorschläge werden unweigerlich zu einer sozialen Spaltung der Gesellschaft führen. Mit der Liberalisierung der Grundschulbezirke, eines auf Ausgrenzung angelegten Schulsystems, der Einschränkung des Hochschulzugangs und der Einführung von Studiengebühren werden wir dem Ziel, die Studienanfängerquote zumindest auf den OECD-Durchschnitt von über 40 % anzuheben, nicht näher kommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vor allem wird es uns nicht gelingen, den alarmierend engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungsbeteiligung aufzubrechen.

(Beifall von GRÜNEN und Karl Schultheis [SPD])

Für die sozialen Aufgaben der Studentenwerke errechnet sich für das Jahr 2006 eine Kürzung der Zuschüsse um etwa 8,2 Millionen €. Davon sind alle Studentenwerke proportional betroffen – bis zu Kürzungen von beispielsweise 1,2 Millionen € für das Studentenwerk Köln.

Vor diesem Hintergrund stellt sich tatsächlich die Frage, ob die zwölf Studentenwerke eine solche Kürzung verkraften können oder ob dieser erste Aufschlag der Anfang eines schrittweisen Ausstiegs aus der staatlichen Verantwortung bedeutet.

Die Erfahrungen, meine Damen und Herren, mit dem neuen Studentenwerksgesetz von NRW sind noch kein Jahr alt. Die Studentenwerke sind an allen Standorten bereit, neue Wege im kaufmännischen Wirtschaften zu gehen. Aber sie brauchen auch eine verlässliche Zusage über die Aufgabenstruktur.

Solange sich die Landesregierung hierzu nicht bekennt und die zarten Pflänzchen der Neustrukturierung weder anerkennt noch unterstützt, müssen wir davon ausgehen, dass ein langfristiges Konzept zur Sicherung der Studentenwerke nicht im Interesse der schwarz-gelben Politik liegt.

(Rudolf Henke [CDU]: Wie wollen Sie das denn finanzieren?)

Eine solche Politik des sozialen Abbaus – das kann ich Ihnen jetzt schon sagen – wird die grüne Fraktion nicht mittragen. Vor diesem Hintergrund

unterstützen wir den Antrag der SPD. Wir sind gern bereit, weitere Aspekte im Wissenschaftsausschuss zu erörtern. Wir können uns dann gern einmal über Ihre Vorschläge zum Haushalt 2004/2005 unterhalten, die eine „besonders gute“ Gegenfinanzierung enthielten. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Seidl. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Lindner das Wort.

(Dr. Michael Vesper [GRÜNE]: Die Wunder- waffe!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Bei jedem wissenschaftspolitischen Antrag der Opposition muss ich zu meinem Bedauern aufs Neue feststellen: Sie setzen Ihre Angst- und Desinformationskampagne fort.

(Beifall von FDP und CDU – Karl Schultheis [SPD]: Stimmt das nicht mit den Kürzun- gen?)

Deshalb will ich eingangs für meine Fraktion unterstreichen: Die Studentenwerke leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Bildungsinfrastruktur im Hochschulbereich.

(Dr. Michael Vesper [GRÜNE]: Eben!)

Wir würdigen insbesondere die großen Anstrengungen, die im Hinblick auf die fördernde Begleitung von ausländischen Studierenden und von Studierenden mit Kindern unternommen worden sind und unternommen werden. Dennoch sind Veränderungen in der Finanzierung unvermeidbar. Das sah im Übrigen auch die frühere rotgrüne Koalition so.

(Zuruf von Dr. Ruth Seidl [GRÜNE])

Die Zahlen sprechen für sich: Wurden im Jahr 1996 noch rund 29 % der Kosten für die Studentenwerke durch das Land getragen, so waren es 2001 noch rund 25 % und 2005 nur noch 17 %.

(Zuruf von der SPD)

Die rot-grüne Koalition hat damit den Landesanteil an der Finanzierung allein in den vergangenen vier Jahren um 8 % sinken lassen. Der durchschnittliche Sozialbeitrag pro Semester ist infolgedessen seit 1996 von 29 auf 40 € im vergangenen Jahr angestiegen.

Aber damit nicht genug: Der ehemalige Staatssekretär im Wissenschaftsministerium, Hartmut

Krebs, hat auf mehreren Veranstaltungen, unter anderem auf einem Symposium zum Thema „Zukunft der Studentenwerke“ am 4. April 2003 in Köln erklärt, den Studierenden könne eine stärkere finanzielle Beteiligung an den Kosten der Studentenwerke zugemutet werden. Unter Berücksichtigung der verschiedenen örtlichen Gegebenheiten hielt der SPD-Staatssekretär einen Sozialbeitrag von 80 bis 100 € durchaus für denkbar.

Trotz der erstmals begonnenen nachhaltigen Sanierung des Landeshaushalts werden wir so weit nicht gehen, meine Damen und Herren.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP] – Zurufe von der SPD)

Der Finanzierungsanteil des Landes für allgemeine Aufgaben liegt, wie gesagt, bei 17 %. Eine Kürzung der Landesmittel um 20 % entspricht einer Senkung der Zuschüsse um 3,5 % auf 13,5 %. Falls die Reduzierung der Landesmittel komplett auf den Sozialbeitrag abgewälzt würde – also bei einem Verzicht auf Preiserhöhungen in Mensen, Cafeterien und Wohnheimen –, könnte es an einzelnen Hochschulstandorten zu Erhöhungen von bis zu 10 € pro Studierendem und Semester kommen. Der Sozialbeitrag würde dabei je nach Hochschule zwischen 40 und 60 € liegen und nicht zwischen 80 und 100 €, wie es der SPD-Staatssekretär in Aussicht gestellt hat.

Vor diesem Hintergrund hat die SPD kein Recht, uns fehlendes soziales Fingerspitzengefühl vorzuwerfen.

(Beifall von FDP und CDU – Ralf Jäger [SPD]: Das brauchen wir Ihnen nicht vorzu- werfen. Das ist so! – Weitere Zurufe von der SPD)

Gleichwohl bedauern wir diesen Schritt. Die unsoziale Haushaltspolitik und die fehlende Solidität der Finanzpolitik der rot-grünen Vorgängerregierung zwingen uns zu diesen Maßnahmen. Herr Henke hat das eindrucksvoll finanztechnisch belegt.

(Ralf Jäger [SPD]: Sie wollten eigentlich gar nicht gewählt werden!)

Meine Damen und Herren, als die rot-grüne Landesregierung beschlossen hat, dass die Studentenwerke erhebliche Eigenanteile für Bau- und Sanierungsmaßnahmen an Mensen und Wohnheimen erbringen müssen, hat sich die damalige Opposition diese Position aus Verantwortungsbewusstsein zu Eigen gemacht. Eine solche Mitverantwortung auch für unpopuläre Maßnahmen vermisse ich bei Ihnen.

Stattdessen schürt der SPD-Antrag Ängste und setzt in Verbindung mit der inzwischen schon legendären Zins- und Rechenakrobatik von Herrn Eumann die sozialdemokratische Desinformationspolitik fort.

(Heiterkeit von der CDU)

Auch wenn wir Ihren Antrag in die Ausschussberatungen verweisen, sollten Sie sich keine Illusionen darüber machen, wie wir am Ende damit verfahren werden.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Lindner. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Dr. Pinkwart.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In welcher Situation diskutieren wir diesen Antrag der Opposition? – Wir haben das Land als Sanierungsfall von Rot-Grün übernommen:

(Zuruf von der SPD: Das ist Quatsch! – Karl Schultheis [SPD]: Frau Thoben hat das eben ganz anders dargestellt!)

mit 110 Milliarden € Schulden.

Wir müssen den Landeshaushalt von Grund auf konsolidieren und mit allergrößter Kraftanstrengung gleichzeitig versuchen, neue Gestaltungsspielräume zu gewinnen. Dabei sparen wir nicht um des Sparens willen. Wir sparen, um Zukunft zu gestalten.

(Zuruf von der SPD)

Wir haben klare Prioritäten bei Schulen und Hochschulen gesetzt. Deshalb halten wir am Qualitätspakt mit den Hochschulen fest, so wie wir es versprochen haben. Wenn wir den Kernbereich Hochschule/Bildung, nämlich die finanzielle Ausstattung der Hochschulen, und darüber hinaus die Innovations- und Forschungsförderung nicht nur stabil halten, sondern – Stichwort: Exzellenzinitiative – noch ausbauen wollen – genau das haben wir mit dem Haushaltsentwurf 2006 vor –, muss das Innovationsministerium wie alle anderen Häuser auch an anderer Stelle Konsolidierungsbeiträge erbringen.

Das haben wir mit einer rund 20%igen Kürzung im Bereich der institutionellen sowie der Projekt- und Programmförderung getan. Dazu zählen auch die Studentenwerke. Die Reduzierung der Landeszuschüsse bei den Studentenwerken ist uns nicht

leicht gefallen, wir haben sie aber als verantwortbar erachtet.