Protokoll der Sitzung vom 01.02.2006

Herr Eumann, vielen Dank für die Frage. Sie gibt

mir Gelegenheit, hier noch einmal hervorzuheben, dass ich gerade mit dem Hinweis auf diese drei Cluster- und Schwerpunktbildungen mit Bezugnahme auf das RWI deutlich gemacht habe, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen Stärkenfelder vorliegen haben, an die wir gerne anknüpfen wollen, und mir es auch wert ist, das hier hervorzuheben. Ich habe also genau das Feld dessen beschrieben, was ordentlich ist, was wir weiterführen wollen und woran wir uns auch orientieren wollen, aber auch gesagt, dass wir auch vieles anders machen wollen und dass wir uns auch darüber freuen, dass wir schon etwas Zusätzliches erreichen konnten.

Dass das dann von Ihnen in einer solchen Weise zerredet wird oder auch in einen dubiosen Raum gestellt wird, hat mich dann allerdings gewundert. Ich frage Sie: Wie wollen Sie die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen denn ernsthaft gewinnen, mehr auf diesem Gebiet zu unternehmen? Doch nur, indem Sie die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln und für Forschungskooperationen verbessern! Dazu habe ich die entsprechenden Ausführungen gemacht – auch im Zusammenhang mit Bürokratieabbau im Hochschulfreiheitsgesetz.

Herr Minister …

Ich würde diesen Gedanken sehr gerne erst zu Ende führen, weil er mir sehr wichtig ist. Wenn ich ihn im Zusammenhang zu Ende gebracht habe, können Sie gerne Ihre Frage stellen.

Ich habe also deutlich gemacht, wie wir die Rahmenbedingungen ändern wollen und auch durch Entideologisierung wieder Vertrauen dafür schaffen wollen, dass sich Investitionen in Forschung und Entwicklung an diesem Standort in Zukunft lohnen. Hier spreche ich insbesondere im Hinblick auf den wichtigsten Forschungs- und Entwicklungs-Investor, nämlich die Bayer AG, die grüne Gentechnik an. Wenn ich also sage, dass wir hier ein Stück weit auch eine Politik der neuen Offenheit, der Transparenz und der positiven Ansprache für jene vornehmen wollen, auf die es ankommt, und Sie das dann kleinreden und sich auch gar nicht ernsthaft zu diesen Technologien bekennen wollen, dann muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich habe die Befürchtung, dass wir es mit derlei Begleitung noch schwerer haben werden, als wir es ohnehin haben, aus dieser schwierigen Lage wieder herauszukommen.

Ich jedenfalls freue mich darüber – aufgrund der Redebeiträge, die von den Regierungsfraktionen gekommen sind, habe ich den Eindruck, dass wir uns an dieser Stelle gemeinsam mit den Regierungsfraktionen darüber freuen; ich hoffe, auch mit noch mehr Abgeordneten –, dass große Unternehmen wie etwa die Firma Bayer, die Firma Henkel, die Deutsche Telekom und die Firma Eon – ich bin sicher, dass noch weitere hinzukommen – neue Vorhaben in Nordrhein-Westfalen realisieren wollen. Wie anders sollten wir sonst die Forschungslücke schließen, meine sehr verehrten Damen und Herren?

(Beifall von CDU und FDP)

Jetzt kann ich gerne die Frage beantworten.

Herr Minister, Herr Schultheis hatte sich gemeldet. – Dann gebe ich Herrn Schultheis jetzt das Wort.

Herr Minister, jetzt einmal unabhängig von dem immer wiederholten Ideologievorwurf: Wir sind große Anhänger von wettbewerblichen Verfahren. Diese sind auch in der Vergangenheit durchgeführt worden. – Sehen Sie nicht, dass zum Beispiel in Fällen, die wir eben diskutiert haben – Degussa mit den Science-to-BusinessCentern, Telekom usw. – wettbewerbliche Verfahren nur bedingt anwendbar sind? Mit wem wollen Sie bei bestimmten Projekten denn einen Wettbewerb in Nordrhein-Westfalen durchführen?

Bei den von mir hier benannten Projekten befinden wir uns in allen Fragen im Wettbewerb. Ich will Ihnen ein ganz aktuelles Beispiel nennen, nämlich die Ansiedlung des Energieinstituts von Eon an der RWTH Aachen. Dieses Projekt ist international ausgeschrieben worden. In einem Schlussentscheidungsprozess musste Eon dann zwischen der TU München und der RWTH Aachen eine Entscheidung treffen. Wir haben diese Verhandlungen begleitet. Ich bin froh über die Entscheidung für Aachen. Unlängst habe ich den Präsidenten der TU München getroffen und gemerkt, dass er sich sehr gefreut hätte, wenn er dieses Institut nach München hätte holen können. Er hat aber ehrlich zugegeben, dass die Entscheidung für Aachen wohl begründet ausgefallen ist.

Hier hat ein Standortwettbewerb stattgefunden, bei dem wir alles unternommen haben, was wir konnten, um die Wettbewerbsbedingungen für unseren Anbieter so optimal wie möglich zu ges

talten, sodass diese Entscheidung letztendlich auch positiv ausgefallen ist. Darüber freuen wir uns. Wir sind froh, dass in einem internationalen Wettbewerb jetzt eine solche Institution – so muss man sie bezeichnen – nach Nordrhein-Westfalen kommt, die zentral auf dem wichtigen Gebiet der erneuerbaren Energien mit internationaler Reputation forschen soll.

Solcherlei Ansiedlungen wollen wir in Zukunft noch viel zahlreicher möglich machen. Dafür wollen wir unsere Institutionen, unsere Hochschulen und Forschungseinrichtungen, so stark wie möglich machen, damit sie sich in diesem Wettbewerb auch tatsächlich durchsetzen können.

(Beifall von CDU und FDP)

Und weil Sie das mit den fremden Federn gesagt haben: Ich habe es in diesem Prozess jedenfalls nicht so verstanden, dass die von uns – auch mit großem Engagement des Ministerpräsidenten persönlich – vorangetriebene Ansiedlung eines neuen Max-Planck-Instituts in Köln uns von der Vorgängerregierung sozusagen auf dem silbernen Tablett überreicht worden wäre. Das kann ich jedenfalls nicht feststellen. Das hat so nicht stattgefunden.

Vielmehr ist es auch hier dank exzellenter Wissenschaftler, die wir dort haben, dank des Engagements des Rektors und der Hochschulleitung der Universität Köln – dafür bedanke ich mich –, aber auch dank der fördernden Begleitung durch die neue Landesregierung gelungen, mit hoher Wahrscheinlichkeit in diesem Jahr ein zusätzliches Max-Planck-Institut nach NordrheinWestfalen zu holen. Das würde nicht nur Köln und die Region, sondern auch die Life-Sciences in Nordrhein-Westfalen insgesamt in eine völlig neue Kategorie hineinversetzen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich habe mir erlaubt, das hier vorzutragen, weil wir Sie als Landesregierung auch bitten müssen, dass Sie uns im Haushalt die finanziellen Voraussetzungen dafür eröffnen. Das habe ich doch hier benannt. Dann wird von Zeitungsmeldungen gesprochen. Herr Eumann, auf welchem Niveau wollen wir uns denn austauschen?

(Beifall von der CDU)

Sie sind doch das Parlament, Sie geben doch das Geld, und Sie haben ein Recht, dass hier vorgetragen wird, was wir erbitten, wenn dieses Projekt Wirklichkeit werden soll.

Ich möchte noch etwas zum Thema Haushalt und den Anstrengungen der Vorgängerregierung sa

gen. Denn während wir hier debattieren, laufen auch andere Meldungen durchs Land, zumindest durch die Bundesrepublik Deutschland. Wir haben die Hochschulbaufinanzierung schon einmal im Wissenschaftsausschuss diskutieren können, in dem auch der frühere Finanzminister Mitglied ist. Auch das ist eine bemerkenswerte Facette: Den Sanierungsstau an unseren nordrhein-westfälischen Hochschulen haben wir Ihnen schon für den reinen Hochschulbereich auf 1,5 bis 3 Milliarden € und für die Universitätskliniken auf noch einmal 2 Milliarden € beziffert. Vor dem Hintergrund hat die alte Landesregierung während ihrer Verantwortung in den letzten Jahren und auch in den 90er-Jahren eben nicht entsprechend dem Länderanteil, der Nordrhein-Westfalen nach der Anzahl der Studierenden und nach dem Königsteiner Schlüssel, der die Bedeutung des Landes nach Einwohnerzahl und Fläche berücksichtigt, zusteht, etwa 21 bis 22 % der bundesweiten Hochschulbaumittel pro Jahr verausgabt, sondern nur einen Anteil von rund 15 %.

Es war Ihre Landesregierung, die bei der Föderalismusreform – Müntefering, Stoiber – eine Verabredung getroffen hat für die Neuordnung des Hochschulbaus in der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, die eine Verteilung der vom Bund für den Zeitraum bis 2013 vorgesehenen Ausfinanzierung der Hochschulbaumittel vorsieht. Sie führt faktisch dazu, dass wir, gemessen am Königsteiner Schlüssel, in den nächsten Jahren mehrere hundert Millionen Euro weniger an Hochschulbaumitteln haben, als wir aufgrund der Bedeutung des Landes haben müssten und als wir vor allem gewinnen müssten, um den wachsenden Studierendenzahlen, von denen wir hier ausgehen dürfen, ein entsprechendes Äquivalent entgegenstellen zu können.

Herr Minister …

Wenn Sie also in der Vergangenheit ihre Aktivitäten frühzeitiger und intensiver betrieben hätten, um den Sanierungsstau abzuarbeiten, oder wenn Sie bei den entsprechenden Verhandlungen zur Föderalismusreform im Interesse des Landes andere Ergebnisse herbeigeführt hätten, könnten wir auch hier die schwierige Situation viel leichter bewältigen, als es sich jetzt darstellt.

Herr Minister, Herr Schultheis hat eine weitere Frage.

Ja.

Herr Schultheis, bitte.

Herr Minister Pinkwart, Sie müssen die zeitlichen Abläufe etwas im Auge behalten. Sie wissen, dass Mitursache für die vorgezogenen Bundestagswahlen das Ergebnis der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen war und dass zu dem Zeitpunkt, als die Wahl hier entschieden war – leider so, wie es ist –, erst ein Ergebnis im Rahmen der Koalitionsverhandlungen in Berlin zwischen CDU und SPD zustande gekommen ist. Bei diesen Verhandlungen hat für die Landesregierung Nordrhein-Westfalen nicht Herr Steinbrück am Tisch gesessen – er hat in seiner Funktion als zukünftiger Bundesfinanzminister dort gesessen –,

(Beifall von der SPD)

sondern der jetzt nicht auf seinem Platz sitzende Ministerpräsident Rüttgers. Er hat die Landesinteressen wahrzunehmen gehabt, und er hat dies nicht getan, obwohl seitens …

(Zurufe von der CDU – Hannelore Kraft [SPD]: Das ist die Realität!)

So ist das! – Die Frage ist, ob Ihnen nicht bekannt ist, dass Herr Rüttgers die Landesinteressen dort wahrnehmen sollte.

Vielen Dank, Herr Schultheis, dass Sie Ihrer Feststellung noch eine Frage angeschlossen haben, die ich selbstverständlich mit Ja beantworten kann. Aber das, was Sie vorangestellt haben, widerspricht doch dem, was ich als Problem aufgeworfen habe.

Die Tatsache, dass Sie den Sanierungsbedarf an den Hochschulen in den letzten Jahren und auch in den 90er-Jahren nicht konsequent abgearbeitet haben, lässt sich an den Zahlen der Hochschulbaumittel dokumentieren. Das ist doch Ihre Verantwortung und nicht die der neuen Landesregierung.

(Beifall von der CDU)

Wie wollen Sie sich da herausreden? Das ist doch nicht verantwortbar.

(Karl Schultheis [SPD]: Sie haben das nicht verstanden!)

Das andere, von dem ich sprach, ist, dass die Formulierung der Verfassungsreformkommission doch schon im Dezember 2004 von Ihnen ausgehandelt worden ist. Insofern trägt das Ihre Handschrift, es ist Ihre Verantwortung, und wir stehen jetzt vor der Aufgabe, aus dieser schwierigen Situation herauszukommen.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Wer hat denn für Nordrhein-Westfalen unterschrieben?)

So viel zu dem, was wir angeblich an positiven Dingen von Ihnen übernommen haben und möglicherweise nicht hinreichend mit Copyrights versehen hätten. Ich kann gerne noch andere Punkte nachtragen. Mir geht es aber darum, dass wir uns nicht die Dinge im Einzelnen vorhalten, sondern versuchen, aus den Problemen herauszukommen.

(Beifall von der CDU)

Wenn wir aus den Problemen herauskommen wollen, müssen wir zweierlei tun. Wir müssen sehen, dass wir trotz der Haushaltsmisere für unsere Hochschulen und Forschungseinrichtungen in den nächsten Jahren das Notwendige tun können. Da bitte ich den gesamten Landtag um Unterstützung. Das müssen meine Wissenschaftsministerkollegen in den anderen Ländern auch tun. Denn bei schwieriger Haushaltslage ist das nicht selbstverständlich, dass die Länder, die durch die Verfassungsreform in Zukunft noch mehr Verantwortung tragen werden, für diesen Bereich das finanziell Notwendige tun.

Ich bitte Sie also um Ihre Unterstützung in den nächsten Jahren, damit wir die notwendigen Mittel bereitstellen können. Ich bitte Sie aber auch um Unterstützung dabei, dass wir die Studierenden, die zusätzlich zu den staatlichen Mitteln eigene Beiträge leisten sollen, nicht verunsichern, sondern dass wir sie dafür gewinnen, auf der Grundlage des von uns gewählten Studierendenbeitragskonzepts ein Studium aufzunehmen. Sie werden dadurch auch in die Lage versetzt, in Zukunft in Nordrhein-Westfalen mit kürzeren Studienzeiten und einem größeren Studienerfolg zu studieren.

Wenn hier schon der Herr Bundespräsident zitiert worden ist, dann müssen jene, die im Parlament noch gegen Studienbeiträge sind, bitte auch zitieren, dass sich der Herr Bundespräsident vor den Schülerinnen und Schüler für Studienbeiträge ausgesprochen hat.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Er hat doch vor- gelesen!)

Er hat darauf hingewiesen, dass er, wenn Studienbeiträge eingeführt werden, erwartet, dass dies so erfolgt, dass keiner etwa aufgrund der Einkommenssituation oder der sozialen Herkunft an der Aufnahme eines Studiums gehindert wird.

Hier nehme ich für die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen in Anspruch – das können Sie durch einen ganz einfachen Vergleich aller in Deutschland bisher vorliegenden Studienbeitragsmodelle leicht feststellen –, dass wir in Nordrhein-Westfalen das sozialverträglichste Studienbeitragsmodell in ganz Deutschland auf den Weg bringen werden.

(Beifall von CDU und FDP)