Jetzt haben wir den Schock der demographischen Entwicklung. Wir kennen das zwar seit ungefähr einem Jahrzehnt, aber erst langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass wir diese demographische Entwicklung auch ganz konkret als Herausforderung und Handlungsauftrag an die Politik wahrnehmen und ihr gegensteuern müssen.
Dann wird endlich auch wahrgenommen, dass der Lebensentwurf von potenziellen jungen Eltern, von jungen Leuten ganz anders ist, als sich das in einer traditionellen Familienstruktur wiederfindet. Vor allem junge Frauen wollen sich heute nicht
mehr auf die drei Ks – Kinder, Küche, Kirche – reduzieren lassen. Sie fordern Unterstützung dabei, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen.
Also diskutiert nun endlich auch die große konservative Volkspartei über Konzepte, das zu ermöglichen.
Eine Anmerkung zu der Debatte, die im Moment in den Mittelpunkt der Gesellschaft gerückt ist – das freut mich zwar, aber zum Teil finde ich die sehr instrumentelle zweckorientierte Art und Weise, wie da über Familienpolitik und über Politik für Kinder diskutiert wird, doch nicht gut –: Es darf uns bei allen Lösungsansätzen nicht nur um Fragen der Demographie oder um Lebensentwürfe von Eltern gehen und schon gar nicht darum, primär Arbeitsplätze im haushaltsnahen Dienstleistungssektor zu schaffen. Nein, wir Grüne wollen, dass das Kind in den Mittelpunkt unserer Anstrengungen gestellt wird. Uns geht es um die optimale Förderung von Kindern. Es geht darum, den Kindern die besten Entwicklungsmöglichkeiten zu geben.
Vor allen Dingen geht es uns darum, Kinder vor materieller und vor Bildungsarmut zu schützen. Wir Grüne sagen: Wir wollen alle Kinder mitnehmen, wir wollen keinen verlieren, jede und jeder soll sein Potenzial entwickeln können, unabhängig von der Herkunft oder dem Einkommen der Eltern.
Wenn man diese Kriterien zugrunde legt, das heißt, das Kind selbst in den Mittelpunkt stellt und dann auch die Bedürfnisse der Eltern hinzunimmt, und wenn man das als Folie betrachtet, anhand derer wir Familienpolitik in Deutschland betreiben müssen, dann kommt man in der Tat zu Positionen, die im Gegensatz zu dem stehen, was in Berlin vereinbart worden ist.
Die Bundesregierung bewegt sich nämlich mit ihren Instrumenten ausschließlich auf dem Terrain der finanziellen Entlastung. Sie betrachtet das alles unter fiskalischen Gesichtspunkten, als ob alles gelöst wäre, wenn die Eltern ein paar Euro mehr in der Tasche hätten.
Aber sowohl nach endlosen Schleifen endlich zu Ende geführter Steuerdebatte als auch der Debatte um das Elterngeld kommen wir zu dem Schluss, dass alle Lösungen, die auf den Tisch gelegt werden, bedeuten: Wer mehr hat, bekommt jetzt auch noch mehr dazu. – Das kann es nicht
Darauf hat ja auch der Ministerpräsident Anfang des Jahres richtigerweise in seinen Neujahrsreden hingewiesen.
Mit dem jetzt vorgelegten Modell des Elterngeldes wird das Problem der Kinderarmut in Deutschland eher verfestigt, es wird mitnichten gelöst. Wir haben gerade letzte Woche die Stellungnahme der katholischen Familienverbände zu diesem Thema erhalten. Sie fordern die Wahlfreiheit zwischen Erziehungsgeld in der alten Form und dem Elterngeld, weil der jetzt festgelegte Sockelbetrag des Elterngeldes niedriger ist als das bisherige Erziehungsgeld. Zu allem Überfluss soll der dann auch noch auf andere Sozialleistungen angerechnet werden. Damit, meine Damen und Herren, haben Familien mit geringem oder ohne Einkommen zukünftig weniger zur Verfügung als vorher.
Es kann doch nicht sein, dass wir über ein Modell reden, mit dem wir unmittelbar wachsende Kinderarmut in Deutschland produzieren. Daneben wird die richtige Reihenfolge der familienpolitischen Instrumente verkehrt.
Familien brauchen aber zunächst eine verlässliche Infrastruktur, ausreichend Betreuungsplätze, und zwar gerade auch für die Kleinsten. Hier drückt der Schuh am meisten. Minister Laschet hat zu Recht in der Aktuellen Stunde am 18. Januar darauf hingewiesen, dass sich nach einem Jahr Elterngeld eine Lücke auftut, da die Eltern wieder auf sich selbst gestellt sind, weil die notwendigen Betreuungsplätze fehlen.
Hier müssen wir ansetzen. Wir brauchen verlässliche Betreuungsstrukturen, damit Eltern wissen, dass ihre Kinder auch gut versorgt sind, wenn sie ihrer Berufstätigkeit nachgehen. Das ist das familienpolitische Gebot der Stunde: Infrastruktur vor finanzieller Entlastung.
Die Landesregierung teilt diese Sichtweise; wir sind da einer Meinung. Minister Laschet hat das gestern noch einmal in der Presse bekräftigt, und er hat die Ablehnung des Elterngeldes im Bundesrat in Aussicht gestellt.
Deshalb fordern wir heute die CDU-Fraktion auf: Bekennen Sie in dieser Frage Farbe. Stellen Sie sich in dieser Frage zu Ihren eigenen familienpolitischen Konzepten. Stehen Sie zu den Aussagen
Wir sind gespannt, wer sich an dieser Stelle in der familienpolitischen Debatte in der Koalition durchsetzen wird. Wird das die CDU-Fraktion als größere Fraktion sein, oder wird es wie so oft sein, dass sich die kleine Fraktion FDP durchsetzt, also der Schwanz mit dem Hund wackelt? Ich bin gespannt auf Ihre Beiträge zu unserem Antrag.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen liest, könnte man auf den ersten Blick sogar erfreut sein und sagen: Es ist schön, dass den Qualitäten unseres Minister ein eigener Antrag gewidmet wird. – Das ist doch toll, Herr Laschet. Das haben wir nicht so oft.
Ich bin immer dabei, wenn wir uns in dem zuständigen Fachausschuss über die besten Wege auseinander setzen. Dort habe ich nicht immer den Eindruck, als ob sich Frau Asch und Herr Laschet unheimlich gut verstehen oder gar in den Armen liegen würden. Aber das mag meine falsche Sicht der kleinen Dispute sein, die dort untereinander ausgetragen werden.
Nun gut! Ich könnte, wenn ich den Antrag zum zweiten Mal lese und vielleicht nicht mehr so erfreut bin, auch zu der Einsicht kommen: Der ist gar nicht gestellt worden, um hier über Neuigkeiten nach der Aktuellen Stunde im Januar zu diskutieren – damals haben wir nämlich schon einmal über dieses Thema diskutiert –, sondern nur, um die CDU ein bisschen zu ärgern oder sie vielleicht sogar in Konflikte zu bringen: Was sagt Frau von der Leyen? Was sagt Herr Laschet? – Auch das ist ein Weg, wie man den Antrag lesen kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur eines: Sie brauchen uns nicht zu sagen, dass wir unseren Minister unterstützen sollen. Das tun wir wirklich aus voller Überzeugung und auch jede Woche, nicht nur dann, wenn in der Zeitung irgendetwas steht, was uns gerade zupass kommt. Das will ich an der Stelle von uns aus bemerken.
vielfältig, dass es, wie ich glaube, falsch wäre, dem Antrag, wie er heute gestellt ist, zuzustimmen. Das wiederum würde nämlich Herrn Laschet ganz enorm binden. Insofern ist unsere Haltung die, dass wir keine Nachhilfe brauchen und deshalb auch den Antrag ablehnen.
Vor zwei Tagen stand in der „FAZ“ ein Artikel – aber vielleicht vertue ich mich da auch wieder –, wonach die familienpolitische Sprecherin der Bundesgrünen gesagt hat, auch sie wollten im Prinzip ein Elterngeld, nur nicht jetzt und nicht so und irgendwie anders.
Offensichtlich haben Sie da einen Dissens über kleine Schwerpunktveränderungen innerhalb des Landes und des Bundes. Auch das ist eine spannende Frage. Aber darüber reden wir heute nicht. Ich will hier keine große Familiendebatte anzetteln. Das haben wir oft genug getan und werden es, gerade wenn wir in den nächsten Monaten das Kindergartengesetz ändern werden, mit Sicherheit immer und immer wieder tun, um wirklich alle gemeinsam um den besten Weg zu ringen.
Insofern hoffe ich, dass Sie es, wenn Herr Laschet dann etwas sagt, auch so toll finden und vielleicht noch einmal einen Antrag zu Papier bringen. Für heute sage ich danke schön und tschüss.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen arbeitet schnell, und sie macht jetzt auch Tempo. Die Fraktion hört zu und macht die Aussagen von Minister Achim Laschet in der Aktuellen Stunde zur Grundlage ihres Antrags.
Aber ich meine, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen übersieht in ihrer Eile die aufgestellten Wegweiser und marschiert in die falsche Richtung. Wenn wir über den Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder sprechen, ist nicht Berlin die zuständige Baustelle, sondern allein wir in Nordrhein-Westfalen haben per Gesetz die Verantwortung und den Auftrag, Betreuungsangebote für Kinder bereitzustellen.
noch wissen. Da Bündnis 90/Die Grünen, jedenfalls aus meiner Sicht, dieses große Hinweisschild übersehen hat, sage ich für die SPD: Wir werden den vorliegenden Antrag nicht mittragen. – Ich sage Ihnen auch, warum die SPD-Fraktion diesem Antrag nicht zustimmen kann. Frau Löhrmann hat in der zitierten Aktuellen Stunde erklärt – Ihre eigenen Worte –: Wir wollen, dass Kinder unabhängig vom Portemonnaie der Eltern den Kindergarten besuchen. – Weiter erklären Sie: Eltern, und insbesondere Frauen, muss ermöglicht werden, Kinder und Karriere unter einen Hut zu kriegen, dass sich wieder mehr für Kinder entscheiden.
Ich frage mich, warum Sie dann die Einführung des Elterngeldes kritisieren, wie es von der großen Koalition in Berlin vorgesehen ist. Denn – ich sage das bei allen Fragen, die man dazu haben kann – ein Obolus kann die Entscheidung für den Nachwuchs durchaus befördern, gerade bei den Qualifizierten. Ich rede nicht von Hochqualifizierten, sondern z. B. von ganz normalen Facharbeitern, Müttern und Vätern, denen dieser Schritt zum Kind erleichtert werden soll. Dadurch wird der Einkommensausfall deutlich abgefedert. Unsere nordischen Nachbarn haben jedenfalls gute Erfahrungen mit dem Elterngeld gemacht.
In Schweden wurde das Elterngeld schon vor drei Jahrzehnten eingeführt. Wenn man sich die Wirkungen auf die Geburtenrate ansieht, kann man feststellen, dass sie 2004 dort bei 1,8 Kindern pro Frau lag, in Deutschland aber nur bei 1,3. 2004 betrug die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Schweden 75,9 %, in Deutschland 59 %. Man muss sich schon fragen, was so ganz verkehrt daran ist, wenn man Kraftanstrengungen unternimmt, um den Schritt hin zum Kind zu erleichtern.