Protokoll der Sitzung vom 05.04.2006

Vielen Dank, Herr Kollege Henke. – Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung zu Tagesordnungspunkt 7 sind und zur Abstimmung über die Empfehlung des Ältestenrates kommen können.

Diese Empfehlung sieht vor, dass der Antrag mit der Drucksache 14/1563 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – federführend –, an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie sowie an den Hauptausschuss überwiesen werden soll. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Somit ist diese Überweisungsempfehlung mit Zustimmung aller vier Fraktionen angenommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt:

8 Für eine verbraucherorientierte Kennzeichnung von Bio-Produkten in Europa

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/1549

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Beratung und erteile für eine der antragstellenden Fraktionen der Kollegin Fasse das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Koalition hat sich in der Koalitionsvereinbarung ausdrücklich zur unternehmerischen und bäuerlichen Landwirtschaft

bekannt. Sie hat die Landwirtschaft als bedeutenden Wirtschaftsfaktor unseres Landes bezeichnet. Regierungsziel ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe. Dabei sollen konventionelle und ökologische Landwirtschaft gleichrangig behandelt werden.

Gesetzliche Maßnahmen sind auf dieses Regierungsziel hin zu überprüfen und abzustimmen. Es soll frühzeitig Einfluss auf die Gestaltung von EURichtlinien und Verordnungen genommen werden. Auch ein effektiver Verbraucherschutz wird im Koalitionsvertrag als Regierungsziel ausdrücklich genannt und sogar als europäische Aufgabe bezeichnet.

Vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag einer völligen Neufassung der EG-Ökoverordnung, den die Kommission am 21. Dezember 2005 vorgelegt hat, zu sehen. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, die erreichten Standards zum Wohle der Landwirtschaft und auch zum Wohle der Verbraucher zu sichern. Diese Standards sollten, wenn irgendwie möglich, sogar noch verbessert werden.

Die Ökoverordnung stellt Richtlinien für Pflanzenbau und Tierhaltung auf. Sie enthält auch Regelungen bezüglich der Herstellung und des Vertriebs von Ökoprodukten. Für Lebensmittel und landwirtschaftliche Erzeugnisse ist der Biobegriff gesetzlich geschützt. Nun soll eine für alle Mitgliedstaaten der EU verbindliche Neufassung der Verordnung in Kraft gesetzt werden.

Der Vorschlag der Europäischen Kommission stößt in Deutschland auf breite Kritik. Diese Kritik geht durch alle beteiligten Kreise und Verbände. Auch die Bundesregierung lehnt die vorgeschlagene Novellierung der Verordnung ab.

Die Kritik richtet sich einmal dagegen, dass der EU-Agrarrat bereits im Juni 2006 die Verabschiedung der Novelle beabsichtigt. In der Kürze der verbleibenden Zeit erscheint eine ordnungsgemäße Einbeziehung der EU-Mitgliedstaaten und der Wirtschaftsbeteiligten nicht möglich.

Es ist nämlich unabdingbar, dass die Praxis aus Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel intensiv an der Gestaltung der Neuregelung beteiligt ist. Die sorgfältige Vorbereitung des endgültigen Verordnungstextes muss oberstes Gebot sein. Es besteht nicht der geringste Anlass, die Verordnung in kürzester Zeit durchzupeitschen.

Zum anderen enthält der Vorschlag schwere inhaltliche Mängel. Es soll eine Abkehr von der privatwirtschaftlichen Kontrolle unter hoheitlicher Aufsicht vorgenommen werden. Der Öko-Landbau soll in die amtliche Lebensmittel- und Futterkon

trolle integriert werden. Dies stellt eine Schwächung des Verbraucherschutzes und eine Ausweitung der Bürokratie dar. Beides widerspricht den eingangs dargestellten Zielen unserer Regierungskoalition.

Der von der EU beabsichtigte Wechsel von der Prozess- zur Produktkontrolle ist mit dem Grundgedanken des ökologischen Landbaus nicht zu vereinbaren. Die zurzeit noch durchgeführte Prozesskontrolle vom Acker bis zum Teller darf nicht aufgegeben werden. Andernfalls wäre der Begriff Bio nur noch unzureichend geschützt.

Mit der neuen Verordnung wäre eine enorme Schwächung des Verbraucherschutzes zu erwarten, weil eine den Verbraucher irreführende Kennzeichnung von Pseudo-Bioprodukten ermöglicht und der Import von Drittlandware zweifelhaften Ursprungs erleichtert würde. Wir müssen verhindern, dass die Erzeugung von biologischen Lebensmitteln nun auf dem niedrigsten Niveau definiert wird.

Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die Wettbewerbssituation unserer heimischen Erzeuger zu stärken und die hohen deutschen Standards möglichst EU-weit zu verankern. Auf diese Weise können wir die einheimische Landwirtschaft am boomenden Markt teilnehmen lassen und dem Verbraucherschutz dienen.

Mit den vielen sehr allgemein gehaltenen Aussagen im Entwurf der Verordnung steht zu befürchten, dass die Kontrollen europaweit noch uneinheitlicher werden und somit die Wettbewerbsverzerrungen im gemeinsamen Binnenmarkt schon vorprogrammiert sind. Die Novelle muss bewährte Regelungen beibehalten und Schwachstellen nachbessern und darf nur zu einer Verbesserung der bisherigen Situation führen. Diesem Ziel wird die von der EU vorgelegte Novelle nicht gerecht. Um dieses zu erreichen, haben wir den Antrag eingebracht, und wir bitten um entsprechende Beschlussfassung. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Fasse. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Ellerbrock das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Fasse hat eigentlich schon vom Prinzip her die Grundlagen des Antrages umfassend dargestellt. Mir bleibt, noch einmal darauf hinzuweisen, welche Proble

matik wir beim Biolandbau haben. Auf 4,1 % der in Deutschland genutzten landwirtschaftlichen Fläche werden Produkte angebaut, die nur einen Anteil von 2,3 % am Lebensmitteleinzelhandel haben. Das ist die gleiche Problematik, die wir eben auch bei den Eiern hatten.

Für viele Verbraucher ist nach wie vor der Preis das einzig ausschlaggebende Element. Wenn wir die Werbung „Geiz ist geil“ vor Augen haben, dürfen wir uns nicht wundern, dass manchmal Lebensmittel angeboten werden, die einfach den Begriff Lebensmittel nicht rechtfertigen. Daran sind wir selbst schuld. Wer eine solche Werbung noch unterstützt und gutheißt, darf sich nicht wundern, was dann auf dem Markt angeboten wird.

Das Biosiegel soll nach dem Motto „Der informierte Bürger ist der mündige Bürger“, etwas Vernünftiges bewirken. Deswegen sind wir froh über diesen Antrag der Koalitionsfraktionen, der das Thema nach vorne bringt. Er soll, ausgerichtet auf Wettbewerbsgleichheit in Europa, unseren Biolandwirten verbreiterte Marktchancen eröffnen, damit wieder Vertrauen in die Produkte gesetzt wird: Wo Bio draufsteht, muss auch Bio drin sein.

Nach meiner tiefen Überzeugung ist das Wachstum bei Bioprodukten ganz entscheidend von einer klaren und verständlichen Kennzeichnung der Produkte abhängig. Durch eine klare Produktkennzeichnung soll jeder wissen, was er kauft, um eine bewusste Kaufentscheidung treffen zu können.

Damit dürfen wir allerdings keine Tür öffnen, um irgendwelche Standards zu senken. Das hat Frau Kollegin Fasse versucht klarzumachen und sich ausdrücklich gegen den untersten Level ausgesprochen. Wir sollen vielmehr dazu kommen, dem Verbraucher eine bewusste Kaufentscheidung zu ermöglichen. Deswegen dient diese EU-Ökoverordnung dem Verbraucherschutz.

Wir dürfen auch nicht verschweigen, dass es in jedem Wirtschaftszweig schwarze Schafe gibt. Damit möchte ich nicht die Schafzüchter diskriminieren, sondern darunter verstehe ich eine allgemeine Wortwahl der deutschen Sprache. Diese schwarzen Schafe dürfen wir nicht außer Acht lassen, und deswegen ist es gut, wenn in der Ökoverordnung auf EU-Ebene auch Sanktionsmaßnahmen verankert werden. Davor dürfen wir die Augen nicht verschließen.

Wir werden im Ausschuss noch genügend Zeit haben, über diesen Antrag zu beraten. Wir tragen den Antrag inhaltlich nicht nur voll mit, sondern hoffen, dass der Antrag von allen Parteien – auch

von den Grünen und der SPD – getragen wird. – Schönen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD Kollege Stinka das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Der Biomarkt boomt. Das dürfte sich mittlerweile auch bis zu den Menschen herumgesprochen haben, die bis vor kurzem noch Bioläden und ökologische Landwirtschaft mit Müsli, Latzhose und BirkenstockSandalen gleichgesetzt haben, also als Markt für eine abgegrenzte Klientel, eine kleine Randgruppe unserer Gesellschaft.

Das ist lange her. Heute gehört der Handel mit Produkten aus ökologischer Landwirtschaft zu den wenigen seit Jahren wachsenden Branchen. Jährliche Wachstumsraten von bis zu 12 % seit geraumer Zeit sind ein deutliches Anzeichen hierfür. Manch anderer Wirtschaftsbereich würde sich solche Daten wünschen.

(Beifall von Svenja Schulze [SPD])

Das Etikett Bio ist mittlerweile nicht mehr nur eines für Sonderlinge, sondern ein echter Marketingfaktor. Dass mittlerweile Supermärkte und Discounter Bioserien in den Regalen haben, macht klar, wie groß das wirtschaftliche Potenzial und auch der Imagegewinn solcher biologischen Lebensmittel ist.

Die Erfolgsgeschichte von Biolebensmitteln verdeutlicht, wie tief das Bedürfnis der Kunden nach gesunden, nachhaltig erzeugten und verarbeiteten Produkten ist. Dieses Bedürfnis stieg und steigt in Zeiten von BSE, Gammelfleisch und vermeintlichem Gift in Gemüse. Aber auch ohne Skandale ist die Zahl immer konstant geblieben.

In der Kette Erzeuger, Verarbeiter, Händler und Kunde gibt es ein Zauberwort für dieses Geheimnis, nämlich Vertrauen. Auch dafür steht das Biosiegel, dass sich Verbraucherinnen und Verbraucher darauf verlassen können, was sie vorfinden. Wo Bio draufsteht, ist auch Bio drin – das hat Herr Ellerbrock vorhin ausgeführt –, und zwar vom Anfang bis zum Ende. Das war bisher so und das muss auch so bleiben.

Es ist schön und für unsere Fraktion überraschend, aber umso besser, dass sich für diese alten SPD-Erkenntnisse nun auch CDU und FDP

eingesetzt haben. Deshalb wird meine Fraktion dem Antrag der Regierungsfraktionen in der Hoffnung zustimmen, dass es für den Schwenk auch auf europäischer Ebene noch nicht zu spät ist.

Die EU-Kommission hat Ende letzten Jahres einen Vorschlag für diese neue Ökoverordnung ausgearbeitet und auf den Weg gebracht. Sie wird wenig besser, aber vieles schlechter machen als die alte Verordnung. Die Kommission hatte wohl Gutes im Sinn – so viel wollen wir unterstellen –, ohne zu fragen für wen. Doch ohne Not weicht die vorgeschlagene Neufassung von bewährten Regelungen ab und gibt nur Mindeststandards vor. Frau Fasse ist darauf eingegangen. Viele Landwirte produzieren bereits heute mit viel höheren Standards.

Verbände und Händler weisen zu Recht darauf hin, dass die vorgelegten Formulierungen zu unbestimmt und zu vage sind und dem Wesen der Biowirtschaft nicht nahe kommen, nämlich Vertrauen zu gewähren. Allzu vage Vorgaben sind der Flexibilität zu viel, auch wenn Entbürokratisierung und weitere Öffnung des Handels mit Drittstaaten wünschenswert sind. Vorschriften für die Erzeugung, die Kennzeichnung und die Kontrollen müssen aber auch nach unserer Meinung hinreichend bestimmt und eindeutig bleiben, damit Biosiegel Gütesiegel bleiben.

Deshalb, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, werden wir den Antrag mittragen, durch den die Landesregierung zusammengefasst gebeten wird, sich für eine adäquate Neufassung der Bioverordnung einzusetzen, auch vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Potenziale.

Wir nehmen abschließend freudig zur Kenntnis, dass es eine Aufgeschlossenheit gegenüber Bio gibt, hoffen auf weitere Arbeitsfelder auf dem Sektor, und dass sich die Regierung dort genauso bewegt wie beim Biosiegel. – Ich bedanke mich fürs Zuhören.

(Beifall von SPD, CDU und FDP)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Stinka. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kollege Remmel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte vier Anmerkungen machen.

Erste Anmerkung: Biolebensmittel sind die gesündere Wahl. Wer Biolebensmittel kauft, erwirbt gleichzeitig auch ein Stück Natur- und Umwelt

schutz. Biolebensmittel und biologische Landwirtschaft sind ökonomisch erfolgreich. Im Jahr 2004 wurden 20.000 Produkte mit dem Biosiegel ausgezeichnet. Im Jahr 2005 nutzten 1.489 Unternehmen das Siegel für über 30.000 Produkte. Die Botschaft lautet: Mit biologischer Landwirtschaft kann man auch Geld verdienen, und man ist ökologisch und ökonomisch erfolgreich.

Zweite Anmerkung: Ich glaube, die von der CDU in dem Antrag dargelegten Kritikpunkte an den Vorstellungen der EU werden von allen politischen Kräften in Deutschland geteilt, so auch in diesem Landtag. Es bedarf einer gemeinsamen Anstrengung, damit diese Pläne der EU, so, wie sie dargelegt sind, nicht Wirklichkeit werden. Deshalb unterstützen auch wir den vorgelegten Antrag.