Protokoll der Sitzung vom 03.05.2006

(Beifall von der SPD)

Ihr Umgang mit Städten und Gemeinden ist, vorsichtig ausgedrückt, gewöhnungsbedürftig. Die Art

und Weise, wie Sie auf berechtigte Kritik reagieren, ist kein Zeichen von Souveränität, ist kein Zeichen von Sicherheit,

(Edgar Moron [SPD]: Richtig!)

sondern ist ein Zeichen von Machtverliebtheit und wenig Verständnis für die Situation unserer Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD)

Das steht natürlich nur als Beispiel für den Gesamtstil Ihrer Politik.

Konnexität, ein weiteres beliebtes Stichwort. Mit den Auswirkungen Ihrer Politik und dem Konnexitätsprinzip halten Sie es wohl auch nicht so genau. Mit Datum vom 10. April 2006 hat sich die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände wegen der Konnexitätsrelevanz des Schulrechtsänderungsgesetzes an die Landesregierung und die Fraktionen gewandt. Wie dem Antwortschreiben zu entnehmen war, hat das die Landesregierung offensichtlich überrascht, meine Damen und Herren. Ich kann Ihnen nur sagen: Bezogen auf die Kommunen überrascht uns bei dieser Landesregierung überhaupt nichts mehr.

(Beifall von der SPD)

Lassen Sie mich auch darauf hinweisen, dass die geplante Änderung der Gemeindeordnung hinsichtlich des Gemeindewirtschaftsrechtes, der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden, auf massive Kritik trifft, die auf dem Städtetag artikuliert worden ist. Hier wird unter dem Motto „Privat vor Staat“ aus ideologischen Gründen eine wichtige kommunale Aufgabe infrage gestellt.

Meine Damen und Herren, Zeitungslesen bildet: Ich habe dann nach dem Landesparteitag der FDP der überörtlichen Presse entnehmen dürfen, dass die NRW-Liberalen mit der CDU glücklich sind. Mit glücklichen Verbindungen ist das so ein Ding. Ich habe manchmal den Eindruck, die FDP ist glücklich und die CDU ist gebunden. Das gilt gerade auch für die Frage des Gemeindewirtschaftsrechts.

(Beifall von der SPD)

Wir haben heute Morgen – ein weiteres Beispiel für Ihre Gemeindefreundlichkeit – eine Sondersitzung des HFA durchführen müssen, weil – man höre und staune – übersehen worden ist, dass eine von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Änderung des Haushaltsbegleitgesetzes ohne die erforderliche Anhörung der kommunalen Spitzenverbände erfolgen sollte.

Richtig ist, meine Damen und Herren – jetzt komme ich zum engeren Bereich des GFG –, dass es dort eine Reihe von systematischen Änderungen gibt, die von den Kommunen – das haben wir bei der Anhörung der kommunalen Spitzenverbände deutlich festgestellt – mitgetragen werden. Dies gilt für den Abrechnungszeitraum, der den tatsächlichen Steuereinnahmen aus dem Referenzzeitraum entsprechen soll, sodass nachträgliche Abrechnungen entfallen.

Umstritten ist die Abkehr von der Spitzabrechnung zur Ermittlung des Solidarbeitrages. Hier hat zwar die Gemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände eine eindeutige Meinung abgegeben. Aber so ganz eindeutig war sie auf Nachfragen hin nicht.

Allerdings, meine Damen und Herren – da ergibt sich der Zusammenhang zu dem, was ich gerade ausgeführt habe – ist von den Kommunen ganz einhellig der Wunsch artikuliert worden, die Abrechnung des kreditierten Betrages auf mehrere Jahre zu strecken. Wenn man das GFG in Anbetracht der Steuererwartungen, die auch für die Gemeinden positiv sind, isoliert betrachten würde, wäre das ein Punkt, bei dem man über den Wunsch der Städte und Gemeinden geteilter Ansicht sein könnte.

In Anbetracht dessen, unter Würdigung aller Bezüge zwischen Land und Gemeinden, ergibt sich für uns zwingend, dass wir diesem Wunsch der Kommunen nach Entlastung folgen sollten. Wir waren nach der eindeutigen Anhörung zum GFG der Ansicht, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen hier von sich aus die nötigen Konsequenzen ziehen würden, insbesondere weil mittelfristig nur ein Zinsverlust, der angesichts der relativ positiven Einnahmeerwartungen überschaubar ist, droht. Aus diesem Grunde haben wir im Kommunalausschuss und im HFA jeweils dem Antrag der Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen zugestimmt.

Sie dürfen uns beim Wort nehmen: Wir kommen auf diesen Punkt zurück. Leider ist absehbar, dass Ihre Haltung in dieser Frage nicht veränderlich ist. Deshalb werden wir dem GFG in der vorliegenden Form insgesamt nicht zustimmen.

An der Stelle will ich mich auch nicht an Spekulationen über die Entwicklung in den kommenden Jahren beteiligen. Die Tatsache, dass die Zweckzuweisungen nicht mehr im GFG veranschlagt werden, ist derzeit für die Kommunen finanzneutral. Wir erwarten allerdings von der Landesregierung, dass diese Zweckzuweisungen auch künftig von Kürzungen ausgenommen bleiben und dass

darüber hinaus der Anteil der Gemeinden und Gemeindeverbände am Steueraufkommen auf Dauer auch in den kommenden Jahren prozentual auf gleicher Höhe bleibt wie im Augenblick.

(Norbert Post [CDU]: Anders als bisher!)

Kollege Post, das war zwar eine nette, aber leider nicht zutreffende Zwischenbemerkung.

Lassen Sie mich im Ergebnis festhalten, dass es im laufenden Jahr in Nordrhein-Westfalen eine Menge Anlass zum Feiern geben wird: Wir freuen uns alle auf ein Landesjubiläum, das hoffentlich würdig begangen wird. Wir freuen uns auf die Fußballweltmeisterschaft. Es gibt allerdings ein kleines Jubiläum, das kein Anlass zur Freude ist: Nach einem Jahr schwarz-gelber Landesregierung, meine Damen und Herren, haben die Kommunen in Nordrhein-Westfalen keinerlei Grund zum Feiern. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Wüst von der CDUFraktion das Wort.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Zuruf von der SPD: Den General müsst ihr doch verste- cken!)

Das scheint Begeisterung auszulösen.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich wie immer über die Begeisterung, wenn ich zum Rednerpult gehe.

(Gisela Walsken [SPD]: Das bleibt nicht so, Herr Kollege!)

Ich wollte eigentlich die Grünen loben; die sind in freudiger Erwartung und haben in der Tat ein Lob verdient. Ich versuche, das auch wirklich ohne Ironie zu machen: Was man am Wochenende zu Ihren Gedanken zum Haushalt gelesen hat, verdient ernsten Respekt. Nach einem Jahr in der Opposition werfen Sie, wie ich finde, früh genug, um sich vor dem nächsten Wahlkampf ehrlich zu machen, den Ballast der alten Regierungsbeteiligung über Bord. Das verdient Anerkennung.

(Gisela Walsken [SPD]: Aha! – Zuruf von der SPD: Was ist das denn?)

Es hat etwas lange gedauert, das muss man sagen. Selbst grüne Finanzpolitiker – also Ihre Parteikollegen – haben schon 2003 nachweislich so gedacht, wie die Regierung Rüttgers mit Finanz

minister Linssen heute handelt. 2003 schon hat Oswald Metzger sein Buch „Einspruch! Wider den organisierten Staatsbankrott“ herausgegeben.

„Organisierter Staatsbankrott“ – zehn Jahre lang haben sich die Grünen an dieser zugegebenermaßen straffreien Form organisierter Kriminalität zulasten der kommenden Generationen beteiligt.

In diesen Tagen werden Sie quasi zum Aussteiger. Sie schließen sich damit als dritte Kraft CDU und FDP in diesem Hause an, den schweren Weg der Konsolidierung mitzugehen. Zumindest sagen Sie das. Ich möchte das gerne glauben, denn tätige Reue soll man unterstützen und nicht verhindern.

Um solide Finanzpolitiker zu werden, müssen Sie noch etwas üben. Die Grünen schlagen vor, die Kreditierung zu strecken. Das Problem steckt darin, dass sie keine Deckung für die fehlenden Einnahmen im Jahre 2006 haben. Das war an anderer Stelle schon heftig umstritten. Es hat offensichtlich nicht dazu geführt, dass Sie Ihren Fehler eingesehen haben.

Sie wollen die 674 Millionen € splitten, wollen von den Kommunen 337 Millionen € im Jahre 2006 und 337 Millionen € im Jahre 2007 zurück. Aber die volle Tilgung ist im Haushalt als Einnahme etatisiert. Wenn Sie die Einnahme halbieren, dann müssen Sie schon mitteilen, wo Sie die Deckung herholen. In Ihrer Rechnung fehlen am Ende diese 337 Millionen im Jahre 2006. Sie müssen dann in gleicher Höhe mehr Schulden machen. Das wollen wir nicht.

Sie verletzten damit das Jährlichkeitsprinzip und den Grundsatz der Ausgeglichenheit. Das gute Motiv lautet: Sie wollen sich ehrlich machen. Üben ist allerdings noch angesagt. Wenn Sie von den Grünen anders tilgen wollen, ist das in Ordnung. Sie müssen jedoch die gerade aufgeworfene sachliche Frage beantworten und um diese Klippe herumfahren, um am Ende im Club der Konsolidierer, Reformierer und Modernisierer der neuen Landesregierung aufgenommen zu werden. Allerdings muss ich zugestehen: Bei den Grünen ist da wenigstens noch Hoffnung.

Herr Körfges hat einige Dinge gerade für die SPD klargestellt. Es wird deutlich: Da bleibt alles beim Alten. Alles, was die Sozialdemokraten an Geld in die Finger bekommen, alles, was Frau Kraft, was Frau Walsken in die Hände bekommen, muss raus. Mehr Steuereinnahmen am Horizont: Raus damit! Der letzte Funken Leben aus dem BLB: Raus damit! Hoffnung auf bessere Entwicklung im Länderfinanzausgleich: Raus damit! Sie betreiben weiter den organisierten Staatsbankrott. Sie ma

chen den Staat kaputt, von dem Sie an anderer Stelle Unmögliches verlangen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dieses eine Jahr schwarz-gelber Regierung ist ein gutes Jahr für die Kommunen. Herr Körfges, deswegen werden die Kommunen am 22. Mai mit uns feiern. Was Sie eben aus der Haushaltsausschusssitzung von heute Morgen zitiert haben, beruht offensichtlich auf einer selektiven Wahrnehmung. Es wurde uns auch gesagt, dass wir mit der Geschichte, über die wir heute gesprochen haben, auf dem richtigen Weg sind.

Genauso sind wir auf dem richtigen Weg mit dem Verbundsatz von 23 %. Dieser 23-%-Verbundsatz ist ein ehrlicher Verbundsatz, kein schön gerechneter, wie es früher bei Rot-Grün war. Die vergifteten Geschenke namens Kreditierung, die immer auch eine Wette auf bessere Einnahmen in den Folgejahren sind, haben ein Ende.

Gestern erst hat das Kabinett das Standardbefreiungsgesetz beschlossen. Ein so weitreichendes Gesetz ähnlicher Zielrichtung gibt es nirgendwo sonst in der Bundesrepublik Deutschland.

Wir geben den Kommunen mehr Luft zum Atmen, wir geben ihnen mehr Freiheit. Unsere Kommunalpolitiker sind klug genug, damit weise umzugehen.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Warum laden Sie dann den Städtetag nicht mehr ein?)

Deswegen werden wir alle gemeinsam am 22. Mai ein Jahr bessere Kommunalpolitik in Nordrhein-Westfalen feiern. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Herr Abgeordneter Wüst, Sie haben eben einer Fraktion dieses Hauses eine Form organisierter Kriminalität vorgeworfen. Ich finde, das ist nicht sehr parlamentarisch. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie so etwas künftig vermeiden würden. – Das war jetzt eine sehr zurückhaltende Anmerkung.

Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Abgeordneter Becker das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer heute Morgen die Sitzung des Finanzausschusses zu dem Thema „Kürzungen bei den Schülerbeförderungskosten“ erleben konnte und jetzt den Kollegen Wüst hören durfte, musste oder sollte wie ich, der kann das Ganze nur unter die Überschrift subsumieren: Zu

nächst einmal kräftig kürzen, dann teilweise zurücknehmen, dann ausgewählte Zitatstücke, Versatzstücke benutzen und die dann als Lob von Dritten verkaufen. – Das geht an der Wirklichkeit vorbei, meine Damen und Herren. Das trifft nicht das, was Sie mit den Kommunen machen.