Protokoll der Sitzung vom 04.05.2006

Ich will eine zweite Vorbemerkung machen: Ja, es ist wahr, wir haben umgesteuert. Wir haben in vielen Bereichen umgesteuert, sowohl in der Wohnungsbaupolitik wie auch in der Städtebaupolitik. Über Verkehrspolitik werden wir ja gleich noch reden. Wir haben das deshalb getan, weil ein Grund für den Regierungswechsel darin bestand, dass die Menschen in Nordrhein-Westfalen ein Umsteuern wollten und weil sie eine Beendigung der

Politik wollten, die Sie über Jahre und teilweise Jahrzehnte zu verantworten hatten. Dabei haben wir uns von drei Überlegungen leiten lassen.

Erstens. Gießkannen haben ausgedient. Zweitens. Füllhörner haben ausgedient. Drittens. Ideologie hat ausgedient.

Ich will das an der Wohnungsbaupolitik deutlich machen.

Erstens. Wir haben das neue Wohnungsbauförderungsprogramm allein an der Richtschnur des demographischen Wandels ausgerichtet. Denn wo, wenn nicht in der Wohnungsbaupolitik, schlägt der demographische Wandel als Allererstes durch? Wir müssen dafür sorgen, dass für ältere Menschen angemessener Wohnraum in Nordrhein-Westfalen erschwinglich ist. Darum geben wir im neuen Landeswohnungsbauprogramm für alten- und – ich sage das ganz bewusst an dieser Stelle – auch für generationengerechtes Wohnen mehr Geld aus. Wir wollen, dass alte Menschen, aber auch junge Familien im sozialen Wohnungsbau ein selbstbestimmtes Leben führen können. Darum ist es wichtig, in diesem Bereich einen neuen Schwerpunkt zu setzen.

Zweitens. Ja, es ist wahr: Wir haben mehr Geld für den Umbau im Bestand ausgegeben. Wir wollen uns nämlich nicht damit abfinden, dass ganze Stadtteile in Nordrhein-Westfalen abzurutschen drohen. Wir müssen die Wohnungsbestände aus der Nachkriegszeit, die Schlichtwohnungsbestände der 50er-Jahre, in Ordnung bringen, damit sie zukunftsfähig werden. Wir müssen dafür sorgen, dass die Großsiedlungen, die Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre entstanden sind – WulfenBarkenberg nur als Beispiel –, wieder zukunftsfähig und von den Menschen angenommen werden. Hier war ein schnelles Umsteuern notwendig, weil Sie diesen Bereich in der Vergangenheit sträflich vernachlässig haben.

Drittens. Wahr ist auch, dass wir einen neuen Schwerpunkt in der Eigentumsbildung gesetzt haben. Wir wollen nämlich, dass die Menschen in Nordrhein-Westfalen so leben und wohnen können, wie sie das wollen. Wir wollen eben nicht Eigentum nur für die Besserverdienenden, sondern wir wollen auch für die einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen in Nordrhein-Westfalen Eigentum ermöglichen. Darum gibt es eine neue Schwerpunktsetzung in diesem Bereich – übrigens gerade im Ballungsraum, wo die Eigentumsbildung ganz besonders schwer und ganz besonders teuer ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dafür haben wir – das ist auch völlig klar – an anderer

Stelle gekürzt. Wenn in Nordrhein-Westfalen Zehntausende von sozial geförderten Mietwohnungen leerstehen, ist zu fragen, ob man in den sozialen Mietwohnungsneubau noch nennenswert investieren muss. Wir haben die Konsequenz gezogen und im Wohnungsbauförderungsprogramm umgesteuert. Ich denke, dass das richtig war.

Liebe Frau Ruff-Händelkes, ich will Ihnen noch etwas zum Thema Landesentwicklungsgesellschaft und Verkauf der Wohnungsbestände sagen. Sie haben von diesem Rednerpult aus gerade zu Recht gesagt: Die LEG hat Schwierigkeiten. Diese sind nicht von ihr selbst verursacht. – Das ist richtig. Ich will Ihnen sagen, wo die beiden Ursachen liegen, warum die Landesentwicklungsgesellschaft Schwierigkeiten hat.

Erstens. Eine politisch motivierte und politisch ausgerichtete Führungsspitze des Unternehmens hat Skandale zu verantworten, denen weder der Bauminister noch sein Staatssekretär als Aufsichtsratsvorsitzender in der Vergangenheit gegengesteuert hat. Das ist Ihre Verantwortung, der Sie sich in den nächsten Monaten werden stellen müssen.

(Beifall von CDU und FDP – Gisela Walsken [SPD]: Wo ist der Beweis? Wo gibt es dazu Urteile?)

Zweitens. Sie haben die finanzielle Handlungsfähigkeit der Gesellschaft geradezu an den Nullpunkt gebracht, indem die Finanzminister in der Vergangenheit – es waren alles sozialdemokratische Finanzminister – eine massive Verschuldung der Landesentwicklungsgesellschaft über die Beteiligungsgesellschaft zugelassen haben. Damit war die Handlungsfähigkeit dieses Unternehmens nicht mehr gegeben.

(Gisela Walsken [SPD]: Völlig daneben!)

Warum sind denn die Wohnungsbestände der LEG weitestgehend so miserabel, wie sie zurzeit dastehen? Weil das Unternehmen nicht in der Lage ist,

(Gisela Walsken [SPD]: Das ist Unsinn! Das ist die einzige Sparte, die positive Zahlen schreibt!)

mit dem Eigenkapital das dringend Notwendige zu tun. Und Sie sagen, wir seien dafür verantwortlich. „Pfui!“ sage ich an dieser Stelle. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass dieses Unternehmen wirtschaftlich an den Rand der Handlungsunfähigkeit gebracht worden ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir brauchen, um diese Wohnungsbestände wieder zukunftsfähig zu machen, Kapital. Ich gebe offen zu: Das Land Nordrhein-Westfalen hat dieses Kapital nicht. Aber Gott sei Dank gibt es viele Wohnungsbauunternehmen in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus und auch viele sozial engagierte Wohnungsbauunternehmen, die Mieterschutzinteressen als Eigeninteresse sehen, die sich darum bemühen, Wohnungsbestände auf Vordermann zu bringen, und die auch bereit sind, sich finanziell zu engagieren. Auf die bauen wir. Darum – da bin ich sicher – werden wir das gut einlösen können, was wir in die Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben haben, nämlich die Wohnungsbestände der LEG zu veräußern und gleichzeitig die Interessen der Mieter nicht nur zu berücksichtigen, sondern sogar zu stärken; denn die Mieter müssen ein Interesse daran haben, dass ihre Wohnungsbestände zukunftsfähig gemacht werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch im Bereich Städtebauförderung haben Füllhorn und Gießkanne ausgedient. Wir werden in den nächsten Jahren eine Städtebauförderungspolitik machen, die vier Schwerpunkte umfasst.

Wir wollen uns erstens stärker, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist, um das Thema „Soziale Stadt“ kümmern. Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass ganze Stadtteile in Nordrhein-Westfalen – ich wiederhole das, was ich schon vorhin an anderer Stelle gesagt habe – abzurutschen drohen. Ganz im Gegenteil: Wir wollen Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Das heißt für mich auch, dass wir Stadtteile nicht dauerhaft alimentieren können; aber wir müssen Strukturen schaffen, die dauerhaft dafür sorgen, dass Stadtteile wieder auf die Beine gestellt werden oder gar nicht erst abrutschen. Ich denke, dass dies ein sehr wichtiges Ziel ist.

Zweitens. Wir wollen den Stadtumbau West forcieren. Ich gehöre zu denjenigen im Lande, die als eine der Ersten – wahrscheinlich sogar als der Erste, nämlich in meiner Funktion als Oberbürgermeister von Gelsenkirchen – von der Bundesregierung eingefordert haben, endlich anzuerkennen, dass es Stadtumbaunotwendigkeiten auch im Westen Deutschlands gibt und dass es Stadtumbauprogramme nicht nur für den Osten Deutschland geben darf. Gott sei Dank hat die Bundesregierung das erkannt, und Gott sei Dank hat die neue Bundesregierung noch ein Schüppchen draufgelegt. Wir werden diese Mittel einsetzen, um die Städte, die vom demographischen Wandel und allen damit einhergehenden Schwie

rigkeiten ganz besonders betroffen sind, künftig stärker zu unterstützen, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.

Drittens. Wir werden uns stärker als in der Vergangenheit um das Thema „Innenstadtrevitalisierung und Innenstadtsicherung“ kümmern. Das ist im Übrigen nicht nur eine Frage der Finanzen, sondern das ist auch eine Frage des Planungsrechtes. Darum begrüße ich es außerordentlich, dass wir uns in einer gemeinsamen Aktion – Wirtschaftsministerin und Städtebauminister – dazu entschlossen haben, Mut zum Planen zu haben. Jawohl, wir wollen Wildwuchs nicht weiter zulassen, wir wollen insbesondere den Gang auf die grüne Wiese verhindern und einschränken, weil wir keine amerikanischen Verhältnisse in unseren Innenstädten haben wollen.

(Gisela Walsken [SPD]: In der Tradition von Minister Vesper!)

Das bedarf Mut zur Planung, den Sie, liebe Frau Walsken, jahrelang nicht hatten, weil Herr Clement und Herr Steinbrück als Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen „Wildwest“ zugelassen haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, wir werden einen Schwerpunkt weiter ausfeilen, nämlich den der interkommunalen Zusammenarbeit. Da ist das Instrument der Regionalen ein sehr, sehr gutes und ein in der Vergangenheit sehr gut erprobtes. Das wollen wir weiter fördern.

Sie sehen, dass wir damit eine Reihe von neuen Schwerpunkten gesetzt haben. Mit einem haben wir allerdings Schluss gemacht: Wir werden bei der Städtebauförderung kein einziges Projekt mehr fördern, wo nicht am Anfang feststeht, welche Kosten am Ende damit verbunden sind, und wo nicht am Anfang feststeht, wie die Folge- und Betriebskosten auch künftig von den Kommunen getragen werden können.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Dr. Axel Horstmann [SPD])

Wir werden Schluss machen mit der Politik, Herr Horstmann, die Sie zu verantworten hatten: dass Kommunen in Abhängigkeiten getrieben und an den Rand der finanziellen Handlungsunfähigkeit gebracht wurden, weil Sie Projekte zwar ausfinanziert haben, aber bei der Ausfinanzierung der Folgekosten und der Betriebskosten die Kommunen im Regen haben stehen lassen. Davon gibt

es Dutzende Beispiele im Land. Es ist Ihre Verantwortung,

(Beifall von der CDU)

dass Kommunen mittlerweile handlungsunfähig sind, weil sie sich in finanzielle Abenteuer geworfen haben.

Dazu gehört auch, dass wir beim Grundstücksfonds an der einen oder anderen Stelle, Herr Kollege Becker, Korrekturen vornehmen. Es ist falsch, was Sie hier gerade vorgetragen haben, dass der Grundstücksfonds ein Instrument des Ruhrgebietes sei. Es mag sein, wenn man aus einem südlichen Landesteil kommt, dass man nicht so ganz den Überblick über ganz NordrheinWestfalen hat. Aber der Grundstücksfonds hat beispielsweise Projekte in Gronau – das ist im Münsterland; falls Sie nicht sofort wissen, wo Gronau einzusortieren ist –, in Alsdorf – Bereich Aachen; für Geographen eine Binsenweisheit, für den einen oder anderen hier im Hause vielleicht nicht –, in Marsberg im Hochsauerlandkreis, in Köln, in Grevenbroich, in Eschweiler und in anderen Städten auf den Weg gebracht. Sie sehen also, der Grundstücksfonds ist keine Exklusivveranstaltung im Ruhrgebiet; er wird es auch künftig nicht sein.

Aber wir werden – das will ich an dieser Stelle gerne ankündigen – damit Schluss machen, überall die 1a-Lösung zu realisieren. Wir werden an der einen oder anderen Stelle das eine oder andere Luxusteilprojekt zurückführen müssen, weil wir im Grundstücksfonds ein Kerngeschäft sehen. Das bedeutet, keine Narben in den Städten entstehen zu lassen, sondern Flächen so schnell wie möglich an den Markt zu bringen und einer Folgenutzung zuzuführen.

(Zuruf von Dr. Axel Horstmann [SPD])

Dazu ist nicht der Erhalt eines jeden alten industriellen Backsteingebäudes notwendig, dazu ist nicht an jeder Stelle die 1a-Lösung erforderlich, sondern wir wollen das mit Solidität und insbesondere auf den Markt ausgerichtet tun, weil wir glauben, dass der Grundstücksfonds stärker marktwirtschaftlich orientiert sein muss.

Sie sehen also, meine Damen und Herren: Gießkanne hat ausgedient, Füllhorn hat ausgedient, Ideologie hat ausgedient. Wir machen eine pragmatische Wohnungsbau- und Städtebaupolitik im Interesse der Menschen unseres Landes. Da gibt es in der Tat noch eine Menge zu tun. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Wittke. – Die nächste Wortmeldung kommt von der SPD-Fraktion. Der Abgeordnete Hilser hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss es kurz und schnell machen, wir haben nur noch zwei Minuten Redezeit.

(Gisela Walsken [SPD]: Reicht!)

Herr Minister Wittke, deshalb sage ich kurz in Stichworten: Nehmen Sie doch den Mund nicht so voll mit Projekten, die in Angriff genommen, aber nicht zu Ende geführt werden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie haben in Gelsenkirchen als Oberbürgermeister das Hans-Sachs-Projekt in Angriff genommen; das Ding ist immer noch in der Schwebe.

(Minister Oliver Wittke: Wäre ich noch Ober- bürgermeister, hätten wir aber jetzt Ent- scheidungen, Herr Kollege!)

Also machen Sie ein bisschen halblang und hauen Sie nicht so auf den Putz.

Punkt 2: LEG, und das jetzt in aller Ruhe. Sie haben zwei Gründe angeführt, warum die LEG aus Ihrer Sicht so schlecht dasteht. Der erste Grund, es läge an der politischen Führung, war eine Behauptung ohne Beleg. Die LEG wurde auch bisher durch eine normale Geschäftsführung vertreten und wirtschaftlich geführt.

(Gisela Walsken [SPD]: Exakt!)

Daran hat sich überhaupt nichts geändert.