Protokoll der Sitzung vom 04.05.2006

(Lachen von Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD])

meint der designierte SPD-Vorsitzende Kurt Beck, unser Staat sei chronisch unterfinanziert und bräuchte noch mehr Einnahmen.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Recht hat der Mann!)

Nach der Mehrwertsteuererhöhung und dem Abbau von Steuervergünstigungen wie der Pendlerpauschale und dem möglichen Gesundheitssoli will er wohl die Bürger und Unternehmen schon einmal mental auf die nächste Steuererhöhung vorbereiten. Man kann sich leicht vorstellen, welche Signale solche Diskussionen an ausländische Investoren aussenden: Mach einen großen Bogen um den Standort Deutschland und investieren dein Geld besser woanders. – So wird gerade in Unternehmenskreisen argumentiert.

Ein Stück aus dem steuerpolitischen Tollhaus ist die Verständigung von SPD und Union auf die Einführung der sogenannten Reichensteuer. Um ein bisschen linke Symbolpolitik à la Lafontaine zu betreiben, wird sehenden Auges eine verfassungswidrige Steuer auf den Weg gebracht, indem gewerbliche Einkünfte anders behandelt werden sollen als nicht gewerbliche Einkünfte.

Wie diese Sondersteuer einzuordnen ist, hat der Chefredakteur des „Handelsblatts“, Bernd Ziesemer, gestern überaus treffend formuliert. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:

„Selten zuvor sind in Deutschland politische Heuchelei, rechtsstaatliche Verantwortungslosigkeit und ökonomische Dummheit eine so herzinnigliche Verbindung eingegangen wie bei der so genannten Reichensteuer.“

Dem braucht man meines Erachtens nichts mehr hinzuzufügen.

Meine Damen und Herren, die Koalition der Erneuerung in Nordrhein-Westfalen ist angetreten, die Bürger und Unternehmen des Landes zu entlasten und ihnen Freiräume für die Schaffung von Wachstum und Beschäftigung zu eröffnen. Insbesondere bei der Abschaffung überflüssiger Büro

kratie und staatlicher Überreglementierung ist die Landesregierung schon ein gutes Stück vorangekommen.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Wo denn? Beispiele!)

Ich nenne Ihnen Beispiele: Das fängt bei den Sperrzeiten für die Außengastronomie an.

(Lachen von Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD])

Diese wurden durch die Novellierung des Landesimmissionsschutzrechtes verlängert.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Davon, Herr Prof. Bollermann, wird das nordrheinwestfälische Gastgewerbe, einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige unseres Landes, nachhaltig profitieren, und das nicht nur zur Fußballweltmeisterschaft, sondern auch weit darüber hinaus.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP] – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Über das Thema haben wir schon lange diskutiert, Herr Bro- ckes!)

Der bislang auf Ostwestfalen-Lippe beschränkte Modellversuch zum Bürokratieabbau wurde auf ganz Nordrhein-Westfalen ausgedehnt. Dadurch wird unternehmerisches Handeln erleichtert und die wirtschaftliche Entwicklung vorangetrieben.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

Wir machen mit dem Bürokratieabbau ernst. Wie das bei Ihnen aussieht, haben wir eben wieder erfahren: Kaum nimmt man eine Sache in die Hand und setzt sie auch um, wird sie von Ihnen direkt wieder kritisiert:

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Was haben Sie denn Neues gemacht?)

Das geht nicht. Das kann man nicht machen. Das muss doch die staatliche Hand regeln. – Wir machen sie aber, und Sie werden sehen: Es wird funktionieren.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, bei der Vergabe kommunaler Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte wurden erstmals in Nordrhein-Westfalen Wertgrenzen eingeführt, bis zu denen die Durchführung von beschränkten Ausschreibungen oder eine freihändige Vergabe ohne weitere Einzelbegründungen für zulässig erklärt wird. Damit haben wir im Interesse der mittelständischen Wirtschaft einen spürbaren Beitrag zum Abbau vergaberechtlicher Bürokratie geleistet. Ich frage mich,

Herr Kollege Priggen: Warum soll bei uns nicht gehen, was in anderen Bundesländern bereits gemacht wird und funktioniert?

Weitere Maßnahmen zur Entlastung des Mittelstandes stehen mit der Abschaffung des Tariftreuegesetzes und der Begrenzung der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen durch die Novellierung des § 107 der Gemeindeordnung bevor.

Herr Abgeordneter Brockes, Ihre Redezeit ist überschritten.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident, ich komme zum Ende meiner Rede. – In der Wirtschaftspolitik und bei der Wahrnehmung der Interessen kleiner und mittelständischer Betriebe hat sich die schwarz-gelbe Koalition in Düsseldorf eindeutig als Erfolgsmodell gegenüber der rot-schwarzen Bundesregierung durchgesetzt. Deshalb werden wir diesen guten Kurs auch in den kommenden Jahren fortsetzen. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Nun sind wir gespannt, was die Landesregierung dazu zu sagen hat. Frau Ministerin Thoben, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsentwurf 2006 sieht für das Wirtschaftsministerium Gesamtausgaben in Höhe von 1,033 Milliarden € vor. Das vorgegebene Ziel der Haushaltskonsolidierung wird strikt eingehalten. Sowohl die alleine aus Landesmitteln finanzierten Förderprogramme als auch die Landesanteile an den Gemeinschaftsprogrammen mit der EU wurden in der Summe um rund 20 % abgesenkt. Der Wirtschaftsetat hat damit seinen Konsolidierungsbeitrag in vollem Umfang erbracht.

Wenn Sie das für falsch halten, sage ich Ihnen: Wir kündigen Prioritäten nicht nur an, wir verhalten uns auch so. Ich bin als Wirtschaftsministerin bereit, von Teilen der Subventionen etwas abzugeben, wenn das in Jugend, Bildung und Familie fließt. Wenn Ihnen das fremd ist, müssen Sie das anders machen.

(Beifall von der CDU)

Gleichwohl weist der Haushalt 2006 gegenüber dem Vorjahr eine leichte Steigerung aus. Ursache dafür ist im Wesentlichen der auf dem rechtskräf

tigen Zuwendungsbescheid beruhende Mehrbedarf bei den Kohlehilfen.

Der Beitrag zur Haushaltskonsolidierung wird durch eine stärkere Konzentration der Fördermittel, die Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung auf mehr Effizienz und eine stärkere Beteiligung Dritter an der EU-Kofinanzierung so kompensiert, dass – das ist die Absicht, und ich bin mir sicher, dass wir das schaffen – die erforderlichen Impulse für bessere Rahmenbedingungen und mehr Wachstum trotzdem gegeben werden können.

(Widerspruch von Norbert Römer [SPD])

Herr Römer, das wird auch durch Wiederholung nicht besser. Der Begriff der „Verkammerung“ mag sich für Sie ganz lustig anhören. Im Land versteht wirklich niemand, was „Verkammerung“ heißen soll.

Wir haben vor, Startercenter zu gründen, und das verzögert sich ein Stück, weil nicht wenige von Ihnen aus der Opposition – die Grünen nehme ich dabei ausdrücklich aus – versuchen, kommunale Wirtschaftförderung unter der Überschrift aufzuhetzen: Ihr werdet nicht mehr gebraucht! – Versuchen Sie doch einmal, mit dem Wirtschaftsförderer in Dortmund zu sprechen. Der sagt mir: Frau Thoben, wenn Sie einen Zeugen brauchen und schneller an die Presse wollen, machen Sie das mit mir. – Das ist die Wirklichkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie können ganz beruhigt sein: Mir ist das auch ein bisschen spät. Ich hätte das lieber ein bisschen schneller gehabt, aber die Startercenter kommen.

Zum Bürokratieabbau: Herr Römer, wollen Sie wirklich behaupten, Bürokratieabbau sei im Land kein Thema? Sie haben mich gefragt, mit welchen Unternehmen, die nach Ihrer Auffassung alle mit der Bürokratie zufrieden seien, ich denn rede. Das haben Sie hier so vorgetragen. Und wenn wir dann von der Übertragung der OWL-Vorschläge auf das ganze Land reden, sagt die GrünenFraktion: Das haben wir doch angefangen! – Was gilt denn nun? – Haben wir zu viel Bürokratie oder haben wir das, was Herr Römer malt? Es kann nicht wahr sein, was Sie hier vortragen!

(Beifall von CDU und FDP)

Wir werden die Bürokratie weiter zurückführen, weil das ein dringendes Anliegen ist.

Meine Damen und Herren, ich gebe zu, dass mir das mit der Neuausrichtung der Außenwirtschaftsförderung und der Neustrukturierung der Wirt

schaftsförderungsgesellschaft auch zu langsam vorangeht. Aber ich möchte mit einem seriös abgestimmten Konzept kommen. Das wird zeitnah geschehen.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Immerhin! Das war am Anfang nicht erkennbar!)

Ich will Ihnen doch nur sagen, Sie mögen es vielleicht ganz anders sehen, aber Sie haben dieses Durcheinander angerichtet, nicht wir. Wenn wir das jetzt beseitigen wollen, braucht man dazu ein bisschen mehr Zeit, als Ihnen das lieb ist. Das geht eben nicht in vier Wochen.

(Beifall von CDU und FDP)

Zur Mittelstandspolitik und der Übertragung der Ausnahmegenehmigung auf die Handwerkskammern! Erkundigen Sie sich eigentlich nirgendwo in anderen Bundesländern, wie man das dort handhabt? Ist das für Sie vollständig fremd? Wollen Sie weiter auf einer Insel der Ideologie leben? Mit uns tun Sie es nicht! In allen anderen Bundesländern laufen diese Genehmigungen über die Kammerorganisationen ohne irgendeinen Nachteil.

(Beifall von CDU und FDP)