Protokoll der Sitzung vom 17.05.2006

Wissen Sie, wie die SPD in Nordrhein-Westfalen im Bundestagswahlkampf plakatiert hat:

„Merkelsteuer, das wird teuer! Mehrwertsteuererhöhung mit uns: Niemals!“

Sie haben uns in einer ganzen Reihe von Plenardebatten bis in die letzten Tage vor der Bundestagswahl hinein noch eingehämmert: Sie würden dafür Sorge tragen, dass es zu der von Ihnen kritisierten Merkelsteuer/Mehrwertsteuererhöhung nicht kommt, Frau Kollegin Kraft.

(Sören Link [SPD]: Hat Herr Rüttgers den Koalitionsvertrag nicht unterzeichnet?)

Noch nie sind die Menschen in Nordrhein-Westfalen von einer Partei so dreist belogen worden, wie von Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Und da stellen Sie sich hierhin und werfen dieser Koalition Wortbruch vor?

(Zuruf von der SPD: In jeder Beziehung!)

Wie gehen die sozialdemokratischen Grundrechenarten? – Die Union wollte eine Erhöhung um 2 % vor der Wahl. Das haben wir kritisiert, aber die Union hat wenigstens gesagt, was sie wollte. Sie wollten Null. Dann sind sie in die Koalitionsverhandlungen gegangen und mit 3 % herausgekommen. Ist das der Kompromiss, für den Sie stehen? – Das ist nicht nur eine Blamage für Sie alle, Frau Kollegin Kraft, sondern es ist angesichts einer solchen Show, die Sie abgezogen haben, angesichts eines solchen Wortbruches unredlich, der Regierung das vorzuwerfen.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP] – Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Ich darf Ihnen zitieren, was Sie hier am 6. Juli 2005 gesagt haben:

„Meine Partei, die SPD, hat sich in dieser Frage … eindeutig festgelegt. Sie ist gegen eine Mehrwertsteuererhöhung … Für uns ist klar: Eine Anhebung der Mehrwertsteuer würde angesichts der derzeitig schwachen Binnennachfrage die falsche Richtung weisen und die sich abzeichnende wirtschaftliche Erholung nachhal

tig gefährden. Sie wäre darum Gift für die Wirtschaft in unserem Land und damit auch für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen.“

Weshalb reichen Sie einer Maßnahme die Hand, die nach Ihrer eigenen Aussage, die noch kein Jahr alt ist, eine Gefährdung für die Wirtschaft und Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen bedeutet, Frau Kollegin Kraft? – Das haben Sie mit keinem einzigen Wort erwähnt. Und das ist unredlich.

(Beifall von der FDP – Sören Link [SPD]: Fragen Sie doch einmal Ihren Ministerpräsi- denten, Herr Papke!)

Sie haben hier sogar einen Antrag eingebracht, der sich gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer wandte. Der Text lautete:

„Der Landtag lehnt die von der CDU/CSU geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer ab.

Begründung: Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wäre … Gift für die schwache Binnennachfrage. Sie wäre ungerecht, weil sie hauptsächlich die Familien und die Bezieher niedriger Einkommen belasten würde.“

Das war Ihre Aussage vor der Bundestagswahl als SPD-Landtagsfraktion hier im Parlament von Nordrhein-Westfalen.

(Hannelore Kraft [SPD]: Wir haben leider keine absolute Mehrheit gekriegt!)

Dafür, Frau Kollegin Kraft, sollten Sie gleich in der zweiten Runde nicht nur ein Wort der Entschuldigung finden – adressiert an die Bürgerinnen und Bürger –, sondern das vielleicht auch einmal erläutern.

(Hannelore Kraft [SPD]: Vielleicht sagt Herr Rüttgers auch etwas dazu!)

Eines finde ich besonders perfide und bemerkenswert zugleich: Die SPD, die immer vorgibt, das soziale Gewissen zu sein, hat nämlich gerade die kleinen Leute nach Strich und Faden belogen. Denn in einem haben Sie Recht: Die Zeche dafür zahlen vor allem die kleinen Leute.

Wissen Sie, dass die Mehrwertsteuererhöhung im nächsten Jahr allein in Nordrhein-Westfalen 6 Milliarden € kosten wird? – Dafür bluten vor allem die kleinen Leute. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.

Wir haben – das ist der Kontrast zu dem, was Sie mit Ihrer durch Sie selbst gefeierten Mitverantwortung in Berlin gestalten – als Koalition der Erneuerung trotz der von Ihnen in der Vergangenheit zerrütteten Landesfinanzen klare Schwerpunkte gesetzt: für Bildung und Innovation, für Familien,

Kinder und Jugendliche. Wir reden nicht nur davon, dass wir Politik für mehr Bildung und für Kinder und Jugendliche machen – wir tun das auch. Davon lassen wir uns auch nicht durch Ihre Kampfreden ablenken.

(Beifall von der FDP)

Allein in diesem Jahr stellen wir 1.610 zusätzliche Lehrer ein. 1.610!

(Beifall von FDP und CDU – Sören Link [SPD]: Und 1.000 streichen Sie!)

Das ist ein konkretes Ergebnis. Das haben Sie in den zurückliegenden Jahren nicht zustande gebracht. Allein in diesem Jahr 1.610 zusätzliche Lehrer. – Das ist konkrete Politik für die Zukunft dieses Landes.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Wir geben den Hochschulen mit dem Zukunftspakt Planungssicherheit. Das haben Sie auch nicht auf die Reihe bekommen, selbst als zuständige Ministerin nicht. Wir eröffnen den Hochschulen die Möglichkeit, die Qualität der Lehre zu verbessern, indem sie mit den Studienbeiträgen neue Finanzquellen erschließen können. Das Schulministerium, meine Damen und Herren, hat einen Etat im Haushalt 2006 in Höhe von 12,6 Milliarden €. Das sind 316,6 Millionen € oder 2,6 % mehr als im Jahr 2005 unter Rot-Grün.

(Beifall von der FDP)

Saldiert heißt das: Für Kinder, Jugend und Bildung stehen 2006 im Vergleich zu Ihrem letzten Landeshaushalt 2005 knapp 262 Millionen € mehr zur Verfügung. Das ist die Zahl, die steht. Unter dem Strich 262 Millionen € mehr!

Das könnte noch mehr sein. Dafür haben wir auch bis unmittelbar vor der zweiten Lesung nach Lösungsmöglichkeiten geschaut: Können wir da noch zusätzlich etwas mobilisieren? Es ist uns in einem bescheidenen Rahmen gelungen. Das hätte mehr sein können. Aber mehr wäre angesichts dessen, was Sie uns hinterlassen haben, nicht darstellbar gewesen.

(Beifall von FDP und CDU)

Wir haben die Zusage gegeben – das ist wichtig –, dass die 75 Millionen € jetzt bis 2010 gelten. Auch das haben Sie nicht hinbekommen. Wir haben ein Sonderprogramm für Jugend in sozialen Brennpunkten von 4,5 Millionen € aufgelegt. Wir haben noch eine Reihe von anderen Punkten erreicht. Wir haben zusätzliche 23 Millionen € für die Kindertageseinrichtungen hinbekommen. Das sind ganz

konkrete Ergebnisse, die auch vor Ort ankommen werden.

Diese Koalition, Frau Kollegin Kraft, macht etwas für Kinder, Jugendliche und Familien. Das kann man von der Regierung in Berlin, an der Sie beteiligt sind, nicht unbedingt sagen. Haben Sie sich einmal angeschaut, was allein die in der letzten Woche beschlossenen Änderungen im Steuerrecht für die kleinen Leute in diesem Land bedeuten? Haben Sie sich das einmal angeschaut: die Kürzungen bei den Kinderfreibeträgen und beim Kindergeld, die Kürzungen bei der Pendlerpauschale, die Halbierung des Steuerfreibetrages? Ist das eine Politik für kleine Leute, Frau Kollegin Kraft?

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sprechen Sie auch mal mit Ihrem Koalitionspartner dar- über, der mit am Tisch sitzt!)

Was war denn damit? Warum haben Sie das denn nicht einmal thematisiert? Dort, wo Sie in der Verantwortung stehen, machen Sie keine Politik für kleine Leute, keine Politik für die Familien, keine Politik für Kinder und Jugendliche. Hier, wo wir in der Verantwortung stehen, in NordrheinWestfalen, machen wir eine solche Politik. Das ist der Unterschied. Das ist nachweisbar.

(Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD)

Zu dem, was die Sozialdemokraten bei der Beratung dieses Landeshaushalts vorgetragen und angemerkt haben, muss ich einfach, weil das so bemerkenswert ist, auf eine Äußerung des Kollegen Schartau im Haushalts- und Finanzausschuss zu sprechen kommen, des Ex-Superministers. Ich suche gerade nach ihm; er kann derzeit leider nicht bei uns sein. Der Herr Kollege Schartau hat dort in herzerfrischender Offenheit deutlich gemacht, dass die SPD die Problematik ihrer Verschuldungspolitik der Vergangenheit immer noch nicht begriffen hat. Er verwahrte sich dagegen – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –,

„dass das Schuldenmachen in der Politik an sich als Teufelszeug angesehen wird.“

Dann gab er uns als Koalition der Erneuerung folgenden Rat. Ich zitiere:

„… sie müssen in der Bevölkerung eine Akzeptanz dafür haben, dass Sie über das zur Verfügung stehende Geld hinaus Geld ausgeben zur Bewältigung von Problemen, die die Bevölkerung als solche ansieht. Wenn Sie das machen, dann werden Sie auf Dauer, vielleicht sogar 40 Jahre lang, immer wieder gewählt werden, weil die Bevölkerung das für richtig hält.“

Herr Kollege Schartau ist nicht da. Deshalb sage ich es Ihnen gleich persönlich, Frau Kollegin Kraft: Das Spiel, das Sie 40 Jahre lang gespielt haben,

(Hannelore Kraft [SPD]: 39 Jahre!)

um an der Macht zu bleiben, werden wir trotz dieses interessanten Rates des Kollegen Schartau nicht mitmachen. Das machen wir nicht.

(Beifall von FDP und CDU)

Eine Politik, die nur darauf baut, vordergründige Stimmungen in der Bevölkerung zu befriedigen oder den Wünschen von Interessengruppen nachzukommen, was Sie ja perfektioniert haben in Ihrem System der Seilschaften in die verschiedenen Interessengruppen unseres Landes hinein, machen wir nicht. Wir haben im Gegensatz zu Ihnen deshalb auch keine Angst, uns mit Interessengruppen, mit Lobbyisten, anzulegen, wie wir das bei der Steinkohle machen. Da haben Sie doch gekuscht. Die Steinkohlelobby hat ihre Interessenvertreter doch über Jahrzehnte wie selbstverständlich in die Reihen Ihrer Fraktion eingespeist. Damit ist jetzt Schluss. Wir machen das, was nötig ist. Und nötig ist es, meine sehr verehrten Damen und Herren, den Subventionsbergbau zu beenden und die Milliarden, die dort eingespart werden, in die Zukunft unseres Landes zu investieren. Dafür stellen wir jetzt die Weichen. Dafür legen wir uns auch mit denen an, die meinen, uns an dieser Erneuerungspolitik für NordrheinWestfalen hindern zu können, Frau Kollegin.