- Ja. Aber das, was jetzt unangenehm wird, wollen Sie nicht hören. Hören Sie zu! - Sie haben das beschlossen, weil wir so viel fachfremden Unterricht haben. An den Hauptschulen werden 40 % des Chemieunterrichtes, 35 % des Biologieunterrichtes und 42 % des Physikunterrichtes nicht von Fachlehrern erteilt. Hinzu kommt der dramatische Unterrichtsausfall in den Mangelfächern, nämlich insgesamt 22 % des Biologieunterrichts, 31 % des Physikunterrichts und 33 % des Chemieunterrichts. Und in dieser Situation des Fachlehrermangels, die Sie zu verantworten haben, wollen Sie mir nichts, dir nichts die naturwissenschaftlichen Fächer zu einem Fach zusammenlegen, um Unterrichtsausfall und fachfremden Unterricht zu verschleiern.
Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Wir können uns sehr gerne darüber unterhalten - wir sind auch für vernetztes Denken und für vernetztes Handeln -, wenn Sie Fortbildungsmaßnahmen auf den Weg gebracht haben. Als von Ihnen schon längst angekündigt war, dieses integrierte Fach
einzuführen, gab es noch nicht einmal Fortbildungsmaßnahmen. Sie waren überhaupt noch nicht konzipiert.
Frau Schäfer, nicht alle Schulen haben sich auf den Weg gemacht und neue Schulbücher angeschafft. Sehr viele, die ich kenne, haben erst einmal gedacht: Hoffentlich kommt es nicht so; wir warten erst einmal in Ruhe ab und schaffen jetzt keine neuen Bücher an. - Das ist Fakt; das ist die Lage in diesem Land.
Sie haben das integrierte Fach „Naturwissenschaften“ in Baden-Württemberg angesprochen. Dieses Fach wurde dort nicht „anstelle von“, sondern zusätzlich eingeführt. Es wurde eingeführt, um wissenschaftspropädeutisches Arbeiten einzuüben. Das macht auch Sinn.
Es geht aber nicht, dieses Fach mit dem Ziel einzuführen, Lehrermangel zu kaschieren, Unterrichtsausfall zu verdecken und noch mehr fachfremden Unterricht zu erteilen. Erzählen Sie mir doch einmal, wie Sie das leisten wollen, wenn Sie an einer Schule weder einen Chemielehrer noch einen Physiklehrer haben, sondern ausschließlich einen Biologielehrer! Wie soll er das integrierte Fach „Naturwissenschaften“ unterrichten? Das kann er gar nicht. Er hat an keiner Fortbildung teilgenommen und kann die beiden anderen Disziplinen nicht übernehmen.
Genauso machen Sie das üblicherweise: Sie wollen etwas einführen, bevor Sie das Ziel wirklich bedacht haben und bevor Sie überhaupt für Fortbildungen gesorgt haben.
Das ist typisch. Das zeichnet Sie aus und geht wie ein roter Faden durch Ihre Bildungspolitik, dass Sie in irgendeinem anderen Land ein Ziel bzw. ein Ergebnis sehen, aber den Ressourcenmangel in unserem Land Nordrhein-Westfalen nicht beachten. Das ist Fakt.
Wir hingegen machen uns auf den Weg, diesen Ressourcenmangel zu beheben. Dazu gehören neben der Einstellung zusätzlicher Lehrer auch eine vernünftige Lehrerfortbildung und -ausbildung.
Unsere Kinder in Nordrhein-Westfalen werden in einigen Jahren stolz darauf sein können, hier zur Schule zu gehen, was jetzt nicht der Fall ist. - Danke schön.
Vielen Dank, Frau Pieper-von Heiden. - Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Sommer das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir sind uns alle hier im Hause einig, dass die naturwissenschaftliche Bildung in unserem Lande gestärkt werden muss. Das ist auch anderswo bekannt, beispielsweise in BadenWürttemberg, wo dieses Fach - und da muss man genau hinhören - als zusätzliches Fach neben Biologie, Physik und Chemie installiert ist.
Der eingeschlagene Weg, Naturwissenschaften zu stärken und dies über das integrierte Fach „Naturwissenschaften“ zu erreichen, ist nicht überzeugend und mit Nachteilen verbunden. Dieser Weg führt nämlich zwangsläufig zu einer Vernachlässigung der jeweiligen unabdingbaren Fachsystematik. Er führt außerdem zu einem verstärkten fachfremden Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern, die sich oft mit der Vermittlung von fachfremden Unterrichtsinhalten sehr schwer tun. Herr Kaiser hat darauf hingewiesen.
Wenn Sie sich in Lehrerkollegien umhören … Ich darf Sie an dieser Stelle doch einfach einmal bitten: Wer sagt Ihnen denn, Ihre neue Ministerin hätte sich nicht umgehört? Ich möchte eigentlich für mich in Anspruch nehmen, dass ich mich in dem Schulort, wo ich vorher tätig war, umhören kann; denn auch dort wurde zum Teil erprobt, ob integrierter naturwissenschaftlicher Unterricht sinnvoller ist. Nach meinen Erfahrungen, nach meinen Recherchen in Lehrerkollegien wird das sehr kritisch gesehen. Überaus skeptische Stimmen sind zu hören. Die Entscheidung für ein Integrationsfach hat deshalb in diesem Lande keinen Konsens gefunden.
Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, macht auch die aktuelle Beteiligung der Verbände zu diesem Vorschlag deutlich. Ich habe alle wesentlichen Verbände um Verständnis für die Kurzfristigkeit gebeten. Alle haben ihr Verständnis geäußert. Wir können vonseiten der Landesregie
Vergessen Sie zudem nicht, dass bereits in der zweiten Jahreshälfte 2004 und Anfang 2005 alle Argumente bekannt waren und mehrfach ausgetauscht worden sind.
In den betroffenen Schulformen -den Gymnasien und Realschulen - lehnen Lehrer- und Elternverbände die Aufgabe des einzelfachlichen Unterrichts ohne Wenn und Aber ab.
Wir brauchen - das ist unstrittig - nach TIMSS und PISA eine Stärkung der naturwissenschaftlichen Bildung und eine Weiterentwicklung des Unterrichts in diesen Fächern. Mehr Anwendungsbezug und eine stärkere Problemorientierung fördern das Interesse an den Naturwissenschaften. Das, meine Damen und Herren, ist der richtige Weg zur Entwicklung eines tiefer gehenden Verständnisses und zu flexibel anwendbarem Wissen.
Die neuen Bildungsstandards der KMK, die ja nicht zufällig keine Bildungsstandards für ein integriertes Fach „Naturwissenschaften“, sondern Standards für die Fächer Biologie, Chemie und Physik sind, verdeutlichen besser als die bisherigen Lehrpläne, welches die anzustrebenden Kompetenzen sind und worauf es in den drei Fächern wirklich ankommt.
Selbstverständlich will auch ich eine Verbesserung des naturwissenschaftlichen Unterrichts und eine Stärkung der naturwissenschaftlichen Bildung. Ich bin mir aber mit den genannten Eltern- und Lehrerverbänden darin einig, dass dies besser in den Strukturen der einzelnen Fächer geschieht, in denen sich die Lehrerinnen und Lehrer auskennen,
mit denen sie umgehen können und in denen sie sich auf gesichertem Terrain bewegen. Diesen Weg werde ich konsequent gehen. Ich bin zuversichtlich, dass dieser Weg zum Erfolg führt.
Ich bin auch sicher, dass die große Mehrheit der Lehrkräfte die jetzt vorgesehene Korrektur begrüßt und erleichtert in die Ferien und anschließend an die Vorbereitungen des nächsten Schuljahrs gehen kann.
Sie haben es heute schon einmal von mir gehört. Ich wiederhole es: Maßstab aller Dinge ist das Wohl des Kindes!
Danke schön, Frau Sommer. - Wir kommen nun zur Abstimmung über den Eilantrag Drucksache 14/27. Wer diesem Eilantrag zustimmt, den bitte ich, die Hand zu heben. - Das sind SPD und Grüne. - Wer ist dagegen? - Damit ist der Eilantrag abgelehnt.
- In beiden Blöcken fehlen Abgeordnete, sodass es eine deutliche Mehrheit gibt. Das Präsidium ist sich in der Einschätzung des Abstimmungsergebnisses einig.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Koalitionsvertrag, der uns seit einigen Tagen vorliegt, ist in vielen Teilen unverbindlich und nicht konkret. Es sei denn, man bezieht sich auf Inhalte, die Angelegenheiten des Bundes sind. Handelt es sich hierbei um eine bloße Selbstüberschätzung, von Nordrhein-Westfalen aus die Bundesrepublik zu gestalten, oder sollte es sich hierbei vielmehr um die Konkretisierung von Inhalten handeln, die im anstehenden Bundestagswahlkampf ungenau und stets relativierend von Frau Merkel dargestellt werden?
Fakt ist, dass mit der Formulierung zum Ermöglichen von betrieblichen Bündnissen die durch die Verfassung geschützte Tarifautonomie ausgehöhlt werden soll. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sichert in Art. 9 die Tarifautonomie, also das Recht der Sozialpartner, Arbeitsbedingungen in eigener Zuständigkeit und Verantwortung in Tarifverträgen zu regeln. Herr Kollege Arentz, der jetzt nicht mehr diesem Landtag angehört, hat am 12. Dezember 2003 in diesem Hause treffend gesagt:
„Ausfluss der Koalitionsfreiheit ist die Tarifautonomie, zu der wir uneingeschränkt Ja sagen wie zum hohen Wert des Flächentarifvertrags.“
Das sind Worte eines CDA-Vorsitzenden, die ebenso verhallt sind wie die Einflussnahme der CDA bei der Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf 80 %, bei den Einschränkungen des Schlechtwettergeldes im Baugewerbe, bei den Änderungen des § 116 AFG, bei den Einschränkungen im Betriebsverfassungsgesetz. Das sind nur einige wenige Beschneidungen von Arbeitnehmerrechten, die es unter Helmut Kohl gegeben hat.
Nun will die neue Koalition die Tarifautonomie aushöhlen, wie es Vertreter von CDU und FDP in der letzten Legislaturperiode in verschiedenen Debatten hier im Hause schon mehrfach angekündigt haben. Allerdings hat man in der Opposition noch deutlichere Worte gefunden wie zum Beispiel die Zerschlagung des Tarifkartells. Das wäre jetzt zu plump. Die Absichten aber sind die gleichen.
Wir sind für die Tarifautonomie. Tarifautonomie heißt auch, dass die Tarifpartner über so zentrale Eckdaten entscheiden wie Löhne, Arbeitszeit und damit über den größeren Teil der Lohnnebenkosten. Sie tragen deshalb hohe Verantwortung für mehr Beschäftigung.
Es verwundert schon sehr - dies war ein Zitat von Helmut Kohl aus seiner Regierungserklärung vom 18. März 1987 -, wenn Ihr damaliger Bundeskanzler uneingeschränkt zur Tarifautonomie und den Tarifpartnern steht, aber der neue Arbeitsminister unseres Landes die Definition der Tarifpartner offensichtlich nicht kennt.