Es verwundert schon sehr - dies war ein Zitat von Helmut Kohl aus seiner Regierungserklärung vom 18. März 1987 -, wenn Ihr damaliger Bundeskanzler uneingeschränkt zur Tarifautonomie und den Tarifpartnern steht, aber der neue Arbeitsminister unseres Landes die Definition der Tarifpartner offensichtlich nicht kennt.
Anders lässt es sich nicht erklären, dass Sie, Herr Laumann, auf eine Zwischenfrage von Franz Müntefering am 10. September 2004 im Deutschen Bundestag, ob er Sie richtig verstanden habe, dass die Grundlagen der Tarifautonomie ausgehebelt werden könnten und dies nicht schlimm sei, antworteten - ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin -:
„Ich glaube, dass ich mit meinen Feststellungen nicht Unrecht habe. Das hat mit der Aushebelung von Tarifverträgen - … - überhaupt nichts zu tun. Wenn wir nämlich die Flexibilität nicht hinkriegen, wird die Tarifautonomie dadurch ausgehebelt, dass Arbeitgeber aus den Arbeitgeberverbänden, die die Tarifverträge abschließen, austreten.“
berverbänden oder einzelnen Arbeitgebern mit den Gewerkschaften verhandelt und abgeschlossen; daher ist es ein Ausflug ins Bedeutungslose, was Sie dort als Antwort gegeben haben.
Also ist die Flexibilität, die Sie gerne ansprechen, dadurch gewährleistet, dass auch einzelne Arbeitgeber jetzt schon Tarifvertragspartner sein können.
Die Flexibilität, die die Koalition durch die gesetzliche Einführung von betrieblichen Bündnissen ermöglichen will, ist nicht nur ein Eingriff in die Tarifautonomie, sondern insofern überflüssig, als sich gerade die Tarifpartner jetzt schon ihrer Verantwortung sehr wohl bewusst sind. Sie haben bereits ein hohes Maß an Flexibilität bewiesen. In mehr als einem Drittel der Betriebe gibt es schon heute betriebliche Bündnisse auf der Grundlage von Tarifverträgen.
Neben dem in unserem Antrag erwähnten Beispiel aus der Metallindustrie, in der bereits abweichende betriebliche Öffnungen in über 400 Betrieben zugelassen wurden und somit rund 10.000 Arbeitsplätze gesichert werden konnten, konnte bei VW vereinbart werden, dass bis zum Januar 2007 die Lohntabellen unverändert bleiben und bei Neueinstellungen eine niedrigere Bezahlung vereinbart wird. Im Gegenzug wurden betriebsbedingte Kündigungen bis 2011 ausgeschlossen.
Oder Karstadt: Drei Jahre lang werden Tariferhöhungen nicht weitergegeben. Das Urlaubsgeld fällt im gleichen Zeitraum weg, die Jahressonderzahlung wird gekürzt. Das alles sind betriebliche Regelungen mit ausdrücklicher Zustimmung der Tarifpartner.
Wenn die Gewerkschaften immer wieder als alleinige Herrscher der Tarifautonomie dargestellt werden, die zu Recht darauf hinweisen, dass die Arbeitnehmer bei gesetzlich zementierten betrieblichen Bündnissen ohne den Rückhalt der Gewerkschaften Erpressungsversuchen von Unternehmen ausgeliefert wären, dass die Betriebsräte kein Streikrecht haben, um den Forderungen der Arbeitnehmer Nachdruck zu verleihen, wird gerne von Ihnen verschwiegen, dass auch die Arbeitgeberverbände die Pläne der Union zu betrieblichen Bündnissen nicht einvernehmlich teilen.
Sie, die Arbeitgeberverbände, vertreten die Meinung, dass betriebliche Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der Flächentarifverträge Aufgabe der Tarifparteien seien. So hält zum Beispiel Martin Kannegiesser, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, die geforderten gesetzlichen
Öffnungsklauseln für betriebliche Bündnisse für Arbeit für unnötig. Gesamtmetall habe gute Erfahrungen mit mit der IG Metall vereinbarten Öffnungsklauseln gesammelt. Selbst der BDI in Person seines Präsidenten Jürgen Thumann - sonst eher etwas härter bei solchen Themen - äußerte sich dergestalt: Wir sollten daran nicht rühren.
Die Arbeitgeberverbände wissen um ihre ablehnende Haltung, hat doch das Bundesarbeitsgericht im Jahre 1999 bereits betrieblichen Bündnissen eine klare Absage erteilt. Ulrich Zachert, Professor für Arbeitsrecht an der Uni Hamburg, sieht eindeutig: Wenn das Bundesverfassungsgericht bei seiner Linie zum Tarifrecht bleibe, müsse es diese betrieblichen Bündnisse ablehnen.
Sie müssen jetzt und in Zukunft den Menschen im Land Ihre wahren Absichten offenbaren. Sie setzen auf Offenheit. Dann sagen Sie in aller Offenheit, dass Sie mit Ihrem Vorhaben den Wettbewerbsdruck auf den Knochen der Arbeitnehmer erhöhen wollen, dass Sie nach Thatcher-Manier den Gewerkschaften den Garaus machen wollen - nicht umsonst wird Frau Merkel gerne Maggie Merkel genannt -, dass Sie Konflikte und Tarifverträge von der Fläche in die Betriebe verlagern, diese also erpressbar machen wollen.
Es ist nicht verwunderlich, wenn sich Ihre Parteivorsitzende auf der Bundestagung der CDA, die - wie bereits erwähnt - unter Helmut Kohl nichts verhindert haben, zur Aufweichung von Tarifverträgen bei betrieblichen Bündnissen bekannte und dafür keinen Beifall bekam, wie der „Kölner Stadtanzeiger“ trefflich berichtete.
Es reicht nicht aus, dass der neue Vorsitzende der CDA sagt, man brauche betriebliche Bündnisse, lehne aber trotzdem Flächentarifverträge nicht rundweg ab. Tarifverträge haben Richtschnüre, sagten Sie. Herr Laumann, Tarifverträge sind Richtschnüre und haben sich in unserem Staat tausendfach bewährt,
und zwar mit Tarifpartnern auf Arbeitgeber- wie auf Gewerkschaftsseite. Deswegen darf dieses verfassungsgemäß geschützte Gut nicht von Ihnen oder den Ihren in Berlin angetastet werden.
Wenn Sie sich mit der CDA als Anwalt der kleinen Leute sehen, dann handeln Sie auch danach. Da hilft keine münsterländische Bauernschläue, da hilft nur eins: Reden Sie Tacheles!
Aber reden Sie nicht über die Wahrung von Arbeitnehmerrechten, wenn Sie gleichwohl wissen, dass Ihre Partei den Kündigungsschutz zum Nachteil der Arbeitnehmer verändern, die Mitbe
stimmung verschlechtern, die Gewerkschaften langsam ausgrenzen, die Steuerbefreiung für Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge abschaffen und die Mehrwertsteuer erhöhen will.
All Ihre Bekenntnisse vor der Bundestagung der CDA nützen sehr wenig, wenn Sie entweder - wie in der Vergangenheit vielfach bewiesen - ohnehin nicht gehört werden oder - was ich Ihnen persönlich nicht unterstellen will - in Ihren Parteigremien nur einen Schaulauf präsentieren und mit schlechten Noten zulasten der arbeitenden Bevölkerung unterliegen.
So scheint es bei dem Thema „Spitzensteuersatz“ der Fall zu sein, denn ist bei „dpa“ am 27. Juni noch zu lesen, dass Herr Laumann einer weiteren Absenkung des Spitzensteuersatzes eine Absage erteile, so stellen wir heute fest, dass in den verschiedenen Verlautbarungen aus CDU-Kreisen der Spitzensteuersatz immer weiter fallen soll. Er fällt nach den Vorstellungen Ihrer Partei trotz Ihrer energischen Absage, Herr Laumann.
Liegt dies gegebenenfalls daran, dass andere in der CDU, zum Beispiel der Wirtschaftsrat der CDU, besser Gehör finden als Sie? So spricht sich eben dieses Gremium für betriebliche Bündnisse aus, allerdings ausdrücklich ohne Vetorecht der Gewerkschaften. - Wird aus der NRW-CDU wieder zu vernehmen sein, dass man diesen Vorhaben eine Absage erteilen werde, schlimmstenfalls mit gleichem Ergebnis?
Es reicht nicht aus, viel zu fordern und anschließend ein Tablett Bier zu servieren. Es dürfen nicht nur klare Bekenntnisse erfolgen, sondern Sie müssen den Menschen die Wahrheit darüber sagen, was auf sie zukommt.
Sie sagten bei der CDA: Die Würde des Menschen ist unantastbar. - Dem stimme ich zu. Mit dieser Würde meinen wir aber auch die Würde von Millionen Arbeitnehmern, die Schutzrechte haben. Auch diese Würde ist unantastbar.
Nicht ohne Grund haben die Väter des Grundgesetzes auch die Tarifautonomie als ein Grundrecht abgesichert. Dieses grundgesetzlich verbriefte Recht stellt eine wesentliche Grundlage der sozialen Demokratie dar.
Sie wollen das soziale Gewissen in der Union sein, Sie wollen mit der CDA Arbeitnehmerrechte sichern. Herr Laumann, Sie haben in Ihrer Rede auf der Bundesversammlung der CDA mit Stolz darauf hingewiesen, dass von den 89 Abgeordneten der CDU-Landtagsfraktion 41 Mitglieder der
CDA seien, und Sie haben sich in Ihren CDAEckpunkten zur verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie bekannt. Heute haben Sie die Möglichkeit, dies parlamentarisch zu bekräftigen.
Damit auch alle Ihre CDA-Mitglieder ordentlich dokumentiert sehen können, wie Sie wirklich zur Tarifautonomie stehen, beantrage ich für die SPDFraktion gemäß § 43 der Geschäftsordnung des Landtages namentliche Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorweg: Der Untergang des Abendlandes, den Sie hier verkünden, ist mit Ihrem Antrag überhaupt nicht begründbar. Sie haben in Ihrem Antrag nur Oberflächlichkeiten von sich gegeben. Vorschläge zur Verbesserung der Chancen der Arbeitnehmerschaft, zur Verbesserung der Situation derjenigen, die draußen sind, derjenigen, die Angst um die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze haben, diese Vorschläge sind Sie uns schuldig geblieben; davon ist nichts zu lesen.
Tarifverträge bieten heute auch die Chance, von Standards abzuweichen; Sie haben das richtig beschrieben. Es können betriebliche Lösungen vorgesehen werden. Diese können sich beziehen auf Arbeitszeit, Einkommen oder sonstige Dinge. Aber dazu bedarf es der Zustimmung der die Tarifverträge schließenden Verbände. Die Zahl der Betriebe, in denen die tarifvertraglichen Vorgaben flexibel angewandt werden, hat sich seit 2002 mehr als verdoppelt. Auch das ist richtig.
Es sind theoretisch folgende Abweichungen möglich: in der Verbindlichkeitserklärung, auch in der Geltung für nicht organisierte Arbeitnehmer; aber diesbezüglich streitet man offensichtlich auch in den Gewerkschaften noch. Es gibt ein Nachwirkungsgebot, über das man reden müsste. Man muss über die Öffnungsklausel und das Günstigkeitsprinzip sprechen; das ist, glaube ich, das von Ihnen hier und heute zur Diskussion gestellte Thema. In Ihrem Antrag ist davon nicht viel übrig geblieben. Es gibt die Möglichkeit, die Verträge auf Leiharbeiter und Ersatzmaßnahmen für Betriebe zu übertragen.
Aber eines bleibt klar: Diese Elemente müssen immer wieder und besonders in Zeiten schwieriger Verhältnisse, aber auch in Zeiten besonders guter Verhältnisse auf ihre Flexibilität hin kritisch hinterfragt werden.
Es gilt zu betonen, dass es eine Reihe von Punkten, aber besonders drei zentrale Punkte des bleibenden Nutzens von Tarifautonomie gibt. Diese sind hervorzuheben: Der Tariflohn gilt als Mindestlohn und als Grenzwert gegen marodierenden Wettbewerb. Er verhindert ein - wie soll ich sagen? - „Working around the clock“. Die Kosten, die beim Aushandeln einzelner Vereinbarungen anfallen würden, werden durch Tarifverträge verringert. Tarifverträge schaffen die Basis für Vertrauen in die Einhaltung von Regelungen, allerdings unter Inkaufnahme einer sehr langsamen Reaktion auf wirtschaftliche Veränderungen.
Derzeit haben wir trotz leicht zurückgehender Arbeitslosenzahlen - diese Entwicklung ist übrigens nicht auf konjunkturellen Aufschwung zurückzuführen - keinen Grund zum Aufatmen. Die Beschäftigtenzahlen liegen auch jetzt noch 330.000 unter dem Vorjahreswert. Meine Damen und Herren, daran müssen wir arbeiten, nicht an irgendwelchen Allgemeinplätzen, die Sie in Ihrem Antrag anführen.
Der Wissenschaftliche Beirat bei Ihrem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit sieht eine Mitschuld für die hohe Arbeitslosigkeit allerdings auch bei den derzeitigen Tarifregelungen. Ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin:
„Bei allen Einräumungen, die zugunsten der Bedeutung anderer Faktoren zu machen sind, wäre es unvernünftig zu leugnen, dass das Lohnniveau in Deutschland zu hoch, die Lohnstruktur falsch und die Flexibilität der Regeln, nach denen sich Einsatz und Bezahlung von Arbeitskräften richten, unzureichend ist.“
Meine Damen und Herren, Ihr eigener Beirat schreibt Ihnen vor, schreibt dem Minister: Tu was dran! Tu endlich was dran, damit wir Bewegung in diesen Bereich hineinbekommen!
Dabei will ich allerdings noch einmal deutlich feststellen, auch für uns: Tarifautonomie ist unverzichtbar. Es ist kein Anachronismus, dessen man sich entledigen muss. Allerdings: Tarifautonomie bringt auch Verpflichtungen für die Tarifparteien mit sich. Alle vom Arbeitsmarkt Betroffenen und in dessen Folge Betroffenen sind bei den Verhandlungen zu berücksichtigen. Und das geschieht heute manchmal und immer wiederkehrend nicht.
Die Ergebnisse von Verhandlungen sind auch für die sogenannten Outsider dieser Verhandlungen, von denen ich eben sprach, also für arbeitslose Familienangehörige, für Leute, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben, oft mit Problemen verbunden, und sie sitzen nicht am Tisch. Damit es Arbeitslosen und Arbeitnehmern eben nicht passiert, dass sie zu Outsidern werden, gibt es die Möglichkeiten der Flexibilisierung.
- Sie müssen sich das schon anhören. Sie können ja gleich antworten. Das ist überhaupt kein Problem.
Flexibilisierung und Dezentralisierung in Tarifverträgen werden derzeit wieder heftig diskutiert. Auch dazu gibt es eine Reihe von Beispielen, allerdings meistens aus den großen Firmen. Sie haben eben selbst nur Großfirmen genannt.