Protokoll der Sitzung vom 21.06.2006

Herr Minister Uhlenberg für die Landesregierung zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass sich die Sozialdemokraten seit vielen Jahren, seitdem Klaus Matthiessen nicht mehr in der Politik ist, von den Landwirten entfernt haben, ist bekannt. Dass sie sich auch von den Arbeitern entfernen, hat sich in den letzten Jahren herumgesprochen. Das ist aber nicht der Grund, weshalb ich mich gemeldet habe. Die Wortklauberei, die gerade eine Rolle gespielt hat, war doch etwas überflüssig.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wir erinnern an den September im letzten Jahr, Herr Uhlen- berg!)

Ich kann Ihnen nur sagen, dass dies ein wichtiges Thema für den Verbraucherschutzminister ist, dass wir im Rahmen der Verwaltungsstrukturreform darauf achten werden, dass gerade dieser Bereich in Zukunft besser gestellt wird; denn wenn es in den vergangenen Jahren Probleme in diesem Zusammenhang gegeben hat, dann war das unter den bisherigen Verwaltungsstrukturen möglich. Wenn wir uns Gedanken über eine leistungsfähigere Verwaltung in Nordrhein-Westfalen, über eine effiziente Kontrolle machen, kann man nicht sagen, dass das Ganze nicht möglich und notwendig wäre. Es ist wichtig, dass wir das auf den Weg bringen.

Meine Damen und Herren, das, was hier diskutiert wird, ist ein altes Thema. Es ist insofern ein altes Thema, als wir in Nordrhein-Westfalen Schlachthöfe haben – Gott sei Dank haben wir noch einige – und bestimmte Arbeiten, die in diesen Schlachthöfen verrichtet werden, an Subunternehmer vergeben werden. Das Problem dabei ist, dass es darunter seriöse, aber auch einige unseriöse Subunternehmer gibt. Es ist auch das Problem, dass leider zu wenig deutsche Arbeitslose oder Arbeitnehmer bereit sind, diese Arbeit zu machen. Deswegen greift man auf ausländische Arbeitskräfte zurück.

Ich kann Ihnen nur sagen: Gehen Sie in die Schlachthöfe. Dort wird eine schwere Arbeit geleistet. Die Beschäftigten stehen sechs oder sieben Stunden in Räumen, wo ständig die Kühlanlagen laufen.

Es ist im Interesse des Verbraucherschutzministers, dass die Arbeitskräfte sozialversichert sind und alle notwendigen Kriterien erfüllt werden.

Zum Schluss, Frau Präsidentin, darf ich nur noch sagen, dass ich schon im Mai 2005, direkt nach der Regierungsübernahme, die Lebensmittelüberwachungsbehörden angewiesen habe, …

Herr Minister.

… möglicherweise illegale Beschäftigungsverhältnisse, die ihnen im Rahmen ihrer Hygiene- und Lebensmittelsicherheitskontrollen auffallen, umgehend den zuständigen Behörden zu melden. Auch von der Seite greifen wir das Thema auf.

Ansonsten freue ich mich auf die Aktuelle Stunde morgen, wo wir noch ausreichend Zeit haben, über die Frage der Qualität von Fleisch und Lebensmitteln zu debattieren. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hat von Ihrem Recht, im Parlament jederzeit das Wort ergreifen zu dürfen, in diesem Falle eine Minute 52 Sekunden über die verabredete Redezeit hinaus Gebrauch gemacht. Ich frage die anderen Fraktionen, ob es noch Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann sind wir am Schluss der Beratung zu Tagesordnungspunkt 3.

Meine Damen und Herren, der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/2094 an den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend – sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist diese Überweisungsempfehlung mit Zustimmung aller Fraktionen angenommen.

Wir kommen zu:

4 Hochschulfreiheitsgesetz (HFG)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/2063

erste Lesung

In Verbindung damit:

Für ein modernes und liberales Hochschulgesetz

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/2095

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren, ich eröffne die Beratung und erteile zur Einbringung des Gesetzentwurfs für die Landesregierung Herrn Minister Prof. Dr. Pinkwart das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem die Landesregierung die Eckpunkte hier bereits vor einigen Monaten vorgestellt hat, bringt sie heute in die parlamentarische Beratung einen Gesetzentwurf ein, der eine neue Ära der Hochschulpolitik in NordrheinWestfalen einläutet. Wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, hat Nordrhein-Westfalen das mit weitem Abstand freiheitlichste Hochschulrecht aller Bundesländer. Unser Ziel ist ein modernes Hochschulrecht für eine moderne Hochschule, die den veränderten Anforderungen an Forschung und Lehre im 21. Jahrhundert gerecht wird.

Ob es den Hochschulen gelingt, die nachwachsende Generation auf international konkurrenzfähigem Niveau auszubilden, ob sie exzellente Forschung betreiben und intensiven Wissenstransfer in die Wirtschaft pflegen, ist entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.

Unser Gesetz ist für diejenigen gemacht, die einen echten Qualitätssprung in der Ausbildung der Studierenden erreichen wollen, die mehr Exzellenz in der Forschung wollen und die aus den Hochschulen heraus Schrittmacher für den gesellschaftlichen Fortschritt sein wollen.

Wir wollen Qualität. Wir wollen Exzellenz. Wir wollen Hochschulen, die Schrittmacher sind. Wer dem zustimmt, muss auch den Mut haben, die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, wie wir es mit dem Hochschulfreiheitsgesetz tun.

Lassen Sie mich zur ersten Voraussetzung kommen: Wer Qualität will, muss Freiheit geben.

(Beifall von CDU und FDP)

Der Staat muss aufhören, die Hochschulen zu gängeln, sie zu bevormunden und sie in einem Regelungsdickicht einzuschnüren. Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Bernd Kempen von der Universität Köln,

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Guter Mann!)

hat in der Anhörung von Bundestag und Bundesrat zur Föderalismusreform erst vor wenigen Wochen im Deutschen Bundestag erklärt – mit Genehmigung der Präsidentin darf ich ihn zitieren –:

„Wir hoffen, dass die Länder sich darauf besinnen, dass neben Bund und Ländern im Bereich der Wissenschaft schließlich es noch eine dritte Ebene gibt, nämlich die der Universitäten und Fachhochschulen, und dass man denen am Besten möglichst viel Autonomie einräumt.“

Herr Kempen fährt fort – ich zitiere weiter –:

„Das Bundesland Nordrhein-Westfalen macht derzeit vor, wie Deregulierung aussehen kann.“

(Beifall von der FDP)

So ist es, meine Damen und Herren.

Wir gehen voran. Die Hochschulen werden als Körperschaften des öffentlichen Rechts verselbständigt und sind künftig keine staatlichen Einrichtungen mehr. Wir lösen sie aus dem staatlichen Weisungsrecht und übertragen ihnen weit reichende Kompetenzen und die Verantwortung für Finanz-, Personal- und Organisationsentscheidungen. Es gibt keinen einzigen Grund, den Hochschulen länger zu verwehren, diese Gestaltungsfreiheit zu nutzen und neue Gestaltungsverantwortung zu übernehmen.

Im Gegenteil: Es ist höchste Zeit, sie ihnen endlich zu gewähren. Und wir wollen das jetzt tun, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Deshalb verabschieden sich der Staat und die Landesregierung sowie der Landtag aus der Detailsteuerung. Das heißt allerdings nicht, dass wir uns aus der Hochschulpolitik verabschieden, bedeutet aber: Wir steuern künftig anders, wir steuern künftig ergebnisorientiert. Das Instrument sind die Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit den Hochschulen. Wir wollen den Hochschulen damit kein neues Zaumzeug anlegen, aber Laissez-faire wird es auch nicht geben.

Über die Ziel- und Leistungsvereinbarung werden wir sichern, dass auch künftig ausreichend Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet werden, dass sogenannte Orchideenfächer in Nordrhein-Westfalen auf hohem Niveau studiert werden können und dass natürlich auch weiter hinreichende Kapazitäten in den theologischen Fakultäten im Land vorhanden sind.

Wir werden mit den Hochschulen sehr verbindlich etwas verabreden, was uns ein besonderes Anliegen ist. Ich bin dem DFG-Präsidenten Winnacker sehr dankbar, dass er das jüngst auf der Jahrestagung der DFG so unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat. Dabei geht es um die Förderung von Frauen in Wissenschaft und Forschung.

In Nordrhein-Westfalen beträgt der Anteil der Frauen an Professuren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gerade einmal 12,7 %. Damit liegt Nordrhein-Westfalen knapp unterhalb des Bundesdurchschnitts. Der Anteil der Frauen an den Studierenden und Absolventen liegt bei knapp 50 %. Ich bin der Meinung, dass dieses Missverhältnis auf Dauer so nicht aufrechterhalten werden kann, und glaube – folgt man den Ausführungen von Herrn Winnacker –, dass wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Hochschul- und Wissenschaftsstandortes Nordrhein-Westfalen wie Deutschland insgesamt nur sichern können, wenn die Hochschulen den Frauen in der Wissenschaft mehr Chancen einräumen. Wir wollen das jedenfalls im Rahmen der Ziel- und Leistungsvereinbarung in Zukunft verbindlicher verabreden, als das unter der Vorgängerregierung der Fall war, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Zweite Voraussetzung: Wer Exzellenz will, muss Wettbewerb akzeptieren. Wettbewerb ist nicht das Ziel, Wettbewerb ist das Prinzip, um mehr Qualität zu erreichen.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Es wird mehr Differenzierung in der Hochschullandschaft geben. Hierzu hat Präsident ErnstLudwig Winnacker auf der Jahresversammlung der DFG eindringlich gesagt, dass die Differenzierung der Hochschullandschaft ein Muss ist, wenn wir künftig 40 bis 50 % eines Altersjahrgangs an deutschen Hochschulen ausbilden wollen.

Wir können nicht zwingend erwarten, dass eine Hochschule, die in einigen Fächern hervorragend ausbildet, zugleich in allen anderen Bereichen in der internationalen Liga der Spitzenforschung spielt. Die Hochschulen müssen also das Humboldtsche Ideal der Universität neu denken, individuelle Stärkenprofile ausbilden und den Wettbewerb annehmen. Dann erst haben sie die Chance, international mitzuspielen.

Wissenschaftsadäquater Wettbewerb heißt auch: mehr Dynamik in der Hochschullandschaft. Verordnete Mittelmäßigkeit, der nur wenige Ausreißer trotzig widerstehen, ist aus meiner Sicht eine Zu

mutung. Es wird künftig Aufsteiger, aber auch Absteiger geben. Entscheidend ist: Jede Hochschule muss die faire Chance bekommen – bei uns wird sie sie erhalten –, sich in überschaubarer Zeit erfolgreich zu verändern. Gewinner werden jene sein, die schnell und flexibel sind und eine intelligente Strategie für ihre individuelle Situation entwickeln.

Wie das funktioniert, kann man etwa am Beispiel der Universität Bremen sehen. Wer von uns hätte vor fünf oder zehn Jahren gedacht, dass diese Universität es einmal schaffen würde, in einem nationalen Wettbewerb unter die besten zehn Universitäten gelangen zu können? Das hat sie nur erreicht, weil sie diesen Wettbewerb auch tatsächlich aufgenommen hat.