Protokoll der Sitzung vom 21.06.2006

Das ist doch die Kritik: Sie wollen hier etwas durchpeitschen.

Ich möchte noch etwas anderes zitieren, was uns offensichtlich viel wichtiger ist als Ihnen, was nämlich die Beschäftigten zu dem sagen, was Sie hier vortragen. Da möchte ich das zitieren, was Verdi

am 16. Juni herausgegeben hat. Wenn Sie die Sache ernst nähmen, würden Sie diese Stellungnahme nicht nur aufmerksam lesen, sondern Sie würden vor allem die Kritik, die dort formuliert wird, auch berücksichtigen.

(Zuruf von der FDP: Auch von Verdi?)

Auch von Verdi, natürlich. Die Beschäftigten an den Hochschulen müssen sie mitnehmen, um den Prozess erfolgreich hinzubekommen. Wenn Sie wirkliche Autonomie wollen, dann geht das nur mit den Beschäftigten und nicht gegen die Beschäftigten an den Hochschulen von NordrheinWestfalen.

(Beifall von der SPD)

Das sollten Sie nun aber wirklich berücksichtigen. Verdi schreibt – ich zitiere –:

„Die Vertreter des Hauptpersonalrates kritisierten nachdrücklich, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen CDU und FDP den negativen Voten von Senaten, Studierendenschaften und Personalversammlungen zum Referentenentwurf nicht entsprochen haben. Zwar will die Landesregierung nunmehr die Insolvenz von Hochschulen ausschließen, im Falle einer Zahlungsunfähigkeit einer Hochschule jedoch nur für die Entgeltansprüche der Beschäftigten eintreten, die am 31.12.2006 schon bei den Hochschulen beschäftigt waren, nicht jedoch für die nach diesem Stichtag Eingestellten. Völlig inakzeptabel“

so die Stellungnahme weiter –

„ist, dass die politischen Verantwortlichen von Autonomie reden, jedoch nicht bereit sind, sich dem Dialog der Kritik der Betroffenen zu stellen. Auch für die Hochschulleitungen ist es mehr als peinlich, wenn die Gremien der Hochschulen das Gesetz umfänglich ablehnen, Ressortminister Prof. Andreas Pinkwart jedoch den Eindruck vermittelt, Rektoren und Kanzler der Hochschulen stünden in Wirklichkeit hinter dem Entwurf. Für die Personalräte bleibt der Maßstab jeder Hochschulpolitik die Verlässlichkeit, die ausreichende Mittelausstattung und die Partizipation der Hochschulangehörigen.“

Das ist die Kritik, die wir als SPD teilen. Und Sie sollten diese Kritik nicht nur hören, sondern Sie sollten sie auch aufgreifen.

Deswegen sagen wir: Dieses Gesetz ist nicht geeignet, die Hochschullandschaft und die Bedingungen für Lehre und Forschung nachhaltig zu verbessern. Unser Vorschlag ist: Ziehen Sie den Entwurf zurück, oder kommen Sie wenigstens

nach der Beratung mit den beteiligten Akteuren zu einer grundlegenden Revision. Vor allem, Herr Minister Pinkwart: Geben Sie Ihrem Gesetzentwurf mehr Zeit. Nehmen Sie sich die Zeit, die Kritik und die Anregungen anzuhören, und peitschen Sie Ihr Vorhaben nicht durch diesen Landtag mit in vielen Fällen völlig ungeklärten Folgen für die Hochschulen, deren Angehörige und Studierende. Nur wenn Ihnen das alles egal ist, halten Sie an Ihrem Fahrplan fest und werden zu keinen grundlegenden Änderungen bereit sein.

Die SPD-Fraktion – das haben Sie zur Kenntnis genommen – beschreitet einen anderen Weg. Wir haben gemeinsam mit den Akteuren Eckpunkte vorgelegt, die mit denjenigen, die an unseren Hochschulen lehren, forschen, studieren und arbeiten, erarbeitet worden sind. Nochmals: Die SPD in Nordrhein-Westfalen will mehr Autonomie an den Hochschulen, aber ein Mehr an Verantwortung muss mit einer Stärkung der Binnenorganisation einer Hochschule einhergehen, um Leistungsfähigkeit und Selbstverantwortung zu fördern.

Unsere Überzeugung ist: Das sogenannte Gruppenmodell hat sich hier bewährt. Sie diffamieren das Gruppenmodell, Herr Pinkwart; das halte ich für falsch. Hier werden Professoren, Studierende, wissenschaftliche Mitarbeiter und die Mitarbeiter in Verwaltung und Technik an den Entscheidungsprozessen innerhalb einer Hochschule beteiligt. Dieses Modell wollen wir weiterentwickeln; denn wir haben Vertrauen in die Menschen, die an unseren Hochschulen lehren, forschen, studieren und arbeiten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Schönen Dank, Herr Eumann. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Kollege Kuhmichel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Wer Qualität will, muss Freiheit geben.“ Dieser Satz, gerade eben vom Wissenschaftsminister vorgetragen, ist wirklich Programm. Fünf Worte fassen den Duktus eines der wegweisendsten Gesetze in unserer Landespolitik zusammen, hervorragend formuliert. Hier wird der Paradigmenwechsel, den wir jetzt vornehmen, wirklich in eine Formel gegossen. Dafür sind wir sehr dankbar, und wir sind froh.

(Beifall von CDU und FDP)

Und für das Ganze gilt: Je schneller, desto besser! Wir haben uns doch auf einen Zeitplan geeinigt und sind uns darüber im Klaren, dass wir die

ses Gesetz wirklich so schnell wie möglich umsetzen müssen.

Wir freuen uns über diesen Gesetzentwurf ohne Wenn und Aber und lassen uns diese Freude nicht verwässern, Herr Kollege Eumann. Das ist für uns ein schönes kühles Gläschen Wein, in das Sie Wasser hineinkippen wollen; das schaffen Sie aber nicht.

Ich bin auch etwas erstaunt, Herr Kollege Eumann, dass Ihr Vortrag so sehr von einer eher nach hinten gerichteten Selbstzufriedenheit geprägt war. Ich – und andere auch tun das – erlebe Sie hier doch ganz anders. Sie sind ja ein durchaus forsch und temperamentvoll herüberkommender jüngerer Politiker. Innovativ schreiten Sie daher.

(Allgemeine Heiterkeit)

Auf Ihren Parteitagen singen Sie mit Inbrunst: „Mit uns zieht die neue Zeit!“ Nur: Bei diesem Gesetz bleiben Sie liegen. Das passt einfach nicht zusammen, Herr Kollege; Sie müssen tatsächlich mit der Zeit gehen.

Was Sie hier vorgetragen haben, ist der Beweis dafür, Herr Kollege Eumann, dass Sie sich von der konstruktiven Mitgestaltung einer modernen Hochschulpolitik verabschieden – leider, muss ich hinzufügen.

(Lachen von Marc Jan Eumann [SPD])

Sie beschränken sich überwiegend auf das Bedienen von Stimmungen, von Vorurteilen und Sorgen. Das ist einfach zu wenig, auch für eine Oppositionspartei, die Sie ja jetzt sind. Verständlich, dass man das aufgreift; das gibt Nahrung. Aber es reicht nicht aus. Sie müssen auch als Opposition weiter mitgestalten. Leider verabschieden Sie sich aber davon. Der bloße Transport von Protesten und Bedenken ist einfach keine konstruktive Oppositionsarbeit.

Dann kommt noch das Nachhutgefecht mit den Studienbeiträgen. Herr Kollege Eumann, das geht doch am Thema vorbei. Das sortiert sich doch alles. Alle gehen auf Spur. Überall wird das jetzt eingeführt, und die Studenten und die nachfolgenden Generationen haben ihren Vorteil davon.

Meine Damen und Herren, heute ist ein guter Tag für unser Land und seine Hochschulen, ein guter Tag für alle, die mutig und entschlossen die Qualität in der Ausbildung unserer Studierenden verbessern wollen, ein guter Tag im Sinne einer größeren Gestaltungsfreiheit unter Übernahme neuer Gestaltungsverantwortung.

Es ist allerdings auch ein schlechter Tag, ein schlechter Tag für alle – wir werden gleich noch welche hören; wir haben schon jemanden gehört –, die auf Beharrung und das „Weiter so!“ setzen, die jetzt Sorge haben und diese Sorge noch verstärken, der Staat könne sich zu weit zurückziehen und die Beschäftigten und andere an den Hochschulen dabei vergessen. Mitnichten! Sie wissen das selbst viel besser. Diese Sorge ist unbegründet. Der Staat verabschiedet sich nicht aus der Hochschulpolitik. Das wurde eben noch einmal deutlich vom zuständigen Innovationsminister unterstrichen. Der Staat verabschiedet sich lediglich aus der Detailsteuerung. Das wollten wir doch alle, hoffentlich Sie auch. Mit dieser Regelungsflut muss es doch ein Ende haben. Das wird in diesem Gesetz jetzt festgeschrieben, und deswegen begrüßen wir das Ganze.

Meine Damen und Herren, ein Gesetz wie dieses steht schon lange – das ist auch bekannt – auf der Wunschliste der CDU-Fraktion. Der Vollständigkeit halber – das begründet ja unsere besondere Freude – erinnere ich an einen Antrag der CDU vom 23. Februar 2000, also vor jetzt gut sechs Jahren, Drucksache 12/4714. Damals haben wir in unserem Antrag unter Abschnitt III deutlich gemacht, dass es dringend notwendig sei, neue Wege in der Hochschulpolitik in NRW zu beschreiten, und haben dann Folgendes zu Papier gebracht – wie gesagt: im Jahr 2000, Februar –:

„Es gilt, in NRW das Verhältnis von Staat und Hochschulen künftig auf eine völlig neue Grundlage zu stellen. Deregulierung und Dezentralisierung werden dadurch erreicht, dass das Land sich sowohl bei der inhaltlichen Ausgestaltung als auch der Organisation und der Finanzierung auf eine globale Zielsetzung und Steuerung beschränkt. Im Übrigen räumt das Land den Hochschulen als ‚Wissenschaftsunternehmen’ weitestgehende Freiheiten ein.“

So lautet der Antrag der CDU-Fraktion vom Februar 2000.

Dann haben wir auch einige Punkte aufgelistet, wie wir uns vorstellen könnten, wie Akzente für eine solche neue Hochschulpolitik gesetzt werden könnten. Da steht in unserem Antrag zum Beispiel:

„Die Hochschulen werden aus dem staatlichen Verband entlassen. Sie unterliegen nur noch der staatlichen Rechtsaufsicht.“

Und weiter steht darin – wie gesagt, Februar 2000 –:

„Durch Zielvereinbarungen mit dem Land wird in einer globalen Weise festgelegt, in welcher

Größenordnung und in welcher Richtung die Hochschulen ausbilden.“

Weiter heißt es – ich überschlage einiges –:

„Die Hochschulen werden als Stiftung Eigentümerin ihrer Grundstücke und Gebäude und können hierüber … unter Wahrung der Zielvereinbarungen frei verfügen.“

Hier müssen wir noch nachlegen. So weit sind wir noch nicht. Aber auch hier sind wir auf einem guten Weg. Wir haben schon damals niedergeschrieben:

„Die Hochschule erhält – ihrem Charakter als Wissenschaftsunternehmen entsprechend – eine unternehmensähnliche Organisation … Einem Stiftungsrat als Aufsichtsgremium gehören auch auswärtige Wissenschaftler und Sachverständige aus der Wirtschaft an. Der Rat“

der Hochschulrat –

„ist für die Bestellung des Hochschulvorstandes, das Rektorat oder das Präsidium verantwortlich.“

Wir hatten nie Sorge, dass es eine fremdbestimmte Hochschule werden könnte, wenn man Sachverstand von außen hereinholt. Ganz im Gegenteil: Diese Leute werden Mitglieder der Hochschule. Sie sind in der Selbstverantwortung genauso zuständig und verpflichtet. Diesbezüglich haben wir gar keine Sorgen. Der Minister hat ja eben einige hochwohlgeborene Persönlichkeiten erwähnt,

(Zuruf von der SPD)

die in anderen Hochschulen schon ihre Arbeit verrichten. Haben Sie keine Sorgen, dass auswärtiger Sachverstand den Hochschulen von Schaden sein könnte. Genau das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, Sie sehen also, dass wir als CDU-Fraktion gar nicht anders können, diesen Gesetzentwurf aus vollem Herzen zu begrüßen, weil er eben nicht zuletzt diese Ideen von damals aufnimmt, die seinerzeit übrigens in der Landschaft begrüßt worden sind. Wir waren ja mit dem Antrag aus dem Jahre 2000, den ich gerade zitiert habe, vor Ort. Die Leute, die es betrifft, haben gesagt: Ihr müsst die Mehrheit bekommen. Ihr müsst solch ein Gesetz machen. – Jetzt haben wir die Mehrheit – die Bürgerinnen und Bürger haben sie uns verschafft –, und wir machen es nun. Deswegen ist das ein Tag der Freude.

Ich komme zum Schluss