Protokoll der Sitzung vom 21.06.2006

Seit 2002 hat sich das Hochschulrecht nicht so grundlegend verändert, liebe Frau Seidl.

Insgesamt war das Hochschulgesetz aus Nordrhein-Westfalen gerade einmal Mittelmaß. Das reicht nicht aus. Zumindest uns als neuer Koalition ist das zu wenig.

Deshalb: Nicht die Hochschulen und ihre Angehörigen haben versagt. Versagt hat vielmehr eine Hochschulpolitik, die auf planwirtschaftliche Instrumente, auf Regulierung, auf Masse statt auf Klasse gesetzt hat. Versagt hat ein überkommenes Hochschulrecht, das Initiative, Kreativität und Engagement behindert und nicht gefördert hat.

(Beifall von FDP und CDU)

Deshalb beraten wir ein neues Gesetz: das Hochschulfreiheitsgesetz, das schon im Titel die neue Philosophie der Wissenschaftspolitik verdeutlicht. Wir sind davon überzeugt, dass der Staat nicht als Entscheider und Bevormunder gefragt ist, sondern dass er als Partner der Hochschulen gebraucht wird.

Er darf nicht länger dekretieren; er muss ermöglichen und koordinieren. Unser Ziel ist es, den Hochschulen, den Wissenschaftlern und den Studierenden endlich eine faire Chance zu geben, sich besser im internationalen Vergleich behaupten zu können. Wir wollen, dass die Hochschulen in ihrer Finanzierung neue Wege gehen können und im Interesse von Lehre und Forschung effizienter mit öffentlichen und privaten Geldern wirtschaften. Und wir wollen mehr Wettbewerb; denn er ist ein Entdeckungsverfahren für die besten Ideen und Konzepte.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Vesper?

Lieber Herr Dr. Vesper, später oder in den Ausschussberatungen. Ich will noch einen Gedanken vortragen.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Noch einmal: Papst!)

Lieber Herr Eumann, wenn ich mir Ihre Rede noch einmal in Erinnerung rufe, war das einzig Neue daran Ihre Frisur – sonst nichts.

(Beifall von der FDP)

Insofern bitte ich Sie, zu einer anderen Form der Auseinandersetzung zurückzufinden. Das können Sie auch.

Der Minister hat Eckpunkte des Gesetzentwurfes bei der Einbringung vorgetragen. Ich will lediglich noch zwei hervorheben.

Erstens. Die Hochschulen werden sich mit dem Hochschulrat noch stärker nach außen in die Gesellschaft öffnen können. Aber dieser Hochschulrat ist nicht Ausdruck von Fremdbestimmung, sondern ein Organ der Hochschule selbst. Mit ihm überwinden wir die durchgehende Versäulung der Hochschulen durch die Gruppen-, Fachbereichs- und Lehrstuhlinteressen, die gelegentlich den Blick auf das Ganze verstellt haben.

Zweitens. Die Hochschulen erhalten eine gestärkte Leitung. Die Präsidien und Rektorate können mit Globalhaushalten wirtschaften, Rücklagen und Vermögen bilden, alle Personalentscheidungen in eigener Verantwortung treffen und sich zumindest im wissenschaftsnahen Bereich unternehmerisch engagieren. Hochschulen werden künftig in der Lage sein, ihr Profil innerhalb kürzester Zeit zu ändern, zu schärfen und an die Bedürfnisse der Gesellschaft anzupassen.

Nur durch das so ermöglichte strategische Wissenschaftsmanagement können wir überhaupt das humboldtsche Ideal von Forschung und Lehre für die Zukunft sichern, das sonst angesichts des internationalen Wettbewerbs um Köpfe auf Dauer gefährdet wäre.

Zur Verbesserung von wissenschaftlicher Lehre und Forschung in Nordrhein-Westfalen hat die Koalition aus Union und FDP klare Entscheidungen getroffen: Im Zukunftspakt ist die öffentliche Finanzierung des Hochschulwesens trotz der Haushaltsnotlage verstetigt worden.

Mit dem Pinkwart-Modell für sozialverträgliche Studienbeiträge haben wir darüber hinaus eine Möglichkeit geschaffen, den ergänzenden Privatfinanzierungsanteil der Hochschulen zu erhöhen.

Das Hochschulfreiheitsgesetz ist der dritte Schritt. Es markiert einen Kulturwechsel. Deshalb ist es wichtig, sämtliche Regelungen sorgfältig abzuwägen. Wir freuen uns über jede Kritik und jede Anregung. Denn dadurch kann aus einem sehr guten Gesetzentwurf ein vorzüglicher Gesetzesbeschluss werden. Eines ist aber schon heute klar: Die Leitlinien und die Architektur dieses Gesetzentwurfes sind ohne Alternative. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Lindner. – Als Nächster spricht für die SPDFraktion Herr Schultheis.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Lindner, es wäre erstens schlecht, wenn es zu dem, was da ist, keine Alternative gäbe.

(Christian Lindner [FDP]: Das haben Sie ver- säumt!)

Herr Lindner, grundsätzlich wäre ich nicht so defätistisch anzunehmen, dass es keine Alternative zu den Dingen gibt, die man jetzt hat. Das ist eine falsche Geschichtsbetrachtung.

Zweitens. Den Vatikan zum Kronzeugen für Autonomie zu machen, ist wirklich kühn und sehr interessant.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Zu den Frisuren: Es gibt Frisuren, die mir gefallen, und solche, die mir nicht gefallen. Mir ist immer wichtig, was unter der Frisur ist. Darauf kommt es wohl auch in diesem Landtag an.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Zum Hochschulgesetz, dem sogenannten Hochschulfreiheitsgesetz und den alternativen Vorstellungen der SPD: Ich sage noch einmal, dass wir bei der Diskussion über ein neues Hochschulrecht zwei Leitgedanken verfolgen.

Im Übrigen hat Nordrhein-Westfalen seit 2004 anerkanntermaßen das fortschrittlichste Hochschulrecht in der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Aber das heißt nicht, dass man das, was gut ist, nicht noch besser machen könnte.

Wir verfolgen aus der Vergangenheit heraus eine klare Linie in die Zukunft. Die beiden Leitgedanken sind, wirkliche Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung zu erreichen – da sind wir auf der Seite derjenigen, die mehr Autonomie wollen – und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die öffentliche

Verantwortung für Bildung weiterhin glaubwürdig und nicht nur als Etikett wahrgenommen wird.

Hierzu macht die SPD-Fraktion konkrete Vorschläge: einmal in ihrem Antrag, aber auch in den dazugehörenden Eckpunkten für ein neues Hochschulrecht. Ich kann Ihnen nur empfehlen, diese Eckpunkte zu lesen und für die weitere Debatte zu nutzen. Denn ich weiß nicht, wo Sie Ihre Wahrnehmung herholen, dass in der Wissenschafts- und Hochschulwelt eine große Zustimmung für Ihren Gesetzentwurf besteht. Wir müssen uns mit total unterschiedlichen Menschen unterhalten haben.

(Zuruf von Manfred Kuhmichel [CDU])

Lesen Sie doch die Stellungnahmen der Hochschulen. Dann werden Sie sehen, wie sich die Hochschulen zu diesem Gesetzentwurf verhalten: Im Wesentlichen wird der Gesetzentwurf kritisiert und keine Lobhudelei betrieben. Diese klare Kritik nehmen Sie nicht zur Kenntnis. Es mag sein, dass Sie privatissime und gratis mit irgendwelchen Leuten sprechen, die das, was Sie sich in FDPZirkeln ausgedacht haben, gut finden. Das will ich gar nicht bestreiten. Aber das ist nicht die offizielle Meinung der Hochschulen.

(Beifall von der SPD)

Einige Worte, wie wir uns mehr Selbstbestimmung an unseren Hochschulen und die Wahrnehmung öffentlicher Verantwortung vorstellen: Wir wollen, dass in Zukunft eine klare Trennung der Verantwortlichkeit derjenigen besteht, die Hochschule ausmachen.

Der Senat soll als Legislative der Hochschulen wirken. Dort sollen die Kernentscheidungen getroffen, der Ordnungsrahmen und der Finanzrahmen bestimmt werden.

Die Hochschulleitung, das Rektorat oder das Präsidium sollen die Leitung so wahrnehmen, dass man das operative Geschäft in der Organisation von Forschung und Lehre, aber auch im Bereich der Finanzen und der Wirtschaftsführung voll in der Hand behält.

Hier gibt es klare Zuständigkeiten. Das führt auch nicht zu Ausweitungen, wie Sie sie mit einem Hochschulrat, der als weiteres Gremium ins Spiel kommt, vorschlagen. Durch den Hochschulrat, den wir in dieser Form ablehnen, ist mehr Fremdbestimmung gewährleistet.

(Beifall von der SPD)

Man muss die Hilfskonstruktion Ihres Gesetzentwurfs,

(Zuruf von Manfred Kuhmichel [CDU])

der erst seit dem 19. Juni offiziell im Landtag ist – das sind zwei Tage …

(Christian Lindner [FDP]: Sie haben ihn doch vorher bekommen!)

Dieser Gesetzentwurf ist offiziell seit zwei Tagen im Haus. Das Datum ist der 19. Juni.

(Christian Lindner [FDP]: Sie sind ein Falschspieler!)

Herr Lindner, schauen Sie auf den Entwurf: 19. Juni steht auf dem Entwurf.

Wenn Sie ihn genau lesen und dann noch behaupten, dass das, was Sie dort vorschlagen, weniger Bürokratie ist, dann kann ich wirklich nur lachen. In Zukunft soll das Präsidium, das Rektorat, gegenüber dem Hochschulrat viermal jährlich einen schriftlichen Statusbericht abgeben. Ich wüsste kein Ministerium, das in der Vergangenheit so etwas verlangt hätte.

(Zuruf von der SPD: Viel Spaß! – Dieter Hil- ser [SPD]: Das ist Planwirtschaft!)

Viermal im Jahr ist ein schriftlicher Bericht bis ins Detail vorzulegen. Im Übrigen haben Sie den Begriff Insolvenz herausgenommen. Jetzt sehen Sie den Staatskommissar vor. Sie sehen vor, dass womöglich unabhängige Sachverständige von außen in die Hochschulen gesetzt werden. Wo in diesem Verfahren ist weniger Bürokratie?