Protokoll der Sitzung vom 27.09.2006

Im heute eingebrachten Gesetzentwurf ist an mehreren Stellen von Schrittfolgen die Rede. Meine Damen und Herren, insoweit trifft uns Ihr Lob – um mit Herbert Wehner zu sprechen – in keiner Weise. Der Kollege Becker hat sicherlich schon intensiv ausgeführt, was wir von diesen Schrittfolgen halten und was uns an Ihrem Vorgehen stört.

Sie machen den zweiten Schritt vor dem ersten. Sie bringen die mittlere Verwaltungsebene aus dem Gleichgewicht und werden unserer Einschätzung nach – ohne dass ich hier als Kassandrarufer auftreten möchte – bei der gesamten Veranstaltung womöglich auf der Nase landen.

Hinsichtlich Ihrer Regierungskoalition hält sich mein Mitleid für dieses unfallträchtige Verhalten sicherlich in erkennbaren Grenzen. Es fragt sich allerdings, ob das Land eine solche experimentelle Politik mit hohem Risikofaktor verträgt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Denn der Weg ist hier nicht das Ziel. Wenn Sie bestehende Strukturen infrage stellen, müssen Sie – das ist nicht nur das gute Recht, sondern die Pflicht auch von Parlamentariern – sehr deutlich sagen, zu welchen Ergebnissen Sie kommen wollen. Sie müssen sagen, wie Sie sich die Arbeitsschutz- und Umweltverwaltung vorstellen, aber dürfen nicht einfach die Türschilder nehmen und von A nach B transportieren und dann da wieder anschrauben, meine Damen und Herren.

Strukturen müssen – da bin ich ganz nah bei dem, was alle Vorredner gesagt haben – in einer sich ändernden Welt regelmäßig infrage gestellt werden. Da ist sicherlich auch die Verwaltung dem Wandel unterworfen, aber strukturelle Fehlentscheidungen sind in diesem Bereich eben nicht so einfach zu korrigieren.

Die Eingliederung von Sonderbehörden ist immer wieder Thema und war auch Thema in der Vorgängerkoalition. Das ist dann sinnvoll, wenn es unter dem Aspekt der höheren Effektivität und Wirtschaftlichkeit und auch unter der Frage, welche Aufgaben der Staat erfüllen und welche Qualität diese Aufgabenerfüllung haben muss, geprüft wird. Genau diese Prüfung findet bei Ihnen erst statt, nachdem Sie grundlegende Entscheidungen getroffen haben.

Das kann doch nicht sinnvoll sein. Es entspricht doch eher chaos-theoretischen Ansätzen, wenn man ganz viele Sonderbehörden auf die Bezirksregierungen verlagert und erst anschließend die Bezirksregierungen erstens in ihrer Anzahl und zweitens in ihrer Funktionsweise infrage stellt. Dann kommen Sie zu dieser sonderbaren Veranstaltung der Regionalpräsidien. Diese Regionalpräsidien – da können wir Ihnen nicht folgen, und das steht auch nicht im „Düsseldorfer Signal“; so etwas hätten wir niemals vorgehabt – bergen hohe Risiken.

Herr Kollege Körfges, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ellerbrock?

Ja, natürlich.

Bitte schön, Herr Ellerbrock.

Herr Kollege Körfges, könnten Sie sich vorstellen, dass diese Landesregierung fähig war,

(Ralf Jäger [SPD]: Nein!)

die inzwischen vorliegenden Gutachten auszuwerten und entsprechende Schlüsse zu ziehen und statt zu reden, nunmehr zu handeln?

Meine Damen und Herren, ich halte diese Landesregierung für zu vielem fähig. Auf der anderen Seite kann ich mir nicht vorstellen, dass sie die vorliegenden Gutachten tatsächlich vernünftig ausgewertet hat; es ist ein paar Mal darauf hingewiesen worden, wie umfangreich das Material ist. Sonst wäre sie sicherlich zu anderen Ergebnissen gekommen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich denke zum Beispiel an die von Ihnen vielfach zitierten Regionalpräsidien: Die Vermischung von kommunalen und staatlichen Aufgaben ist kein einfaches Thema. Wir sind bei dieser Frage äußerst skeptisch, weil bei einer solchen Konstruktion – Kollege Becker von den Grünen hat darauf hingewiesen – die Gefahr einer Interessenkollision natürlich immer mitgedacht werden muss. Ich halte es für eine Bagatellisierung, wenn immer wieder auf den kreisangehörigen Raum und die dortigen Funktionen hingewiesen wird. Meine Damen und Herren, das ist sicherlich nicht zielführend.

Darüber hinaus möchte ich zum Grundsatz der Konnexität sagen: Natürlich sind wir alle für die Einhaltung des Konnexitätsgrundsatzes. Ich kann mir angesichts Ihres sonstigen kommunalfreundlichen Verhaltens – das ist ironisch gemeint – nicht vorstellen, dass Sie bei den Kommunen eine hervorragende Resonanz bekommen werden. Denn das wird doch sicherlich wieder nach der Melodie passieren: Wir verlagern die Aufgaben und sparen bei uns die Kosten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Svenja Schulze [SPD]: Genau! Das wird so sein!)

Heute ist vielfach von erfolgreichen Kontakten mit dem Freistaat Bayern die Rede gewesen. Fragen Sie doch die Bayern einmal, wie bei denen die Mittelbehörden aufgestellt sind. Fragen Sie einmal sehr intensiv nach, weshalb auf Bezirksregierungen so ein großer Wert gelegt wird. Beantworten Sie uns bitte die Frage, welche Vorteile die von Ihnen angestrebte Lösung den Menschen in unserem Bundesland bringt.

(Svenja Schulze [SPD]: Ja!)

Wir sind gerne dazu bereit, mit Ihnen über bestehende Strukturen zu diskutieren. Aber Sie müssten doch zumindest einen Anhaltspunkt dafür liefern, weshalb die von Ihnen angeregten neuen Strukturen denjenigen, die wir im Augenblick haben, überlegen sein sollen. Stattdessen flüchten Sie in platte Ideologie und behaupten, dass weniger Staat immer besser ist. Meine Damen und Herren, das ist eine Position – das müssen Sie uns nachsehen –, die wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht mittragen können.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Holger El- lerbrock [FDP])

Es sind eben ein paar sehr freundliche Aussagen über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemacht worden. Ich bin sehr froh darüber, dass zumindest Kündigungen gleich welcher Art ausgeschlossen sind. Wenn es darum geht, den Sachverstand der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachzufragen und in Überlegungen einzubeziehen, haben Sie uns sofort auf Ihrer Seite. Was Sie dialogisch gemacht haben, sieht doch aber in etwa wie folgt aus: Sie haben Antworten vorgegeben und erlauben jetzt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dazu passenden Fragen zu konstruieren. Das kann doch nicht allen Ernstes die Bezugnahme auf die in den Behörden vorhandene Sachkompetenz sein.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Wir sehen mit großer Sorge, dass Sie offensichtlich viele Schwierigkeiten nicht richtig einschätzen. Die Bau- und Meilensteine, die uns immer vorgehalten werden, sind aus unserer Sicht zu hinterfragen, weil das alles nur den im Koalitionsvertrag festgelegten Zielen dienen soll. Das haben Sie hier eben freimütig bekannt. Diese Ziele sind nicht hinterfragt. Bei diesen Zielen gibt es keine Fragestellung in Richtung Effizienz, Qualität und Bürgernähe. Das ist alles nicht erkennbar.

(Zuruf von Svenja Schulze [SPD])

Ich habe eben, relativ kurz vor dieser Plenarsitzung, mit einem Bürger gesprochen, der aus eigenem Antrieb Unterschriften für den Erhalt der Versorgungsverwaltung gesammelt hat. Die Menschen, die diese Sonderverwaltung für sinnvoll halten und auf die Qualität dieser Verwaltung angewiesen sind, sind in heller Aufregung darüber, dass die Versorgungsverwaltung infrage gestellt wird, ohne dass Sie erklären, wohin der Zug denn gehen soll.

Ich stehe nicht an zu sagen: Sicherlich gibt es in den Kommunen qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in dem Bereich etwas leisten kön

nen. Aber Sie von der Landesregierung sind noch den Nachweis darüber schuldig geblieben, wohin der Zug in dem Bereich fahren soll. Wir brauchen für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land eine effektive Verwaltung. Das, was Sie im Augenblick machen, ist ein bisschen wie SchwarzGelb im Legoland: Sie entwerfen etwas im Sandkasten und machen aus der Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen eine Art ideologischen Abenteuerspielplatz.

Meine Damen und Herren, entscheidend ist, was unter dem Strich an Effektivität, an Qualität und an Leistungsfähigkeit für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes herauskommt. Sie sind bis jetzt jede Antwort auf die vernünftigen Fragen der Opposition schuldig geblieben. – Ich bedanke mich.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Körfges. – Für die CDU-Fraktion erhält das Wort die Frau Abgeordnete Fasse.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird ein im Koalitionsvertrag vom 20. Juni 2005 festgelegtes, wesentliches Ziel erreicht werden: Weniger Staat und mehr Selbstbestimmung ist dort erklärtes Regierungsziel.

Der Umweltausschuss wird sich mit der Verwaltungsstrukturreform im besonderen Maße zu beschäftigen haben, da fast der gesamte Geschäftsbereich des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen von den vorgesehenen Änderungen betroffen ist.

Insoweit ist als Kernpunkt der Reform für diesen Bereich die Errichtung der Landesanstalt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz – kurz: LANUV – als Einrichtung nach § 14 des Landesorganisationsgesetzes zu nennen. Diese neue Anstalt soll im Wesentlichen die bisherigen Aufgaben des Landesumweltamtes, der Landesanstalt für Ökologie und Bodenordnung und Forsten und Verbraucherschutzfragen des Landesamtes für Ernährungswirtschaft und Jagd übernehmen.

Insbesondere die Gewährleistung eines umfassenden Verbraucherschutzes ist uns auch für die Zukunft ein großes Anliegen. Der Staat bleibt auch künftig in der Pflicht für einen funktionierenden Verbraucherschutz. Nach dem neuen Gesetz zur Straffung der Behördenstruktur werden die bisherigen hoheitlichen Verbraucherschutzaufgaben und Aufsichtsbefugnisse unserer fünf Bezirks

regierungen in der neuen LANUV gebündelt. So wird die effektivste Überwachung, Kontrolle und Information aus einer Hand gewährleistet. Ein Team von Fachleuten wird sich darauf konzentrieren, Lebensmittelskandalen künftig einen Riegel vorzuschieben.

Soweit die Aufgaben der eben genannten Einrichtungen nicht auf die LANUV übertragen werden, nehmen die Bezirksregierungen, insbesondere die Bezirksregierung Düsseldorf, die Aufgaben der Ämter in Zukunft wahr. Die jeweiligen Dienststellen, deren Aufgaben verlagert werden, werden aufgelöst.

Die vorgesehene Übertragung der Aufgaben Waldökologie, Forsten und Jagd sowie der Projekte zur nachhaltigen Nutzung auf den Landesbetrieb Wald und Holz bündelt die Belange des Waldes in einer Hand.

Auf die Bezirksregierungen werden die Aufgaben der Ämter für Agrarordnung, der Staatlichen Umweltämter und des Staatlichen Amtes für Umwelt- und Arbeitsschutz übertragen. Die genannten Ämter werden aufgelöst.

Von der gesamten Verwaltungsstrukturreform des Gesetzentwurfs werden mehr als 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen. Wie er es vorhin ausgeführt hat, soll nach den Worten unseres Innenministers Dr. Wolf die Sozialverträglichkeit bei der Eingliederung der Behörden im Vordergrund stehen. Es sollen keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden.

Allerdings gilt für die Beschäftigten grundsätzlich, dass sie bei der Neugliederung ihren bisherigen Aufgaben folgen. Mit anderen Worten, meine Damen und Herren: Sie werden mit Inkrafttreten des Gesetzes auf die Behörde beziehungsweise Einrichtung übergeleitet, die ihre Aufgabe in Zukunft wahrnimmt. Dadurch kann es in Einzelfällen zu Versetzungen kommen.

Nach Informationen von Minister Uhlenberg vom 23. August 2006 bleibt zunächst der Arbeitsplatz der betroffenen Beschäftigten räumlich auch über den 01. Januar 2007 hinaus dort, wo er bisher war.

Das Gesetz zur Straffung der Behördenstruktur dient allen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes. Der Umgang mit der Verwaltung wird für alle Betroffenen – insbesondere auch für die Wirtschaft – einfacher und zeitsparender. Kosteneinsparungen durch Synergieeffekte dürften zudem die Folge der Verwaltungsstrukturreform sein.

Der uns vorliegende und in den Ausschüssen zu diskutierende Gesetzentwurf beschreitet den rich

tigen Weg. Dem Land werden zukunftssichere und überschaubare Behördenstrukturen gegeben. In allen betroffenen Regelungsbereichen bleibt die bisherige Kompetenz bestehen und wird in Zukunft sogar noch gestärkt.

Die Verwaltungsmodernisierung führt auf den Gebieten des Umwelt- und Naturschutzes sowie des Verbraucherschutzes zu keinerlei Nachteilen. Das Gesetz wird ein Gewinn für unser Land NordrheinWestfalen sein. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Fasse. – Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Herr Remmel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jedenfalls dem fachkundigen Auditorium und auch Ihnen müsste auffallen, dass der Destruktivus der Verwaltungsreform Nordrhein-Westfalens heute nicht an der Debatte hier teilnimmt. Ich kann Ihnen auch sagen warum, weil ich es weiß: Wer nämlich Herrn Palmen im Umweltausschuss erlebt hat, und zwar sehr hautnah, der weiß, warum die Landesregierung ihn heute zu Hause gelassen hat.