Noch etwas zu dem Begriff „Toleranz“, der ja insbesondere bei Rot-Grün immer sehr hochgehalten wird, und zu dem Wort „Nulltolerenz“: Machen Sie sich bitte klar, dass das Wort „Nulltoleranz“ ein Widerspruch in sich ist.
In dieser Welt finden Sie nie etwas ganz Weißes oder etwas ganz Schwarzes. Wir müssen uns auch dort demnächst auf einen Grenzwert einigen, der vielleicht bei 0,02 Promille liegt. Wir gehen davon aus, dass das, was darunter liegt, nicht kontaminiert ist; denn irgendwann kommen wir an die Grenzen der Untersuchbarkeit. Das ist Pragmatik. Lassen Sie uns die Bürger wieder von den Bäumen holen, statt sie weiter zu verunsichern. Eine Relevanz besteht nämlich weder für die Gesundheit der Bevölkerung noch für die Ökologie in unserer Welt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die wichtigste Botschaft soll man am Anfang bringen. Deshalb erstens: Die wichtigste Botschaft ist, dass wir den Antrag der SPD unterstützen. Wir werden Ihrem Antrag heute zustimmen. Ich glaube, damit sind die Fronten klar.
Zweitens. Was ist eigentlich der politische Kern der Auseinandersetzung, um den sich in dieser Frage alles dreht? Wir glauben, dass die Verunreinigungsfälle in der Lebensmittelkette deutlich zeigen, dass die Gentechnikkonzerne bei Freisetzungsexperimenten viel zu lasch mit Sicherheitsfragen umgehen. Im letzten Jahr war es illegaler Mais von Syngenta; in diesem Jahr ist es Reis von Bayer. Wenn die angebliche Koexistenz schon bei der Forschung nicht funktioniert, wie soll sie dann beim kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen funktionieren?
Ich glaube, die Frage der Koexistenz steht hier im Mittelpunkt der Debatte. Der aktuelle Fall zeigt, dass die Koexistenz offensichtlich nicht funktioniert.
„Koexistenz“ ist ein politischer Begriff. Wofür braucht man diesen politischen Begriff? Man braucht ihn offensichtlich aufseiten derjenigen, die gentechnisch veränderte Lebensmittel, Pflanzen, Produkte und die entsprechenden Anbauweisen durchsetzen wollen, um die Bevölkerung zu beruhigen. Der Gebrauch des Begriffs Koexistenz soll beruhigen: Irgendwie geht alles nebeneinander; wir organisieren es so, dass es nebeneinander geht.
Diejenigen, die das wollen und vertreten, haben nämlich ein politisches Problem; denn sie haben keine Mehrheit bei den Menschen. Sie haben keine Mehrheit bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Ganz im Gegenteil: Die überwiegende Mehrheit der Menschen will keine gentechnisch veränderten Pflanzen und Lebensmittel.
Sie haben auch ein Problem bei Ihren eigenen Leuten. Nun sind nicht jeder Bauer und jede Bäuerin CDU-Wähler, aber man darf dort ein großes Spektrum vermuten. Der Bauernverband in Nordrhein-Westfalen hat sich jedoch gegen einen weiteren Fortschritt in diesem Bereich ausgesprochen. In Bayern gibt es eine entsprechende Beschlussfassung im Parlament. Sie haben also ein
Deshalb muss man in der Analyse tiefer gehen. Es ist schon peinlich, dass die entsprechenden Nachweise nicht von den zuständigen Behörden, sondern von einer Umweltorganisation erbracht worden sind. Das wirft Fragen hinsichtlich der Nachhaltigkeit staatlicher Kontrolle und Fürsorge auf, wenn man den Begriff Koexistenz für einen Moment ernst nimmt.
Ich frage mich auch, was der Minister in Nordrhein-Westfalen tut. Gestern hat es dazu eine Bilanzpressekonferenz gegeben. Sie haben berichtet, was Sie im Jahr 2005 für Untersuchungen durchgeführt haben: in welchem Umfang, mit welchen Ergebnissen. Wir würden gern wissen, wie die Ergebnisse für 2006 aussehen. Jetzt ist mehr als die Hälfte des Jahres 2006 vergangen. Welche Untersuchungen haben Sie denn durchgeführt?
Ja, aber Sie müssten sich aufgrund des aktuellen Falls schon unterrichten lassen. Was ist im letzten halben beziehungsweise im letzten Dreivierteljahr in Nordrhein-Westfalen passiert? Was ist festgestellt worden? Was haben die Behörden untersucht? Wir haben ein hohes Interesse daran, dass Sie uns das gleich darlegen.
Dann möchte ich weiterhin von Ihnen wissen: Der Sitz des Unternehmens, von dem der Genreis offensichtlich stammt, ist in Nordrhein-Westfalen. Das ist die Bayer AG. Hat es denn Gespräche des Umweltministeriums mit der Bayer AG gegeben?
Auch wenn es eine Tochter ist: Es wäre für den in dem Land zuständigen Verbraucherminister angemessen, dass er Kontakt mit Bayer aufnimmt, um darüber nachzudenken und zu forschen: Wie ist es denn, wenn das von dieser Firma kommt – offensichtlich kommt es von dieser Firma –, und welchen Weg hat es genommen? Wir finden, dass das die Aufgabe des Ministers in Nordrhein-Westfalen ist. In Nordrhein-Westfalen hat eben auch dieses Unternehmen seinen Sitz. Es wäre ganz spannend, das gleich von Ihnen zu erfahren.
Insgesamt glaube ich, dass dieser Fall erneut ein Schlaglicht auf die Frage wirft, ob Koexistenz möglich ist. Wir beantworten diese Frage dahin gehend, dass eine solche Koexistenz in weiten Teilen nicht möglich ist. Deswegen werden wir uns noch häufiger und an vielen Stellen mit der Gentechnik und dem Einsatz von Gentechnik be
schäftigen müssen. Wir hoffen, dass die Mehrheit, die es in der Bevölkerung für diese Position gibt, auch irgendwann einmal in diesem Parlament ihren Ausdruck finden wird. Vielleicht geschieht das auch in Ihren Köpfen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Kemper hat in der ihm eigenen sachkundigen Art hier eine Aufklärung betrieben, der ich mich nur anschließen kann. Ich möchte einige ergänzende Bemerkungen aus meiner Sicht dazu machen.
Erstens. Sachaufklärung tut not. 0,02 Promille in Spuren sind etwas anderes als eine flächendeckende Verbreitung von Genreis.
Zweitens. Nicht zugelassener Reis – egal ob konventionell oder genverändert – gehört nicht in den Handel, auch wenn keine gesundheitlichen Gefährdungen zu befürchten sind.
Drittens. Es gibt eindeutig die Kritik, dass die Amerikaner zu spät informiert haben. Auch das sollte man nicht übergehen.
Der nächste Punkt ist – auch darüber müssten wir uns eigentlich klar sein –, dass dieses Ereignis nun wirklich nicht für eine Anti-Gen-Kampagne taugt. Die Aussage in dem Antrag, dass nach Europa importierte Ware flächendeckend mit gentechnisch verändertem Reis durchsetzt gewesen sei, zeigt den ideologischen Hintergrund, vor dem dieser Antrag geschrieben worden ist. Wenn daraus ein Moratorium für alle Freilandversuche abgeleitet wird, muss ich sagen: Lasst die Kirche im Dorf, so etwas kann doch nicht wahr sein.
Die Gentechnik mit negativen Vorstellungen zu besetzen ist nichts anderes als Fortschrittsfeindlichkeit.
Das müssen Sie sich schon anhören. Die apokalyptisch gefärbten Darstellungen der Gentechnik, die Sie hier vorbringen, sind nichts anderes als Fortschrittsfeindlichkeit. Viele von uns würden heute nicht mehr in diesem Raum sitzen, wenn es nicht medizinische Produkte gäbe, die aus dem Bereich der Gentechnik kommen.
Ich appelliere auch an Ihre Verantwortung gegenüber der Landwirtschaft. Wie wollen wir die zukünftigen Welternährungsprobleme ohne Gentechnik lösen?
Schade übrigens, dass der Finanzminister momentan nicht da ist. Helmut Linssen könnte aufgrund jahrelanger eigener Erfahrung sofort sehr konkrete Angaben machen, welche Möglichkeiten mit Fungiziden, Herbiziden und Pestiziden bestehen, wie die Ertragssteigerungen aussehen und welche umweltpolitisch durchaus erfreulichen Gesichtspunkte beim Einsatz von Gentechnik zu beachten sind. Das muss man hier einmal ganz deutlich sagen.
Meine Damen und Herren von der SPD, es wäre sicherlich nicht schlecht, wenn Sie sich mit dem Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln in Verbindung setzen oder einen Blick in den FHO-Report werfen würden. Dort wird eindeutig darauf hingewiesen, dass die Welternährungsprobleme ohne Gentechnik nicht lösbar sind, dass die Gentechnik gerade in den ärmeren Ländern nicht, wie von Ihnen immer vermutet, den monokapitalistischen Strukturen in der Großindustrie dient, sondern dass sie vor allen Dingen für die Bauern vor Ort ausgesprochen hilfreich ist und dort zu einer wesentlichen Verbesserung beiträgt.
Nach Meinung der FHO haben vom Einsatz auch transgener Nutzpflanzen Pharmakonsumenten und -industrie profitiert. Ausdrücklich widerspricht die FHO den vielfach geäußerten Vermutungen, es handele sich nur um eine industriepolitische Optimierung zur Gewinnmaximierung. Die FHO steht sicherlich darüber, irgendwie abhängig zu sein; sie ist sicherlich eine sehr neutrale Organisation.
Meine Damen und Herren, Ziel sollte sein, hier nicht wieder Politik mit der Angst der Menschen zu machen – hier hat sich die SPD eindeutig auf die Position der Grünen zu bewegt –, sondern sachliche Aufklärung zu betreiben.
Statt von flächendeckender Verbreitung von Genreis zu reden, sollte man sich einfach einmal die Zahlen auf der Zunge zergehen lassen. Da geht es um Inhaltsstoffe in der Größenordnung von 0,02 %. Das müssen wir uns vor Augen halten –
Meine Damen und Herren, natürlich fordern wir als FDP die wissenschaftliche Begleitung und die Sicherheitsbewertung vor der Markteinführung auch von genveränderten Pflanzen. Wir sagen: Nur der informierte Bürger ist ein mündiger Bürger. Deswegen sagen wir Ja zur Kennzeichnungspflicht. Der Bürger soll wissen, welche Möglichkeiten er hat, welche Wahlmöglichkeiten er hat, und soll entsprechend an der Ladentheke entscheiden; damit habe ich überhaupt kein Problem. Deswegen sage ich aber auch in dieser Sitzung Ja zur Verbraucheraufklärung und Nein zur Verbraucherverunsicherung.
Wenn Sie an einer ehrlichen Diskussion interessiert sind, stehen wir dazu gern zur Verfügung. So, wie Sie Ihren Antrag gestrickt haben, mit der Angst der Menschen Politik machen, Hysterie und Apokalypse schüren, dienen Sie vielleicht sich selber in Ihrem eigenen Sprengel. In der Öffentlichkeit wird das entsprechend gewertet werden. Schade! Es ist eine vertane Chance, den Problemkreis Genprodukte sachlich gerecht darzustellen. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ellerbrock. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Uhlenberg.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 18. August 2006 informierten die Behörden der Vereinigten Staaten von Amerika die EUKommission darüber, dass Reiserzeugnisse, die gentechnisch veränderten Reis enthalten, nach Europa verbracht worden sind. Hierbei handelt es sich um Reis von einer gentechnisch veränderten Pflanze, die keine Zulassung in der Europäischen Union hat. Die US-amerikanischen Behörden konnten noch keine Aussage darüber machen, welche Lieferungen GVO-Reis enthielten. Daraus auf eine flächendeckende Kontamination mit gentechnisch veränderten Bestandteilen zu schließen, halte ich für nicht gerechtfertigt und für unsachlich.
Die Frage der Rückverfolgbarkeit und der Herkunft des gentechnisch veränderten Reisbestandteils konnte in den USA bisher nicht eindeutig ge
klärt werden. Bei allen Beanstandungen dieses Lebensmittels, die Nordrhein-Westfalen betreffen, konnten Lieferwege und auch Herkunft allerdings eindeutig geklärt werden, sofern es sich um Deutschland beziehungsweise die Europäische Union handelt. Dies ist bereits seit mehreren Jahren rechtlich verankert.
In diesem Fall, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat sich wieder gezeigt, dass die von der Wirtschaft eingerichteten Systeme zur Rückverfolgbarkeit funktionieren. Und das ist wichtig.
In Nordrhein-Westfalen sind die Lebensmittelunternehmer ihren Verpflichtungen und ihrer Verantwortung für die Sicherheit der Lebensmittel in vollem Umfang nachgekommen. So haben die Firmen umfangreiche Eigenkontrollen durchgeführt. In keiner dieser Kontrollen wurden gentechnisch veränderte Bestandteile nachgewiesen. Die in Nordrhein-Westfalen ansässigen Firmen haben sämtliche betroffenen Lebensmittel auch öffentlich zurückgerufen, sobald sich ein Verdacht äußerte. Damit sind sie auch ihren Informationsverpflichtungen umfassend nachgekommen. Die Forderungen, die Sie in Ihrem Antrag erheben, laufen absolut ins Leere.