Sie werden ganz schnell zu dem Schluss kommen, dass auch die Landespolitik in den vergangenen Jahrzehnten dazu beigetragen hat, dass sich die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen so darstellen konnte, wie sie es getan hat. Wer sehenden Auges zulässt, dass in NordrheinWestfalen ein Zentrum nach dem anderen entstehen kann, wer das sogar noch aktiv durch Ministerhandeln befördert, wie das in der Vergangenheit bei Rot-Grün der Fall gewesen ist, darf sich danach nicht wundern, wenn wir Probleme in Innenstädten und in Nebenzentren haben.
Das kann ich Ihnen nicht ersparen, Herr Becker: Auch Sie waren Mitglied einer Koalition, die diese Entwicklung nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern aktiv betrieben hat, beispielsweise mit einem Landeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, der eine solche Politik ganz bewusst vertreten hat. Ich bin froh darüber, dass wir – Städtebauministerium und Wirtschaftsministerium – dem jetzt gemeinsam einen Riegel vorschieben werden.
Damit bin ich schon bei einem ganz, ganz wichtigen Punkt: Wir werden ein integriertes Handlungskonzept vorlegen. Wir werden nicht allein auf eine Maßnahme setzen, weil wir wissen, dass wir Innenstädte und Nebenzentren nur dann wieder attraktiv gestalten können, wenn an ganz vielen unterschiedlichen Stellschrauben gedreht wird. Dazu gehört das Landesplanungsgesetz, dazu gehört das Landesentwicklungsprogrammgesetz, dazu gehört der Einzelhandelserlass, dazu gehört möglicherweise auch ein BID-Gesetz. Auf ein einziges Mittel zu setzen würde zu kurz springen. Darum werden wir ein umfangreiches Konzept vorlegen, wie wir die Innenstädte, wie wir die Nebenzentren wieder beleben wollen.
Es gibt einen weiteren großen Unterschied zu Ihrer Politik der Vergangenheit: Die Koalition aus CDU und FDP wird das Konzept gemeinsam mit den Akteuren erarbeiten. Wir werden nicht den Fehler machen, zu sagen: Wir wissen in Düsseldorf schon alleine, was gut für euch ist, und wir wissen schon alleine, wie wir die Innenstädte, wie wir die Nebenzentren wieder auf die Beine stellen.
Wir sind fest davon überzeugt, dass wir die Akteure, sprich: den Handel, die Immobilieneigentümer, die Kommunen und viele weitere Akteure, benötigen, wenn wir Innenstädte und Nebenzentren tatsächlich nachhaltig wieder in Ordnung bringen
wollen. Erst mit den Akteuren reden und dann ein Gesetz verabschieden, das ist die richtige Reihenfolge,
und nicht: erst ein Gesetz verabschieden und danach den Akteuren beibringen, warum es gut für sie ist, was wir in Düsseldorf fabriziert haben.
Danke, Herr Minister. – Wenn das so ist, wie Sie das die ganze Zeit ausführen, warum haben Sie dann nach der Amerikareise, wie ich finde, sehr klar gesagt, dass Sie in Kürze ein solches Gesetz einbringen werden, sich sehr klar positioniert und nicht erst, wie Sie es sagen, mit allen Betroffenen gesprochen, bevor Sie das gemacht haben?
Herr Becker, es finden manchmal auch Entwicklungen statt, die Ihnen verborgen bleiben. Bereits seit einem Dreivierteljahr gibt es bei mir im Haus einen Arbeitskreis unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände, der Industrie- und Handelskammern Nordrhein-Westfalens, der Grund- und Hauseigentümerverbände, der Einzelhandelsverbände und der großen Warenhäuser wie beispielsweise Karstadt und Kaufhof. Wir gemeinsam beraten seit über einem Dreivierteljahr darüber, wie wir die Innenstädte in NordrheinWestfalen wieder auf Vordermann bringen. Das genau ist der Unterschied zu Ihrer Politik: Sie haben früher alleine gehandelt und haben danach für Mehrheiten geworben. Wir machen es umgekehrt: Wir sprechen erst mit den Akteuren und machen danach Gesetze.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, drei Sätze zum Schluss: Erstens. Schön, dass SPD und Grüne jetzt auch Handlungsbedarf sehen! Zweitens. Schade, dass Sie mit dem Tempo von CDU und FDP nicht mitkommen und auf unsere Initiative mit einem schnell zusammengestückelten Antrag reagieren mussten! Drittens. Schlecht, dass Sie nicht auf Kooperation und Abstimmung mit Akteuren setzen, sondern ohne Gespräche mit den Be
Vielen Dank, Herr Minister Wittke. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt noch der Abgeordnete Hilser das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz des Redeschwalls des Ministers muss man zunächst einmal feststellen, dass die CDU ganz offensichtlich ein doppeltes Problem hat, Herr Sahnen. Das erste Problem ist, dass der Minister in einer Ankündigung vorgeprescht ist – darauf komme ich gleich noch zurück –, ohne dies mit den Koalitionsfraktionen besprochen zu haben. Das zweite Problem besteht darin, dass die SPDFraktion jetzt einen Antrag vorlegt, der eigentlich im Kern genau das aufgreift, was der Minister aufgrund seiner Amerika-Reise öffentlich verkauft hat. Das ist Ihr doppeltes Problem. Sie wissen auch nicht, wie Sie aus dieser Situation herauskommen sollen.
Ich mache es auch gleich konkret, Herr Sahnen. Nachdem Sie beschrieben haben, was wir alle wissen und was auch in dem Antrag steht, haben Sie formuliert: Wir müssen uns Gedanken machen, was wir jetzt tun sollen. – Prima! Allgemeiner geht es nicht mehr. Die nächste Formulierung war: Wir müssen aus dem lernen, was wir feststellen. – Das sind alles ganz tolle Aussagen. Sie helfen uns in der Diskussion aber überhaupt nicht weiter.
Sie haben weder deutlich gesagt, ob Sie für eine verpflichtende Regelung oder dagegen sind, noch haben Sie gesagt, ob Sie nun für ein Gesetz oder gegen ein Gesetz sind. Vor allen Dingen haben Sie nicht gesagt, ob Sie die öffentliche Äußerung des Ministers unterstützen oder ob Sie sie nicht unterstützen. Zu diesen drei Punkten haben Sie für die CDU-Fraktion hier nichts gesagt, Herr Sahnen.
Überboten werden Sie nur noch vom Kollegen Rasche. Aufgrund der grundsätzlichen Position der FDP kann ich das sogar verstehen. Der Kollege Rasche verpasst dem Minister in der heutigen Debatte eine volle Breitseite. Er sagt hier: Wir müssen diskutieren und im Rahmen einer Diskussion dann unter Umständen zu Ergebnissen kommen; nach einer ausführlichen Diskussion könnten wir möglicherweise zur Einführung von BIDs kommen.
Jetzt zitiere ich einmal den Fachminister. Der Fachminister hat in einem Interview mit der „Welt“ mit Datum vom 10. September 2006 Folgendes gesagt – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –:
„Diejenigen, die von der Stadterneuerung profitieren, sollen auch endlich mit agieren. Das sind die Eigentümer der Geschäfts- und Bürohäuser.“
Das ist genau das Problem, mit dem Sie sich jetzt auseinandersetzen müssen: Der Minister erklärt öffentlich, für die Einführung von Standortgemeinschaften bräuchten wir ein Gesetz. – Herr Minister, das ist ein völliger Unterschied zu dem, was Sie gerade ausgeführt haben. In Ihren Äußerungen nach der Amerika-Reise war nicht die Rede von „Wir machen ein Gesamtkonzept zu Landesplanung, Stadtentwicklung und Städtebauförderung“. Damals war nicht die Rede von einem Gesamtkonzept. Sie sind öffentlich aufgetreten und haben gesagt: Wir brauchen ein Gesetz für HIDs.
Das war Ihre Aussage; das war Ihre Botschaft, mit der Sie in alle Zeitungen gekommen sind. Jetzt sitzen Sie oben auf dem Baum und wissen nicht, wie Sie herunterkommen sollen. Der Kollege Sahnen versucht verzweifelt, eine Leiter für Sie zu finden. – Das ist genau die Situation, über die wir im Augenblick reden.
Mit Verlaub: Vor diesem Hintergrund sind Ihre inhaltlichen Anmerkungen zum SPD-Antrag – das müssen Sie eigentlich selbst feststellen – eine Argumentation der Mühseligen und Beladenen. Schließlich wissen Sie eigentlich nicht, was Sie argumentativ gegen den Antrag vortragen sollen. Entweder müssen Sie mit der Argumentation des Ministers – zumindest mit der veröffentlichten Argumentation des Ministers – unserem Antrag zustimmen. Oder Sie müssen unseren Antrag ablehnen, weil Sie ihn für falsch halten und der Auffassung sind, dass er in eine falsche Richtung geht. Dann schließen Sie sich aber dem Kollegen Rasche mit seiner vollen Breitseite gegen den Fachminister an.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der FDP, ich kann hier nur feststellen, dass der Minister Sie ganz offensichtlich in eine unangenehme Lage manövriert hat. Ich freue mich ja, dass Amerika-Reisen bilden. Vielleicht hätten Sie die ganze Fraktion mitnehmen sollen, Herr Minis
ter; dann wäre es jetzt einfacher geworden. Die Kollegen waren aber alle hier. Sie haben nicht mitbekommen, was in den USA gut funktioniert, und fallen Ihnen jetzt in dieser Debatte in den Rücken.
Das ist das Problem, wenn Einzelne reisen. Nicht nur Einzelhändler sind ein Problem, Herr Sahnen, sondern ganz offensichtlich auch Einzelreisende.
Sie wissen nicht, wie Sie jetzt mit der Situation klarkommen sollen. Deshalb ziehen Sie ganz verzweifelt Argumente herbei, mit denen Sie den SPD-Antrag ein bisschen schlechter machen können. Der Antrag ist so schlecht nicht. Er entspricht dem, was der Minister eigentlich öffentlich gefordert hat. Insbesondere entspricht der Antrag mit seiner Ausweitung auf Wohn- und Mischgebiete auch genau dem, was der Verband der Wohnungswirtschaft in Nordrhein-Westfalen fordert.
Herr Sahnen, Sie lassen sich doch sonst so gerne vom Verband der Wohnungswirtschaft feiern. Dann geben Sie sich einen Ruck und stimmen dem Herrn Minister zu. Herr Rasche, Sie müssen in der Koalition dann einmal nachgeben. Dann bekommen wir vielleicht kurzfristig zusammen ein vernünftiges Gesetz hin. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hilser. – Für die Grünen hat sich jetzt noch einmal Herr Becker gemeldet.
Ich möchte doch noch einmal auf die merkwürdigen Widersprüche hinweisen, Herr Minister. Das ganze Brimborium, dass das früher anders gewesen sei, lasse ich einmal weg. Sie wissen so gut wie ich, dass das nicht stimmt. Wenn Sie aber sagen, Sie hätten jetzt seit einem Dreivierteljahr in einem Arbeitskreis mit allen Betroffenen gesprochen, sind Sie ja am Ende dieses Prozesses; denn ansonsten hätten Sie mittendrin etwas verkündet, statt die Gespräche bis zu Ende zu führen. Also haben Sie logischerweise für sich einen mindestens relevanten Zwischenschritt an Ergebnissen aus diesem Arbeitskreis gezogen.
Dabei sind Sie zu dem Ergebnis gekommen – noch verstärkt durch eine Amerika-Reise; kleine Nebenbemerkung: man hätte sich das übrigens auch in Hamburg angucken können –: Nun ich will solche BIDs möglich machen. Ich will ein Gesetz,
um sie möglich zu machen. – Gleichzeitig sagt Herr Sahnen, dass jetzt erst einmal die Gespräche geführt werden müssen, und Herr Rasche sagt, die FDP sei im Grundsatz auch dafür; aber erst einmal müsse man die Gespräche führen.
An diesem Punkt stellen sich mehrere Fragen. Erstens. Wie sind Sie zu Ihrem Zwischenergebnis gekommen? War das mit den Fachleuten abgestimmt oder nicht? Sind Sie also sozusagen unbotmäßig vorgeprescht? Oder war das in irgendeiner Art und Weise koordiniert?
Zweitens. Weiß die FDP nicht davon, dass Sie solche Gespräche bis zu einem bestimmten Punkt geführt haben? Hat sie das erst jetzt erfahren?
Drittens. Hat auch Herr Sahnen das erst jetzt erfahren? Oder ist Herr Sahnen möglicherweise der Puffer zwischen der FDP und Ihnen, weil von der FDP in der Tat, wie ich gesagt habe, gebremst wird?
Wenn Sie nicht bremsen, dann erklären Sie doch wenigstens dem Hohen Haus heute, bis wann Sie einen solchen Gesetzentwurf auf die Schiene legen wollen, bis wann Sie Ihre Gespräche, die doch angeblich so notwendig sind, abgeschlossen haben, bis wann Sie noch neue Erkenntnisse erwarten, an denen wir dann teilhaben können, und bis wann Sie einen solchen Gesetzentwurf hier einbringen.
Ansonsten müssen Sie sich entscheiden. Entweder Sie stehen auf der Bremse und werfen Nebel oder der Minister ist vorgeprescht und hat offensichtlich etwas verkauft, ohne es mit dem eigenen Arbeitskreis und mit der Koalition bis zu Ende besprochen zu haben. Dann allerdings hätte er sich mit Federn geschmückt, die ihm nicht stehen würden.