Protokoll der Sitzung vom 26.10.2006

Jetzt gab es eben im Kabinett unterhalb der Ebene eines Verkaufs die Diskussion: Verkaufen wir en bloc oder verkaufen wir an kommunale Unternehmen regionale Pakete? Alle Sachverständigen, alle, die Ahnung haben, sagen: Wenn Ihr schon verkauft, dann verkauft mit Blick auf Mieterrechte, auf Mieterschutz, auf Stadtteilentwicklung regionale Pakete an kommunale Unternehmen. Der Fachminister war offensichtlich in dieser Hinsicht gut beraten und hat diese Position im Kabinett auch vertreten.

(Minister Oliver Wittke: Habe ich nicht!)

Der Finanzminister hat natürlich mit Blick auf den Haushalt, auf mögliche Finanzeinnahmen und insbesondere mit Blick auf eine schnelle Abwicklung dieser Transaktion, darauf bestanden, dass die LEG über eine europaweite Ausschreibung an einen Investor auf einen Schlag mit möglichst hohem Erlös verkauft wird.

Was ist im Kabinett denn dann passiert? Sie diskutieren dort die ganze Tagesordnung maximal immer nur eineinhalb Stunden. Also haben Sie für dieses Thema vielleicht eine Viertelstunde gebraucht: der Fachminister in dem Fall auf der fachlichen Seite, der Finanzminister auf der – ich

sage einmal – fiskalischen neoliberalen Seite. Was passiert dann?

(Zurufe von CDU und FDP – Gisela Walsken [SPD]: Das haben wir bei den Sparkassen gerade auch gesehen!)

In diesem Augenblick haut der Ministerpräsident auf den Tisch und erklärt: Die CDU muss sozialer werden. Wir folgen dem Finanzminister. – Das war der Ablauf in dieser Kabinettssitzung.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Gisela Walsken [SPD]: Schön!)

Das sollten Sie sich in dieser Diskussion wirklich noch einmal vor Augen führen: Nachdem Sie schon im Kabinett in Verantwortung des Ministerpräsidenten entscheiden, dass Sie auch in der Frage des Verkaufs die für die Mieterinnen und Mieter schlechteste Lösung nehmen, auf die Sie in der Zukunft überhaupt keinen Einfluss haben, weil Sie nämlich den 68%igen Landesanteil an der LEG streuen, glauben Sie doch selbst nicht, dass ein internationaler Konzern, der an der Börse notiert ist, das tut, was Ihr eigenes Unternehmen nicht macht, nämlich –ich wiederhole das noch einmal – bestimmte Betriebsinterna dem zuständigen Fachausschuss zur Kenntnis zu geben.

Dann haben Sie so großartig Hamm angesprochen und erklärt, im Kabinett gebe es überhaupt keine Meinungsunterschiede. Kommen wir doch einmal ganz kurz auf den Fall Hamm zurück! Das passt nämlich in diesem Zusammenhang. Im Rat der Stadt Hamm ist auf Antrag des CDUOberbürgermeisters – noch – ein Antrag beschlossen worden, und zwar mit den Stimmen der CDU-Ratsfraktion, den En-Bloc-Verkauf an einen Investor abzulehnen,

(Gisela Walsken [SPD]: Ach? Herr Finanz- minister, hören Sie zu!)

und zwar genau mit den Argumenten, die ich hier vorgetragen habe.

(Gisela Walsken [SPD]: Ach! – Sylvia Löhr- mann [GRÜNE]: Hört, hört!)

Einer der Kollegen, die diesem Antrag im Rat der Stadt Hamm zugestimmt haben, ist Mitglied unseres Ausschusses für Bauen und Verkehr und Mitglied dieser CDU-Landtagsfraktion. Also tun Sie doch nicht so, als gäbe es diesen Konflikt in Ihren Reihen nicht! Tun Sie nicht so, als würden die Sachverständigen bei Ihnen unsere Auffassung nicht teilen,

(Gisela Walsken [SPD]: Schön!)

dass das, was Sie hier betreiben, letztendlich jede Kontrollmöglichkeit ausschließt und jeden größtmöglichen Mieterschutz, den Sie immer erwähnen, minimiert. Die Leittragenden dieser Aktion, die Sie hier starten, sind 300.000 Mieterinnen und Mieter, 1.000 Beschäftigte der LEG und letztendlich die Menschen, die Städte und Kommunen in diesem Land. Das ist die also soziale Politik, die Ihr Ministerpräsident in Reden immer beschreibt. In der Praxis tut er genau das Gegenteil dessen, was er sagt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Hilser, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Papke?

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie noch einmal an das Rednerpult zurückgekehrt sind. – Nachdem Sie hier eine Art Verlaufsprotokoll von Kabinettssitzungen vorgetragen haben, haben Sie wirklich meine einfache Neugierde geweckt. Woher nehmen Sie die Informationen, was wer wann im Kabinett dargelegt hat?

(Gisela Walsken [SPD]: Bloß nicht verraten, Dieter!)

Können Sie nachvollziehen, dass sich hier dem Plenum eher der Eindruck vermittelt, als würden Sie hier einfach mit Behauptungen und Darstellungen, die völlig aus der Luft gegriffen sind,

(Zurufe von der SPD – Gisela Walsken [SPD]: Das würden wir nie tun!)

operieren?

(Beifall von FDP und CDU)

Noch einmal: Teilen Sie uns doch bitte mit, woher Sie diese minutiöse Verlaufsdarstellung von Kabinettssitzungen nehmen!

Ich bin dem Kollegen Papke überaus dankbar für die Zwischenfrage. Der Vorteil ist, dass man hier vorne antworten kann und ein eingeschaltetes Mikrofon vor sich hat.

Herr Papke, ich könnte jetzt die Frage so beantworten, dass die Antwort mir die Möglichkeit gäbe, dieses Kurzgutachten doch noch vorzulesen,

(Heiterkeit von der SPD – Zuruf: Machen!)

um endlich diese Geheimniskrämerei hier zu beenden und Schluss zu machen mit dieser

Verhohnepipelei derjenigen, die von dieser Maßnahme betroffen sind.

Deshalb nehme ich Ihre Frage zum Anlass, um zu sagen: Ich weiß natürlich nicht, wie der Ablauf im Kabinett war.

(Zurufe von CDU und FDP: Ah!)

Von daher war das eine naheliegende Vermutung

(Zurufe von CDU und FDP: Ah!)

Moment, Moment! –, dass der Ministerpräsident irgendwann die Entscheidung getroffen hat, wenn der Finanzminister und der Bauminister unterschiedlicher Auffassung waren. Irgendjemand musste dann ja irgendwann eine Entscheidung treffen.

(Zurufe von der CDU)

Jetzt werden Sie mir doch nicht erzählen, dass der Ministerpräsident bei Ihrer Beschlussfassung nicht verantwortlich war.

Dass ich allerdings überzeugt bin, dass die Beschreibung und auch die des Interessenskonfliktes richtig ist, Herr Kollege Papke – ich habe natürlich keine Informationen über Kabinettsabläufe –, liegt daran, dass ich natürlich die Presse lese.

(Zurufe von der FDP: Ah!)

Ich lese die Tagespresse wie Sie auch. Darauf muss ich mich verlassen. Andere Informationen bekomme ich nicht. In der Presse wird sehr deutlich beschrieben, dass in dieser Frage der Finanzminister und der Fachminister unterschiedlicher Auffassung sind. Ich habe das gerade noch einmal mit Zitaten aus Äußerungen Ihrer Kommunalpolitiker vor Ort bestätigt. Es ist doch wirklich völlig klar: Genau so, wie in der Debatte vorhin die CDU und die FDP anderer Auffassung waren, genauso zieht sich doch gegenüber den Kommunalpolitikern der Riss in dieser Frage durch die Landesregierung und vor allen Dingen mitten durch Ihre Fraktion und mitten durch Ihre Partei.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Hilser, gestatten Sie noch eine weitere Zwischenfrage der Abgeordneten Kraft? Sind Sie mit der Beantwortung der Frage von Herrn Papke jetzt zu Ende?

Ja, wenn ich jetzt vom Minister ein Signal bekommen könnte, dass diese Kurzfassung, dieses zum Teil durchgeixte Gutachten mit diesen 30 Seiten öffentlich verwendet werden kann. Wenn dieses Signal käme, dann

könnte ich es mir ersparen, Ihnen das irgendwann doch noch vorzulesen.

Ich nehme an, dass der Minister dazu gleich Stellung nehmen wird, und gebe nun das Wort an die Abgeordnete Hannelore Kraft zu einer Zwischenfrage.

Herr Kollege Hilser, stimmen Sie mit mir darin überein, dass bei dem vermuteten Ablauf der Kabinettssitzung, den Sie uns hier geschildert haben, das eigentlich Entlarvende die Reaktion des Ministers war, der deutlich gemacht hat, dass er sich eben nicht wohnungspolitisch eingesetzt hat und dass er eben nicht die Interessen einer sozial ausgerichteten Wohnungsbaupolitik in diesem Land vertreten hat? – Das eigentlich Interessante war doch die Reaktion auf Ihre Darstellung. Das ist der eine Punkt.

Das Zweite ist sicherlich der qualitative Unterschied zwischen Ihnen und dem Minister an dieser Stelle. Da mögen Sie hoffentlich auch mit mir übereinstimmen, und ich frage Sie, ob das so ist. Der Minister hält einen Zettel hoch und behauptet, er hätte das Protokoll einer Kabinettssitzung dabei. Ich kann Ihnen sagen: Ich war bei besagter Kabinettssitzung dabei. Es ist eine Unverschämtheit, was er hier sagt.

Frage.

Wir haben in dieser Kabinettssitzung ausschließlich darüber geredet, wie der Kollege Schartau es auch dargestellt hat, diese Wohnungen nur in öffentlich-rechtliche Hände abzugeben.

(Beifall von der SPD)