Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

Trotzdem haben wir in Nordrhein-Westfalen immer noch eine eklatante Unterversorgung mit U3Plätzen. Den Eltern, die nicht auf die Berufstätigkeit verzichten wollen oder können, steht die Tagespflege meistens als einzige Betreuungsmöglichkeit für ihre Kleinkinder zur Verfügung. Dabei ist das in vielen Fällen keine frei gewählte Option, sondern sie wird mangels Alternativen in Anspruch genommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Tagespflege hat in der Tat – auch das ist eben erwähnt worden – oft immer noch den Charakter einer Notlösung. Obwohl seit 2005 die Kommunen die Pflegeerlaubnisse ausstellen, sind die Rahmenbedingungen und die Qualitätsstandards in der überwiegenden Zahl der Kommunen unbefriedigend. Das liegt daran, dass wir bis jetzt keine landesgesetzliche Regelung haben. Insofern unterstützen wir die Forderung, eine landesgesetzliche Regelung zu schaffen.

In der Anhörung zur U3-Betreuung zu Beginn dieser Legislaturperiode hat Frau Konrath vom Landesverband Kindertagespflege uns das sehr deutlich beschrieben. Sie hat auf die ungenügende Bezahlung der Tagesmütter und auf die fehlende Qualitätssicherung hingewiesen.

Vielfach haben wir es trotz der Möglichkeit der Vermittlung durch das Jugendamt oder trotz der kompetenten Fachberatung durch den Landesverband und durch den Vamv mit einer Grauzone zu tun. Da wird die Nachbarin oder eine andere Privatperson als Tagesmutter eingesetzt, ohne dass ihre Qualifikation oder Eignung nachgeprüft wurde und ohne dass eine Pflegeerlaubnis vorliegt.

Meine Damen und Herren, um diese Grauzone aufzuhellen, gibt es in Ihrem Antrag überhaupt keinen Ansatz.

(Beifall von GRÜNEN und Britta Altenkamp [SPD])

Aber wenn man Qualifizierung und Verbesserung der Rahmenbedingungen und der Situation der Tagesmütter und der Tagesväter – auch sie gibt es hin und wieder – will, muss man genau dort beginnen. Das fängt an mit Information, mit Aufklärung, mit Bekanntmachung, dass es diese Möglichkeit gibt, dass man sich beim Jugendamt registrieren lassen muss, um dort eine Pflegeerlaubnis zu bekommen. Doch in Ihrem Antrag finden wir keinen Hinweis darauf, dass Sie das ändern wollen.

Ein weiteres Ärgernis in Ihrem Antrag ist, dass Sie falsche Behauptungen in Bezug auf die Elternwünsche und die Elternpräferenzen aufstellen. Denn es ist keineswegs so, wie Sie schreiben – das wissen Sie auch –, dass die Tagespflege von Eltern bevorzugt wird. Alle Untersuchungen – seien es die Elternbefragungen aus einzelnen Städten, sei es die ganz frische Studie vom Deutschen Jugendinstitut, die uns vorliegt – zeigen ganz eindeutig, dass sich die signifikante Mehrzahl der Eltern von Kindern unter drei Jahren einen Platz in einer Kindertagesstätte wünscht.

(Beifall von GRÜNEN und Britta Altenkamp [SPD])

Das DJI fand in einer relativen großen Stichprobe heraus: 44,8 % der Eltern wünschen sich einen Krippenplatz in einer Tagesstätte. Wir haben Zahlen aus NRW, wonach Oberhausen und Hilden an der Spitze liegen; dort wollen über 70 % der Eltern, dass ihre Kinder in einer Kindertagesstätte betreut werden.

Warum ist das so? Das ist so, weil Eltern die größtmögliche Qualität in Bezug auf die pädagogische Qualifikation der Betreuungsperson wünschen, weil sie ein differenziertes pädagogisches Angebot, ein optimales Angebot mit ausreichend Bewegungsmöglichkeiten und mit ausreichend Platz zum freien Spiel haben wollen. All das wird

in unseren Kindertagesstätten, die einen sehr hohen Standard haben, vorgehalten.

Frau Altenkamp hat eben noch weitere Gründe ausgeführt, warum es diese Präferenz gibt. Ich will das jetzt nicht wiederholen, aber ich möchte noch einen sehr wesentlichen Punkt ergänzen: die Verlässlichkeit. Eine Einrichtung bietet über die Beziehung des Kindes zu seinen Erzieherinnen hinaus so etwas wie eine institutionelle Kontinuität. Was heißt das? Das will sagen: Wenn die Bezugsperson, die Erzieherin, krank ist oder ihren Lebensentwurf ändert und kündigt oder wenn sie die Einrichtung wechselt, fühlt sich das Kind dennoch sicher und vertraut in der gewohnten Umgebung einer Kindertagesstätte. Das ist bei Krankheit oder dem Wechsel eine Tagesmutter anders. Hier ändert sich mit der Betreuung die gesamte Umgebung. Das sind Brüche, die für kleine Kinder sehr schwer zu verkraften und zu verarbeiten sind und auch die Eltern in schwere organisatorische Krisen stürzen. Wer Kontakt zu Eltern mit Kindern hat oder wer selber Kinder in diesem Alter hat oder hatte, der weiß genau, welche Krisen das auslösen kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für uns als Grüne stehen der Wunsch und das Wahlrecht der Eltern ganz oben. Das sind die wesentlichen Kriterien dafür, welche Form der Betreuung wir für die Kleinen ausbauen müssen. Es wäre gerade jetzt, wenn die Weichenstellungen für das GTK vorgenommen werden, längst überfällig, diese Elternbedarfe abzufragen und eine landesweite Erhebung zu machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die gibt es nicht. Dann können Sie nämlich nicht mehr behaupten, die Präferenz liege woanders. Ich habe aber den Verdacht, dass Sie das gerade deshalb nicht tun, weil Sie es vielleicht gar nicht so genau wissen wollen und

(Beifall von den GRÜNEN)

weil Sie nämlich jetzt schon ganz klar den notwendigen und angestrebten Ausbau von U3Plätzen über die Tagespflege sichern wollen.

(Minister Armin Laschet: Woher wollen Sie das wissen?)

Das geht jedenfalls aus den Papieren hervor, Herr Minister, die Sie den kommunalen Spitzenverbänden und der Wohlfahrtspflege vorgelegt haben.

(Minister Armin Laschet: Stimmt doch gar nicht!)

Darin steht – eindeutig nachlesbar; Sie können das ja noch verändern, Sie sind ja noch im Prozess –, dass die Null- bis Zweijährigen fast ausschließlich durch Tagespflege betreut werden. Das heißt, Sie wollen letztendlich die Zielmarke von 20 % im Ausbau von U3-Plätzen, die Sie sich gesetzt haben, im Wesentlichen über Tagespflege erreichen.

(Minister Armin Laschet: Unsinn!)

Wir werden Ende Januar sehen, ob das so ist.

Ich frage mich, warum Sie den Bedarf nicht erheben. Dann könnten wir nämlich bedarfsgerecht die institutionellen Plätze oder die Tagespflegeplätze schaffen. Wir müssen uns – ich sage das noch einmal – an den Bedarfen und an den Wünschen der Eltern orientieren.

(Minister Armin Laschet: Das haben Sie bis- her nicht gemacht!)

Ich kann Ihnen versichern: Wir als Grüne sind dabei, wenn es darum geht, Tagespflege zu qualifizieren. Wir sind dabei, wenn es darum geht, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir sind dabei, wenn es darum geht, Tagesmütter besser abzusichern. Und wir sind dabei, wenn es darum geht, diesen Bereich aus der Grauzone in geregelte und abgesicherte Betreuungsverhältnisse zu überführen.

Aber wir werden diese Regelung zur Tagespflege sehr genau im Gesamtkontext der Novellierung des GTK bewerten und dabei sehr genau darauf achten, meine Damen und Herren, ob den Elternwünschen entsprochen wird und ob ausreichende Plätze für die Kleinen in institutioneller Form in den Kindergärten vorgesehen sind.

Wir wissen am Ende dieses Monats genauer, wohin die Reise geht. Eine Bewertung dieser Frage werden wir im Fachausschuss vornehmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN – Britta Altenkamp [SPD]: Ich bin schon so aufgeregt! Das wird bestimmt toll!)

Danke schön, Frau Asch. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Laschet das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin den Koalitionsfraktionen sehr dankbar dafür,

dass sie mit ihrem Antrag auf die Bedeutung der Tagespflege hingewiesen haben. Wichtig ist, zu berücksichtigen, dass vor allem Eltern mit ganz jungen Kindern bei der Betreuung des Nachwuchses gezielt auf die Angebote der Tagespflege setzen.

Ich will in dieser Debatte aber noch einmal meine grundsätzlichen Zweifel an dem Wort „Tagespflege“ äußern. Mir ist bisher noch kein besseres Wort eingefallen. Aber dass man beim Erziehen, Fördern und Betreuen von Kindern von Pflege spricht, ist eigentlich falsch. Wenn man jemandem, der sich nicht ständig mit diesem Thema beschäftigt, sagt: „Wir machen jetzt Tagespflege“, dann glaubt der eher, dass man in eine Senioreneinrichtung geht, aber nicht, dass man sich zu Kindern begibt, um diese zu fördern und zu erziehen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Sie sind ja Genera- tionenminister!)

Da mir jedoch bis heute kein anderes Wort eingefallen ist, wird es wohl beim Wort „Tagespflege“ bleiben müssen. Wir sollten trotzdem diese Anstrengung unternehmen, denn sie sagt auch etwas darüber aus, was da stattfindet. Mir war in den beiden Wortbeiträgen der Oppositionsfraktionen zu viel „Wenn es denn sein muss!“, „Wenn es nicht anders geht!“ und „Eigentlich ist das nicht so toll!“. Wenn wir die Bedarfe der Eltern ernst nehmen, sollten wir sie dies auch entscheiden lassen. Frau Asch, ich selbst würde, wenn jemand mit seinen Nachbarn oder seinen Freunden etwas organisiert, das nicht als Grauzone bezeichnen, was einen negativen Unterton hat.

(Beifall von der CDU)

Sie müssen den Menschen – davon müssen Sie sich als SPD und auch als Grüne verabschieden – nicht vorschreiben, wie sie leben sollen. Die wissen das selbst viel, viel besser.

(Beifall von der CDU)

Der Staat muss die Voraussetzungen schaffen. Der Tonfall, in dem Sie eben über nachbarschaftliche Organisationsformen gesprochen haben, steht schlicht im Gegensatz zu Ihrer Forderung, die Wünsche der Eltern zu berücksichtigen.

Jetzt zum zweiten Thema: Die Tagespflege in der Nachbarschaft kommt berufstätigen Eltern manchmal entgegen. Ich glaube in der Tat auch, dass sie es zum Teil deswegen machen, weil andere Betreuungsangebote nicht vorhanden sind. Deshalb wollen wir sowohl das institutionelle Angebot verbessern als auch die Tagespflege im neuen Gesetz verankern.

Dann wird man fragen: Wo ist die Tagespflege bei den Eltern denn besonders gefragt? Sie ist zum einen gefragt bei Einrichtungen mit relativ starren Öffnungszeiten, wo Betreuung in Randzeiten angeboten werden kann. Damit ergänzt die Tagespflege das Angebot der Kindertagesstätte. Wir haben in Nordrhein-Westfalen bereits heute mehr als 10.000 solcher Plätze, und es können und sollen in Zukunft noch mehr werden. Das ist auch deshalb möglich, weil die Zahl der Frauen und der Männer, die diese Betreuungsform anbieten, immer weiter steigt.

Nun haben Sie das rot-grüne Gesetz, wie Sie es genannt haben, das Tagesbetreuungsausbaugesetz aus 2005, gewürdigt. Es wäre schön gewesen, wenn Sie auch gesagt hätten, dass dieses Gesetz im Land und in den Kommunen natürlich nicht nur Freude auslöst. Denn wenn man 20 % U3-Plätze festschreibt und das aus den Gewinnen von Hartz IV finanzieren will, diese Gewinne aber bei keiner Kommune ankommen, dann ist das eine typisch rot-grüne Politik im Bund, unter der auch in Nordrhein-Westfalen bis heute viele Kommunen leiden.

(Beifall von der CDU)

Wir wollen die Kommunen an dieser Stelle nicht alleine lassen. Es ist an Bund und Kommunen, 20 % zu schaffen. Aber die Kommunen schaffen das nicht. Daher sagen wir: Das neue Kindergartengesetz wird einen großen Schub geben, um den Kommunen bei der Aufgabe zu helfen, die bundesgesetzlichen Vorgaben, die in der Tat sehr gut sind, zu erfüllen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Da falle ich fast um!)

Die Kommunen finden das nicht so lustig, was Sie denen hinterlassen haben.

(Britta Altenkamp [SPD]: Aber die Kommu- nen finden es auch nicht lustig, was Sie ge- macht haben!)

Wir wollen den Kommunen dabei helfen, dass sie auch institutionell einen deutlichen Schub schaffen, damit die Ziele bis 2010 erreicht werden. Dazu ist es allerdings erforderlich, nicht nur Zahlen festzuschreiben, sondern auch die Qualität der Kindertagespflege zu berücksichtigen. Deshalb müssen dem quantitativen Ausbau die Vermittlung, die Beratung und die Qualifizierung der Tagesmütter und Tagesväter folgen.