Protokoll der Sitzung vom 26.01.2007

Sie haben das vorher so hoch gelobte Europäische Medieninstitut am Ende als Ein-Mann-Institut enden lassen.

Das Medienforum Nordrhein-Westfalen, die große Veranstaltung unseres Landes, die einmal im Jahr stattfindet, haben Sie am Ende richtig dümpeln lassen. Dort lief nichts mehr. Nun geht es tatsächlich wieder aufwärts. Das ist gut und wird richtig etwas bringen für das Medienland NordrheinWestfalen. Das sollten wir nicht gering schätzen.

Was das Landesmediengesetz angeht, sind wir beim Lokalfunk und Bürgerfunk nicht dereguliert worden. Zusätzlich sind wir im Landesmediengesetz mit neuen Gremien wie Medienrat und Me

dienversammlung befrachtet worden; darüber werden wir gleich ausführlich debattieren.

Herr Keymis hat bereits den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angesprochen. In den Personen Ministerpräsident Steinbrück und Staatssekretärin Meckel hat man dem Westdeutschen Rundfunk weiß Gott nicht Unterstützung zukommen lassen. Wenn man jetzt sieht, wie der jetzige Intendant, der demnächst aus dem Amt scheiden wird, Herr Pleitgen, die gegenwärtige Medienpolitik des Landes und der Landesregierung lobt – in verschiedenen Gremien, zum Beispiel im Rundfunksrat, müssen Sie sich das alle anhören –, dann kann man wahrhaft sagen, dass ein positiver Wechsel von der rot-grünen Regierung zu unserer Regierung erfolgt ist. Diesen Weg sollte man beschreiten und unterstützen.

Ich komme nun zu den Vorgängern im Ministerpräsidentenamt. Wir sollten jetzt nicht Herrn Clement, Herrn Steinbrück oder Frau Meckel unterstellen, dass sie etwas Böses gewollt haben. Sie haben alle Gründe für ihre Anstöße gehabt. Aber das, was sie geschafft haben, waren die von Herrn Keymis zitierten Blasen. Es kam nichts dabei herum. Es wurden immer Baustellen aufgemacht, aber nie fertiggestellt. Vor allem bei Clement, aber auch bei Steinbrück, der kein großes Interesse an der Medienpolitik hatte, und Frau Meckel war es so, dass sie nichts auf den Weg gebracht haben.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Sie reden den Standort schlecht! Das ist unglaublich!)

Das ist schlechte Politik; wir machen das besser.

Sie wollen mit Ihrem Antrag suggerieren, dass in der Medienpolitik wenig passiert. Dieser Eindruck ist falsch. Wir machen konstruktive und ertragreiche Politik. Die Rückmeldung aus der Szene – ich habe eben eine zitiert – beweist das. Die Landesregierung hat ja in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage der SPD-Fraktion eine Auflistung geliefert.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Wir haben den Impuls gegeben!)

Darin sind bereits einige Punkte genannt worden: Förderung der Digitalisierung – dieses Thema behandeln wir ja laufend im Ausschuss –, Klärung von Fragen zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und zur Frage, wie die Gebühren erhoben werden sollen. Wir als CDU-Fraktion haben gesagt, dass wir uns an der Beratung aktiv beteiligen werden.

Ich stelle fest, dass da zwischen den Grünen und der SPD ein Dissens ist. Herr Eumann fragte vor

gestern in der Debatte, ob da überhaupt etwas möglich ist, und sagte, dass wir die rechtlichen Rahmenbedingungen einhalten müssen. Darüber können wir diskutieren. Dazu hat übrigens auch der Ministerpräsident schon Stellung bezogen. Die Grünen sagen ganz klar: Weg von der gerätebezogenen Abgabe, zack, zack, so muss das sein. Die Wahrheit wird wahrscheinlich in der Mitte liegen. Wir wissen alle, dass wir gemeinsam über alle Länder hinweg versuchen müssen, eine Lösung zu erarbeiten. Das sollten wir dann auch versuchen.

Die Unterstützung von in NRW ansässigen Unternehmen ist ein wichtiger Punkt. Die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist ein sehr zentraler Punkt.

Da komme ich jetzt noch einmal auf einen großen politischen Unterschied, der offenbar zwischen uns besteht. Sie, Herr Keymis, haben in Ihrem Antrag immer zwischen den Zeilen stehen: Der Markt ist böse. Der Markt ist schlecht. – Da unterscheiden wir uns.

(Beifall von der CDU)

Das steckt in Ihrem Antrag. Das klingt aus dem Antrag heraus.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Der Markt ist erst recht nicht alles, sicherlich. Aber in diesem Fall sagen wir ganz klar – da unterscheiden wir uns politisch von Ihnen –, dass wir den Kräften des Marktes, den Kräften der gesellschaftlichen Entwicklung auch viel mehr Raum geben werden als Sie.

(Beifall von der FDP)

Das können wir deswegen tun, weil wir auch sagen: Medienpolitik ist auch Medienrecht und Medienregulierung. Wir stehen nämlich ganz fest zum Zwei-Säulen-System. Das beweisen wir nun wirklich besser denn je mit unserem Verhältnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Auf dieser Basis können wir sagen: Wir können den Kräften des Marktes viel mehr Raum geben. Für uns ist der Markt eben nicht böse. Das sind Menschen, die auch ihr tägliches Brot verdienen müssen. Wir müssen einfach im Rahmen der Regulierung einen Weg finden, wie die ganze Spannbreite beachtet werden kann. Das hat tatsächlich etwas mit Kultur und Gesellschaft zu tun. Es gibt eben nicht nur Kultur und Medien. Es gibt auch Wirtschaft und Medien. Das muss man ausbalancieren.

Ich will jetzt nicht auf die einzelnen Punkte des Antrags der Grünen eingehen. Wir haben die teilweise schon diskutiert. Wir haben sie auch bereits

im Hauptausschuss diskutiert. Einige haben sich schon erledigt. Ich habe das erwähnt. Einige werden wir laufend debattieren, sicherlich auch konstruktiv. Wir werden auch in einigen Punkten, wie ich schon sagte, eine einheitliche Meinung haben.

Ich stelle nur fest: Es gibt viel Bewegung in dem Bereich. Es gab auch schon vorher zu Ihren Zeiten von den äußeren Bedingungen her viel Bewegung. Sie haben teilweise eben nicht darauf reagiert. Wir werden die Agenda proaktiv angehen und Punkt für Punkt abarbeiten. Wir freuen uns auf den Diskurs. Aber diesen Antrag lehnen wir, wie gesagt, ab. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Brinkmeier. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Eumann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Zuschauertribüne! Es sind die richtigen Themen, die Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag ansprechen. Obgleich wir diesen Antrag – darauf ist hingewiesen worden – schon lange diskutieren, sind die Themen immer noch aktuell. Auch der Adressat ist immer noch der richtige und immer noch der aktuelle. Es geht nämlich um die Verantwortung der Landesregierung.

Ich will zwei ganz kurze Bemerkungen zu Ihnen machen, Herr Kollege Brinkmeier: Wenn Sie auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion zurückgreifen müssen, um zu erfahren, was diese Landesregierung medienpolitisch will, und das in Ihrer Regierungsverantwortung, dann ist das ein Debakel für Ihre Medienpolitik, Herr Kollege Brinkmeier.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es ist wirklich ein Debakel.

Ich erinnere an den Kollegen Grüll. Ich hoffe, ich schade ihm jetzt nicht. Er hatte uns hier im Jahr 2003 in einer Debatte attestiert: NRW-Medienland ist abgebrannt. Ich weiß nicht, welche Vokabel der von mir geschätzte Kollege Grüll heute finden müsste, um das zu beschreiben, was aktuell passiert, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Dann sage ich noch etwas zu Ihrem Marktbegriff: Der Medienmarkt ist kein Markt wie jeder andere. Wir haben den verfassungsrechtlichen Auftrag, Kolleginnen und Kollegen, eine positive Rundfunkordnung zu schaffen. Eine positive Rundfunk

ordnung! Dieser Verantwortung müssen wir aktuell gerecht werden.

Dass die Grenzen des Medienrechts für alle sichtbar sind, zeigen doch die aktuellen Beispiele. Alle Medienprojekte, die derzeit Schlagzeilen machen, lassen sich als Effekte der Digitalisierung des Signals in der Herstellung, für den Transport und die Speicherung verstehen. Es geht um den Auf- und Ausbau der DVB-T-Infrastruktur. Es geht um Simulcast im Kabel. Es geht um das Thema Verschlüsselung. Es geht um die erste größere vertikale Integration von Programmanbietern und Kabelnetzbetreiber Unity/Arena. Es geht um die Vorstellung von IP-TV. Es geht um die Verbreitung des TV-Signals über DSL. Es geht um die Bestrebungen von Telefonanbietern, Fernsehen über Mobiltelefone anzubieten, DMB, DVB-H, UMTS. Es geht um die Neu- und Fortentwicklung nicht linearer Dienste.

Gemeinsam ist diesen Projekten, dass sie an die Grenzen geltenden Medienrechts stoßen. Sie sind zwar teilweise über Experimentierklauseln oder über die Verabredung von einigen Standards möglich, aber dadurch, dass es eben nicht rechtlich sicher ist, gibt es auch unter ökonomischen Gesichtspunkten einen Investitionen bremsenden Vorbehalt.

Wir haben diese Aspekte – Herr Brinkmeier, Sie haben es genannt – in unserer Großen Anfrage zur Zukunft der dualen Rundfunkordnung zusammengetragen. Wir werden über die Antworten der Landesregierung hier diskutieren.

Ich sage aber auch – anders als Sie jetzt in dieser Debatte deutlich gemacht haben –: Wir haben einen Standpunkt. Wir sagen trotz der Öffnung des Medienhorizonts durch Globalisierung und Digitalisierung: Es geht nach wie vor um die Vorstellungen, die sich aus Artikel 5 Grundgesetz ergeben. Auch eine revolutionäre neue Technologie ändert nichts an den gesellschaftlichen Zielen, die in der analogen Welt richtig und wichtig waren. Also: Wie können Informations- und Meinungsfreiheit, Vielfalt und Zugang bei den neuen Entwicklungen gesichert werden? Wie kann die Meinungsmacht, die sich bei den neuen Akteuren bildet, so kontrolliert werden, dass sie nicht vorherrschend wird? Diese Regelungen bleiben wichtig. Darauf muss die Landeregierung eindeutiger eine Antwort geben.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie sieht die Zwischenbilanz der Regierung Rüttgers aus? – Grundsätzlich: Die Regierung Rüttgers versteht es nicht, dringend notwendige neue medienpolitische Akzente zu setzen.

NRW war früher der medienpolitische Motor Deutschlands, kreativ und phantasievoll. Richtig ist: Natürlich, nicht alles war erfolgreich. Es sind auch viele Fehler gemacht worden. Das haben wir hier häufig diskutiert. Ja. Aber sehen Sie sich die Bilanz an! Am Ende bleibt die Medienpolitik mit der Medien- und Telekommunikationswirtschaft eine der erfolgreichsten Beispiele im Strukturwandel dieses Landes, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD)

Diese Potenziale, die es jetzt neu gibt, nutzen Sie an dieser Stelle nicht. Wir fordern: Packen Sie es an! Die Antwort von CDU und FDP lautet: Wir lassen es lieber liegen, mal gucken. Nicht proaktiv, sondern proaktiv zuwarten ist offensichtlich Leitlinie Ihrer Medienpolitik.

(Dr. Michael Brinkmeier [CDU]: Keine Sor- ge!)

Die Novelle des Landesmediengesetzes ist dafür, wie ich finde, ein weiteres gutes Beispiel: Fortissimo für Streicher, keine neuen Ideen. Dazu gleich mehr von meiner Kollegin Claudia NellPaul.

Auf dem Medienforum 2005 hat Ministerpräsident Jürgen Rüttgers noch beteuert, er wolle Nordrhein-Westfalen als Medienland weltweit an die Spitze führen. Davon kann nicht mehr die Rede sein. Fazit ist: Der Medienstandort NRW leidet unter der Tat- und Ideenlosigkeit von CDU und FDP. So machen Sie Politik!

Die Gründe dafür sind vielschichtig. Herr Kollege Keymis hat auf einige Gründe hingewiesen. Die Mehrheitsfraktionen haben zunächst dafür gesorgt, dass der im Jahre 2000 auf Vorschlag der SPD eingeführte Medienausschuss des Landtags abgeschafft wurde. Medienpolitik ist eines neben vielen gewichtigen Themen im Hauptausschuss.

Darüber hinaus – auch das hat Kollege Keymis gesagt – wiederholte Jürgen Rüttgers den Fehler, den Wolfgang Clement gemacht hat, die beiden Funktionen Regierungssprecher und Staatssekretär zusammenzulegen. Den Fehler hat Wolfgang Clement gemacht; Peer Steinbrück hat ihn korrigiert, weil er erkannt hat, dass es nicht funktioniert. Was macht Jürgen Rüttgers? – Er wiederholt den Fehler von Wolfgang Clement.

Knapp ein Jahr hatte Thomas Kemper die nicht kompatible Funktion inne. Sein Nachfolger musste darüber hinaus – ich habe Ihnen das gesagt, Herr Krautscheid – auch noch die medienrechtliche Zuständigkeit an den Chef der Staatskanzlei abgeben. Es gibt also ein medienpolitisches Zustän

digkeitswirrwarr in der Staatskanzlei. Das ist nicht zum Wohle von Nordrhein-Westfalen. Das erhöht die Schlagkraft der Medienpolitik in und aus Nordrhein-Westfalen nicht.

All dies führt dazu, meine Damen und Herren, dass aus dem erfolgreichen Beispiel des Strukturwandels der Medienpolitik ein Stiefmutterthema geworden ist. Das finde ich besonders bitter. Denn wir haben doch mit dem WDR, mit Deutschlandradio und Phoenix, mit der RTL-Gruppe und NTV, mit der Deutschen Telekom, Vodafone, Eplus, Unity/Arena, mit Mobilem Fernsehen und mit potenten Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen geradezu das Reservoir, um die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung für dieses Land, für Vielfalt, für Beschäftigung und für Wirtschaft zu nutzen. Dazu braucht es eine konzentrierte Standortpolitik, die Sie nicht machen.

In diesem Zusammenhang gehe ich auf einige Forderungen des Antrags ein. Zur Forderung nach einer neuen Medienordnung: Ein zentraler Aspekt ist natürlich die Frage, wer den Zugang und die Auffindbarkeit auf den neuen digitalen Plattformen sichert. Die Konditionen für den Zugang zu diesen Plattformen und die Auffindbarkeit entscheiden darüber, ob es in der digitalen Welt Vielfalt gibt. Es wäre doch absurd, wenn am Ende der Digitalisierung nicht mehr, sondern weniger Vielfalt entstünde. Deswegen müssen wir uns aktiv einsetzen!