Meine Damen und Herren, Bürgerfunk – das muss auch mal deutlich gesagt werden – ist mehr als ein Schulprojekt. Ich empfehle Ihnen mal einen Blick auf die Internetseiten, auf die Solidarisierungskampagnen, die dort laufen. Aus diesen Protestschreiben wird deutlich, dass viele gestandene Radiojournalisten, die heute professionell für Private und auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeiten, ihren Berufsweg im Bürgerfunk gefunden haben. Diese Journalisten haben zunächst im wahrsten Sinne des Wortes Medienkompetenz erfahren und sind jetzt vor dem Mikrofon die Profis. Das heißt überspitzt formuliert: Diese Talentschmiede wollen Sie zerschlagen.
Das ist aber nicht das Einzige. Wir kommen zur Medienversammlung, die sehr nahe mit dem Thema verbunden ist: Wir reden alle über Partizipation, wir reden über Medienkompetenz, von notwendigen Diskussionen über Medienentwicklung in Zeiten der Digitalisierung. Wir sprechen von Medieninhalten. Wir regen uns jetzt gerade aktuell kollektiv über Dieter Bohlen auf und fragen uns, ob seine Auslassungen bei „Deutschland sucht den Superstar“ nicht die Grenzen des Erträglichen überschreiten oder gar jugendgefährdend sind. Wir kritisieren die Verrohung – nicht nur der Sprache – im Fernsehen.
Das alles, meine Damen und Herren, waren und sind Themen nicht nur in politischen Gremien und im Landtag, sondern das sind Themen der zuletzt abgehaltenen Medienversammlungen. Und dazu sagen Sie, meine Damen und Herren, das bräuchten wir nicht mehr.
Man kann darüber streiten, ob die Form der Medienversammlung die beste aller möglichen ist. Selbstkritisch hat sich das auch die Medienkommission der LfM gefragt. Wir führen eine sehr
konstruktive Diskussion und rufen zum Ideenwettbewerb auf. Aber das Instrument als solches, nämlich den öffentlichen Diskurs über die genannten Themen zu beenden und damit den Begriff „Medienversammlung“ zu beseitigen, der deutlich macht, dass es um eine öffentliche Beteilung geht, halten wir für falsch.
Wenn das Parlament als Gesetzgeber, also wir, auf dieses Forum verzichtet, ist das ein Signal in die falsche Richtung. Wir brauchen nicht weniger, sondern wir brauchen mehr öffentlichen Diskurs. Dazu müssen wir uns hier klar bekennen. Dann gehört das auch in den Aufgabenkatalog der LfM.
Lassen Sie mich zum Schluss noch zum Thema „Medienrat“ sprechen, der auch mit einem Federstrich beseitigt werden soll: Ich sage es ganz offen: Die letzten Wochen waren ein unwürdiges Verfahren für die Beteiligten des Medienrates.
Ihre Amtszeit war abgelaufen. Die LfM hatte die Landtagspräsidentin frühzeitig angeschrieben. Aber über Monate blieb die Wiederbesetzung eine Hängepartie. Der Medienrat konnte den aktuellen Sachstand – nämlich Abschaffung oder Neuwahl – nur über die Presse verfolgen. Die Landesregierung hätte ihre Abneigung nicht deutlicher dokumentieren können. Das nenne ich stillos.
Aber wahrscheinlich verträgt die Landesregierung nicht die kritischen Bemerkungen im Zweiten Bericht des Medienrates. Hier wird in der Tat der Finger in die offene Wunde der Medienpolitik der Regierung gelegt. Ich zitiere:
So heißt die schlichte, wenn auch vernichtende Aussage in diesem Bericht. Doch statt sich nun mutig an die Arbeit zu machen und sich die vielfältigen und sachkundigen Vorschläge des Medienrates zunutze zu machen, schaffen Sie ihn ab.
Nein, meine Damen und Herren, wir waren in der Vergangenheit mutiger. Unabhängiger Sachverstand, der kritische Blick von außen, zielorientierte Vorschläge, das alles war und bleibt uns wichtig, auch wenn wir dabei Gefahr laufen, nicht immer die Ergebnisse zu bekommen, die man sich wünscht. Die Abschaffung des Medienrates in ei
Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr auf die Debatte im Hauptausschuss und hoffe, dass Sie zur Vernunft kommen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Nell-Paul. – Jetzt ist Herr Keymis von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an der Reihe.
Vielen Dank, Herr Präsident! Neun Minuten Redezeit sind natürlich eine relativ lange Zeit für eine solche Mininovelle, bei der de facto gar nicht viel novelliert worden ist. Dort ist mehr Welle als wirklich neu. Das ist ein Problem.
Natürlich kann man sich aufregen. Aber das, was novelliert worden ist, greift genau dort an, wo Bürgerinnen und Bürger endlich einmal konkret wissen, was Medienpolitik für sie bedeutet, nämlich vor Ort Radio zu machen.
Deshalb ist die Novelle vorgelegt worden, wenn auch nicht von der Regierung, die sich sehr aktiv von der Bank äußert, sondern von den Fraktionen, so nimmt man immer noch an. Die Novelle bezieht sich im Wesentlichen auf den Bürgerfunk in Nordrhein-Westfalen. Das kann man letztlich als eine „Verlegernovelle“ bezeichnen. So habe ich Herrn Brinkmeier mit seinem Zitat von Bodo Hombachs Lob verstanden.
Glückwunsch dazu! Es haben sich diejenigen durchgesetzt, die uns schon seit Jahren in den Ohren damit liegen, dass der Bürgerfunk quer zu ihren programmlichen und werberischen Angeboten liegt, sie wollten, dass der Bürgerfunk in eine Nische komme. Letztlich sei Ihnen egal, ob Bürgerfunk überhaupt gesendet werde. – Zukünftig findet Bürgerfunk nach 21 Uhr statt. Herzlichen Glückwunsch an die Überregulierungspartei FDP. Alle Achtung, Herr Witzel, das ist schon ein tolles Ding, das Sie hier auf einmal für Einheitsschemata auftreten. Das kennen wir so gar nicht von Ihnen. Aber Sie sind dort – wie überall – hoch flexibel und anpassungsfähig. Deshalb macht es an der Stelle nichts, wenn man plötzlich dafür ist, an einer Stelle etwas bis in die Frage hinein zu regulieren, ob Qualifizierung mit einer bestimmten Art der Prüfung durchgeführt werden muss. So etwas haben Sie im Gesetz jetzt auch geregelt. Das ist schon sehr beachtlich.
Das haben Sie aber alles nur gemacht, weil Sie der entscheidenden Forderung nachkommen wollten, so spät wie möglich – am liebsten gar nicht – Bürgerfunk zu machen.
Das wird unter dem Deckmäntelchen, mehr Bürgermedienkompetenz fördern zu wollen, versteckt, indem man es in die Schule hineinträgt. Schulradio und ähnliches findet zwar in den verschiedensten Formen schon statt, wird jetzt aber noch einmal neu bemäntelt. Dafür machen Sie diese Novelle – machen Sie diese Welle. Schade! Wirklich schade!
Wir sind wieder bei sehr grundsätzlichen Diskussionen: Es stellt sich die Frage, ob Teilhabe, Partizipation und die Tatsache, dass sich Leute in ihrer Freizeit mit Funk, Rundfunkfragen, mit Bürgerfunk, Rundfunk und Themen – von Fluglärm bis sozialen Fragen – vor Ort beschäftigen, für uns weiter Relevanz hat oder nicht. Oder reicht es, wenn das irgendwo nach 21 Uhr stattfindet, zu einem Zeitpunkt – seien wir alle einmal realistisch – die meisten, die sich dafür vielleicht noch interessiert hätten, auch nicht mehr hinhören, weil sie zu dem Zeitpunkt abends etwas anderes machen, als Bürgerfunk zu hören.
Ich erinnere an Dieter Schweppe, der in der Bürgerfunkszene mittlerweile ein ganz berühmter Mann ist, FDP-Ratsmitglied in Lübbecke, einem schönen Städtchen in Nordrhein-Westfalen. Der hat sich mit einem Brandbrief zum Bürgerfunk geäußert: „FDP und Bürgerfunk in NordrheinWestfalen“. Darin sagt er unter anderem, das sei ein so wichtiger Teil des Rundfunkbereichs, dass in jedem Falle kulturelle Identität weiterhin gefördert werden müsse. Er hat formuliert – ich zitiere –:
„Der medienpädagogische Auftrag des Bürgerfunks kann gerade bei Kindern und Jugendlichen allerdings nur dann seine Wirkung entfalten, wenn er zu hörerrelevanten Sendezeiten eine größere Öffentlichkeit erreicht.“
Herzlichen Glückwunsch, FDP im Landtag Nordrhein-Westfalen! Die Forderungen Ihrer Basis gehen Ihnen offenbar am Allerwertesten vorbei.
Das ist deshalb so bedauerlich, weil darin auch noch eine ganze Reihe anderer Anmerkungen enthalten sind, die ich für durchaus diskussionswürdig halte. Das Problem ist nur, dass Sie das, was die Leute vor Ort denken, beim Regieren gar
nicht interessiert. Das finde ich so fatal. Sie machen eine Novelle zum Bereich des Bürgerfunks, die letztlich an den Interessen der Bürgerfunkerinnen und Bürgerfunker, derjenigen, die auch von der Kollegin Nell-Paul hier schon zitiert worden sind, die sich beschwert haben und die aus den kirchlichen und Sozialverbänden kommen, vorbeigeht. Sie machen eine Politik genau an diesen Menschen vorbei, denen der Bürgerfunk, so wie sie ihn bisher gestalten konnten, auch etwas bedeutet.
Das heißt nicht, Herr Witzel, dass man deshalb über Qualifizierung nicht mehr reden muss, wenn man so für den Bürgerfunk streitet, wie wir das tun. Wir sehen es auch so, dass manches besser gemacht werden kann. Obwohl ich es gerne mit Herrn Volpers halte, der in seiner Studie zum Bürgerfunk gesagt hat: „Der Bürgerfunk in Nordrhein-Westfalen ist besser als sein Ruf.“ Dieser Satz ist bei aller Kritik zu bestimmten Bereichen – dass zu viel Musik gesendet würde, zu wenig Inhalt usw. – ein wichtiger Satz. Vor dem Hintergrund ist das, was jetzt hier passiert, eine sehr bedauerliche Entwicklung. Es ist – Frau Nell-Paul hat es ähnlich formuliert – eine Art Todesstoß für den Bürgerfunk.
Denken Sie einmal daran – es geht nicht nur um die Sendezeitverschiebung –, was Sie zum Stichwort Produktionshilfe regeln wollen. Ich muss das hier nicht erklären, weil es nicht alle gleichermaßen interessiert. Aber es bedeutet, so wie Sie es in den Gesetzentwurf hineingeschrieben haben, de facto, dass es vom Goodwill bestimmter Leute abhängt, ob es solche Hilfen – und wenn ja, in welcher Form – noch gibt. Das ist gerade angesichts der Tatsache, dass trimediale Bürgermedienkompetenz die Zukunft bestimmen wird, von besonderer Bedeutung.
Dies ist ein bitteres Kapitel einer eigentlich ansonsten völlig unbedeutenden Novelle, wenn Sie sich nicht dieses eine Thema so brutal vorgenommen hätten.
Zu den beiden anderen Fragen, die auch angesprochen worden sind: Ich finde es auch falsch, die Medienversammlung abzuschaffen. Man kann Diskussionen darüber führen, ob das im Rahmen einer sozusagen gesetzlich als Organ definierten Einrichtung stattfinden muss. Ich kann mir vorstellen, dass die Landesmedienanstalt in der Lage ist, eine adäquate Versammlung zu organisieren, auch wenn diese nicht im Gesetz steht. Insofern
Bedauerlich finde ich nicht so sehr die Abschaffung des Medienrates, aber gleichwohl das Verfahren, was Frau Nell-Paul schon zu Recht kritisiert hat. So geht man nicht mit Leuten um, die man als Experten beruft. Vor dem Hintergrund ist das natürlich eine nicht gute Situation.
Der Medienrat hat einen, wie ich finde, sehr lesenswerten zweiten Bericht vorgelegt. Wenn dieser Ihnen politisch wehtut, ist das ein Teil des Problems, dass Sie sich – wir haben ja eben darüber diskutiert, Herr Breuer – mit der Medienpolitik nicht offensiv auseinandersetzen. Trotzdem rate ich Ihnen dringend: Suchen Sie weiterhin den Rat von unabhängigen Expertinnen und Experten.
Es gibt nichts Wichtigeres, als sich von diesen Leuten Rat zu holen und auch einmal den Blick von außen zu ertragen. Dass dieser dann nicht bei allem, was man tut, konstatiert: „Ihr seid alle supertoll“, das ist völlig klar. Ich hoffe, dass Sie an dem Punkt so klug sein werden, sich immer wieder den Rat anderer zu holen und vor allem auch einer Gruppe, die Ihre Arbeit kritisch beäugt. Das Medienland NRW braucht das. Wir haben über die Bedeutung des Landes ja schon beim vorigen Tagesordnungspunkt gesprochen.