Protokoll der Sitzung vom 08.03.2007

Es ging um das Thema der besonderen Herausforderungen für diese kleinen und mittelständischen Unternehmen zur Verbreiterung ihrer Märktepalette sowohl in räumlicher Dimension als auch in Produktdimension. Sie müssen sich schließlich neu aufstellen, um die Unternehmen, aber vor allem die Beschäftigungsverhältnisse für die Menschen in den Unternehmen zu sichern.

In dem Gespräch wurde seitens dieser Unternehmen sehr deutlich gemacht, dass sie fest davon ausgegangen sind, dass Parteien wie die CDU und die FDP, die seit Jahren – so engagiert wie bei keinem anderen Thema – darüber nachdenken, wie sie den Ausstieg aus der subventionierten Steinkohle hinbekommen können, diese Zeit genutzt hätten, um sich mit dem gleichen Engagement Gedanken darüber zu machen, welche Perspektiven für die Unternehmen, für die Regionen und für die Beschäftigten bestehen, wenn der subventionierte Steinkohlebergbau zurückgefahren wird.

Die Unternehmen stellen jetzt fest, dass es diesen großen Fundus an Ideen, der in den Jahren aufgebaut worden sei, nicht gibt, sondern dass bei CDU und FDP gähnende Leere herrscht, wenn es um die Perspektiven für die Menschen geht. Das ist unverantwortlich. Das will ich mit aller Deutlichkeit sagen.

Sie selber haben nicht die Chance genutzt, hier Perspektiven aufzuzeigen, sondern hinterlassen Unsicherheit. Deswegen haben wir diesen Antrag eingebracht. Wir fordern Sie auf, endlich tätig zu werden und Rechtssicherheit zu schaffen, sich also dafür zu engagieren, dass die Steinkohlebeschlüsse zügig umgesetzt werden.

(Dietmar Brockes [FDP]: Das muss gerade die SPD sagen!)

Kollege Brockes, Sie haben doch gleich Redezeit; davon gehe ich zu meinem Bedauern aus.

(Ralf Jäger [SPD]: Bedauerlicherweise!)

Zweitens. Die RAG, meine Damen und Herren, bildet derzeit 3.000 junge Menschen aus. 3.000 junge Menschen in der Region haben ihren Ausbildungsplatz bei der RAG, und 95 % davon in Berufen, die nicht steinkohlespezifisch sind. Es sind Berufe, die man auch jenseits der Steinkohle gut nutzen kann, mit denen man Sicherheit für sich und seine Familie schaffen kann.

Diese 3.000 Ausbildungsplätze sind durch Ihre Politik nun akut bedroht. Deswegen liegt es in Ihrer Verantwortung, in der Verantwortung des Landes: Wenn Sie eine so zielgerichtete und darauf hinarbeitende Kohlepolitik betreiben, müssen Sie jetzt für 3.000 Ausbildungsplätze für die Menschen, die danach Ausbildungsverhältnisse dringend benötigen, Konzepte vorlegen. Das ist Ihre Aufgabe, und dafür müssen Sie konkrete Vorschläge machen, meine Damen und Herren.

Mein dritter Punkt betrifft die Revitalisierung von nicht mehr beanspruchten Bergbauflächen. Da kommt die Entgegnung: Flächen haben wir genug in Nordrhein-Westfalen. – Das stimmt allerdings nur teilweise. Denn es ist regional ausgesprochen unterschiedlich. Jedoch ist nicht Flächenmangel unser erstes Problem, sondern oftmals die Flächenqualität. Gut erschlossene, nutzbar gemachte Flächen müssen in den Regionen des von Ihnen erzwungenen Steinkohlerückzugs entstehen. Wir brauchen eine gute Erschließung, und zwar nicht der Flächen wegen, sondern der Ideen wegen, was auf diesen Flächen geschehen soll, um Arbeitsplätze zu schaffen.

Hinsichtlich der Flächenentwicklung bzw. Nutzbarmachung von solchen Flächen gehen Sie im Moment keinen Weg, wie Nordrhein-Westfalen das gut organisiert bekommt, obwohl es Mittel und Wege und auch Instrumente gibt, wie man das machen kann. Sie lassen vielmehr die betroffenen Kommunen und Gebiete mit diesem Problem allein. Sie fahren den Grundstücksfonds des Landes Nordrhein-Westfalen seit anderthalb Jahren strukturell gegen die Wand, und er wird dann nicht mehr als Instrument da sein, um an dieser Stelle helfen zu können, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Lachen von Ministerin Christa Thoben – Ralf Witzel [FDP]: Hilfe!)

Da sollten sie nicht lachen, Frau Thoben. Das haben wir hier schon des Öfteren diskutiert. Herr Wittke versucht schließlich jedes Jahr, im Haushalt kleine Rettungsanker zu werfen, seit er gemerkt hat, dass es kein kluger Weg war, den er am Anfang beschritten hat.

Also, wir brauchen die Plätze, um dort gute Ideen zu verwirklichen und vor allem gewerbliche Arbeitsplätze entstehen zu lassen. Das ist wichtig, um den Menschen und den betroffenen Regionen Perspektiven aufzuzeigen und somit ihre subjektive Lebenssicherheit zu erhöhen.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Das ist nämlich das größte Problem: Wir reden davon, dass investiert und konsumiert werden

muss. Wir wollen, dass Kinder in die Welt gesetzt werden. Wir reden seit mehreren Tagen darüber, wie wir das unterstützen. Das Wichtigste, um dafür eine Grundlage zu schaffen, ist eine subjektive Lebenssicherheit. Allerdings arbeiten Sie nicht daran, diese zumindest für die Menschen in den Regionen verlässlich zu erhöhen.

Keine Frage: Für diese guten Ideen müssen die Impulse von der Basis kommen: von unten, aus den Kommunen, aus den Unternehmen, aus den wissenschaftlichen Einrichtungen und Hochschulen. Das ist keine Frage, und darüber brauchen wir überhaupt nicht zu streiten.

In diesem Zusammenhang ist es aber auch wichtig, dass die Innovationsträger Unterstützung erfahren. Sie müssen Vertrauen in die Finanzierung von guten Ideen und in die Beratung haben, um zukunftsfähige Inkubations- und Wachstumsstrategien vor Ort umzusetzen. Sie brauchen sowohl inhaltliche als auch finanzielle Unterstützung.

Legen Sie ein Sonderprogramm von ca. 200 Millionen € auf, um die Entwicklung von Flächen und Projekten in den vom Steinkohlerückzug betroffenen Gebieten zu unterstützen!

(Dietmar Brockes [FDP]: Die 200 Millionen haben Sie in Berlin verballert!)

Nein, Sie haben 500 Millionen € auf dem Tisch liegen gelassen und wollten sie nicht haben. Das haben wir hier schon ausführlich miteinander ausgetauscht.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Nutzen Sie Ihre Redezeit doch einmal, wenn Sie dran sind!

Ich sage Ihnen, Frau Thoben: Sie können das nicht mit Mitteln aus dem Ziel-2-Programm machen. Das ist ein Programm für strukturschwache Gebiete – das ist zutreffend –, welches Sie im Moment schon nutzen, um daraus sozusagen Ihre normale landesweite Wirtschaftsförderung zu bezahlen. Und wenn Sie jetzt den von Ihnen erzwungenen besonderen Bedarf in den Steinkohlerückzugsgebieten auch noch daraus finanzieren wollen, schwächen Sie die strukturell benachteiligten und strukturschwachen Gebiete wie das bergische Städtedreieck oder die

(Lachen von Ministerin Christa Thoben)

nicht so stark vom Steinkohlerückzug betroffenen Gebiete des Ruhrgebietes umso mehr, weil die notwendigen Mittel für Wachstumsstrategien in

diesen Bereichen dann nicht mehr vorhanden sind.

Frau Thoben, wir waren bei Innovation, Forschung, Entwicklung und dem Übergang zu Produkten und Dienstleistungen. Um diese enge Verzahnung optimal zu gestalten – das haben wir schon mehrfach ausgetauscht, und da sind wir uns auch einig –, wäre es als Signal gut und sinnvoll gewesen, die Ziel-2-Mittel in einem Haushalt, nämlich dem Ihrigen; zu bündeln.

Frau Thoben ist bei diesem Anliegen bei den Finanzen gescheitert, und diese Landesregierung scheitert derzeit bei der inhaltlichen Umsetzung. Im Moment ist es so, dass Herr Pinkwart Cluster vorstellt, dass Frau Thoben Cluster vorstellt und dass die inhaltliche Verzahnung zwischen diesen Bereichen absolut nicht funktioniert. Das ist ein Nebeneinander. Diese Regierung ist in diesen Fragen ausschließlich von Zerwürfnissen geprägt, weil es das gleiche Problem wie zwischen Frau Thoben und Herrn Pinkwart auch zwischen Herrn Wittke und Frau Thoben bei den Themen Städtebau bzw. Stadt- und Regionalentwicklung gibt. In diesem Bereich ist Politik aus einer Hand nicht erkennbar.

Frau Thoben, ich habe noch gestern überlegt, ob ich Ihnen heute einen Gutschein für eine Mediation zwischen Herrn Pinkwart und Ihnen schenke. Aber dann ist mir aufgefallen, dass es hier einen Berufsmediator gibt, dessen Aufgabe eigentlich darin besteht, diese Probleme zu lösen. Das ist der heute nicht anwesende Ministerpräsident. Dessen Aufgabe wäre es, in seinem Kabinett dafür Sorge zu tragen, dass das funktioniert.

Es gibt keine konkreten Wettbewerbe, was Sie gerne hätten. Wir wissen nach wie vor nicht, wie die Wettwerbe in den Ziel-2-Gebieten konkret aussehen, um welche Themen es sich handelt und wann es losgeht. Es gibt aber auch keine Projekte, so wie es der Ministerpräsident teilweise gerne hätte und die er versprochen hat, weil auch Sie sich an der Stelle nicht einig werden. Sie haben an der Stelle schlicht und ergreifend nichts, aber auch gar nichts in der Pipeline.

Wo wir bei „Pipeline“ sind, Frau Thoben! Bei der Umsetzung von Projekten scheint Ihnen niemand mehr wirklich viel zuzutrauen. Für die Propylenpipeline haben Sie und der Ministerpräsident sich in diesem Hause noch vor kurzer Zeit so was von feiern lassen! Sie haben der alten Landesregierung vorgeworfen, sie hätte damals die Unterschriften der Partner nicht bekommen. Jetzt stehen Sie da im kurzen Hemd. Keiner der Partner hat es augenscheinlich für nötig befunden, Sie auf

das Zusteuern auf dieses Desaster vorzubereiten, sonst hätte sich der Ministerpräsident nicht hier noch kurz vorher so stark gefreut, dass das alles funktionieren würde. Die haben Sie nicht einmal darüber informiert, dass sie nach wie vor keine Unterschriften leisten werden.

Deswegen sage ich Ihnen, Frau Thoben: Schön reden ist Ihre Sache, handeln nicht so sehr. Ich habe eben angefangen mit dem Gespräch mit den Bergbauzulieferern. Wir dachten: Wenn es eine Branche gibt, die jetzt Unterstützung braucht, dann sind es zum Beispiel die kleinen und mittleren Bergbauzulieferunternehmen. Und Sie sagen, die sollten neue Märkte im Ausland, in China und sonst wo, erschließen.

Ich bin fest davon ausgegangen, NRW International und die GfW hätten sich schon lange mit denen in Verbindung gesetzt, um zu schauen, wie sie konkret unterstützen, handeln und versuchen können, eine Perspektive für sie mit zu gestalten. Das ist Ihre Aufgabe. Bis jetzt haben sich weder NRW International noch die GfW mit dem Förderverein, dem Zusammenschluss der kleinen und mittelständischen Bergbauzulieferer – ich kann Ihnen gern einen Kontakt herstellen –, auch nur ansatzweise beschäftigt.

Frau Thoben, ich kann Sie nur auffordern: Handeln Sie, reden Sie nicht nur über die Steinkohlerückzugsgebiete! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Danke schön. – Für die CDU spricht nun Herr Hovenjürgen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Eiskirch, das war ja gut gebrüllt, aber das Echo fällt eigentlich auf Sie zurück; denn letztendlich müssen Sie sich fragen lassen: Wer hat denn bis vor ganz kurzer Zeit den Sockelbergbau und die Ewigkeit des Bergbaus quasi als Banner vor sich hergetragen? Wer hat denn eigentlich jahrelang den Bergleuten die Realität verschwiegen und ihnen nach wie vor den Mut gegeben, alles könne so bleiben, wie es ist? – Das sind Leute, die Strukturwandel eigentlich nicht bewältigen. Und das geht an Ihre Adresse.

(Beifall von der CDU)

Stattdessen reagiert die SPD-Fraktion immer mit den gleichen Reflexen. Erstens: Das Erreichte ist nicht ausreichend. Zweitens: Wir können alles besser. Und drittens: Früher war alles gut. – Nur:

So einfach kann es nicht sein. Bitte entwickeln Sie die Größe und erkennen Sie die Realitäten an!

Auch Sie, Herr Eiskirch, waren mit dem, was die Kohlerunde in dem angeblichen ersten Kompromiss erzielt hat, zufrieden. Der Ministerpräsident dieses Landes hat ihn abgelehnt. Zum Schluss haben wir mehr erreicht für dieses Land,

(Zuruf von Thomas Eiskirch [SPD])

als vorher auf dem Tisch lag. Es ist mehr dabei herausgekommen, und Sie waren mit weniger zufrieden. Das ist die Wahrheit.

(Beifall von CDU und FDP)

Kommen Sie aus dieser Märchenwelt heraus, Herr Eiskirch, und hören Sie auf, mit ständig wiederkehrenden Reflexen Programme zu fordern, Hunderte von Millionen in Strukturen zu geben, für die Sie noch keine Substanz haben! Hauptsache, Sie betreiben Aktionismus – das ist das, was wir die letzten Jahre von Ihnen erlebt haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Im Übrigen sind wir ja gemeinsam mit Ihnen der Auffassung, dass natürlich dieser historische Kompromiss in Sachen Kohle zur Industriepolitik im Ruhrgebiet eine einschneidende Entscheidung war und dass er einer Begleitung bedarf. Die Flankierung des Strukturwandels sollte und wäre schon lange vonnöten gewesen; denn wer Standorte weiterentwickeln, sie ändern will, der muss auch infrastrukturelle Maßnahmen wollen, der muss den Umbau der A 52 wollen, der muss die B 474 n wollen, der muss Projekte wie ein newPark wollen, der muss zur Absicherung des Opelwerkes endlich die Querspange in Bochum ermöglichen.

(Beifall von der FDP)