Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 56. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich 15 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Die Fraktionen der CDU und der FDP haben mit Schreiben vom 5. März 2007 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Kriminalitätsentwicklung, die entsprechend vorgelegte Statistik für das abgelaufene Jahr und die damit verbundene öffentliche Vorstellung durch unseren Innenminister Dr. Ingo Wolf waren in den vergangenen Jahren und sind auch heute Anlass für Berichterstattung und Kommentierung.
Natürlich freuen wir uns darüber, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dass sich der positive Trend der Polizeilichen Kriminalitätsstatik 2005 auch im letzten Jahr fortgesetzt hat. Die Anzahl der polizeilich erfassten Straftaten in Nord
rhein-Westfalen ging im zweiten Jahr nacheinander zurück. Sie sank in 2006 um weitere 0,8 % auf ca. 1,49 Millionen registrierte Straftaten, nachdem sie schon 2005 um 1,8 % gesunken war. Die Aufklärungsquote stieg um 0,6 % auf nahezu 50 % und hat damit immerhin den höchsten Stand der letzten sechs Jahre erreicht. Das ist eine außerordentliche positive Entwicklung. Damit ist auch das Entdeckungsrisiko für Rechtsbrecher gestiegen.
Gleichwohl – auch das sage ich in aller Deutlichkeit – ist diese erfreuliche Gesamtentwicklung kein Grund, in Euphorie und/oder Jubelstimmung zu verfallen. Dafür gibt es keinen Anlass.
Im Namen der CDU-Fraktion möchte ich zunächst den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten und allen Mitarbeitern im Polizeibereich für die geleistete Arbeit im Berichtszeitraum herzlich danken.
Ich spreche diesen Dank vor dem Hintergrund der beiden sportlichen Großereignisse aus – Fußballweltmeisterschaft und Hockeyweltmeisterschaft –, die im letzten Jahr stattgefunden haben und natürlich von polizeilichem Einsatz begleitet waren.
Wir alle wissen, dass sich zurzeit neben den Bediensteten in den öffentlichen Verwaltungen auch die nordrhein-westfälische Polizei in einem Umstrukturierungsprozess befindet, weil sich die neue Landesregierung das Ziel gesetzt hat, die Polizei unseres Landes effizienter auszurichten. Ja, wir sind für die Verschlankung der Polizeiverwaltung, für den Abbau unnötiger Bürokratie, für die Optimierung der internen Organisationsstruktur, für mehr Fahnden statt Verwalten und für die Konzentration auf die Kernaufgaben.
Wir haben in den letzten knapp 20 Monaten damit begonnen, umzusetzen, was wir im Wahlkampf gesagt und in der Koalition vereinbart haben: zum Beispiel die Auflösung der Autobahnpolizeien und die Zuordnung an bestehende Kreispolizeibehörden, zum Beispiel die Abschaffung der Dezernate 25 und 26 bei den Bezirksregierungen. Alle gewonnenen Synergien sollen der gesamten Polizei des Landes zugute kommen. Kirchturm- und/oder Besitzstandsdenken dürfen hier keinen Platz haben. Es kommt in der Tat auf jede Stelle an.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, natürlich sind wir froh darüber, dass bei Autodiebstählen die Statistik des Jahres 2006 den besten Wert seit über 41 Jahren aufweist. Der Rückgang um 17 % markiert einen neuen Tiefstand in der statistischen Erfassung. Ebenso war die Anzahl
Gleichwohl zeigen die geringen Aufklärungsquoten in diesen Bereichen die Notwendigkeit der konsequenten Bearbeitung von Tatorten, der Suche und Auswertung von Fingerabdrücken und DNA-Spuren. Hier hat die nordrhein-westfälische Kriminalpolizei ganz ohne Frage Nachholbedarf.
Hinweisen möchte ich auf die Erfolge der Ermittlungsgruppe zur Bekämpfung der Intensiv- und Serientäter, denen der Kampf angesagt ist. Die Statistik von 2006 verdeutlicht, dass im vergangenen Jahr 27 Intensivtäter, denen rund 850 Straftaten zugeordnet werden konnten, hinter Schloss und Riegel gebracht wurden.
Die neue Landesregierung hat auch Graffiti den Kampf angesagt. Die Schäden an S-Bahnen, Gebäuden, Brücken, Lärmschutzwänden usw. belaufen sich nach Angaben des Städtetages auf ca. 200 Millionen € im Jahr. In Nordrhein-Westfalen wird massenhaft gesprüht. In Köln zum Beispiel gab es 2006 einen Anstieg um 22 % auf 1.983 Fälle, in Münster stieg die Zahl um 5,3 % auf 777 Straftaten.
Ich kann mich noch gut daran erinnern – dafür bitte ich fast um Nachsicht –, dass die Fraktion der Grünen in der vorletzten Wahlperiode Graffiti als Kultur und Kunst bezeichnet hat. Wir setzen im Kampf gegen illegale Graffiti allerdings auch auf die Wachsamkeit der Bürgerinnen und Bürger sowie die Ordnungspartnerschaft in den Kommunen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit außerordentlicher Sorge erfüllt uns alle – da bin ich ganz sicher – die stetige Zunahme der Gewaltkriminalität, der gefährlichen und schweren Körperverletzung. Sie zeigt den weiter abnehmenden Respekt vor der körperlichen Unversehrtheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Dass bei Raubdelikten und Körperverletzung Jugendliche überpräsentiert sind, ist seit Langem mehr als besorgniserregend. Einer meiner Kollegen wird hierzu gleich noch näher ausführen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir können nicht innerhalb von knapp zwei Jahren und voraussichtlich auch nicht in einer Periode die Fehlentwicklungen der vergangenen zehn bis 15 Jahre korrigieren. Ja, wir reden nicht nur über die Altersstruktur bei der Polizei, sondern wir brauchen in den nächsten Jahren ganz ohne Frage eine Verjüngung. Wir brauchen ebenfalls eine langfristig ausgerichtete Personalentwicklung und auch Personaleinsatzkonzepte. Wir sind ebenfalls weiterhin für eine orts- und bürgernahe Polizei.
Lassen Sie mich ganz zum Schluss das sagen, was ich – so habe ich es in Erinnerung – immer wieder angesprochen habe. Ich sage in aller Nachdenklichkeit: Diese neue Landesregierung wird nicht zulassen, dass die Gewährung eines hohen Maßes an innerer Sicherheit für alle Bürgerinnen und Bürger der desolaten Haushaltslage geopfert wird.
Das ist eine außerordentlich schwierige Aufgabe, die wir nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in den nächsten Jahren zu bewältigen haben. Wir sind bereit dazu. Für die schwarz-gelbe Landesregierung bleibt das Thema „Innere Sicherheit“ ganz oben auf der Tagesordnung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als CDU und FDP vor ca. 20 Monaten die Regierungsverantwortung übernommen haben, war es um den Bereich der inneren Sicherheit in Nordrhein-Westfalen nicht so gut bestellt. Wir hatten über 1,5 Millionen Straftaten, eine schlechte Aufklärungsquote und einen riesigen Reformstau vor allen Dingen innerhalb der Polizei.
Die Hinterlassenschaft von Rot-Grün, festgemacht an den Zahlen der Kriminalstatistik, spricht Bände.
Der Anstieg bei den Straftaten von 2000 zu 2004 lag bei 15,3 %, absolut bei 203.792 Delikten. Dies entsprach dem jährlichen Gesamtaufkommen an Straftaten in Städten wie Bonn, Düsseldorf und Dortmund zusammen. Das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, stieg von 2000 zu 2004 um 14,8 %. Die Aufklärungsquote verschlechterte sich im gleichen Zeitraum um 2,44 % von 49,1 auf 47,9 %. Die Gewaltkriminalität stieg vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2004 um 18,7 %, bei Raub plus 21 %, bei Körperverletzung plus 42 %. Die Zahl der Opfer von Körperverletzungsdelikten stieg um über 48 %, der Diebstahl um 11 %.
An dieser Stelle erinnere ich gerne daran, dass aufgrund einer Kleinen Anfrage der FDPLandtagsfraktion zu Beginn der 13. Legislaturperiode zum Wohnungseinbruch erschreckende Aufklärungsquoten öffentlich wurden, und das
obwohl bundesweit die Fallzahlen sanken, in NRW zum Beispiel im Jahr 2000 um 0,3 %, während das Personal in den Kriminalkommissariaten hier von 1996 bis 1999 um 983 Beamte wuchs. Letztlich wurden im Jahr 2000 in NordrheinWestfalen von 100 Wohnungseinbrüchen 88 nicht mehr aufgeklärt: 12 % Aufklärungsquote.
Das war für die FDP-Fraktion Anlass genug, mit einer Plenarinitiative Dampf zu machen. Mit Erfolg: Tatortaufnahme und Spurensicherung wurden verbessert. Die Aufklärungsquote stieg, brach aber bald wieder mit einer Verschlechterung um 13,5 Prozentpunkte von 28,8 % – das ist schon ein guter Wert – auf nur noch 24,9 % ein. Nur der Vollständigkeit halber: Bei Taschendiebstahl gab es in der Zeit einen Anstieg um 50 %, bei Betrug einen Anstieg um 31 % und bei Rauschgiftdelikten – einem reinen Kontrolldelikt; die Fachleute wissen, was damit gemeint ist – einen Anstieg um fast 9 %.
Insbesondere die katastrophalen Zahlen bei Raub- und Körperverletzungsdelikten, aber auch bei Delikten wie Taschendiebstahl waren besonders beunruhigend, da sie großen Einfluss auf das subjektive Sicherheitsgefühl haben. Japanischen Reisegruppen, die zum Beispiel eine Reise in die Domstadt Köln planten, wurde in Tokio als touristischer Hinweis mit auf den Weg gegeben: Passt auf, in Köln gibt es viele Taschendiebe!
Seit der Regierungsübernahme haben wir mit einer Fülle von Maßnahmen – im Koalitionsvertrag nachzulesen, aber auch deutlich darüber hinaus – wesentliche neue Akzente gesetzt. Dabei fand mein Leitgedanke „Mehr fahnden, weniger verwalten“ Eingang in konkretes Regierungshandeln, in das sogenannte Dreisäulenmodell: mit einer Polizeistrukturreform, mit weniger Polizeibehörden, der Polizeibinnenmodernisierung, die endlich Ressourcen und Ergebnisverantwortung in einer Hand zusammenführte, bekannt unter dem sogenannten Direktionsmodell als Ergebnis der beiden Pilotbehörden Köln und Aachen, und dem Wegfall überflüssiger Verwaltungsarbeit.
Mit weniger Polizeibehörden haben wir größere und leistungsfähigere Einheiten geschaffen – übrigens auch ein Weg, um die demografische Entwicklung, die alle gesellschaftlichen Gruppen, auch die Polizei, erfasst, in ihrer Wirkung hinsichtlich der Überalterung in besonders kleinen Polizeibehörden, den sogenannten Verwendungsendbehörden, aufzufangen.
Mit der Binnenmodernisierung der Polizei haben wir es geschafft, den Bezirksdienst, die Kommissariate und den Streifendienst zu verstärken. Mehr Bezirksdienstbeamte führen zu mehr Bür
gernähe, mehr Kommissariatsbeamte führen zu besseren Aufklärungsquoten, und mehr Streifenbeamte führen zu kürzeren Einsatzreaktionszeiten.