Meine Damen und Herren, alle bisherigen Landesregierungen – darauf ist gerade schon, sicherlich mit einem falschen Zungenschlag, aber zu Recht hingewiesen worden – und alle Landtagsmehrheiten in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen haben dieser besonderen Bedeutung durch den Willen zum überparteilichen Konsens bei Fragen der Kommunalverfassung Rechnung getragen.
Die Einführung der Direktwahl der Hauptverwaltungsbeamten ist eben angesprochen worden. Damals gab es einen großen Konsens nach einer vernünftigen Diskussion hier im Hause. Die breiten Mehrheiten, die in der Vergangenheit, auch bezogen auf die Bedeutung des Themas, für erforderlich gehalten wurden, und zwar unter Einbeziehung der jeweiligen Opposition, wollen Sie offensichtlich nicht haben. Sie haben den Weg des Grundkonsenses in diesen Fragen verlassen.
Ihre Änderungsprobleme – Probleme ist richtig –, Ihre Änderungspläne im Gesetzentwurf sind von drei Grundlagen geprägt – das werde ich im Einzelfall nachweisen –: erstens von parteipolitischen Machtinteressen, zweitens von einer neoliberalen Ideologie und drittens von pathologischer Beratungsresistenz.
Was dabei herauskommt, ist ein Gesetzentwurf, der in sich widersprüchlich ist, in einigen Punkten gegen selbstgesetzte Voraussetzungen verstößt und im Ergebnis – dabei bleiben wir – die falscheste Reform der Gemeindeordnung aller Zeiten sein wird.
ist, gelinde gesagt, meine Damen und Herren, Herr Innenminister, ein riesiger Etikettenschwindel. An dem „Neusprech“ von Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen hätte George Orwell seine helle Freude. Ihre Überschriftenpolitik verdient die Bezeichnung „doppelt plus ungut“.
Zunächst haben Sie, als Versorgungsproblem getarnt – das war der Punkt, auf den wir bei der Verlängerung der Amtszeiten hingewiesen worden sind –, über die Amtszeitverlängerung und die damit verbundene Entkoppelung der Wahlen von Hauptverwaltungsbeamten gesprochen. Zwischenzeitlich ist von der ursprünglichen Begründung schon aufgrund der gewählten Amtslaufzeit nichts mehr vorhanden. Sie verlassen die selbstgewählten Voraussetzungen und sprechen dann von der Verbesserung des Ausgleichs zwischen Rat und Verwaltung.
Das glatte Gegenteil ist der Fall. In unserer GO ist die gemeinsame Verwaltung durch Bürgermeister und Räte festgeschrieben. Das wird durch die von Ihnen vorgesehene Entkoppelung ohne jede Begründung erkennbar beeinträchtigt. Statt einer Stärkung der Organe der Selbstverwaltung führen Sie durch die kurze Abfolge von Wahlen eine wahlkampfmäßige Zuspitzung der Arbeit in den Kommunen herbei. Kontinuität wird so nicht gestärkt. So organisiert man Gegeneinander und permanenten Wahlkampf in Räten.
Sie fördern nicht die kommunale Demokratie, sondern Wahlmüdigkeit. Strukturell schwächen Sie auch in anderen Punkten die Einflussmöglichkeiten der Räte. Deshalb hat es auch in großen Teilen der CDU den Wunsch nach Nachverhandlungen gegeben, artikuliert auf einem Landesparteitag.
Das kann ich Ihnen jetzt nicht ersparen, meine Damen und Herren: Da hat der Herr Rüttgers mit der FDP nachverhandelt wie in diesem Sketch von Loriot. Herr Rüttgers ist dann zum Koalitionspartner gegangen und hat gefragt: Würden Sie das gegebenenfalls zurücknehmen? – Darauf haben die Herren von der FDP Nein gesagt. Schließlich hat Herr Rüttgers einen Diener gemacht und gesagt: Dann ist die Sache für mich erledigt.
Meine Damen und Herren, das, was die CDUBasis zu Recht angemerkt hat, das, worauf zu Recht hingewiesen worden ist, ist nach wie vor tragender Bestandteil dieser Gesetzesvorlage. Das, was dabei herauskommen wird, ist eine Reform, die niemand wünscht. Jetzt zitiere ich die Sonnenkönige. Die Formulierung stammt nicht von uns. Die stammt nicht von der parlamentarischen Opposition. Wir haben das nur aufgegriffen. Wissen Sie, wer es zuerst gesagt hat? – Wir sind nicht stolz darauf, dass das kommunalpolitischen Vertreterinnen und Vertretern der CDU im Zusammenhang mit der Verlängerung der Amtszeit eingefallen ist. Das scheint ein richtiges Argument zu sein, das auch von der CDU in der Basis in breiten Kreisen getragen wird.
Ich kann Ihnen nur eins sagen: Wir müssen wirklich verhindern, dass es vor Ort zu einer Zweiteilung kommt, auf der einen Seite Menschen, die für sechs Jahre gewählt sind und für sich Unabhängigkeit in Anspruch nehmen, und auf der anderen Seite verkümmern unsere Räte zu schieren Reklamationsabteilungen. Das kann nicht sein.
Ein ganz besonderer Punkt, der noch nicht in den Fokus genommen worden ist, ist: Sie wollen dann ja jeweils für sechs Jahre nachwählen. Das heißt, wenn vorzeitig Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamte ausscheiden, dann hat das den besonderen Charme, dass wir demnächst in NordrheinWestfalen nicht eine einfache Entkoppelung haben, sondern an einer Vielzahl von Wochenenden Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamte in Nordrhein-Westfalen gewählt werden. Wenn Sie nicht da wenigstens einsehen, dass das ein Programm zur Steigerung von Wahlmüdigkeit ist, dann weiß ich angesichts der Zahlen, die uns von Kommunalwahlen vorliegen, wirklich nicht, in welchem Land Sie diskutieren.
Für einen regelrechten politischen Skandal – daran können Sie bei aller Gebrauchslyrik auch nicht vorbeitäuschen – halten wir die Abschaffung der Stichwahlen.
Sie bescheren den Bürgerinnen und Bürgern durch die Abkoppelung einen zusätzlichen Wahlgang und schaffen dann Stichwahlen ab. Sie erlauben sich den großzügigen Verzicht auf ein Verfahren, das in allen demokratisch strukturierten
Systemen zum gesicherten Bestandteil der politischen Kultur gehört. Nordrhein-Westfalen wäre das einzige Bundesland, in dem es keine Stichwahlen mehr gibt.
Meine Damen und Herren, Sie sollten sich einmal vor Augen führen, wieso Stichwahlen erforderlich sind, und zwar zur demokratischen Legitimation für das höchste vor Ort zu vergebende Amt, nämlich für das Amt eines direkt gewählten Verwaltungschefs. Ich ziehe jetzt wieder den Vergleich: Wir schicken aus Deutschland Truppen in den Kongo, um dort Stichwahlen abzusichern, und Sie von Schwarz-Gelb schaffen die hier in NordrheinWestfalen ab. Das ist ein Skandal.
Die Folgen für die demokratische Legitimation sind nicht absehbar. Meine Damen und Herren, schauen Sie sich an – wir haben diese Fälle –, bei wie vielen Nachwahlen die Wahlbeteiligung deutlich unter 50 % gelegen hat. Schauen Sie sich an, bei wie vielen ersten Wahlgängen im Land wir dann Stimmenanteile und Aufsplittungen hatten, wo die stärksten Bewerberinnen und Bewerber deutlich unter 30 % der Stimmen auf sich vereinigen konnten. Das bedeutet im Ergebnis, dass demnächst an der Spitze von Großstädten und Landkreisen womöglich Menschen stehen, die sich auf weniger als 15 % der Zustimmung der Wahlbevölkerung berufen können. Meine Damen und Herren, das ist nicht hinnehmbar. Das kann auch nicht Ihre Absicht sein.
Herr Kollege, wer den Dreisatz beherrscht, der ist im Vorteil. Wir können Ihnen das auch vorrechnen.
Jetzt frage ich: Wo liegen Ihre Motive? – Sie stärken doch nicht etwa unabhängige Bewerberinnen und Bewerber. Nein, Sie eröffnen der Kungelei vor den Wahlgängen Tür und Tor.
Nach Ihrer Denkart müssen doch vor Ort verbindliche Absprachen getroffen werden, nach dem System: Ziehst du deinen Kandidaten zurück, dann kriegst du nach der möglicherweise erfolgreichen Wahl eine Beigeordnetenposition oder größeren politischen Einfluss. – Das ist keine Demokratie.
Das ist auch kein Zufall. Ich glaube, das ist gezielte Machttaktik von Schwarz-Gelb als Reaktion auf
die Ergebnisse der letzten Stichwahlen in Nordrhein-Westfalen. Schöne Grüße aus Gelsenkirchen, Mönchengladbach, Viersen und jetzt kürzlich Greven!
Den negativen Höhepunkt – ich gehe davon aus, dass wir in der zweiten Runde noch einmal darauf eingehen werden – bilden Ihre Versuche, die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden weiter einzuschränken. Sie ignorieren den Sachverstand aus den Reihen der kommunalen Spitzenverbände, unisono. Sie hören nicht auf Ihre kommunalpolitischen Vertreterinnen und Vertreter vor Ort. Das gilt insbesondere für die CDU. Sie distanzieren sich nicht hier im Haus von den Plänen, sondern machen es wie der verehrte Kollege Lux, der gestern in der „Neuen Westfälischen Zeitung“ zitiert wurde. Er räumt dann explizit ein, dass sich die Kommunaltöchter auf den Feldern der Daseinsvorsorge weiter entwickeln können müssen. Herr Lux betont, das sei Meinung der CDU. Dann frage ich mich allen Ernstes: Warum machen Sie den Unsinn dann hier mit?
Alle Beispiele – damit komme ich zunächst zum Ende meiner Ausführungen –, die von Ihnen und auch vom Herrn Innenminister gerade eben wieder angeführt wurden, sind gefakt. All die Dinge, die da zu Recht als Auswüchse kritisiert werden, wären mit dem geltenden Gemeindewirtschaftsrecht wirkungsvoll zu bekämpfen. Sie wollen den Wettbewerb zuungunsten unserer kommunalen Unternehmen einschränken. Das machen wir nicht mit.
Obwohl das auch viele Tausende von Bürgerinnen und Bürgern nicht mitmachen, nimmt sich Herr Papke die Freiheit und beschimpft 25.000 Menschen, die sich vor dem Landtag zum Protest zusammengefunden haben, indem er ihnen die Berechtigung zum Protest abspricht. Ich glaube, so geht man nicht mit berechtigter Kritik um.
Das ist dann, wie gesagt, Beratungsresistenz in höherer Form. Wir werden an diesem Punkt nicht von der Seite der kommunalen Verbände, der kommunalen Familie und der betroffenen Menschen weichen und weiter für den Erhalt der Kommunalwirtschaft in Nordrhein-Westfalen kämpfen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält der Abgeordnete Becker das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss dem Kollegen Körfges völlig Recht geben: Der Einstieg der beiden Redner – sowohl von Innenminister Wolf als auch vom kommunalpolitischen Sprecher der CDU, Herrn Lux – war ungewöhnlich. Denn nach meiner Wahrnehmung war er von einer hohen Realitätsverdrängung geprägt. Es wurde von Einigkeit gesprochen, die man in der kommunalpolitischen Landschaft allerhöchstens dergestalt sehen kann, dass es über die Parteigrenzen hinweg eine große Einigkeit darüber gibt, sich gegen Ihre Pläne zu wehren. Es herrscht aber keineswegs Einigkeit in Ihrer Partei hinsichtlich dieser Pläne.