Protokoll der Sitzung vom 03.05.2007

8 Gesetz zur Änderung des Personalvertretungsrechts und schulrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/4239

erste Lesung

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Dr. Wolf das Wort. Bitte schön, Herr Wolf.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung legt Ihnen heute einen Gesetzentwurf zur Novellierung des LPVG vor. In den vergangenen Monaten wurde gegen diese Novellierung über jedes Maß agitiert und polemisiert. Allen Kritikern sei gesagt, dass dieser Gesetzesentwurf nach unserer Überzeugung maßvoll und ausgewogen ist. Er ist ein weiterer wichtiger Baustein im Prozess der Verwaltungsstrukturreform der Landesregierung. Sie wissen, die Koalition hat sich verständigt, Rechtsvorschriften in der Regel eins zu eins umzusetzen und nichts draufzusatteln.

Seit dem Herbst 2005 betreibt die Landesregierung eine umfassende Umstrukturierung der staatlichen Verwaltung. Zur Umsetzung der notwendigen Reform werden zahlreiche nach dem Personalvertretungsrecht beteiligungspflichtige Entscheidungen getroffen. Im Hinblick darauf ist auch die seinerzeit von der Landesregierung eingesetzte Hartmann-Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass das LPVG dringend novelliert wer

den müsse. Dieser Herausforderung stellen wir uns. Selbst nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner maßstabsbildenden Entscheidung zum schleswig-holsteinischen Mitbestimmungsgesetz 1995 verbindliche Maßstäbe für die Mitbestimmung aufgestellt hatte, wurde unter der alten Landesregierung keine Notwendigkeit gesehen, das LPVG an die Verfassung anzupassen.

Nach einem intensiven Abstimmungsprozess innerhalb der Landesregierung und mit den Verbänden können wir nun feststellen, dass es ein ausgewogenes LPVG wird. Dieses soll auf der einen Seite die Wahrnehmung der Belange der Beschäftigten durch Personalräte sichern und zugleich dem Interesse des Landes an einer effektiv arbeitenden Verwaltung dienen.

Die Leitlinien dieser Harmonisierung des LPVG sind auf der einen Seite, nicht durch überlange und komplizierte Verfahren zu einem Verhinderungsinstrument gegenüber notwendigen Entscheidungen zu werden. Die Verfahren müssen deshalb vereinfacht und gestrafft und die Verantwortungsbereiche klar definiert und abgegrenzt werden.

Auch der Umfang der Mitbestimmung, insbesondere der in den letzten Jahrzehnten immer weiter ausgebaute Katalog, musste einer kritischen Überprüfung unterzogen und harmonisiert werden. So wird beispielsweise die detailbezogene Mitbestimmung bei Technologieangelegenheiten als historisch überholt angesehen, und die Verfahren dauern schlichtweg zu lange.

Der Gesetzentwurf sieht in seinem Kern vor, das Bundesrecht im Maßstab 1:1 ins Landesrecht zu übernehmen. Es ist auch festzustellen, dass dieses Bundesrecht in all den Jahren, in denen es existiert, unter der Regierungsbeteiligung von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen im Wesentlichen unverändert geblieben ist und auch keine nennenswerten Forderungen nach einer grundlegenden Novellierung gestellt werden.

Deswegen ist es auch nicht erklärbar, warum beispielsweise in Nordrhein-Westfalen ein Personalrat mitbestimmen muss, wenn ein Mitarbeiter innerhalb der Dienststelle umgesetzt werden soll, während dies beim Bund und den meisten Ländern nicht erforderlich ist.

Der Gesetzentwurf lehnt sich eng an das Bundesrecht an. Einige wenige Abweichungen vom Bundesrecht sind notwendig:

So ergänzen wir beispielsweise die Freistellungsregelungen unterhalb der Freistellungstabelle. Bei kleineren Dienststellen ist eine Konkretisierung

des Freistellungsumfangs von zwölf Wochenstunden nach dem Vorbild von Baden-Württemberg vorgesehen. Vor dem Hintergrund der in der Praxis gemachten Erfahrungen sieht die Landesregierung hier eine Regelungsnotwendigkeit, um eine gleichmäßige Freistellungspraxis zu gewährleisten.

Auch wird erstmalig eine Begrenzung des Freistellungsumfangs bei Stufenvertretungen eingeführt, die künftig nicht mehr als fünf Freistellungen für eine Stufenvertretung vorsieht.

Aus einer Reihe von Gründen konnten die allgemeinen Freistellungsregelungen nicht für den Schulbereich übernommen werden. Nach einer umfangreichen Prüfung der Freistellungspraxis im Schulbereich hat der Landesrechnungshof in seinem Bericht vom Oktober 2005 auf die Notwendigkeit von Kürzungen hingewiesen und Vorschläge vorgelegt.

Die von der Landesregierung vorgeschlagenen spezifischen Einschränkungen bei Freistellungen im Schulbereich sind vertretbar, weil die Schulformbezogenheit der Personalvertretung nach wie vor eine effektive Interessenvertretung gewährleistet. Im Ergebnis wird erreicht, dass das im Schulbereich bislang erreichte Freistellungsvolumen von 495 Stellen um 160 Stellen gekürzt wird.

Meine Damen und Herren, in den vergangenen Wochen und Monaten ist heftige Kritik geübt worden. Es ist auch behauptet worden, dass wir Berufsverbände und Gewerkschaften nicht ausreichend beteiligt hätten. Ich will für diese Landesregierung ganz deutlich sagen: Diese Kritik geht fehl und ist überzogen. Denn wir haben die Berufsverbände und Spitzenorganisationen über die mit ihnen geschlossenen Vereinbarungen zum Verfahren nach § 106 LBG hinaus beteiligt – bereits vor Erlass der Eckpunkte und vor Erstellung der entsprechenden Entscheidungen.

Entgegen der von den Verbänden geäußerten Kritik enthält der Entwurf zahlreiche zukunftsgerichtete Vorschläge. Ich möchte nur als Beispiele für moderne neue Steuerungsmittel nennen, dass wir den Kreis der Beschäftigten, die gegenüber dem Personalrat verantwortlich handeln können, im Einvernehmen mit dem Personalrat erweitern können und die Eigenverantwortung der Personalvertretungen dadurch gestärkt wird, dass ihnen ein Budget zur eigenverantwortlichen Verwaltung überlassen wird.

Hinzu kommt, dass im Hinblick auf die Föderalismusreform die bisher unmittelbar geltenden Schutzvorschriften für Personalräte, zum Beispiel

das Benachteiligungsverbot, in Landesrecht überführt werden mussten.

All das ist Beispiel dafür, dass wir auf der einen Seite 1:1 umsetzen, aber einige wenige notwendige Anpassungen vornehmen müssen. Die Landesregierung hält eine qualifizierte Beteiligung der Beschäftigten durch Personalvertretungen für erforderlich. Der vorgelegte Gesetzentwurf schafft durch seine 1:1-Anlehnung an das Bundespersonalvertretungsgesetz einen angemessenen Interessenausgleich. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Wolf. – Für die SPD-Fraktion meldet sich Herr Kollege Dr. Rudolph zu Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war schon interessant. Der interessanteste Satz des Ministers war wohl der, aus dem hervorging, dass die Personalvertretungsrechte so eine Art Unterabteilung oder Fußnote der Verwaltungsmodernisierung sind. Wer aus diesem Verständnis heraus Verwaltungsmodernisierung mit Menschen – um die geht es ja – betreiben will, wird von vornherein scheitern.

(Beifall von der SPD)

Bei einer solchen Einstellung kann es ihm nicht gelingen, diejenigen mitzunehmen, auf die er persönlich angewiesen ist, auf die aber auch die Bürgerinnen und Bürger angewiesen sind, wenn sie staatliche Leistungen erhalten möchten.

Zweite Bemerkung: Wenn Sie sagen, die Kritik der Gewerkschaften, nicht genügend beteiligt gewesen zu sein, sei überzogen, will ich Ihnen antworten – das hat auch jeder Außenstehende mitbekommen –: Was Sie sich seit November geleistet haben, ist ein Lehrstück dafür gewesen, wie man Unsicherheit verbreitet und regelrechte Verbitterung unter den Beschäftigten auslöst.

(Beifall von der SPD)

Das beginnt bei dem gebrochenen Versprechen des Ministerpräsidenten, die Gewerkschaften an dem Gesetzgebungsprozess als Gesprächspartner ordentlich zu beteiligen. Das ist, wie wir gehört haben, in keiner seriösen Art und Weise geschehen.

(Rudolf Henke [CDU]: Die Anhörung kommt doch noch!)

Ja, die Anhörung kommt noch. Aber das Versprechen des Ministerpräsidenten ging etwas wei

ter. Er hat mehr versprochen, als er wahrscheinlich in der CDU-Fraktion gesagt hat.

(Zurufe von der CDU)

Wir brauchen uns aber nicht beim Ministerpräsidenten aufzuhalten, sondern können gleich weitergehen. Wir haben auch die Verweigerung jedes Gesprächs durch den Innenminister registriert. Ob daraus Arroganz sprach oder Angst? Ich glaube, es war beides.

Hinzu kamen während der letzten Wochen die gezielten Provokationen – er ist leider heute nicht hier; ich hätte es ihm gern selber gesagt – des Parlamentarischen Staatssekretärs Palmen, der sich auch in diesem Zusammenhang inzwischen immer wieder als Büchsenspanner aus der zweiten Reihe betätigt und schon immer die Freude auf die Gesichter derjenigen treibt, in deren Behörde er gerade geht.

All das sind Dinge, an denen man sieht, wie aus einer unter sozialdemokratischer Regierungsverantwortung gepflegten Kultur des Miteinanders inzwischen – nach zwei Jahren – eine Unkultur des Misstrauens gemacht wurde.

Das Ganze endet aber nicht zuletzt beim Arbeitsminister, der auch nicht da ist. Das ist auch vielleicht nicht zufällig so.

(Sören Link [SPD]: Wo ist er eigentlich?)

Denn wenn man sich ansieht, wie sich der Arbeitsminister dieses Landes im gesamten Prozess bewegt, stellt man fest: Er ist in diesen Dingen ganz tief abgetaucht.

(Sören Link [SPD]: So wie heute!)

Wie U 47 oder wie U 147, müsste man vielleicht besser sagen, liegt er auf dem tiefen Meeresgrund und lässt ab und zu einige Luftblasen an die Meeresoberfläche aufsteigen, an denen wir zumindest feststellen können, dass er überhaupt noch lebt. Aber ein Arbeitsminister, der seine Amtsbezeichnung zu Recht führen will, muss sich gerade in Nordrhein-Westfalen vernehmbar für die sozialen und demokratischen Rechte der arbeitenden Menschen einsetzen, sonst hat er seine Aufgabe verfehlt.

Insgesamt – das belegt auch die Einführung des Gesetzes – bietet die Landesregierung in diesem Zusammenhang ein Bild des Jammers und der Feigheit – vor allen Dingen dann, wenn sie sich damit herauszureden versucht, hier würde nur Landesrecht an Bundesrecht angepasst.

(Beifall von der SPD)

In Wahrheit müsste sie sich dazu bekennen, auf breiter Front seit Langem erworbene Teilhabe- und Schutzrechte der Beschäftigten abbauen zu wollen. Um nichts anderes geht es.

(Zuruf von Minister Dr. Helmut Linssen)

Dass Sie sich hinter der Gesetzgebung einer Bundesregierung aus dem Jahr 1974 verstecken und nicht verstehen, dass Nordrhein-Westfalen eine angestammte Rolle als soziales Gewissen der Bundesrepublik hat, zeigt: Sie haben dieses Land nicht verstanden.

(Theo Kruse [CDU]: Unglaublich! – Zurufe von CDU und FDP: Oh!)

Zum Gesamtbild gehört auch – es ist ganz wichtig, auch das zu betrachten –, dass es nicht nur um den Abbau von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten geht, sondern vielmehr wird ein Schuh daraus, wenn man sieht, dass Sie inzwischen das Tariftreuegesetz abgeschafft haben, womit öffentliche Aufträge von nun an an Unternehmen vergeben werden können, die keine ordentlichen Löhne zahlen. Sie haben die Ladenöffnungszeiten aufgehoben, damit ab sofort Schichtdienst im Einzelhandel möglich ist. Sie haben – darüber ist heute schon gesprochen worden, und bei der gestrigen Anhörung ist es auch deutlich geworden – längst jede seriöse Personalbedarfs- und Personalentwicklungsplanung aufgegeben.

(Zuruf von Minister Dr. Helmut Linssen)