Protokoll der Sitzung vom 03.05.2007

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Donnerstag der vergangenen Woche hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel für die Bundesregierung eine Regierungserklärung abgegeben. Diese Regierungserklärung enthielt die Zielsetzung, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 % gegenüber dem Basisjahr 1990 zu reduzieren. Der Bundesumweltminister hat in der Regierungserklärung acht Punkte verkündet, mit denen er dieses Ziel erreichen möchte. Von diesen acht Punkten will ich nur vier nennen:

Erstens. Reduktion des Stromverbrauchs bis 2020 um 11 %.

Zweitens. Ausbau der erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung auf mehr als 27 % der Stromerzeugung.

Drittens. Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung bis 2020 auf 25 % der Stromerzeugung.

Viertens. Steigerung der erneuerbaren Energien im Wärmebereich auf 14 %.

Ich teile die Zielsetzungen nicht in allen Punkten. Mir ist zum Beispiel die Zielsetzung zur Reduzierung des Stromverbrauchs nicht ambitioniert genug. Bemerkenswert ist aber, dass die Bundesregierung – getragen von SPD und CDU – die Umsetzung der Zielmarke „minus 40 %“ in einzelnen Punkten benennt.

Das ist auch nicht überraschend, ist es doch eingebettet in die Diskussion, zu der die CDUVorsitzende und Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel im Vorfeld der Brüsseler Konferenz gesagt hat: Wir müssen bis Mitte des Jahrhunderts eine CO2Reduktion von 60 bis 80 % hinbekommen. – Tony Blair hat in England ein Gesetz eingebracht, mit dem bis Mitte des Jahrhunderts eine Reduktion um 60 % erreicht werden soll. – Norwegen hat

nachgezogen und – zugegebenermaßen unter günstigen Bedingungen – als Zielsetzung verkündet, komplett CO2-frei werden. Es passiert also eine Menge an verschiedenen Stellen.

Auch wenn mir eine Regierungserklärung nicht in allen Punkten passt, nehme ich sie zunächst einmal ernst und gehe davon aus, dass sie abgestimmt ist und das Ziel der Bundesregierung wiedergibt. Frage: Was macht die Landesregierung? Wir sind das größte Bundesland und haben 18 Millionen Einwohner. Damit sind wir größer als die Beneluxländer zusammen. Wir sind Energieland Nummer eins. Für uns bedeutet es etwas, wenn die Bundesregierung diese Zielsetzungen vorgibt.

Ich fasse einmal ein Stück weit zusammen, was das für uns bedeutet: Wir hatten bis jetzt in der Bundesrepublik eine Stromerzeugung von rund 612 Terrawattstunden. Reduziert um 11 % bleiben noch 544 Terrawattstunden. Im Jahr 2020 haben wir nach der Zielsetzung der Regierungserklärung folgende Stromerzeugung: 27 % erneuerbare Energien und 25 % Kraft-Wärme-Kopplung. Das macht alleine 52 % der Stromerzeugung aus diesen beiden Bereichen. Ferner gehe ich davon aus, dass wir noch 5 % Atomstrom – dies entsprechend dem Ausstiegsgesetz – und etwa 14 % Strom aus Gaskraftwerken haben. Wir haben zurzeit alleine Gaskraftwerke von 7.000 Megawatt im Bau zurzeit. Dazu gehören auch einige aus Nordrhein-Westfalen, etwa in Hürth und an anderen Stellen. Dann bleiben nur noch 29 % Stromerzeugung für Kondensationskraftwerke auf der Basis von Stein- und Braunkohle. Das ist eine gravierende Umwälzung unserer Energieerzeugungslandschaft mit der Zielmarke 2020. Das muss ja Konsequenzen in der Diskussion haben.

Ich habe mir in der Kürze der Zeit angeschaut, wie unsere Kohlekraftwerke mit ihrem Anteil von 29 % an der Stromerzeugung im Einzelnen aussehen. Wir haben etwa 44 GW in Betrieb. Wir haben uns die Blöcke angesehen, die nach 1980 gebaut wurden. Diejenigen, die davor gebaut wurden, gehen möglicherweise außer Betrieb. Aber die, die nach 1980 gebaut wurden, sind noch 2020 in Betrieb und dann 40 Jahre alt; so lange laufen sie sicherlich.

Dann haben wir 22 GW Kohlekraftwerke, die noch in Betrieb sind. Dazu kommen Neubauten Ich nenne Ihnen alleine in Nordrhein-Westfalen die drei größten Kraftwerke, die zurzeit gebaut werden: In Neurath wird eine Anlage mit 2.100 MW, in Datteln eine mit 1.000 MW und Walsum eine mit 750 MW gebaut. Das heißt, wir haben einen

Zubau, der bereits läuft, und wir werden etwa die Hälfte des Bestands weiterhin haben.

Das heißt zusammengefasst: Es braucht keine weiteren neuen Kondensationskraftwerke auf der Basis von Braun- und Steinkohle, um es klar zu sagen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Liste der Bundesnetzagentur weist 46 Neubauvorhaben aus. Wir führen in NordrheinWestfalen überall die Diskussion: Man kann als Landesregierung nicht ignorieren, dass ganz andere Zielvorgaben vom Bund kommen. Der Bund wird schließlich entsprechende gesetzliche Regelungen vorstellen müssen, die die Umsetzung möglich machen.

Insofern stellt sich die Frage, was diese Landesregierung macht. Wir haben lange gewartet, bis wir etwas auf den Tisch bekamen. Am 13. Februar haben wir dann ein Papier erhalten, das vier Konzepte enthält. Ich möchte heute nur auf eines eingehen; Sie haben es alle bekommen. Sie haben es möglicherweise nicht gelesen, aber ich kann es Ihnen nur dringend empfehlen. Die Energieeffizienz-Offensive trägt die Überschrift „NRW spart Energie“. Sie ist einfach zu lesen; es sind nur acht Seiten.

Sie schließen mit dem Satz ab:

„Über die Realisierung der Maßnahmen gemäß A) bis D) wird erstmalig 2010 Bericht erstattet.“

Ich sage Ihnen: Das ist das zentrale Papier der Landesregierung zum Thema Energieeffizienz. Allerdings reicht es absolut nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist Lyrik. Es sind allgemeine Feststellungen. Jedoch fehlen Zielmarken und Angaben dazu, wie was erreicht werden soll.

Die anderen Papiere sind in einer ähnlichen Qualität. Lesen Sie es nach. So können wir keine Energiepolitik machen, wenn sich die Parameter derartig rasant ändern.

Bedenken Sie ferner: Der Anteil der Kraft-WärmeKopplung soll auf 25 % ausgebaut werden. Das ist absolut richtig und notwendig. Denn wir hinken hinter den Niederlanden und anderen Ländern weit zurück. Von daher muss es eine gesetzliche Regelung geben. Dann muss das KWK-Gesetz novelliert werden; das ist lange überfällig. Wie sieht die Position der Landesregierung zu diesem Thema aus? – So ein Gesetz fällt schließlich nicht vom Himmel. Daran muss gearbeitet werden. Man muss eine Position haben. Man muss nach Berlin

gehen und seine Position dort in den Prozess einbringen; so lief es auch beim EEG. Hier ist völlige Fehlanzeige, wie sich die Landesregierung die konkrete Ausgestaltung denkt!

(Beifall von den GRÜNEN)

Analog gilt dies für eine Novelle des EEG. Auch hier völlige Fehlanzeige!

Zur Novelle der Energieeinsparverordnung: Der Bau- und Verkehrsminister, dessen Bereich 40 % der Emissionen abdeckt, taucht in der Diskussion nie mit irgendwelchen konkreten Vorschlägen auf.

Das heißt im Saldo: Wir werden 2020 sowohl die erneuerbaren Energien wie auch die KWKStromerzeugung über Umlagen unterstützt finanzieren. Das bedeutet, dass 52 % des Strommarkts von Beiträgen aus Nordrhein-Westfalen mitgetragen werden.

Wenn wir wie bisher weitermachen, werden wir einen Anteil von nur 5 % an erneuerbaren Energien haben. Denn Sie fahren einen offensiven Kurs. Herrn Wittkes Zitat zur Windkraft: „Das ist das Erste, was wir kaputtmachen werden“, ist uns allen noch erinnerlich. Aber wie Sie die erneuerbaren Energien ausbauen wollen, sagen Sie uns nicht.

Also: So, wie Sie diesen Markt behandeln, geht er an Nordrhein-Westfalen vorbei. Wir finanzieren ihn, und Bayern und Baden-Württemberg bauen aus. Das kann nicht unser Ziel sein. Deswegen müssen Sie an der Stelle anders arbeiten, als Sie es uns bisher vorgelegt haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die CDU-Fraktion erhält Frau Fasse das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In seiner Regierungserklärung am vergangenen Donnerstag hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel darauf hingewiesen, dass die Umsetzung der europäischen Klimaschutzziele nicht weniger als den grundlegenden Umbau der Industriegesellschaft bedeutet. Nur mit einer ambitionierten Steigerung der Energieeffizienz und einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien können diese Klimaschutzziele realisiert werden. Es gilt, die Forschung und Entwicklung offensiv voranzubringen, Produktionsprozesse auf den Prüfstand zu stellen, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln sowie innovative Verkehrskonzepte zu erarbeiten.

Die letzten Wochen und Monate haben uns all die Gefahren des Klimawandels vor Augen geführt. Seit Beginn der Wetteraufzeichnung erlebte Deutschland keinen wärmeren Herbst als den 2006. Der Winter hat nur im Kalender stattgefunden. Von weißer Weihnacht konnte keine Rede sein. Der verheerende Sturm Kyrill, der NordrheinWestfalen heimsuchte, hat mit der Vernichtung von über 50.000 ha Wald Wunden für Jahrzehnte in unsere Landschaften geschlagen.

Der gefühlte Klimawandel wird durch die eindeutigen Aussagen der Wissenschaftler ergänzt. Um mit Herrn Gabriels Worten zu sprechen:

„Die Berichte liegen vor, die Reden sind gehalten, die Zeit zum Handeln ist gekommen.“

Die Staats- und Regierungschefs haben unter Führung unserer Bundeskanzlerin einen wirklich historischen Beschluss – ich bin dankbar, dass Herr Priggen darauf hingewiesen hat – über die zukünftige Klimapolitik gefasst, der mit der Integration von Energiepolitik und Klimaschutz Ernst macht. Ambitionierte Klimaschutzziele werden hier mit weitreichenden Maßnahmen verknüpft.

So ist die Europäische Union bereit, die Emissionen von Treibhausgasen bis 2020 um 30 % im Vergleich zum Basisjahr 1990 zu vermindern, sofern andere Industrieländer zu vergleichbaren Minderungen bereit sind. Darüber hinaus werden die Schwellenländer aufgefordert, ebenfalls angemessene Beiträge zu leisten. Im Vorgriff auf internationale Verhandlungen verpflichtet sich die Europäische Union schon jetzt, die Emissionen um mindestens 20 % zu senken, und der Beschluss der EU nennt neben den Zielen auch die beiden wichtigsten Maßnahmen: Bis 2020 soll die Energieeffizienz um 20 % gesteigert werden, und der Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch soll bis zu diesem Zeitpunkt auf 20 % erhöht werden.

Dieses anspruchsvolle Paket, das weltweit seinesgleichen sucht, ist die Messlatte, die die EU angelegt hat und an der wir uns auch in Deutschland und Nordrhein-Westfalen messen lassen müssen.

Die Bundesregierung wird noch in diesem Jahr mit einem neuen Klimaschutzprogramm das Maßnahmenpaket auf den Weg bringen, mit dem die Beschlüsse der Europäischen Union umgesetzt werden sollen.

Um eine Reduktion der Treibhausgase um 30 % bis 2020 zu erreichen, muss der Ausstoß im Vergleich zu heute um 147 Millionen t gemindert werden. Bundesumweltminister Gabriel weist darauf

hin, dass diese Minderung noch nicht ausreiche. Eine Reduktion um 40 % bedeute dagegen eine Senkung um 270 Millionen t gegenüber dem Niveau von 2006. Diese Zielsetzung ist in Deutschland maßgeblich.

Erste Ergebnisse von Studien im Auftrag der Bundesregierung zeigen, dass diese ehrgeizigen Vorgaben erreicht werden können. Die Minderung um 270 Millionen t kann danach bis zum Jahr 2020 in acht Bereichen mit entsprechenden Maßnahmen erbracht werden. Herr Priggen hat die meisten schon genannt; ich will sie jetzt nicht wiederholen.

Wichtig ist dabei: Die Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien im Wärmesektor auf 14 % – darauf sind Sie eingegangen – spart 14 Millionen t ein. Die Steigerung der Effizienz im Verkehr sowie die Steigerung der Biokraftstoffnutzung um 17 % führen zu einer Einsparung von 30 Millionen t. Auch die Reduktion der Emissionen von anderen Treibhausgasen wie Methan beinhaltet eine Ersparnis von 40 Millionen t.

Dieses Maßnahmenpaket ist ohne Zweifel sehr ehrgeizig. Dennoch ist es machbar. Zum ersten Mal wird Ernst gemacht bei der Umsetzung der Klimaschutzziele. Eine Herausforderung, die die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen engagiert annimmt!

So haben wir im Landeskabinett bereits im Februar Konzepte zur Energieeffizienz, zu erneuerbaren Energien und auch zur Energieforschung verabschiedet. Dazu gehört als Beitrag des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auch eine von Ihnen ebenfalls begrüßte Biomassestrategie für unser Land. Denn Nordrhein-Westfalen ist ein großes Flächenland mit einer leistungsfähigen Land- und Forstwirtschaft. Mehr als ein Viertel unserer Fläche ist bewaldet. Diese Ressourcen wollen wir auch für neue Energien nutzen.

Die Landesregierung fördert den Bau von Kraftwerken als strategische Investition in das Industrieland Nordrhein-Westfalen. Dabei sind neue und saubere Technologien das Ziel. Der Wirkungsgrad der Kraftwerke muss und kann noch weiter wachsen. Würden weltweit alle über 20 Jahre alten fossilen Kraftwerke mit moderner Technik aus Nordrhein-Westfalen ausgerüstet, könnten jährlich 1,4 Milliarden t CO2 – das sind immerhin 5 % der globalen CO2-Emissionen – eingespart werden.

Darüber hinaus startet unser Land die Energieoffensive „NRW spart Energie“. Mit ihr wollen wir die gesamtwirtschaftliche Energieproduktion deutlich erhöhen. „Das ist unser Beitrag als“ – auch an

dieser Stelle möchte ich den verantwortlichen Minister Uhlenberg zitieren – „Industrie- und Energieregion im Herzen Europas, dass bis 2020 europaweit 20 % Energien eingespart werden können.“