Protokoll der Sitzung vom 04.05.2007

Frau Kollegin Altenkamp, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihres Kollegen Lindner von der FDP?

Nein, Herr Lindner ruft die ganze Zeit dazwischen. Da braucht er nicht noch dazwischenzufragen.

Sie brauchen nur Ja oder Nein zu sagen.

(Christian Lindner [FDP]: Britta!)

Nach den Konzepten, die die CDU nach vorne bringt, geht es vor allem um die Ein- bis Zweijährigen. Fünf Ein- bis Zweijährige sollen von einer Tagespflegeperson betreut werden. Da kann man schon ins Grübeln kommen, wenn es Qualität geht.

Dann sagen Sie auch noch: An diesem Vorbild soll sich der Bund orientieren. – Gott bewahre! Sehen Sie sich einmal die Konzepte zum Beispiel in Rheinland-Pfalz an! Das ist wohl ein Standard, an dem man sich orientieren kann. Das, was Sie hier mit Ihrem sogenannten Kinderbildungsgesetz vorgelegt haben, leistet das mitnichten.

(Beifall von der SPD)

Unbestritten ist, dass frühkindliche Bildung und Betreuung besondere Erfordernisse an die Erzieherinnen und Erzieher stellen. Sie werden immer wieder feststellen: Erzieher/-innen, die heute im Hort arbeiten, sagen, dass es fast ein völlig anderer Job ist, mit unter Dreijährigen zu arbeiten. Aber im sogenannten Kinderbildungsgesetz findet sich an keiner einzigen Stelle ein Hinweis darauf, wie denn dieser neue Job tatsächlich geleistet

werden soll. Da ist zur Aus-, Fort- und Weiterbildung von Erzieher(inne)n der lapidare Hinweis gegeben worden, dass dies in der Verantwortung der Träger liegt.

Verstehe ich es also richtig, dass Sie mit Ihrem Antrag den Referentenentwurf möglicherweise kritisieren wollen, dass er Ihnen an dieser Stelle nicht ausreicht? Dann kann ich nur sagen: Willkommen im Club! Nicht nur an dieser Stelle reicht er nicht aus. Da gibt eine ganze Menge anderer Punkte, die man auch nennen könnte.

(Beifall von der SPD)

Zum Schluss suchen Sie Ihr Heil bei den privatgewerblichen Trägern. Glauben Sie wirklich, dass durch die privatgewerblichen Träger die Qualitätsdebatte gestärkt wird? Glauben Sie, dass Sie in der Kinderbetreuungsdiskussion über die privatgewerblichen Träger, also über Konkurrenz, tatsächlich mehr Bewegung erreichen können? Droht mit dem Referentenentwurf nicht vielmehr eine Entwicklung hin zu einem „McKindergarten“ mit schlechter bezahlten Erzieher(inne)n und übergroßen Gruppen? Können Sie eine solche Entwicklung nach dem, was mit dem Kinderbildungsgesetz vorliegt, wirklich ausschließen? Ich meine: Nein. Sie haben die Büchse der Pandora geöffnet. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie sie wieder zukriegen.

Ich will noch einen letzten Punkt ansprechen: Der Unterschied zwischen Ihnen und uns an dieser Stelle ist ganz offensichtlich in diesem Antrag niedergelegt. Sie reden immer über Betreuung. Sie reden nur, wenn es nach draußen geht, das eine oder andere Mal über Bildung. Und das schlägt sich in Ihrem Gesetzentwurf überaus deutlich nieder.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Wir wiederum meinen Bildung, frühkindliche Bildung. Und das ist mehr als frühkindliche Betreuung, wie Sie es in Ihrem Antrag formulieren. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Altenkamp. – Jetzt spricht für Bündnis 90/Die Grünen Frau Asch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es in gewisser Weise mutig, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und FDP, dass Sie ausgerechnet in dieser Situation, in der Sie mit KiBiz einen Scherbenhaufen angerichtet

haben, eine Qualitätsdebatte ins Plenum bringen. Das ist schon mutig.

Es gibt zwei Möglichkeiten, warum Sie das tun: Erstens könnten Sie dem Minister auf sehr vorsichtige Weise beibringen, dass er nacharbeiten muss. Denn in der Tat ist es dringend notwendig, den Referentenentwurf in Bezug auf Qualität nachzuarbeiten, ihn am besten ganz neu zu schreiben. Zweitens könnte es aber auch sein, dass Sie in einem Anflug von Selbstdemontage versuchen, eine Diskussion anzuzetteln, die Sie im Grunde nur verlieren können.

Das Tragische ist: Mit diesem Antrag beweisen sind mal wieder, dass Sie richtige Worte finden – man kann im Grunde alles unterschreiben, was Sie in Bezug auf die Notwendigkeit der Qualitätsdebatte formulieren, die in der Tat geführt werden muss –, aber das, was Sie an konkreten Schlussfolgerungen und Handlungsschritten anbieten, ist vollkommen substanzlos und ohne Konsequenzen. Das ist im Sinne von: Gut, dass wir mal drüber gesprochen haben. – Keine der Aussagen, die Sie hier in Bezug auf die Qualität treffen, findet sich in den Rahmenbedingungen, die Sie jetzt im Ministerium im Referentenentwurf festgelegt haben, wieder. Ganz im Gegenteil: Dieser Entwurf fällt hinter die Qualitätsstandards, die wir im Moment schon haben, weit zurück. – Das ist die Situation.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich kann Herrn Lindner hinsichtlich seiner Kritik an der Bundesregierung nur Recht geben. Nur: Sie hat aus Ihrem Mund, Herr Lindner, einen faden Beigeschmack. Denn Sie könnten es hier in Nordrhein-Westfalen besser machen. Sie hätten bei der Ausgestaltung dieses Gesetzentwurfs ganz konkret die Möglichkeit, das zu tun, was Sie hier monieren.

(Christian Lindner [FDP]: Mit welchem Geld denn?)

Sie könnten Qualitätsstandards setzen.

(Christian Lindner [FDP]: Mit welchem Geld denn? Das Geld haben Sie doch ausgege- ben!)

Sie könnten handeln. Aber genau das tun Sie nicht. Das geben Sie hiermit zu. Sie wollen das Geld, das dafür nötig wäre, nicht in die Hand nehmen.

(Christian Lindner [FDP]: Wir haben es nicht!)

Es ist sehr entlarvend, dass Sie sagen, das Geld dafür ist nicht da.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie haben gerade eine schallende Ohrfeige für Ihren Referentenentwurf bekommen. Alle haben Ihnen gesagt, dass Sie grundlegende Korrekturen an diesem Werk vornehmen müssen. Und dann beantragen Sie hier – ich zitiere aus dem Antrag – , die Landesregierung möge die Debatte um die frühkindliche Betreuung um qualitative Aspekte erweitern. – Sagen Sie mal: Wo leben Sie denn? Sie sind nicht mehr in der Situation, dass Sie Debatten führen. Sie sollen handeln. Sie sollen Gesetze machen, in denen sich genau diese Qualität wiederfindet.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Offenbar ist Ihnen immer noch nicht klar, in welcher Rolle Sie sich befinden.

(Carina Gödecke [SPD]: Ich sagte doch: ge- störte Wahrnehmung!)

Der Hauptvorwurf, der sich gegen den Referentenentwurf richtet, ist der – ich habe es eben schon einmal gesagt –, dass er Qualität nicht steigert, sondern dass er – im Gegenteil – Qualität abbaut. Das ist übrigens nicht erst mit dem Referentenentwurf der Fall; dieser Sündenfall ist schon mit dem Konsenspapier festgeschrieben. Da werden die guten Standards in den kleinen altersgemischten Gruppen zurückgefahren. Sie sagen bewusst: Wir wollen keine Gruppengrößen definieren. – Sie belohnen mit der Kopfpauschale die Träger dafür, wenn sie die Gruppen möglichst groß machen.

Das, Frau Kastner, hat mit individueller Betreuung, mit dem Eingehen auf das einzelne Kind, auf die spezifische Situation des einzelnen Kindes überhaupt nichts zu tun. Das ist das Gegenteil von individueller Betreuung, die Sie im Antrag fordern.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Amerikanische Wissenschaftler haben in der großen NICHD-Langzeitstudie nachgewiesen, dass Kinder eine dichte Betreuung brauchen. Die Wissenschaftler haben auch einen Vorschlag mitgegeben und gesagt: Die optimale Betreuungsquote gerade für die Kleinen liegt bei 1:3 bis 1:4. – Diesen Betreuungsschlüssel müssten Sie im Gesetz festschreiben. Barcelona-Beschlüsse der EU beinhalten ganz ähnliche Betreuungsschlüssel.

Ich kann Sie nur auffordern: Nehmen Sie Ihren eigenen Appell ernst! Fordern Sie die Landesre

gierung auf, exakt diese Qualitätsstandards in das Kindergartengesetz zu schreiben! Das bedeutet auch, den Betreuungsschlüssel – also die Relation von Erzieher(inne)n zu Kindern – genau zu definieren und sich hier nicht nur in irgendwelchen Appellen zu ergehen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Jetzt spricht für die Landesregierung Herr Minister Laschet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein sehr wichtiger Antrag der Koalitionsfraktionen, die Qualitätsdebatte stärker zu führen, als sie bisher geführt wird. Die bundespolitische Debatte und die Medienberichterstattungen orientieren sich nur an Quoten, an Zahlen, an Zeitplänen und diskutieren eigentlich zu wenig über das, was in den Kindertagesstätten und auch bei einer ausgeweiteten U3-Betreuung gemacht wird. Das liegt wahrscheinlich daran, dass Gesamtdeutschland im europäischen Vergleich Entwicklungsland ist, dass Nordrhein-Westfalen Entwicklungsland vom Entwicklungsland ist und auf Platz 16 stand. Aber dass wir jetzt, da wir über Zahlen sprechen, diese Qualitätsaspekte nicht vergessen dürfen, liegt meiner Meinung nach auf der Hand.

Genau dies wird das Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern leisten. Es ist ein Gesetz, das mehr als das Vorgängergesetz – das den Standard noch viel zu schwach beschrieben hatte –, aber auch mehr als Gesetze anderer Bundesländer den Aspekt der frühkindlichen Bildung stärken soll.

Frau Altenkamp, die Träger monieren übrigens, dass nun zu viel von Bildung und Förderung und zu wenig von Betreuung die Rede ist.

(Josef Wilp [CDU]: Genau!)

Sie können ja mal zählen, wie oft das Wort „Betreuung“ in dem Gesetzentwurf vorkommt. Ich habe es ganz bewusst nur wenig hineingeschrieben, weil ich fest davon überzeugt bin, dass wir in den nächsten Jahren mehr über frühkindliche Bildung und weniger über die reine Betreuungsfrage sprechen werden.

Jetzt kommen die Träger in der Verbändeanhörung – das hat nichts mit dem Konsens, sondern mit der normalen Verbändeanhörung zu tun – dazu und sagen: Bitte schreibt wieder stärker

„Betreuung“ hinein. Schreibt bitte wieder stärker die Aufgabe hinein, die wir bisher hatten.

(Andrea Asch [GRÜNE]: Weil es im SGB VIII steht!)