Protokoll der Sitzung vom 04.05.2007

Deswegen stellen wir zu Recht die Frage: Was macht die Landesregierung? Sie führt Studiengebühren ein, mit einer Geld-weg-Garantie, die genau den Effekt hat, dass die Studienanfängerzahlen und auch die Studierendenzahlen an den Hochschulen teilweise drastisch zurückgehen.

Erst heute, Herr Pinkwart, konnten Sie auch in Ihrer Regionalzeitung, im „Kölner Stadt-Anzeiger“, ein Interview mit dem Geschäftsführer des Kölner Studentenwerkes über die Auswirkungen dieses Rückganges lesen. Er hat am Ende dieses Interviews im „Kölner Stadt-Anzeiger“ auch noch einmal den Bezug zu den Studiengebühren, die Sie eingeführt haben und für die Sie verantwortlich sind, hergestellt.

Den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen wurde Freiheit versprochen. Aber das sogenannte Hochschulfreiheitsgesetz hat den Hochschulen keine Freiheit gegeben, in vielen Teilen sogar Freiheit genommen.

Sie sind dafür verantwortlich, dass renommierte Forschungseinrichtungen aufgelöst wurden. Sie haben die Frauenförderung schlechter gestellt. Sie kürzen bei den Studentenwerken weiter. Daraus ergeben sich eben erhebliche Nachteile für die Innovationskraft unseres Landes. Wir alle zahlen am Ende, Herr Kollege Lindner, den Preis für diese falsche Politik.

(Rudolf Henke [CDU]: Sie zeichnen ein Zerr- bild!)

Deswegen fordern wir Sie auf: Verzichten Sie auf die Erhebung von Studiengebühren für das Erststudium! Studiengebühren sind der falsche Weg. Sie führen dazu, dass junge Menschen in Nordrhein-Westfalen nicht studieren. Diese Potenziale gehen uns verloren.

Zugleich fordern wir Sie auf, das Kopfpauschalenmodell zur Umsetzung des Hochschulpaktes zurückzuziehen und endlich einen „Masterplan Hochschulen“ für das ganze Land aufzulegen.

Zum Schluss fordern wir Sie auf: Orientieren Sie sich an dem Beschluss des Bundestages vom 29. März dieses Jahres! Darin sind die richtigen Schwerpunkte mit den richtigen Instrumenten formuliert. Das wäre eine gute Orientierung. Wir fordern Sie auf, diesen Weg zu beschreiten und

von Ihrem Irrweg abzugehen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Eumann. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Dr. Brinkmeier.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der hohen Anzahl von Rügen, die heute ausgesprochen wurden, fällt mir die alte parlamentarische Weisheit ein: Rügen lügen nicht. – Gleichzeitig bin ich sicher, dass wir es schaffen, diesen Tagesordnungspunkt ohne Rügen über die Bühne zu bringen. Der Kollege Eumann hat, glaube ich, auch einen gemäßigten Sprachstil – sicherlich hart in der Sache; darauf werde ich eingehen.

(Christian Lindner [FDP]: Lustlos war das!)

Ich wollte diplomatisch sein, Herr Kollege Lindner. „Angemessen“ kann man auch sagen.

Nun zu einem Thema, das uns natürlich auf Dauer beschäftigen wird! Ich frage trotzdem, Herr Kollege Eumann: Was soll dieser Antrag jetzt? Was soll das genau? Sie haben gerade eine Analyse vorgetragen und aus einem OECD-Bericht zitiert: Trendwende nicht in Sicht, die Schere geht auseinander. – Da muss ich einmal ganz klar fragen: Warum bringen Sie den Antrag dann jetzt ein? Wir bringen doch die Trendwende gerade zum Laufen.

(Zuruf von der SPD: Im Gegenteil!)

Sie wissen genau, dass das seine Zeit braucht, um sich zu entwickeln. Wir haben wenig Lust, nach den großen Veränderungen, die wir als Rahmengesetzgebung für die Hochschulen auf den Weg gebracht haben, die Hochschulen mit immer mehr Regulierungen zu überschütten. Wir wollen dass nur noch in einem abgestimmten Maße tun, soweit die Veränderungsprozesse noch vom Staat begleitet werden müssen.

Wenn man den Antrag liest, hat man, was den Schreibstil betrifft, schon einen etwas anderen Eindruck als bei dem, was Sie eben mündlich vorgetragen haben. Das kam mir etwas so vor wie der Versuch eines Sich-selbst-Aufscheuchens zu dem Thema. Sie benutzen viele Kampfbegriffe und harte Wendungen wie, das Freiheitsmodell sei gescheitert. Wir wollen doch erst einmal sehen, welches Modell scheitert. Gescheitert ist doch Ihr Bildungsmodell, das Bildungsmodell der SPD.

(Beifall von der CDU)

Das Bildungsmodell, das durch immer mehr Regulierung und auch durch weniger Geld die Hochschulen steuern wollte, ist doch gescheitert.

Dann haben Sie eben den Begriff „Kopfpauschalenmodell“ verwendet. Den benutzen Sie gerne als Kampfbegriff, auch in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen; ich verweise auf den vorausgegangenen Tagesordnungspunkt. Mein guter Rat: Die SPD sollte bitte nicht auf den Fehler verfallen, alle fiskalischen Steuerungselemente, die sich auf Personen beziehen, immer gleich mit Kampfbegriffen zu verunglimpfen. Das fällt am Ende auf Sie zurück. Wenn man einen Baum hochklettert, muss man auch wieder herunter können. Deswegen sollten Sie sehr vorsichtig sein, wenn Sie selbst erwählte Kampfbegriffe benutzen.

Dann haben Sie auch noch in den Antrag hineingeschrieben, es gebe die durchsichtige Absicht der Landesregierung, die Verantwortung für dies und das auf die Hochschulen abzuschieben. Ich sage mal: Das offenbart doch wohl die durchsichtige Absicht der SPD, möglichst viel staatlich zu lenken. Wenn das dann nicht klappt – und das hat sich ja gezeigt –, wollen Sie entweder alles unter den Schuldenteppich kehren oder, wenn auch nicht mehr zu verheimlichen ist, wie viele Schulden aufgehäuft worden sind und dass man mit mehr Geld offensichtlich nicht alles lösen kann, Sie klagen einfach andere an.

Ich möchte auf die Forderungen in Ihrem Antrag eingehen.

Sie sagen, Studiengebühren sollten für das Erststudium verboten werden. – Wir können Studiengebühren gar nicht verbieten, weil es keine gibt. Wir haben Studienbeiträge; das wissen Sie.

(Lachen von der SPD)

Und umgekehrt: Wenn Sie schreiben „für das Erststudium zu verbieten“, kann man daraus wohl folgern, dass Sie Ihr altes Langzeitstudiengebührenmodell, was wirklich grottenschlecht war, wieder einführen möchten, und zwar, um zunächst einmal die Landeskassen aufzufüllen, wie Sie das damals gemacht haben. Wenn das so ist, dann würde ich Sie herzlich bitten, dass Sie das offen zugeben.

In Ihrer zweiten Forderung schreiben Sie, dass das Kopfpauschalenmodell zur Umsetzung des Hochschulpaktes zurückgezogen und ein Masterplan Hochschulen für das ganze Land aufgelegt werden soll. – Das könnte Ihnen in dieser Form so passen. Was hinter dem Wort Masterplan in Ihrer

Diktion steckt, ist eben nicht das, was wir wollen. Wir ziehen ganz klar das wettbewerbliche System vor. Es wird sich zeigen, dass die Hochschulen damit besser fahren werden als mit dem von Ihnen propagierten linken System der maximalen Vorgaben durch den Staat, einer mangelhaften Kontrolle und des leichten Durchwinkens, Herr Schultheis. Das meinen übrigens auch die Hochschulen. Weil sie das meinen, werden wir wahrscheinlich auch im Ausschuss wenig Neigung haben, auf Ihre Forderungen einzugehen, wenn Sie bis dahin nicht noch bessere Argumente vorbringen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brinkmeier. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält Frau Dr. Seidl das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Brinkmeier, auch wenn Sie jetzt, am Freitagnachmittag, schon Feierabendstimmung verbreiten wollen, so können Sie, meine ich, nicht davon ablenken, dass die Stimmung bei den Studierenden und Lehrenden an den Hochschulen derzeit nicht gut ist. Das sollten Sie auch endlich einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Studiengebühren sorgen für Chaos, der Hochschulpakt 2020 entpuppt sich bei genauem Hinsehen als Mogelpackung, und das sogenannte Hochschulfreiheitsgesetz – das muss man auch noch einmal sagen – steht für die Fantasielosigkeit und fehlende Gestaltungsfähigkeit einer Hochschulpolitik, die sich der Devise „Privat vor Staat“ verschrieben hat.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, deckt sich das, was die SPD-Fraktion in ihrem Antrag formuliert hat, weitgehend mit den Zielen und Forderungen, die auch wir in unseren Anträgen in den vergangenen Wochen und Monaten aufgestellt haben.

Ich kann nur wiederholen: Schaffen Sie diese unsinnigen Studiengebühren ab, die offensichtlich zu einer sozialen Auslese führen und junge Menschen von einem Studium abhalten. Sichern Sie Zukunftschancen, indem Sie jetzt endlich eine spürbare Offensive für mehr Studienplätze einleiten, und nutzen Sie die begonnene Internationalisierung der Studiengänge für eine echte Studienreform.

Denn Zugangsbeschränkungen, wie wir sie inzwischen in Bezug auf jeden zweiten Studiengang in Nordrhein-Westfalen erleben, sind letztlich ein Weg in die Sackgasse. Wenn sich der jetzige, bedrohliche Trend einer sinkenden Bereitschaft zum Studium weiter fortsetzt, dann wird NordrheinWestfalen die große und einmalige Chance verpassen, die sich aus der steigenden Anzahl von Schulabgängern ergibt.

Herr Brinkmeier, Sie haben uns die Zahlen lange Zeit nicht wirklich geglaubt, aber: Die Anzahl der Schulabgängerinnen wird bis 2013 drastisch ansteigen und es werden nach der Prognose des Schulministeriums – das kann man nachlesen – noch mehr sein, als es die SPD in ihrem Antrag beschreibt. In der Spitze im Jahr 2012 werden es tatsächlich 176.510 Studienberechtigte sein. Gegenüber dem Wintersemester 2001/2002 ist das fast eine Verdoppelung.

Wir wissen alle, dass, unabhängig von den individuellen Chancen, der Anteil der Hochschulabsolventen im internationalen Vergleich mitentscheidend dafür ist, wie innovationsfähig und wirtschaftlich erfolgreich eine Gesellschaft ist. Diese Chance entgleitet uns derzeit mit der sogenannten Innovationspolitik dieser Landesregierung.

Beim Hochschulpakt hat Minister Pinkwart in Berlin nicht viel erreicht. Für den notwendigen Aufbau von 30.000 zusätzlichen Studienplätzen bis zum Jahr 2013 brauchen wir bei Weitem mehr Geld und bei Weitem auch mehr und andere strukturelle Vorschläge als die, die Sie, Herr Minister Pinkwart, auf den Tisch gelegt haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb kann man auch nachvollziehen, dass die Hochschulrektorenkonferenz – im Übrigen auch das CHE und andere Einrichtungen, die Ihnen eigentlich nahe stehen – den Hochschulpakt als Dumping-Pakt bezeichnet. Denn die Kostensätze pro Studienplatz sind zu gering angesetzt, die Bauinvestitionen werden vernachlässigt und die Mehrbedarfe durch die Bologna-Reform einfach unter den Teppich gekehrt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb ist es höchste Zeit, meine Damen und Herren, zu handeln und eine seriöse mittel- und langfristige Planung zum bedarfsgerechten Ausbau unseres Hochschulsystems vorzulegen, und zwar – auch das ist ein Witz – über das Jahr 2000 hinaus, denn sonst kann sich dieser Pakt ja wohl nicht Hochschulpakt 2020 nennen.

Da wir davon ausgehen müssen, dass die Schaffung von zusätzlichen Studienplätzen nicht alleine

durch die Bereitstellung zusätzlicher Mittel bewältigt werden kann, fordern wir Sie auf, die zusätzlichen Kapazitäten durch organisatorische und strukturelle Maßnahmen im System zu erwirtschaften und dann auch ein entsprechendes Maßnahmenpaket vorzulegen.

Dazu ist aus unserer Sicht ein kontinuierlicher Aufbau von mindestens 30.000 zusätzlichen Studienplätzen bis spätestens zum Wintersemester 2013/2014, insbesondere durch den Aufbau der Personalkapazitäten, notwendig. Dazu gehört die vorgezogene Wiederbesetzung von Professuren, wie sie auch die Hochschulrektorenkonferenz vorgeschlagen hat, bzw. ein intelligentes Lehrbudgetmodell. Dazu gehört eine Differenzierung des Lehrkörpers mit Hochschullehrerinnen, die den Aufgabenschwerpunkt Lehre wahrnehmen, und dazu gehört auch der Ausbau von Kapazitäten, insbesondere an den Fachhochschulen.

Was uns schlichtweg an Ihrer Politik fehlt, Herr Minister Pinkwart, sind solche pragmatischen Vorschläge, die in diese Richtung weisen. Deshalb werden wir Sie in dieser Legislaturperiode nicht aus Ihrer Verantwortung für einen Ausbau und für eine Reform der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen entlassen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen besonders heiklen Aspekt ansprechen, das sogenannte Kopfpauschalenmodell der Landesregierung, was auch die SPD in ihrem Antrag erwähnt. Vielleicht habe ich es nicht verstanden und Herr Minister Pinkwart kann uns das noch einmal genau erklären. Sie beabsichtigen, für jede/n nicht zusätzliche, aber über die Aufnahmekapazität hinaus aufgenommene/n Studienanfänger/in eine Prämie in Höhe von 2.000 € zu vergeben. Haben Sie denn einmal nachgerechnet, was das bedeutet, Herr Minister Pinkwart?

Frau Abgeordnete.