Protokoll der Sitzung vom 04.05.2007

Education at a Glance 2006! Das ist sehr schön, denn diese Studie beruht auf Daten des Jahres 2004

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

und stellt Deutschland in einen internationalen Vergleich.

Wie Sie wissen, gab es im Jahr 2004 noch nicht die Möglichkeit, in Deutschland Studienbeiträge erheben zu dürfen. Das heißt, Sie haben dem Landtag, um damit gegen Studienbeiträge zu argumentieren, dankenswerterweise einen internationalen Vergleich vorgetragen, der zu dem Ergebnis kommt, dass Deutschland im OECDVergleich bezogen auf die Menschen eines Altersjahrgangs mit Hochschulabschluss eines der Schlusslichter bildet, nämlich der letzten drei von 24, mit 20 % Absolventenquote, während der OECD-Durchschnitt bei 35 % liegt und Spitzenreiter im OECD-Vergleich unter anderem Australien ist, das seit langer Zeit Studienbeiträge kennt.

Das heißt, Sie ziehen eine internationale Studie heran, beklagen, dass die Absolventenquote zu niedrig sei, und im Vergleich sind die Länder, die Studienbeiträge erheben, mit Abstand besser als Deutschland, wo es zu diesem Zeitpunkt keinerlei Studienbeiträge gab.

Lieber Herr Eumann, wenn Sie schon Studien zitieren, lesen Sie sie richtig.

(Beifall von der FDP)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Beer?

Ich würde gerne die Gedanken zu Ende führen. Ich möchte noch, Herr Präsident, ein paar Klarstellungen zu dem, was gesagt worden ist, bringen.

Dann sagen Sie mir, wann.

Das ist schon bemerkenswert. Wir stellen fest, dass diejenigen Länder, die keine Studienbeiträge hatten, schlechter abgeschnitten haben als die Länder, die Studienbeiträge kennen. Die Studienzeit lässt sich auch begründen.

Zum Zweiten. Auch Ihre Regierungszeit betreffend stellen wir fest, dass sich nach der 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes der Anteil derjenigen jungen Menschen, deren Herkunftsfamilien über niedrige oder mittlere berufliche Einkommen und Positionen verfügen, in Nordrhein-Westfalen von 45,6 % im Jahre 1997 auf 40,4 % im Jahre 2003 rückläufig gestaltet hat. Das heißt, zu Ihrer Zeit der Regierungsverantwortung hat sich dieser Anteil um mehr als fünf Pro

zentpunkte reduziert. Sie können also nicht sagen, dass Ihre Politik besonders sozialverträglich war.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])

Im Gegenteil: Ihre Politik hat weder zu hohen Absolventenquoten geführt noch, was die Herkunftsbezogenheit betrifft, soziale Gerechtigkeit befördert.

(Beifall von der FDP)

Jetzt nenne ich Ihnen noch eine Begründung dafür: Das ist eine HIS-Studie zum Thema Studienberechtigte aus dem Jahr 2005, also eine sehr aktuelle Studie. Da sind die Studienberechtigten gefragt worden, warum sie kein Studium aufnehmen wollen. Der Hauptgrund ist der Wunsch, möglichst bald selbst Geld zu verdienen – das haben 66 % als Grund bei möglicher Mehrfachnennung angegeben. Zweitwichtigster Grund ist der Wunsch nach hohem Praxisbezug der Ausbildung – 41 % –, und der dritte Grund ist die Sorge vor der zu langen Studiendauer – 31 % –. Erst dahinter mit deutlichem Abstand: finanzielle Gründe oder etwaige Studienbeiträge, die sie abhalten könnten.

Das ist die Meinung der jungen Menschen. Und das ist genau unser Ansatzpunkt für Studienbeiträge.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir machen das Studium jetzt besser, wir machen es schneller, wir machen es planbarer. Damit werden wir in den nächsten Jahren die entscheidenden Hinderungsgründe bekämpfen, die bislang viele von der Aufnahme eines Studiums abgehalten haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Selbst wenn es zu kurzfristigen technischen Reaktionen kommen mag, die Sie weit übertreiben – da lese ich: Frau Seidl: 20 % weniger an Hochschule X, Frau Kraft: 18 % an Hochschule B weniger – und wenn wir dem nachgehen, kommen wir bestenfalls auf einstellige Rückgänge, wenn überhaupt. Sie haben in Ihrer Zeit der Verantwortung einen Rückgang der Studierendenzahlen von 15 % in einem Jahrgang zu verantworten gehabt. Nur soviel zum Vergleich.

Lassen wir die technischen Reaktionen mal weg, dann werden wir feststellen, dass sich durch die Studienbeiträge und durch das Hochschulfreiheitsgesetz insgesamt, auch durch die bessere Ausstattung der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen mit

telfristig – das ist unsere Erwartung – die Anzahl der Studierenden erhöhen wird.

Darauf richten wir uns auch mit dem Hochschulpakt 2020 ein. Auch wenn Sie es nicht gerne hören, liebe Frau Seidl: Gerade das Land NordrheinWestfalen hat wesentlich darauf gedrungen, dass es den Hochschulpakt überhaupt gibt, sonst gäbe es ihn in Deutschland gar nicht.

(Beifall von Christian Lindner [FDP])

Das Land Nordrhein-Westfalen hat wesentlich darauf gedrängt, dass NRW eine hohe Finanzierungsquote bekommt; wir haben mit 22 % eine Quote am Gesamtpakt, die über dem Königsteiner Schlüssel liegt. Das haben Sie früher nie erreichen können.

Sie reden von Kopfpauschale, loben aber gleichzeitig die Bundesregierung. Der Hochschulpakt basiert seitens der Bundesregierung auf einer Kopfförderung. Das ist das System dieses Hochschulpakts, den wir in Nordrhein-Westfalen 1:1 umsetzen.

Sie werden in den nächsten Wochen von uns ein Konzept vorgelegt bekommen, das dem Ziel Rechnung trägt: 26.000 zusätzliche Studienanfänger bis 2010 und weitere, Frau Seidl, 30.000 Studienanfänger in der nächsten Dekade.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Wenn ich mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, noch einen letzten Satz mit Hinweis auf Ihre sagenhafte Aufzählung, Frau Seidl, was wir Fantasieloses mit dem HFG gemacht hätten, sagen darf? – Das ist schon bemerkenswert. Mit Blick auf den Hochschulpakt sagen Sie, jetzt erwarteten Sie Vorschläge zur Kapazitätserweiterung, etwa durch geschickte Lehrdeputatsregelung. Schauen Sie doch bitte mal ins Hochschulfreiheitsgesetz, das Sie eben als fantasielos bezeichnet haben:

(Beifall von Christian Lindner [FDP])

Darin steht es schon. Unsere Hochschulen können bereits das, was Sie uns heute als innovativen Vorschlag vorgetragen haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister.

(Zuruf)

Der Herr Minister hatte nicht die Absicht, Ihnen eine Frage zu ermöglichen.

Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/4248 an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Mit großer Zustimmung ist es so beschlossen worden.

Wir kommen zu:

7 Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/4232

erste Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile zur Einbringung des Gesetzentwurfes für die antragstellende Fraktion Herrn Abgeordneten Horst Becker von den Grünen das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines der erstaunlichsten Ergebnisse des langwierigen Tauziehens – manche sagen auch Kuhhandels – zwischen CDU und FDP um die Reform der Gemeindeordnung und des Kommunalwahlgesetzes war, dass ein Bestandteil des Koalitionsvertrages unter den Tisch gefallen ist, nämlich die Einführung von Kumulieren und Panaschieren im Kommunalwahlrecht in NRW.

(Beifall von den GRÜNEN)

Steht noch im Koalitionsvertrag, man wolle prüfen, hat diese Prüfung offensichtlich dann schlussendlich – übrigens hinter verschlossenen Türen – gar nicht erst stattgefunden: keine Anhörung, kein Fachgespräch, nichts, alles ad acta gelegt.

Deshalb, meine Damen und Herren: Die Grünen haben einen Gesetzentwurf eingebracht, um diese Form direkter Beteiligung und kommunaler Demokratie in unserem Wahlrecht zu verankern. Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern mehr Rechte einräumen. Wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger auch die Reihenfolge der Bewerberinnen und Bewerber bestimmen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bislang sind die Kommunalwahlen in NRW nicht mehr als ein Kreuz. Die Wähler haben nur eine Stimme, mit der sie gleichzeitig die lokalen Kandidatinnen oder Kandidaten wählen können und die

favorisierte Partei wählen. Die eine Stimme entscheidet darüber, wie stark die Partei im Stadtrat oder im Gemeinderat oder im Kreistag ist. Sie entscheidet außerdem darüber, welcher lokale Kandidat in den Rat einzieht. Wer seiner Partei also nicht untreu werden will, ist daher gezwungen, deren Kandidaten vor Ort mit zu wählen und auch die Kandidaten mit zu wählen, die dann auf der Liste sind, die die Partei bestimmt.