Der Antragstitel der Grünen ist falsch und entlarvt auch eine falsche Denkweise. Er sollte nicht heißen „Fördern statt strafen“, sondern es müsste heißen: „Fördern und strafen, wenn es denn notwendig ist“. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Hollstein. – Für die Fraktion der SPD hat jetzt Frau Kollegin Hack das Wort.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Hollstein, seit gerade bedauere ich, dass wir für diesen Antrag diese kurze Redezeit haben, obwohl es ein Antrag der Grünen ist.
Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen nicht vorgreifen. Ich glaube aber, dass der Antrag der Grünen nicht nur eine Replik auf diesen – wie auch immer zu interpretierenden – Beschluss des Parteitages Ihrer Partei war.
Herr Kollege Hollstein, Sie haben völlig recht: Wir haben bereits im vergangenen September den Themenkomplex „Jugendkriminalität und Jugendgewalt“ im Generationenausschuss diskutiert. Grundlage waren Anträge meiner Fraktion und der Regierungsfraktionen zu jeweils unterschiedlichen Aspekten.
Vor wenigen Wochen rückte dieser Härterdurchgreifen-Beschluss der Landes-CDU ins Hellfeld, motiviert durch die – wie auch immer zu deutenden; Sie haben sie bereits zum Teil interpretiert – Ergebnisse der Polizeilichen Kriminalstatistik 2006.
Bereits im vergangenen Jahr waren wir uns im Ausschuss darüber einig, dass Prävention eine, wenn nicht sogar die zentrale Antwort auf die Frage nach dem wirksamen Umgang mit Jugendgewalt ist. Einigkeit herrschte auch darüber, dass die Jugendhilfe mithin das zentrale Aktionsfeld für diese Problemstellung ist. Der zur Überweisung anstehende Antrag der Fraktion der Grünen greift diese beiden Punkte erfreulich deutlich wieder auf.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Debatte des gesamten heutigen Tages haben wir vieles über die Auswirkungen von Armut – Bildungsarmut, materieller Armut und gesundheitlicher Armut – gehört.
Wir haben uns auch über die Notwendigkeit verlässlicher früher Bildung auseinandergesetzt. Was hat das mit dem Antrag der Grünen zu tun? In all diesen Bereichen geht es auch um Prävention: um soziale Prävention, um materielle Prävention, bildungsfördernde, teilhabefördernde sowie gesundheitsfördernde Prävention.
Aus meiner beruflichen Erfahrung weiß ich: Zahlreiche Faktoren für den Lebensverlauf eines Menschen werden im Alter bis spätestens zwölf oder 13 Jahren festgelegt. Was bis zu diesem Zeitpunkt nicht gelernt wurde, ist nur unter ungleich schwierigeren Bedingungen zu erfassen. Umgekehrt gilt natürlich ebenso: Was Kinder in dieser Zeit erfahren und damit erlernen, ist für sie Bestandteil ihrer Biografie und ihres Verhaltens.
Betrachten wir Jugendgewalt, zählen dazu eigene Gewalterfahrungen. Dies ist im Kindesalter oft genug als Opfer, zumindest als Zeuge oder Zuschauer der Fall. Entweder wird Gewalt als negatives Konfliktlösungsinstrument gelernt oder es werden eben positiv verbale Konfliktlösungen, partnerschaftlicher Umgang, Gruppenregeln usw. gelernt.
Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Jugendhilfe ihrer zentralen Rolle, über die Einigkeit herrscht, auch gerecht werden kann. Dafür ist der Antrag der Grünen in der Ausschussdebatte sicherlich geeignet. Neben der personell und finanziell auskömmlichen Ausstattung gehört dazu vor allem die Anerkennung dieser Vorrangposition vor polizeilichem Handeln und vor Justizhandeln.
Wir müssen dafür Sorge tragen, dass der Schwerpunkt unseres Handelns und damit auch der Schwerpunkt von Fördermitteln in diesem Bereich liegt und nicht – lassen Sie es mich so ausdrücken – bei dem Kind, das schon in den Brunnen gefallen ist.
Präventive Arbeit der Polizei nutzt nichts, wenn nicht auch Jugendhilfe mit am Tisch sitzt und ihm nicht – mangels Personal, mangels Mitteln und nicht etwa, weil der Wille zur Zusammenarbeit fehlte – fernbleiben muss. Erfahrungen damit sind inzwischen vielfältig.
Wir werden im Ausschuss darüber zu reden haben, wie wir die Vorrangstellung der Jugendhilfe unterstützen bzw. herstellen können, welche koordinierenden Funktionen fehlen, welche strukturellen Defizite zu beheben sind. Hier sollten wir insbesondere die Nachrangigkeit des SGB VIII zum SGB II diskutieren.
Wir werden auch die Auseinandersetzung darüber führen müssen, in welcher Form die im Antrag sogenannte geschlossene Unterbringung als Instrument des Umgangs mit Jugenddelinquenz wie wirksam ist. Sie wird hier richtig als Ultima Ratio bezeichnet. Die Meinungen hierzu sind nicht eindeutig; das haben wir in dieser kurzen Debatte schon mitbekommen. Klar ist hingegen, dass Desintegration und irgendwann mühsame Reintegration allemal teurer sind, materiell wie ideell, als vorherige Anstrengungen zur Integration. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Zu politisch später Stunde will auch ich versuchen, schnell zum Ende zu kommen,
Dieser Antrag der Grünen ist nicht isoliert zu betrachten. Die Grünen haben einen Entwurf für ein Jugendstrafvollzugsgesetz vorgelegt. Auch das Kabinett hat einen Entwurf für ein Jugendstrafvollzugsgesetz beschlossen, der sicher bald ins Parlament eingebracht und hier beraten wird.
Wir haben uns natürlich auch die Frage zu stellen, wie es überhaupt dazu kommt, dass Jugendliche verurteilt werden, und was wir im Vorfeld tun können.
Insoweit empfinde ich den Beitrag, den die Grünen uns hier heute auf den Weg geben, als einen Anstoß, das plenar weiter zu beraten, was die Landesregierung schon bei ihrem Amtsantritt zu einem wesentlichen Kern ihrer Politik gemacht hat.
Wir haben bereits mit Amtsantritt versucht, bei der Jugendkriminalitätsbekämpfung einiges auf den Weg zu bringen.
Ich nenne nur Schülergerichte, die Aktion „Gelbe Karte“, diverse Initiativen, die wir gestartet haben. Wir diskutieren über die Frage, inwieweit wir Eltern, die in der Erziehung versagen, ihr Erziehungsrecht lassen können. Wir diskutieren darüber, wie wir Jugendlichen, die aus der Haft entlassen werden, unter die Arme greifen können, damit sie nicht wieder delinquent werden.
Wir haben hier und da auch nicht unbedingt Einigkeit. Aber ich denke, man muss unterscheiden zwischen dem, was Parteitagsbeschlüsse auf der einen Seite aussagen, und dem, was der Koalitionspartner auf der anderen Seite hier im Parlament tut.
Da kann ich jedenfalls für uns sagen, dass wir uns in unserer praktischen Politik hier weitestgehend einig sind.
Sie können entsetzt sein, Herr Jäger. Ich bin viel häufiger über Sie entsetzt, als Sie vielleicht über mich.
Wir haben immer erklärt, dass die Bekämpfung der Jugendkriminalität keine isolierte Frage des Strafrechts ist. Deswegen haben sich der Innenminister, die Bildungsministerin, der Jugendminister und die Justizministerin zusammengesetzt und einen gemeinsamen Aktionsplan verabschiedet. Darin gibt es 20 Punkte, die abgearbeitet werden. Die Aktion „Gelbe Karte“ habe ich schon erwähnt.
Wir haben uns auch dazu bekannt – deswegen bin ich über diesen Antrag von den Grünen auch so froh –, dass wir im Falle des Falles bei den Strafunmündigen, bei denen, bei denen nichts mehr hilft, auch über die zeitweilige geschlossene Unterbringung nachdenken können müssen.
Ich bin Ihnen dankbar, Frau Asch, dass Sie für Ihre Fraktion in diesem Antrag so klar gesagt haben, dass auch Sie sich dazu bekennen. Das war in der Vergangenheit leider nicht immer der Fall. Ich bin vollkommen bei Ihnen, dass das keine Standardmaßnahme sein darf – anders, als dass vielleicht manch einer aufseiten der CDUFraktion, der fachlich gar nicht mit diesem Bereich befasst ist, aber Mitglied dieses Landtags ist, hier und da vertont. Wir jedenfalls haben immer gesagt, dass wir das Mittel brauchen, aber damit sehr differenziert umgehen wollen.
In diesem Sinne freue ich mich auf die Beratungen im Ausschuss. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.