Protokoll der Sitzung vom 25.05.2007

Deswegen bin ich froh, dass wir diese Debatte hier und heute geführt haben, möchte darüber aber im Ausschuss im Zusammenhang mit Änderungsanträgen zum Krankenhausgesetz weiter debattieren. Auch unser Haus wird gerne weiter mit Ihnen zusammenarbeiten.

Glauben Sie aber bloß nicht, dass die Messe schon deshalb gesungen ist, weil wir einen Beauftragten in das Gesetz hineinschreiben,

(Beifall von der CDU)

sondern die Messe muss in der Melodie bleiben, Sonntag für Sonntag. Das muss in den Strukturen der Krankenhäuser eingeübt werden. Ansonsten hilft uns das nicht weiter.

Dazu muss auch gehören, dass wir gemeinsam mit Ärztinnen und Ärzten und der Seelsorge Strukturen in den Krankenhäusern aufbauen, wie man das hinbekommt. Nach dem Tod eines Menschen gehört die Frage an die nahen Angehörigen, ob man auch noch seine Organe entnehmen kann, zu den schwierigsten Fragen.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das in anderen Ländern besser klappt. In Deutschland haben wir auf eine Million Einwohner im Schnitt unseres Landes 15 Organentnahmen. In Nordrhein-Westfalen sind es zwölf. Natürlich kann man sagen: Na gut, die drei! – Aber bei 18 Millionen Einwohnern hat das auch ganz entscheidende Auswirkungen auf die deutsche Quote in Europa. Deswegen ist diese Debatte – andere Debatten will ich damit nicht abwerten – eine der zentralen Debatten, die wir überhaupt geführt haben, wenn wir uns mit der Frage für Hilfen für Menschen, die unbedingt ein neues Organ brauchen, um weiterzuleben, beschäftigen.

Machen Sie sich die Debatte bitte nicht so einfach zu sagen, das habe mit Geld zu tun, die Krankenhäuser könnten für das zur Verfügung stehende Geld die Explantation nicht durchführen. Ich habe in allen fünf oder sechs Veranstaltungen in den Regierungsbezirken diese Frage angesprochen. Kein Krankenhaus hat sie in den Vordergrund gestellt. Vor allen Dingen in den Vordergrund gestellt wurde, dass man sich mehr um die Dinge kümmern muss.

Ich glaube, dass wir dieses Jahr deutlich zum Ausdruck bringen müssen, dass wir über eine Zeit, in der man nur aufklärt und moderiert, hinauskommen müssen. Mit all diesen Moderationen sind wir doch nicht weitergekommen. Alle, die bei diesen Moderationen mitgeholfen haben, waren guten Willens und engagiert. Aber trotzdem sind wir zusammen nicht weitergekommen.

Der entscheidende Punkt in der Krankenhausdebatte ist, jetzt zu überlegen: Was kann man – auch in der Konsequenz eines Gesetzes – tun, um diese Situation zu verbessern?

Aufgrund der Debatte zu einem bestimmten Vorgang möchte ich einen weiteren Punkt ansprechen. Ich möchte – und bitte jeden, dass er mir jetzt zuhört –, dass wir damit äußerst verantwortungsbewusst umgehen. Klar ist, dass ein Verstoß gegen das Transplantationsgesetz kein Kavaliersdelikt ist. Aus meiner Sicht ist das eine Form der gemeinsten Kriminalität, die ich mir überhaupt vorstellen kann.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn so etwas passiert sein sollte oder passiert, muss dagegen mit aller Schärfe, die dem Staat zur Verfügung steht, vorgegangen werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine ganz wichtige Frage, die mit Nächstenliebe, Solidarität, Verantwortungsbewusstsein und bestimmten Menschenbildern zu tun hat, in den Schmutz gezogen wird, weil es vielleicht den einen oder anderen gibt, der diese gemeinste Kriminalität ausübt.

(Beifall von der CDU)

Denn jeder, der dadurch so verunsichert wird, dass er sagt, er sehe es nicht mehr ein, dass ihm ein Organ entnommen wird, sollte ihm einmal etwas passieren, bringt einen anderen Menschen in eine Situation, die für ihn äußerst unerfreulich ist, weil dann nämlich für ihn kein Organ zur Verfügung steht.

Dieser Mensch wird vielleicht gar nicht in Nordrhein-Westfalen, sondern irgendwo anders in Europa leben. Aber es bedeutet doch auch einen großen Akt der Solidarität, dass wir über unsere

nationalen Grenzen hinaus eine Verteilung hinbekommen haben, die nach medizinischen und ethischen Gesichtspunkten stattfindet, wobei nicht nur jeder an seine eigenen Grenzen denkt.

Wenn man diese Solidarität über die eigenen nationalen Grenzen hinaus gut findet, die ich für eine großartige Leistung der Politik halte, muss man dafür sorgen, dass in der Region, in der man Verantwortung trägt, diese Solidarität gelebt wird. In Nordrhein-Westfalen wird sie zurzeit zu wenig gelebt. Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen. – Danke schön.

(Beifall von CDU, FDP und SPD)

Danke schön, Herr Minister Laumann.

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Schlussabstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des SPD-Antrags Drucksache 14/4347 einschließlich des Entschließungsantrags der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/4403 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist das einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu:

7 Integrationsleistungen der Vertriebenen würdigen – Flucht und Vertreibung als Gegenwartsproblem aufgreifen

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/4241

Ich gebe das Wort an Herrn Westkämper von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute einen Antrag, der mir auch persönlich am Herzen liegt: „Integrationsleistungen der Vertriebenen würdigen – Flucht und Vertreibung als Gegenwartsproblem aufgreifen.“

Meine Damen und Herren, über das Thema Flucht und Vertreibung wird in der deutschen Öffentlichkeit mit sehr viel Engagement diskutiert. Über 13 Millionen Zuschauer haben auf ARD und

ARTE vor wenigen Wochen den Zweiteiler „Die Flucht“ gesehen. Vor zwei Jahren verfolgten fünf Millionen Zuschauer die ZDF-Serie „Die große Flucht“, und auch die Novelle „Im Krebsgang“ von Günter Grass avancierte zum Bestseller.

Ein wichtiges, über Jahre stark vernachlässigtes, gar tabuisiertes Kapitel deutscher Geschichte rückt in den Mittelpunkt unseres Interesses. Dazu haben nach meinem Eindruck nicht zuletzt der unermüdliche Einsatz und das Engagement der verschiedenen Vertriebenenverbände, aber auch die jüngsten Vertreibungen hier bei uns mitten in Europa beigetragen.

Meine Damen und Herren, nach den Verbrechen des Nationalsozialismus wurden mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges rund 15 Millionen Deutsche aus ihrer Heimat vertrieben. Diese Menschen aus den früheren deutschen Ostgebieten haben eine neue Heimat gefunden – insbesondere auch bei uns in Nordrhein-Westfalen. Sie haben tatkräftig mitgeholfen, unser Land wieder aufzubauen. Sie haben unser Land wirtschaftlich und auch kulturell geprägt. Ein Viertel der Menschen hier bei uns in Nordrhein-Westfalen hat seine Wurzeln in der Heimat der Vertriebenen.

Wir müssen jedoch zugleich feststellen, dass die Erlebnisgeneration von Flucht und Vertreibung altersbedingt immer kleiner wird. Es ist meines Erachtens deshalb umso wichtiger, vor allem die junge Generation über die Hintergründe, über die Umstände und über die Folgen von Flucht und Vertreibung von Deutschen aus dem Osten Europas aufzuklären und über die Integration der Heimatvertriebenen in die deutsche und auch in die nordrhein-westfälische Gesellschaft zu informieren. Denn ich sage Ihnen eines: Durch lebendige Erinnerungskultur wird Zukunft gestaltet.

Immer mehr junge Menschen wollen mehr wissen, mehr über die Geschichte der Deutschen in ehemaligen deutschen Siedlungsgebieten, über eine Geschichte, die – wie gesagt – lange tabuisiert worden ist.

Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir Flucht und Vertreibung, stärker als in der Vergangenheit geschehen, im nationalen und im europäischen Kontext im Schulunterricht vermitteln. Unser Antrag setzt hier klare Akzente, die ich noch einmal ganz kurz aufzeigen möchte.

Erstens: Wir fordern die Landesregierung auf, eine Lehrerhandreichung zum Themenkomplex Flucht und Vertreibung zu erstellen. Wir weisen hierbei auf die beispielgebenden Erfahrungen aus Baden-Württemberg, aus Bayern und aus Hessen hin. Baden-Württemberg hat eine gute, umfang

reiche Lehrerhandreichung herausgegeben, die dann auch andere Länder zum Vorbild genommen haben.

Zweitens: Wir wollen die Schulen ermutigen, lokal bestehende Kontakte mit Zeitzeugen im Rahmen von Vorträgen, Gesprächen und Workshops zu unterstützen. Sie sollten das ausbauen und auch die gute Zusammenarbeit mit den örtlichen Vertriebeneninstitutionen ausbauen.

Drittens: Die Themen Flucht und Vertreibung müssen über die Schule hinaus auch in den entsprechenden Institutionen der Erwachsenenbildung und im Angebot der Landeszentrale für politische Bildung stärker berücksichtigt werden.

Viertens: Die Einrichtungen und Museen nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes müssen wir als außerschulische Lernorte stärker begreifen.

Wir werben dafür, didaktische Konzepte zu entwickeln, die den historischen Zusammenhang früherer deutscher Landschaften vermitteln und dabei auch den europäischen Kontext verstärkt berücksichtigen.

Deshalb meine ich abschließend: Auch vor dem Hintergrund aktueller Krisen, die wir immer wieder – gerade hier bei uns in Europa – haben, muss die Sensibilität für dieses Thema in der Öffentlichkeit und insbesondere bei der jungen Generation wach gehalten werden.

Ich sage Ihnen eines: Das Wissen um Zahlen und das Wissen um Fakten ist wichtig. Es gilt auch hier, für Vertreibung zu sensibilisieren. Deswegen unterstützen wir in diesem Zusammenhang die Forderung, in Berlin ein Zentrum gegen die Vertreibung zu errichten. Dieses Zentrum soll Vertreibungen dokumentieren und einen Beitrag leisten, diese in Gegenwart und in Zukunft weltweit zu ächten und zu verhindern. Ich glaube, das ist sehr wichtig.

Insofern halte ich es für richtig, dass wir alle hinter dem Antrag von CDU und SPD, der großen Koalition in Berlin, stehen, hier ein sichtbares Zeichen für die Opfer der Vertreibung zu errichten. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Westkämper. – Für die FDP spricht nun Herr Lindner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn wir in

Deutschland über Flucht und Vertreibung sprechen, geht es in erster Linie meistens um die Deutschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die nach den schrecklichen Verbrechen der Nationalsozialisten gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen.

(Frank Sichau [SPD]: Aufgrund!)

Aufgrund, auch das ist richtig. – Diese Menschen verdienen unser aller Respekt, zum einen für ihre erfolgreiche Beteiligung am Wiederaufbau unseres Landes, zum anderen aber auch für ihre Integrationsbereitschaft und Leistung.

Leider ist Flucht und Vertreibung aber kein ausschließliches Problem der Vergangenheit. Tagtäglich erreichen uns Bilder von Menschen, die vor Bürgerkriegen und Menschenrechtsverletzungen flüchten. Mitten unter uns leben Menschen, die ein solches Schicksal hinter sich haben, die nach Deutschland gekommen sind, um hier frei von Angst vor Gewalt und Verfolgung noch einmal von vorne anzufangen.

Ziel unseres Antrages ist: Wir wollen, dass die Erinnerung an das Schicksal der Heimatvertriebenen wach bleibt, um die Sensibilität für die Situation der aktuell von Flucht und Vertreibung betroffenen Menschen zu erhöhen. Dabei ist zweierlei wichtig zu vermitteln:

Erstens. Niemand wählt das Flüchtlingsdasein freiwillig.

Zweitens. Kein Mensch kann absolut sicher sein, niemals selbst Flüchtling zu werden. Das hat das UN-Flüchtlingshilfswerk mit einer seiner letzten Kampagnen eindrucksvoll gezeigt. Im Rahmen dieser Kampagne wurden Prominente wie etwa die ehemalige amerikanische Außenministerin Frau Albright gezeigt, die selbst ein Flüchtlingsschicksal erleiden musste.