Protokoll der Sitzung vom 14.06.2007

Deswegen meine ich, dass auch dieses Instrument ein Instrument ist – nicht das Instrument –, um in einer vernünftigen Kooperation mit den Argen, mit den Optionskommunen und mit der kommunalen Seite in den Argen zu einer guten Arbeitsmarktpolitik für die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen zu kommen.

Ich möchte mich noch einmal dafür bedanken, dass wir vor der Sommerpause zur Verabschiedung des Gesetzentwurfs kommen und damit das Geld Ende Juli an die Gemeinden auszahlen können. Ich bedanke mich auch bei den Ausschussmitgliedern für die konstruktive Zusammenarbeit in den Beratungen. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Wir sind am Ende der Beratung. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Erstens stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 14/4523 ab. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? – Das ist die Fraktion der SPD. Wer stimmt dagegen? – Die Fraktionen CDU und FDP. – Wer enthält sich der Stimme? – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist der Antrag mit den Mehrheitsstimmen bei Stimmenthaltung der Grünen abgelehnt.

Wir kommen zweitens zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 14/4524. Wer ist für diesen Änderungsantrag der Fraktion der SPD? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich der Stimme? – Niemand enthält sich. Mit den Stimmen der Mehrheitsfraktionen CDU und FDP ist dieser Änderungsantrag ebenfalls abgelehnt.

Drittens kommen wir zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 14/4525. Wer ist für diesen Änderungsantrag? – SPD und Grüne. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich der Stimme? – Niemand. Damit ist dieser Antrag

mit den Mehrheitsstimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Viertens kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 14/4529. Wer ist für diesen Änderungsantrag? – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? – Die Fraktionen SPD, CDU und FDP. Damit ist mit Mehrheit des Landtags dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Fünftens kommen wir zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales empfiehlt in der Drucksache 14/4499, den Gesetzentwurf in der Drucksache 14/4208 in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wer ist dafür? – CDU und FDP. Wer ist dagegen? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich der Stimme? – Niemand. Damit ist mit den Mehrheitsstimmen der Koalitionsfraktionen die Beschlussempfehlung angenommen und der Gesetzentwurf in zweiter Lesung verabschiedet.

Vielen Dank für diese Abstimmungen und die Bearbeitung dieses Tagesordnungspunktes.

Ich rufe auf:

4 Kinderarmut bekämpfen – Kinderarmut verhindern

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/4473

Ich eröffne die Beratung,

(Unruhe)

aber nicht von allen, sondern nur von der Rednerin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Kollegin Asch, die jetzt das Wort erhält. – Bitte schön, Frau Kollegin Asch.

Herr Präsident! Meine Damen Herren! Ich versuche trotz dieses Lautstärkepegels, mir Gehör zu verschaffen.

Heute legt meine Fraktion einen weiteren Antrag zum Thema Kinderarmut vor. Es ist gut und richtig, dass wir uns intensiv weiterhin mit diesem wichtigen Thema befassen, denn der Skandal der Kinderarmut in unserer reichen Gesellschaft kann uns nicht kalt lassen. Es muss uns darum gehen, umfassende Lösungen zu finden.

Meine Kollegin Barbara Steffens hat in unserem Antrag zum Sozialbericht den Schwerpunkt auf die materielle Armut gelegt. Daran schloss sich eine sehr konstruktive Debatte an, die sich sehr

wohltuend jenseits von den üblichen RegierungsOppositions-Ritualen bewegt hat. Ich fand das sehr konstruktiv. In diesem Zusammenhang bin ich vor allem Minister Laumann dankbar dafür, dass er zugesagt hat, ganz konkrete Lösungen auch auf Landesebene für das Thema Kinderarmut, für die materielle Not der Kinder zu entwickeln.

In dieser Debatte wurde wie beim Armutsbericht von allen Fraktionen der Blickwinkel über die reine materielle Situation hinaus geweitet und auf die Strukturen, die Armut bedingen, gerichtet. Genau um diese Strukturen geht es in dem Antrag, den wir Ihnen heute vorlegen. Armut hat nämlich immer eine Geschichte und massive negative Folgewirkungen, die den Kindern den Weg in die Zukunft verstellen und damit natürlich negative Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft haben.

Meine Damen und Herren, nicht vielen in unserem Land ist bewusst, wie der Armutsalltag für Kinder in Nordrhein-Westfalen aussehen kann.

Arme Kinder gehen ohne Frühstück aus dem Haus, haben den ganzen Tag keine Aussicht auf eine warme Mahlzeit – manches Mal bei einer der Suppenküchen, die immer zahlreicher entstehen, im Zuge der Tafeln, wo sie mit den Resten der Überflussgesellschaft versorgt werden. Das sind Beispiele aus dem Armutsalltag von Kindern in Nordrhein-Westfalen. Ich finde, wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, dass wir uns hier in einem der reichsten Länder der Erde befinden. Wir befinden uns nicht irgendwo in Afrika, sondern das spielt sich mitten in Deutschland, mitten in Nordrhein-Westfalen, mitten in einem der reichsten Länder der Welt ab.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wissen spätestens seitdem uns der Kinderschutzbund und die Wohlfahrtsverbände schon vor einigen Monaten darauf aufmerksam gemacht haben – auch durch den Sozialbericht der Landesregierung wurde dies bestätigt –: 815.000 Kinder in unserem Land, das heißt: jedes vierte Kind, leben unterhalb oder hart an der Armutsgrenze. Das kann uns in der Tat nicht kalt lassen. Das muss vor allen Dingen uns als Politikerinnen und Politiker alarmieren und uns zum Handeln zwingen.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns fragen: Was ist eigentlich los in einem Land, in dem einige immer mehr haben und einige wirklich schon in obszönem Überfluss leben und in dem ausgerechnet die Schwächsten dieser Gesellschaft, die Kinder, unter Armut leiden müssen? – Das Erschreckendste daran ist: In einem Land wie

Deutschland, das arm an Kindern ist und in dem sich ein intensiver Diskurs darüber entfaltet, wie mehr Kinder geboren werden, wie wir junge Menschen dazu ermutigen, Kinder zu bekommen, in diesem kinderarmen Land sind die Kinder selbst, ist die Existenz der Kinder in den Familien für ihre Eltern das größte Armutsrisiko. Das, meine Damen und Herren, ist ein Skandal, den wir so nicht hinnehmen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das zeigt sich am deutlichsten bei den Alleinerziehenden: 38 % der alleinerziehenden Männer und Frauen haben ein höheres Armutsrisiko als der Durchschnitt der Bevölkerung. Das Fatale ist: Die familienunterstützenden Leistungen kommen gerade bei diesen armen Familien nicht an. Das heißt: Es werden explizit die ausgeschlossen, die diese Leistungen am Nötigsten haben. Ich empfinde es als unerträglich, dass in Deutschland jeder Millionär, jeder Multimillionär Kindergeld bekommt, während das Kindergeld bei Hartz-IVEmpfängern auf den Regelsatz angewendet wird und sie dieses Geld nicht zur Verfügung haben, sondern es von den Argen einkassiert wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das, meine Damen und Herren, ist die Realität in unserem Land.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Es gibt ein ähnliches Gesetz, Herr Lindner, das Armut produziert. Das ist das Gesetz über das Elterngeld. Da sieht es genauso aus. Bis 2007 haben arme Familien über drei Jahre, weil es einkommensabhängig ist, Erziehungsgeld bekommen. Das wurde mit dem Elterngeld auf ein Jahr verkürzt. Ich möchte nicht prinzipiell gegen das Elterngeld sprechen, aber was nicht sein kann, ist, meine Damen und Herren, dass dieses Elterngeld auf dem Rücken der armen Familien und auf Kosten der armen Familien in diesem Land finanziert wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das produziert in direkter Folge Kinderarmut, und das reduziert keine Kinderarmut.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bildung ist der beste Schutz vor Armut. Diese Aussage teilen wir alle. In den vorangegangenen Debatten war das großer Konsens, weil wir uns vor allen Dingen auf das Phänomen der Armutstradition in Familien, auf die ererbte Armut konzentrieren müssen. Wir müssen darauf mit konkreten Maßnahmen reagieren, weil es erschreckend ist, dass die Trennlinie zwischen höheren Bildungsabschlüssen und kei

nen oder niedrigen Bildungsabschlüssen genau zwischen reichen und armen Familien verläuft. Aus diesem Wissen müssen wir konkrete politische Konsequenzen ziehen.

Wir wissen auch, dass der Grundstein jeder Bildungsbiografie und jedes Bildungserfolges natürlich im Kindergarten in der Elementarbetreuung gelegt wird. Gerade hier muss für arme Kinder, die oft in bildungsfernen Elternhäusern aufwachsen, die Förderung besonders intensiv sein. Gerade hier ist die Bildung in Kindertageseinrichtungen besonders wichtig. Sie muss auch sehr früh beginnen, damit die Kleinen, die unter Dreijährigen, nicht zu Hause vor dem Fernseher oder Videogerät abstumpfen.

Gerade diese Förderung – meine Damen und Herren, wir haben das gestern bereits intensiv debattiert – für arme Kinder wird mit dem neuen Kindergartengesetz auf das Spiel gesetzt. Denn gerade mit diesem Gesetz wird Bildung zwar permanent beschworen, doch: Sprechblasen allein bilden noch kein Kind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Mit hohlen Phrasen allein wird sich kein Kind positiv entwickeln und die eigenen Potenziale herausbilden können. Wenn sich die Landesregierung weigert, wie sie das mit dem KiBiz und Kindergartengesetz macht, landesweite Standards in den Kindergartengruppen zu entwickeln, dann verhindert sie konkret, dass Kinder die Armutsspirale verlassen können. Denn in Zukunft wird es so sein,

(Christian Lindner [FDP]: Stimmt doch gar nicht!)

dass diese Gruppengrößen und die Standards – das sagt der Minister immer wieder – kommunal festgelegt werden sollen.

(Christian Lindner [FDP]: Nein!)

Das bedeutet: In armen Kommunen, die viele arme Kinder haben, wird es große Gruppen und weniger individuelle Förderung dank Ihnen geben. Das wird die Konsequenz aus Ihrem unverantwortlichen Gesetzesentwurf sein.

(Christian Lindner [FDP]: Nein!)

Das wird die Armutsschere in diesem Land noch weiter öffnen, die Armut noch weiter vergrößern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Fatale und Traurige, das im Kindergarten und in der U3-Betreuung anfängt sowie in Ihrer Schulpolitik ihre Fortsetzung findet, ist, dass Sie diese

verfehlte Bildungspolitik mit Ihrer viel zu frühen Aussiebung, Segregation und Ausgrenzung fortführen.