Protokoll der Sitzung vom 14.06.2007

nen es um das Online-Angebot des WDRFernsehens geht. Nach dem enormen Erkenntnisgewinn, dass Jugendliche in größerem Maße online sind als Ältere – hört, hört! –, gibt es keinerlei Hinweise zu den Perspektiven. Hier wird ausschließlich auf die aktuelle Rechtslage verwiesen. Das hätten wir auch so gewusst.

Diese Fragen entbinden die Landesregierung nicht davon, Aussagen zu machen, wie sie die Online-Aufwendungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten bewertet. Wollen Sie noch Begrenzung, oder haben Sie andere Modelle im Kopf? Wenn ja, wie sehen sie aus? Aber auch hier ist die Antwort der Landesregierung eine reine Bleiwüste.

Ich komme noch einmal zu dem 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zurück, weil er, wie gesagt, wegweisender ist als die gesamte Antwort, die uns vorliegt. Eine der wesentlichen Diskussionen ist die Zusammensetzung der Mitglieder der KEK. Die Medienaufsicht KEK befasst sich insbesondere mit Wettbewerbsverfahren und ist bei dem Versuch der Übernahme der Fernsehgruppe ProSiebenSat.1 durch Axel Springer in die Diskussion geraten – so zumindest bei maßgeblichen Medienpolitikern in allen Ländern und im Bund.

Auch die 15 Länderanstalten drängten sehr danach, dass die KEK in eine neue Kommission für Zulassung und Aufsicht im bundesweiten Fernsehen integriert wird. Die Landesregierung ist offenbar der einzige medienpolitische Akteur, der das noch nicht registriert hat.

Auf die Frage 118, ob die Landesregierung Reformbedarf bezüglich der Stellung der KEK – wie gesagt, bundesweit diskutiert – sieht, antwortet die Landesregierung mit einem schlichten Nein. Das ist ausgesprochen überraschend, denn der Entwurf des 10 Rundfunkänderungsstaatsvertrags sieht sehr wohl eine Änderung der KEK vor, aber – ich wiederhole mich – das Land NordrheinWestfalen hat sich aus der Spitze der Bewegung zur Medienpolitik verabschiedet.

(Beifall von der SPD)

Was bedeutet das? Das wäre alles nicht so schlimm, politisch könnten wir gut damit leben. Aber was bedeutet das für den Medienstandort Nordrhein-Westfalen? – Nordrhein-Westfalen ist doch nach wie vor das wichtigste Medienland in Deutschland. Wir haben hier die größten und wichtigsten privaten und öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten. Wir haben in NordrheinWestfalen eine heterogene Zeitungslandschaft, eine vitale Hörfunksituation. Wir haben starke Produzenten, ein bemerkenswertes Netz von Freiberuflern, die in den Medien tätig sind. Und

wir haben die größten Telkos in Deutschland am Standort Bonn, und – das darf ich als Düsseldorferin sagen – in Düsseldorf. Gerade die Telekommunikation ist doch ein gutes Beispiel für die Untätigkeit des Landes.

Die Mobilfunkbetreiber erarbeiten derzeit Geschäftsmodelle für eine erfolgreiche Einführung des sogenannten Handy-TVs – wir wissen davon – auf der Basis von DVB-H-Standard. Für den erfolgreichen Einsatz ist neue Hardware, neue Software und schließlich eine Neuverteilung der Frequenzen notwendig. Die Landesregierung ist in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage nicht in der Lage darzulegen, ob und, wenn ja, wie sie den Standard DVB-H zu fördern gedenkt. Auch das zeigt, die stärksten und wichtigsten Zukunftsbranchen, hier vor der Türe sichtbar – Vodafone, E-Plus –, lässt die Landesregierung schlicht brachliegen, zumindest was ihr Entwicklungspotenzial Handy-TV angeht.

(Minister Michael Breuer: Das ist völliger Quatsch!)

Auch Antworten auf sämtliche Fragen im Zusammenhang mit der Zukunft der Digitalisierung sind schlicht von Unkenntnis geprägt. Zur aktuellen Debatte über vertikale Distribution, nämlich über die Frage, was eigentlich passiert, wenn Kabelbetreiber auch Programmanbieter werden – eine völlig neue Debatte –, zieht sich die Landesregierung auf noch anstehende Beratungen zurück: keine Aussagen, keine Position.

(Beifall von der SPD)

Ich will mich kurz fassen: Die Landesregierung hat kein Interesse an einer aktiven Medienpolitik und vernachlässigt den Standort Nordrhein-Westfalen sowohl für den Kreis der audiovisuellen Medien als auch für die Anbieter der Telekommunikation.

(Ralf Witzel [FDP]: Unverschämt!)

Die Landesregierung hat kein Interesse an einer neuen Medienordnung, zumindest beteiligt sie sich nicht aktiv an der Debatte, und dies in einem Land, in dem Medienpolitik als Standortfaktor gilt. Dies geschieht zu einem Zeitpunkt, wo wir nächste Woche im Medienforum von den Expertinnen und Experten hoffentlich weitreichendere Antworten als die erhalten, zu denen die Landesregierung in der Lage ist. Ich hoffe, dass Sie wenigstens daraus lernen, wenn Sie schon keine eigenen Positionen haben.

Die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zeigt: Die Landesregierung ist ein medienpolitischer Totalausfall. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Frau Nell-Paul. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Dr. Brinkmeier.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Claudia Nell-Paul, das war eben falsch und peinlich.

(Beifall von der FDP)

Wie kann man nur behaupten, die Landesregierung beantworte dieses und jenes, sage A zu diesem und B zu jenem. Wie kann man sich beschweren, das sei alles falsch, und erwähnt dann mit keinem Wort, dass die Antwort auf Ihre Fragen am 11. Dezember 2006 gegeben worden sind. Am 11. Dezember 2006 waren die ganzen Vorgänge noch topaktuell. Das kann doch wohl nicht wahr sein.

Wir werden wohl einer Meinung darüber sein, dass die Landesregierung aktiv die richtigen Aktivitäten ergriffen hat, übrigens auch im Sinne von A- und B-Ländern. Man kann nicht so tun, als sei die Antwort erst gestern hereingereicht worden. Das ist ein falsches Spiel. Damit bricht die ganze Argumentation in sich zusammen. Soviel vorab.

„Die Landesregierung hält das duale Rundfunksystem, in dem sowohl die öffentlich-rechtlichen als auch die privaten Rundfunkanbieter ihren Platz haben, für eine tragende Säule unserer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft.“

Diesen Satz aus der Antwort auf die Große Anfrage kann die CDU-Landtagsfraktion uneingeschränkt unterstützen. Die CDU bekennt sich zum gleichberechtigten Nebeneinander von öffentlichrechtlichem und privatem Rundfunk.

Gehen wir einmal auf die aktuellen Debatten ein, die Kollegin Nell-Paul schon zitiert hat: Unter den Ländern wird zurzeit über den 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag verhandelt. Er soll die Bereiche der bundesweiten Kapazitätszuweisungen, der Regulierungen für Plattformen und Navigatoren sowie der Regelungen zur Neustrukturierung der Landesmedienanstalten enthalten. Die Länder sind mitten in den Beratungen über diesen Text. Das Ergebnis wird seinen Niederschlag auch bei uns im Landesrecht finden müssen. Das ist eine aktuelle Maßnahme, die im Laufe des letzten halben Jahres natürlich schon viel weiter gediehen ist.

Am 25. April hat die Europäische Kommission ein Schreiben unter dem Betreff „Staatliche Beihilfe

Deutschland: Die Finanzierung der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland“ übermittelt. Damit hat die Kommission das sogenannte Beihilfeverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingestellt, in dem es in erster Linie um die Finanzierung von ARD und ZDF ging. Ab diesem Zeitpunkt läuft ein zweijähriger Zeitraum, in dem die Länder die mit Brüssel verhandelten Positionen, die sich jetzt in dem Antwortbrief niedergeschlagen haben, in einem weiteren Rundfunkstaatsvertrag umsetzen müssen.

Der Brief der Europäischen Union umfasst 92 Seiten und etwa 350 Anmerkungen. Er setzt sich in allen Details mit der Frage des Funktionsauftrags und der Betätigungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auseinander. Es wird ein umfangreicher Staatsvertrag auf den Weg gebracht werden müssen, der den Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks exakt beschreibt und sich vor allem mit der Frage auseinanderzusetzen hat, welche Beteiligungsmöglichkeiten der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der digitalen Zukunft hat.

Sie können Gift darauf nehmen, dass sich sowohl die Regierung als auch unsere Koalition dieser Sache sehr aktiv annehmen werden. Wenn Sie das nicht wollen, ist das Ihr Pech. Wir werden es auf jeden Fall aktiv tun. Ziel des gesamten Vorgangs und das Ergebnis der Verhandlungen mit Brüssel war und ist eine Begrenzung – ich betone: Begrenzung – und Präzisierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks, um Wettbewerbsbenachteiligungen für private Unternehmen durch die Beihilfe – so wird die Rundfunkgebühr definiert – zu vermeiden. Darauf muss hingewiesen werden.

In diesem Zusammenhang entstehen spannende Fragen: Wer wird wie die Einhaltung der vom Gesetzgeber vorzugebenden Präzisierungen des Funktionsauftrags überwachen? Wie können die Erwartungen von Brüssel wirksam erfüllt werden?

Die EU-Kommission hat Zweifel geäußert, ob die bestehenden Mechanismen eine angemessenen Kontrolle gewährleisten, weil insbesondere bei den Tätigkeiten im Bereich der neuen Medien und der digitalen Zusatzkanäle eine klare Auftragsbestimmung sowie eine hinreichend klare Beauftragung fehlten. Unter diesen Umständen erschien es zweifelhaft, ob die Kontrollorgane die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags wirksam überprüfen sowie angemessen kontrollieren könnten. So steht es im Schreiben vom April.

Allerdings hat die Kommission zur Kenntnis genommen, dass die Rundfunkräte im Bereich der ARD bzw. der Fernsehrat beim ZDF eine ange

messene Kontrolle ausüben sollen. Diese wird durch eine externe Kontrolle der Länderparlamente und der Länder in Ausübung ihrer Rechtsaufsicht ergänzt. Trotzdem blieb die Kommission bei ihrer Auffassung, dass diese Kontrollmechanismen nur dann wirklich wirksam funktionieren können, wenn der öffentliche Auftrag hinreichend klar und genau bestimmt ist. Da kommt eine große Hausaufgabe auf uns zu.

Die von den deutschen Behörden im Dezember 2006 gemachten Zusagen sind umfangreich. Sie finden sich in diesem Schreiben vom April ab der Position 322 ff. wieder. Ich zitiere daraus:

„Gesetzliche Vorschriften präzisieren den Auftrag für Telemedien und digitale Zusatzangebote unter Bezugnahme auf verbindliche Kriterien und legen die Kriterien fest, nach denen sich bemisst, wann ein Prüfverfahren durchzuführen ist.“

Die öffentlichen Rundfunkanstalten konkretisieren diese Kriterien und führen das Verfahren durch. Das ist jetzt neu. Der Test für alle neuen und veränderten digitalen Angebote soll drei Stufen umfassen: Sie erfordern eine Prüfung durch die Rundfunkanstalten für jedes Angebot, dass es erstens zum öffentlichen Auftrag gehört und damit den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen einer Gesellschaft entspricht, dass es zweitens in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beiträgt und dass drittens der Aufwand für die Erbringung des Angebots vorgesehen ist.

Der Staatsvertrag soll den Rundfunkanstalten auferlegen, dass die Begründungen zu dem Vorhaben nach Durchführung der Prüfung hinreichend konkret sind, um der jeweils zuständigen Aufsicht – aber auch Dritten – eine Beurteilung des Angebots zu ermöglichen.

Zu den einzelnen Maßnahmen gehören weiterhin eine Stärkung der Gremienaufsicht, eine verbesserte Finanzkontrolle der kommerziellen Tochterunternehmen von ARD und ZDF durch die Landesrechnungshöfe und die Präzisierung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags vor allem im Bereich der neuen Medien: Internetangebote, digitale TV-Spartenkanäle und Handyfernsehen.

Ich bin mir sicher, dass insbesondere der VPRT, der das EU-Prüfverfahren aufgrund mehrerer Beschwerden mit ausgelöst hat, die Einhaltung dieser Zusagen genauestens überprüfen wird.

„Die EU-Kommission hat ARD und ZDF keinen Freibrief erteilt, sondern das Verfahren auf Be

währung eingestellt“, erklärte dazu VPRTPräsident Jürgen Doetz.

Parallel zum Brüsseler Verfahren hat auch die mündliche Verhandlung beim Bundesverfassungsgericht zur letzten Rundfunkgebührenentscheidung der Länder stattgefunden. Es ist durchaus damit zu rechnen, dass das Gericht nicht ohne Weiteres akzeptieren wird, dass Parlamente im Findungsprozess über die Rundfunkgebühr praktisch zum Vollzugsgehilfen einer Kommission, der KEF, werden.

Das Gericht muss den Bogen zwischen der Prämisse schlagen, dass sich die Rundfunkgebühr nicht primär an medienpolitischen Zielsetzungen orientieren und zugleich der Gestaltungsauftrag der Parlamente nicht unangemessen eingeschränkt werden darf.

Wir alle sind unzufrieden, weil wir bei dem Thema bis jetzt nur eine Notarfunktion hatten. Auch hier können wir weitere interessante, spannende und neue Aspekte noch im Sommer erwarten, die parallel zur Diskussion über eine Veränderung des Gebührensystems im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verlaufen, ausgelöst durch die Einführung der Rundfunkgebühr für sogenannte internetfähige PCs. Das haben wir alle vor Ort in unseren Wahlkreisen mitbekommen.

Ob in diesem Zusammenhang die Anmeldung der ARD bei der KEF für die Jahre 2009 bis 2012 mit einem Mehrbedarf von 95 Cent pro Monat und Gebührenzahler sinnvoll ist, scheint fraglich. Dazu haben sich schon mehrere Ministerpräsidenten geäußert. Wir warten natürlich erst einmal ab, was das Verfassungsgericht sagt, nehmen das in Demut entgegen und versuchen, es entsprechend umzusetzen.

Zugeleitet wird dem Europäischen Parlament in Kürze auch die vom Ministerrat ausgehandelte und beschlossene Novellierung der sogenannten EU-Fernsehrichtlinie. Auch das war ein Thema der Großen Anfrage. Zentraler Punkt bei der Revision ist der Gestaltungsrahmen. Künftig sollen nicht nur linear verbreitete TV-Angebote, sondern auch nicht-lineare Dienste wie zum Beispiel Video on Demand von den Vorschriften erfasst werden.

Damit gelten etwa beim Jugendschutz für alle Mediendienste die gleichen Bestimmungen. Bezahltes Product Placement bleibt auch künftig grundsätzlich in Mediendiensten verboten. Die Mitgliedstaaten könnten aber Ausnahmen in Fernsehfilmen, Serien und Sportübertragungen erlauben, die dann gekennzeichnet werden müssten. Auch die Neufassung dieser Richtlinie wird Einfluss auf das nationale Recht haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, wir haben hier ein volles medienpolitisches Programm der Länder mit schwierigen Entscheidungsprozessen, die auch sehr dynamisch sind. Alle paar Monate ändern sich Randbedingungen. In einer solchen Phase der Unübersichtlichkeit gewinnt der, der das Heft des Handelns beherzt aufgreift. Die CDU-Fraktion hat in dieser Woche mit Experten ein Werkstattgespräch zur Novelle des Landesmediengesetzes unter dem Titel „Wie viel Regulierung brauchen wir?“ durchgeführt.

Wir werden Eckpunkte für eine weitere Novellierung des Gesetzes herausarbeiten und diese dem Parlament im Laufe des Jahres vorstellen. Nachdenken werden wir unter anderem über Deregulierungen, über Entwicklungsmöglichkeiten für nordrhein-westfälische Medienunternehmen, Maßnahmen zur Sicherung der Meinungsvielfalt und Auffindbarkeit.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kuschke?

Nein, danke.