Protokoll der Sitzung vom 24.10.2007

dige unterstützen, sondern auch die industrie- und arbeitsmarktpolitischen Chancen nutzen können, die die Nachfrage nach Kraftwerken weltweit bietet. Kurz: Klimaschutztechnik wird im Kraftwerksbereich zum Jobmotor.

Der durchschnittliche Wirkungsgrad der Kraftwerke liegt weltweit derzeit bei 30 %, in Deutschland immerhin bei 38 %. Mit neuen Kraftwerken können wir eine beträchtliche Steigerung der Effizienz erreichen: bis zu 43 % und mehr bei der Braunkohleverstromung, bis 46 und 48 % bei der Steinkohleverstromung und bis zu 60 % bei der Verstromung von Erdgas. Diese Ziele lassen sich nur erreichen, wenn die Technik im täglichen Einsatz erprobt wird.

Die Entwicklung geht weiter: Mittel- und langfristig sind mit neuen Materialien höhere Dampfzustände erreichbar, die in der Steinkohleverstromung und mit dem zusätzlichen Einsatz der Trocknung von Braunkohle Wirkungsgrade von über 50 % möglich machen.

Welche Instrumente hat nun das Land bei der Entwicklung des Kraftwerksparks in NordrheinWestfalen? – Ich möchte diese Frage beantworten, damit die Rahmenbedingungen klar sind.

Die Errichtung von Kraftwerken erfolgt durch private, kommunale oder gemischt kommunale Investoren. Den Investoren obliegt es, für ihre Investitionsentscheidungen die Marktlage und die Nachfrage nach Strom einzuschätzen. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die Landesregierung keine Bedarfsplanung für die Errichtung von Kraftwerken erstellt. Ich halte dies für wichtig. Aber ebenso wichtig ist es, sich klarzumachen, dass sich unser Wirtschaftswachstum gegenüber der früheren Zeit von vor 20 Jahren total vom Stromverbrauch abgekoppelt hat.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Nicht to- tal!)

Der eigentliche Prozess wird so aussehen – das ist meine Einschätzung –, dass es so weitergeht und dass die Effizienzsteigerung dazu führen wird, dass es trotz eines realen Wirtschaftswachstums zu einer sinkenden Stromnachfrage kommt. Deshalb brauchen wir keine Kraftwerksplanwirtschaft. Diese Zusammenhänge kennen auch die, die bei uns investieren.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Es gibt ei- nen Zusammenhang, Frau Ministerin!)

Neue Kraftwerke bedürfen einer Errichtungs- und Betriebsgenehmigung, die auf Basis des BundesImmissionsschutzgesetzes beantragt wird. Im Rahmen der Landesplanung kann die Landesre

gierung eine Flächen- bzw. Standortvorsorge für die Errichtung von Großkraftwerken treffen. Für die Standorte kann die Landesplanung Anforderungen vorgeben.

Der sich in Erarbeitung befindliche Landesentwicklungsplan 2025 wird die Veränderung der energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch die Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes sowie die Verpflichtungen zum Umwelt- und Klimaschutz berücksichtigen. Ziel ist unter anderem, dass mit Kraftwerksplanungen ein Fortschritt in der CO2-Bilanz und bei anderen klimarelevanten Stoffen erreicht wird. Ob und inwiefern eine Standortvorsorge im neuen Landesentwicklungsplan erforderlich sein wird, bleibt noch zu klären.

Zunächst zum Antrag „Hochmodernes Kraftwerk in Krefeld verbessert Klimaschutz, sichert Industriestandort und Arbeitsplätze, sorgt für mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt“ der Fraktion der SPD. Herr Römer, Sie haben auch da schamhaft verschwiegen, dass es wiederum der Verbund von Stadtwerken ist, der dieses Kraftwerk bauen will. Das ist doch schön; das scheint zu gehen.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Es müsste noch mehr gehen! – Zuruf von Svenja Schul- ze [SPD])

Sie wollen den Stadtwerken etwas einreden. Hören Sie doch endlich einmal damit auf.

(Beifall von CDU und FDP)

Trianel, der Verbund von Stadtwerken, plant

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Wer be- hindert denn die Stadtwerke?)

im Chemiepark Krefeld-Uerdingen ein hochmodernes Steinkohlekraftwerk mit einem elektrischen Wirkungsgrad von 46 % und einem Energienutzungsgrad von etwa 57 %, der durch die im Chemiepark Uerdingen dauerhaft mögliche Dampfauskoppelung ermöglicht wird. Leistung: 750 MW.

Für die Errichtung dieses Kraftwerks sprechen unter anderem folgende Gründe: Durch das neue Kraftwerk werden im Vergleich zu Altkraftwerken die CO2-Emissionen deutlich reduziert. Durch den höheren elektrischen Wirkungsgrad und die Möglichkeit zum KWK-Betrieb kann bis zu 30 % Primärenergie eingespart werden. Die CO2Einsparung beträgt rund 1,5 Millionen t pro Jahr gegenüber den Altanlagen. Die Grundversorgung für den Chemiepark wird durch das neue Kraftwerk gesichert. Die Industriepolitik muss Investitionen wie in Krefeld unterstützen, da sie zur Siche

rung und Schaffung von Arbeitsplätzen zwingend erforderlich sind.

Der Wettbewerb im Strommarkt wird durch neue Marktteilnehmer wie Trianel durchaus bereichert. Die Landesregierung hat sich daher bei der Stadt Krefeld intensiv in Gesprächen für den Bau des Kraftwerks eingesetzt. Einfluss auf die planungsrechtliche Entscheidung des Rates der Stadt, die für die Realisierung des Vorhabens erforderlich ist, hat die Landesregierung jedoch nicht. Das ist die Rechtslage. Die kommunale Planungshoheit ist grundgesetzlich geschützt und durch Vorgaben auf der Landes- und Regionalebene ergänzt. Die in Krefeld vorgesehene Kraftwerksfläche ist als Industriestandort ausgewiesen und nicht als Kraftwerksstandort.

Bei der Bezirksregierung Düsseldorf wird gerade eine Änderung des Regionalplanes erarbeitet, durch die ermöglicht wird, Kraftwerke nicht nur auf eigens im Regionalplan dargestellten Kraftwerksstandorten, sondern auch in anderen regionalplanerisch ausgewiesenen Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereichen errichten zu können.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Bisher ist das nach den Zielen des Regionalplanes Düsseldorf so nicht möglich.

In der Konsequenz wird aber die kommunale Planungshoheit durch die angestrebte Regionalplanänderung nicht beseitigt, da die regionalplanerischen Ausweisungen nur ein Angebot darstellen, welches durch die Bauleitplanung und konkrete Bauvorgaben der Kommune aufgegriffen und ausgeführt werden muss.

Meine Damen und Herren, zu dem Dauerhinweis von Herrn Priggen auf die große Chance der Kraft-Wärme-Koppelung ist zu sagen, Herr Priggen, dass wir, wie ich Ihnen schon einmal gesagt habe, einen Ballungsraum haben. Aber ich glaube, es war in Ihrer Regierungszeit, als Sie den Ausbau der Gasfernleitungen so erfolgreich vorangetrieben haben, dass sich in diesen Ballungsräumen die Kraft-Wärme-Koppelung etwas schwer tut, wirtschaftlich zu sein. Lassen Sie uns doch darüber einmal reden.

Wir helfen auf Bundesebene, um bei einem Sonderprogramm Kraft-Wärme-Koppelung voranzukommen, weil wir auch gesehen haben, dass dabei nicht die Frage Wärmesenke das Limit bedeutet, sondern die Tatsache, dass wir die Wirtschaftlichkeit zwischen Gas und Kraft-Wärme-Koppelung so verändert haben, dass der eine Teil im Ballungsraum keine Chance mehr hat. Ich bin sehr daran interessiert zu erfahren, wer dafür die

Schuld auf sich nimmt, das damals so betrieben zu haben.

Ich gehe auf den zweiten Antrag ein: In dem Antrag „Weitere Kohlekraftwerke in NRW sind mit den Klimaschutzzielen der Bundesregierung nicht vereinbar!“ behaupten Sie, dass die von der Bundesregierung vorgegebenen Rahmenbedingungen zur Erreichung der Klimaschutzziele den Neubau von Kohlekondensationskraftwerken überflüssig machten. Meines Erachtens ist die Behauptung, dass der Neubau von Kohlekondensationskraftwerken überflüssig ist, unzutreffend. In Deutschland müssen bis zu 40.000 MW Kraftwerkskapazitäten bis zum Jahre 2020 nach Schätzungen der Energiewirtschaft ersetzt werden. Unabhängig davon, ob man dieser Schätzung in der Höhe folgt, sind Investitionen in Kohlekraftwerke erforderlich, weil sonst der Ersatzbedarf nicht gedeckt werden kann.

Die im Antrag vorgenommene Bedarfsrechnung ist zwar höchst interessant, kann und darf aber nicht Basis von Unternehmensentscheidungen für den Bau neuer Kraftwerke sein. Hier ist nach meiner Wahrnehmung klar zwischen politischen Zielsetzungen und der unternehmerischen Verantwortung zu unterscheiden. Bei diesem Punkt stimme ich Herrn Römer ausdrücklich zu. Die Frage ist, ob die Rahmenbedingungen so sind, dass die Investitionsentscheidungen auf sicherer Basis und unter Klimaschutzgesichtspunkten vernünftig fallen können. Wir sind aber nicht diejenigen, die sagen, jetzt sei Schluss mit jedem Neubau. Das ist eine andere Sicht, die Sie haben.

Die politischen Zielsetzungen sind allerdings sicherlich nicht ohne Einfluss auf Unternehmensentscheidungen. Kraftwerke sind aber hoch investiv, sodass sich vermutlich kein Investor findet, der dazu bereit ist, hohe wirtschaftliche Risiken einzugehen und ein Kraftwerk zu errichten, ohne über entsprechende Planungssicherheiten, aber auch Abnahmeprognosen zu verfügen. Er will ja auch die Kunden für das haben, was er baut. Das darf man also bei dieser Debatte wohl nicht übersehen.

Zudem ist durch zunehmende Effizienz eine Minderung des Strombedarfs zu erwarten. Ein europaweites Verbot des Stand-by-Betriebes, wie es in der Europäischen Union vorgeschlagen worden ist, würde den Strombedarf von Ungarn wegfallen lassen.

Gefordert wird in dem Antrag auch, durch die forcierte Förderung der erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Koppelung sowie der Energieeffizienz umgehend dem geplanten Zubau entge

genzuwirken. Da neue Kraftwerke wesentlich effizienter arbeiten als Altanlagen, ist aber der Neubau zur Einhaltung der Klimaschutzziele der Bundesrepublik notwendig. Die Klimaentlastung – da würde ich Herrn Priggen folgen – kommt allerdings nur zustande, wenn entsprechend Altanlagen abgeschaltet werden. Uns sind auch nicht alle Abschaltplanungen bis zum Jahr 2020 bekannt. Wir möchten gern, dass zeitnah und verbindlich Altanlagen aus dem Markt genommen werden, wenn die neuen anlaufen. Mit den Unternehmen sind wir darüber im Gespräch. Wir beginnen übrigens nicht erst heute in Nordrhein-Westfalen mit einer integrierten Energie- und Klimaschutzpolitik. Ich brauche die Bausteine nicht zu nennen.

Herr Priggen, Sie zitieren die Tabelle 11 aus der Antwort auf die Große Anfrage zum Klimaschutz und behaupten, wir hätten eine Prognose aufgestellt, 28 % einsparen zu wollen. Das ist eine Berechnung, bei der wir die Vorgaben auf Bundesebene ohne Berücksichtigung regionaler Unterschiede auf das Land heruntergebrochen haben, und keine Prognose von uns. Aber sie macht deutlich, Herr Priggen – das wird die spannende Aufgabe in den kommenden Monaten sein –: Wenn die Bausteine durch die Bundesregierung an Rahmenbedingungen und Fördermaßnahmen verändert werden, ist zu fragen: Was bedeutet das für uns? Ist das unterschiedslos auf uns zu übertragen? Welche Elemente müssen wir neu bedenken?

Aber ich weise Sie auch darauf hin, dass wir und diejenigen, die Prognosen von unten machen, sagen: Vermeidungskosten für 1 t CO2 liegen in Deutschland derzeit bei 20 €.

Frau Ministerin.

Viele sagen, das werde auf absehbare Zeit so bleiben. Dann sage ich Ihnen: Bei Kosten von 20 € pro Tonne vermiedenes CO2 bei uns können Sie weltweit mit demselben Betrag mehr Tonnen CO2 vermeiden.

(Beifall von der FDP)

Deshalb ist die Frage: Welche der neuen Instrumente wollen wir, um zum Beispiel parallel entwicklungspolitische Ziele zu begleiten, mit den vorhandenen Dingen als Rechtskonstruktion in Zukunft nutzen? Auch dabei wäre ich für Hinweise dankbar, ob Sie mitmachen oder ob Sie sagen, der Weg bringe nichts und sei für unser Land nichts.

Frau Ministerin, ich darf Sie auf das Ende der verabredeten Redezeit aufmerksam machen.

Meine Rede ist gleich zu Ende. – Gestatten Sie mir nur noch einen Hinweis: Es gibt eine neue Studie der Deutschen Bank Research, die ich dem Plenum nicht vorenthalten will. Danach liegen die Kosten für die CO2Vermeidung bei Windanlagen natürlich deutlich niedriger als bei der teuersten Alternative, der Photovoltaik. Ich zitiere aus der Studie: „Aber die Vermeidungskosten beim Neubau von Kohle- und Erdgaskraftwerken … liegen sehr viel niedriger.“ Mit dieser Wirklichkeit müssen Sie sich bei Ihren Wünschen auseinandersetzen.

(Beifall von CDU und FDP – Lachen von den GRÜNEN – Zuruf von Reiner Priggen [GRÜNE])

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Kollege Römer noch einmal das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich will dann doch noch einige Bemerkungen sowohl zum gemeinsamen Antrag von CDU, FDP und SPD zum hochmodernen Kohlekraftwerk in Krefeld als auch zur inzwischen stattgefundenen Debatte über energie- und klimapolitische Ziele machen.

Überhaupt keine Frage ist – darüber sind wir uns alle in diesem Hohen Hause einig –, dass wir mit Blick auf klimapolitische Ziele und energiepolitische Wege, die wir gehen müssen, mehr Effizienz sowohl bei der Erzeugung als auch bei der Verteilung und bei der Verwendung von Energie erreichen wollen.

Wir sind fest davon überzeugt – darin sind wir uns mit Bündnis 90/Die Grünen, aber nicht mit den beiden anderen Fraktionen einig –: Wir können auf Dauer bei der Stromerzeugung auf den Einsatz von Kernenergieproduktion verzichten. Damit sind selbstverständlich enorm ehrgeizige und ambitionierte Ziele verbunden.

Nicht meine Überzeugung ist, das alles ohne hochmoderne neue Kohlekraftwerke erreichen zu können. Das ist ein Irrweg und eine Illusion.

(Beifall von Svenja Schulze [SPD])

Deshalb, Herr Kollege Priggen, werden wir solche hochmodernen Kohlekraftwerke wie in Krefeld brauchen. Mir ist sehr bewusst, dass wir gerade mit Blick auf die Zukunft den Ausbau von KWKAnlagen und die Möglichkeiten, Kraft-WärmeKoppelung einzusetzen und die Energie daraus abzunehmen, weiter verstärken müssen.

Frau Ministerin, bei allem Verständnis für parteitaktische Auseinandersetzungen über die Frage, was in der Vergangenheit versäumt wurde – ich habe kein Problem, mich damit auseinanderzusetzen –, füge ich hinzu: Wir werden, wenn wir die KWK-Ausbauziele tatsächlich erreichen wollen, die wir uns vorgenommen haben und vornehmen müssen, mit den Frauen und Männern mit Verantwortung in der Kommunalpolitik auch und besonders in Ballungsräumen über die Frage zu reden haben, was unter veränderten Rahmenbedingungen nach Entwicklungen, die die eine oder der andere von uns vor 20 bis 30 Jahren nicht hat vorhersehen können, heute zu tun ist, damit wir an diesem Punkt weiterkommen.