Partylaune in Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren, muss Gott sei Dank nicht durch Staatsbetriebe garantiert und organisiert werden. Das können die Menschen auch so.
Es geht nicht nur darum, dass solche Fehlentwicklungen im Gemeindewirtschaftsrecht jetzt korrigiert werden können, was wichtig war, sondern auch um den psychologischen Impuls. Es geht um das klare Signal an die Betriebe: Jetzt gibt es eine Regierung in Nordrhein-Westfalen, die sich konsequent für den Mittelstand einsetzt. Denn nur dann entsteht Vertrauen in Nordrhein-Westfalen, und nur dann entstehen neue Arbeitsplätze.
Ein Reformprojekt, das der Ministerpräsident ebenfalls erwähnt hat und auf das wir in der Tat besonders stolz sein können, ist der verabredete Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlebergbau.
Dafür haben wir Jahrzehnte gekämpft. Noch im September 2000 stand die FDP im Landtag Nordrhein-Westfalen mit der Forderung, den Subventionsirrsinn zu beenden, allein auf weiter Flur. Jetzt wird umgesetzt, was wir im Wahlkampf 2005 versprochen und im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Unter erfolgreicher Führung des Ministerpräsidenten wurde das gegen große Widerstände in der Bundesregierung durchgesetzt. Jetzt wird nicht mehr in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft unseres Landes investiert. Jetzt geht das Geld nicht mehr in dunkle Schächte, sondern in die hellen Köpfe unseres Landes. Das ist ein fundamentaler Richtungswechsel, den diese Koalition geschafft hat, meine Damen und Herren.
Aber in der Tat geht es jetzt darum, diesen Ausstiegsprozess auch konkret zu gestalten. In den nächsten Monaten müssen die Stilllegungspläne auf den Tisch kommen, damit Klarheit herrscht.
Das darf nicht unter der Decke gehalten werden, wie ich es schon von der IG BCE höre, nach der Devise: Darüber reden wir erst nach 2012, weil 2012 noch einmal über den Sockelbergbau diskutiert werden soll. Das werden wir nicht mitmachen!
Wir brauchen schnellstmöglich, am besten in den nächsten Monaten, Klarheit für die betroffenen Standorte, damit wir dort gemeinsam mit allen Beteiligten überlegen können, wie wir den Strukturwandel vor Ort vernünftig organisieren können. Sie, Frau Kollegin Kraft, sollten dabei auch noch einmal initiativ werden. Oder unterstützen Sie etwa diese Hinhaltetaktik, damit Sie die Chimäre weiterhin aufrechterhalten können, es könnte 2012 noch einen Sockelbergbau geben? Da sind Sie gefragt, gemeinsam mit uns einzufordern, dass die Stilllegungsplanung schnellstmöglich auf den Tisch kommt.
Ministerpräsident, Landesregierung und Koalition können nach der Hälfte der Wahlperiode auf eine herausragende Leistungsbilanz verweisen. Aber wir sind uns einig, dass der Kurs der Erneuerung konsequent fortgesetzt werden muss. Die marktwirtschaftlichen Reformen in Nordrhein-Westfalen müssen genauso zügig und entschlossen weitergehen, wie wir sie bisher durchgeführt haben.
Dazu gehört natürlich auch fundamental die Sanierung des Landeshaushalts. Auch damit sind wir gut vorangekommen. Aber wir sind – das hat der Ministerpräsident zu Recht unterstrichen – noch lange nicht am Ziel. Denn das Ziel lautet, den Landeshaushalt schnellstmöglich auszugleichen, um dann mit dem Abbau des rot-grünen Schuldenberges beginnen zu können.
Andere Bundesländer sind schon so weit. Nun waren sie auch nicht von zehn Jahren rot-grüner Schuldenmacherei geplagt; das muss man immer wieder deutlich machen. Das heißt für uns aber, dass wir im Zweifel noch ehrgeiziger sein müssen, um das Ziel zu erreichen, den Landeshaushalt zu sanieren und schon in dieser Wahlperiode – das ist das Ziel der FDP, und wir werben in der Koalition dafür – einen ausgeglichen Landeshaushalt vorzulegen.
Wir wollen, dass Nordrhein-Westfalen zum Musterland für mehr soziale Marktwirtschaft wird. Deshalb muss die Privatisierungspolitik natürlich weitergehen. Selbstverständlich ist auch der Verkauf des Landesanteils an der WestLB, den wir in der Koalitionsvereinbarung verabredet haben, nach wie vor auf unserer Aufgabenliste. Wir verkaufen jedoch – auch das ist klar – in einem derzeit schwierigen Marktumfeld nicht um jeden Preis, sondern wir haben immer Konditionen für
eine solche Veräußerung festgelegt. Der Erlös muss stimmen, und die Interessen der Bank und des Finanzplatzes Nordrhein-Westfalen müssen gewahrt bleiben.
Aber wir wollen den Erlös, wenn wir ihn denn zu akzeptablen Konditionen erwirtschaften können, natürlich nutzen, um den Innovationsfonds des Landes weiter auszustatten, damit darüber in neue Hightech-Arbeitsplätze investiert werden kann. Wir wollen, dass Nordrhein-Westfalen – auch das werden wir schaffen – bis 2015 zum Innovationsland Nummer 1 der Bundesrepublik Deutschland wird.
Das setzt im Übrigen auch voraus, meine Damen und Herren – das will ich schon sagen –, dass wir Forschungsfreiheit ernst nehmen. Die Chancen der Stammzellenforschung, mit der vielleicht bald neue Medikamente entwickelt und schwerste Krankheiten geheilt werden können, müssen ebenso genutzt werden wie die der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Nordrhein-Westfalen war einmal weltweit führend bei der Entwicklung dieser Technologie, die inzwischen leider von anderen vermarktet wird. Wir wollen, dass unsere Forscher in Nordrhein-Westfalen die besten und sichersten Kernkraftwerke entwickeln können. Wer über sichere und preisgünstige Energieversorgung redet, wer das Thema Klimaschutz ernst nimmt, der kommt an dem Einsatz der Kerntechnologie nicht vorbei.
Diese Lebenslüge der deutschen Politik – leider über Parteigrenzen hinweg – muss endlich entlarvt werden. Wir brauchen ein klares Bekenntnis zur friedlichen Nutzung der Kernenergie. Wir sind sehr dafür, dass unsere Forscher die sichersten und besten Kernkraftwerke in der gesamten Welt entwickeln und dann auch bauen helfen können.
Die Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung muss weitergehen. Dazu gehört auch die Frage, welche Aufgaben in Zukunft überhaupt noch vom Land übernommen werden müssen. Da ist noch viel zu tun. So finanziert das Land beispielsweise derzeit eine Energieagentur und eine Effizienzagentur, die beide Beratungsleistungen für Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Kommunen erbringen. Aber ist das wirklich eine Staatsaufgabe? Mit dieser Frage sollten wir uns auseinandersetzen. In anderen Bundesländern ist sie es jedenfalls nicht. Niedersachsen hat seine Energieagentur aufgelöst. In Rheinland-Pfalz und Sachsen
Anhalt werden die Aufgaben von Privaten erledigt, und zwar genauso gut, aber ohne dass Steuerzahler mit Millionenbeträgen dafür aufkommen.
Hier sind – ich weiß da sicher den Finanzminister an unserer Seite – noch Schätze für die finanzielle Konsolidierung unseres Landes zu heben. Wir sollten uns gemeinsam auf die Suche nach diesen Schätzen machen. Es gibt noch so manche landeseigene GmbH, manche Landeseinrichtung und manches Förderprogramm, die eine hart gestellte Sinnfrage wohl kaum überleben dürften. Wir werden uns in der zweiten Hälfte der Wahlperiode gemeinsam auf die erfolgreiche Suche nach solchen Konsolidierungsmöglichkeiten begeben.
Die Politik in Nordrhein-Westfalen hat sich fundamental verändert. Aber manche Strukturen sind noch zu sehr die alten. Im besonders schwierigen Bereich des Bürokratieabbaus kommen wir unter der Führung unseres Innenministers Ingo Wolf und des für Verwaltungsmodernisierung verantwortlichen Parlamentarischen Staatssekretärs Manfred Palmen – beiden will ich sehr herzlich danken – gut voran.
Von dem Dickicht aus rund 1.000 staatlichen Behörden und Einrichtungen, das uns SPD und Grüne hinterlassen haben, sind 130 bereits aufgelöst worden. Sie hatten, Herr Ministerpräsident, heute von 124 gesprochen. Nach meinen Informationen sind es schon sechs mehr. Aber das ist auch ein Zeichen des enormen Fortschrittstempos, das wir hier an den Tag legen. Der Innenminister und Herr Palmen werden uns darüber auf dem Laufenden halten. Die Abschaffung jedes überflüssigen Gesetzes und jeder überflüssigen Verordnung ist ein richtiger und wichtiger Schritt in Richtung Entbürokratisierung, ebenso jede Behörde, die aufgelöst wird, jede Planstelle, die entfallen kann. Deshalb werden wir an dieser Aufgabe kontinuierlich weiterarbeiten.
Dieser Bürokratieabbau zur strukturellen Neuaufstellung der Verwaltung für mehr Freiheit und soziale Marktwirtschaft muss weiter vorangebracht werden. All diese Maßnahmen sind für die FDP erheblich wichtiger als die Frage, ob Regierungsbezirke neu zugeschnitten werden. Wir sind an Ergebnissen dieses Prozesses der Entbürokratisierung interessiert.
Im Koalitionsvertrag, meine sehr verehrten Damen und Herren, stehen noch wichtige Vorhaben, die wir in den nächsten zweieinhalb Jahren angehen müssen. So haben wir vereinbart, überflüssi
ge Berichtspflichten für mittelständische Unternehmen abzuschaffen und, falls sie in die Bundeskompetenz fallen, eine Bundesratsinitiative zu ergreifen. Angesicht von knapp 11.000 Informationspflichten der deutschen Wirtschaft, die aktuell von der Bundesregierung aufgelistet worden sind und die die Unternehmen geschätzte 35 bis 40 Milliarden € jährlich kosten, ist auf diesem Feld noch viel zu tun, auch für unsere Landesregierung.
Die Koalition der Erneuerung kann auf zweieinhalb Jahre erfolgreiche Arbeit zurückblicken. Aber wir hätten noch weiter kommen können – das will ich hier auch sagen –, wenn unsere Politik für mehr soziale Marktwirtschaft nicht immer wieder aus Berlin durch die Bundesregierung behindert worden wäre.
Die sogenannte Große Koalition in Berlin hat uns die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik beschert. Die SPD hatte in Nordrhein-Westfalen noch gegen die bevorstehende Mehrwertsteuererhöhung protestiert und sie dann mit unterstützt. Dazu kamen eine höhere Versicherungsteuer, die Kappung der Pendlerpauschale, die Streichung der Eigenheimzulage oder der gekürzte Sparerfreibetrag. Unter der schwarzroten oder rot-schwarzen Bundesregierung sind die jährlichen Belastungen der Menschen um fast 50 Milliarden € gestiegen. Eine Familie mit zwei Kindern wird dadurch im Schnitt um 1.600 € im Jahr stärker belastet. Frau Kollegin Kraft, auch dazu hätten Sie das eine oder andere Wort in der Debatte heute verlieren können.
Auch die Unternehmensteuerreform hat den Unternehmen gerade aus nordrhein-westfälischer Sicht nicht weitergeholfen. Sie hat an mancher Stelle Schäden angerichtet. Ginge es nach der SPD, würden wir jetzt auch noch den gesetzlichen Mindestlohn mit verheerenden Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland bekommen. Nach Berechnungen von Wirtschaftsforschungsinstituten könnte die Einführung eines Mindestlohns zum Beispiel in Höhe von 7,50 € zu einem Verlust von rund 620.000 Arbeitsplätzen führen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb möchte ich auch in dieser Debatte noch einmal klar zum Ausdruck bringen, dass die FDP jeden Eingriff in die Tarifautonomie durch die Festlegung von Mindestlöhnen ablehnt. Wir werden einer solchen Politik auch nirgendwo die Hand reichen.
Der richtige Weg besteht darin, marktgerechte Löhne durch staatliche Mittel aus dem Steuersystem für die Arbeitnehmer aufzustocken und so ein sozial akzeptables Mindesteinkommen zu sichern.
Wir unterscheiden uns übrigens auch in der Innen- und Rechtspolitik von Berlin. Mit uns wird nicht jeder Bürger unter Generalverdacht gestellt. Mit uns wird nicht an jeden Laternenpfahl eine Überwachungskamera geschraubt. Bei uns erschöpft sich Drogenpolitik im Übrigen auch nicht in Repression. Wir stehen in der Regierungspraxis, der Praxis dieser Koalition in NordrheinWestfalen für mehr Vorbeugung und Hilfe für Drogenabhängige.
Herr Ministerpräsident, Ihre Regierung und unsere Koalition haben in der ersten Hälfte der Wahlperiode einen hervorragenden Job für unser Land gemacht. Ich glaube, das kann man bei aller Selbstkritik festhalten.
Wir werden aber auch nicht den Fehler machen, das Erreichte jetzt nur noch verwalten zu wollen. Das haben Sie in Ihrer Regierungserklärung auch sehr deutlich herausgearbeitet. Diesen Fehler werden wir nicht machen. Dafür sind noch viel zu viele Aufgaben zu lösen, um Nordrhein-Westfalen ganz nach vorne zu bringen. Eine Politik der ruhigen Hand wird es mit uns deshalb nicht geben.
Freiheit vor Gleichheit, Privat vor Staat, Erwirtschaften vor Verteilen: Das wird weiter vorankommen.
Die FDP-Fraktion freut sich auf die weitere partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Koalition der Erneuerung mit unseren Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion und freut sich auf die weitere partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Ihrer Regierung, Herr Ministerpräsident. – Ihnen, sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, danke ich für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Dr. Papke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Fraktionsvorsitzende Frau Löhrmann das Wort.