Protokoll der Sitzung vom 16.11.2007

Eine weitere Strophe Ihres Klagegesangs lautet: EU-Wettbewerbskommissarin Nelly Kroes besteht auf der Trennung von Produktion und Netzen.

Na fein; machen wir das. Wer übernimmt die Netze – 36.000 km Höchstspannung, 75.000 km Hochspannung, 500.000 km Mittelspannung und 1 Millionen km Niederspannung? Ich gehe einmal davon aus, dass das gewiss keine Heuschrecken sein sollen, sondern nach Ihrer Philosophie „Alle Infrastruktur zum Staat“ der Staat. Straßen, Schienen, Leitungsnetze, Telefonnetze – alles zum Staat.

(Demonstrativer Beifall von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Wir haben gerade mit Erfolg die Telefonnetze privatisiert. Das werden wir also wieder rückgängig machen.

Dann bleibt natürlich die Frage: Wer macht das? Machen das der Bund oder die Länder? – Weitere Fragen sind: Von welchem Geld? Und wer kümmert sich künftig um Sicherheit und Leistungsfähigkeit der Netze? – Wir haben die Diskussion über die im Winter umgefallenen Strommasten noch gut im Hinterkopf. Im Übrigen möchte ich einmal den dazu benötigten Behördenmoloch se

hen, seine kundenfreundliche Tarifgestaltung ebenfalls.

Abschließend behaupten Sie noch, die Landesregierung drangsaliere die Stadtwerke und sei damit ein Hilfsorgan der Stromkonzerne. Die Kollegen von der SPD sind ja auch nicht weit davon weg.

Meine Damen und Herren, das Gegenteil ist doch richtig. Das neu gefasste Gemeindewirtschaftsrecht fordert die Stadtwerke geradezu auf, sich auf ihr Kerngeschäft und damit auf die Energieversorgung zu konzentrieren.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP] – La- chen von der SPD – Rüdiger Sagel [frakti- onslos]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Doch was machen die Unternehmen? Anstatt sich auf Energielieferung und dezentrale Erzeugung zu konzentrieren, suchen sie mit Unterstützung von Rot-Grün nach neuen, lukrativen Betätigungsfeldern außerhalb des Energiesektors.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Im Strategiepapier „Stadtwerk der Zukunft“ heißt es – ich darf zitieren –:

„Wettbewerbsaktivitäten im Energiemarkt werden reduziert.“

„Das EVU reduziert seine Investitionen ins Netz auf ein Minimum und baut mit dem gewonnenen Kapital die Handels- und Vertriebsaktivitäten aus.“

(Minister Andreas Krautscheid: Hört, hört!)

Als Alternativstrategie wird Folgendes angeboten – ich zitiere –:

„Um die Anforderungen des eigentumsrechtlichen Unbundling zu erfüllen, trennt sich das EVU von den risikobehafteten Wettbewerbsbereichen Erzeugung, Handel und Vertrieb und konzentriert sich als Netzbetreiber auf den Monopolbereich, das Sparbuch Netze.“

Meine Damen und Herren, das muss man sich einmal vergegenwärtigen! Vor diesem Hintergrund müssen Sie über das reden, was in diesem Sektor passiert. Schimpfen Sie also nicht auf die Landesregierung, sondern setzen Sie sich für Stadtwerke-Strategien ein, die über den Aufbau dezentraler Erzeugungskapazitäten zu günstigen Verbraucherpreisen führen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Eine letzte Anmerkung, meine Damen und Herren: Wir als CDU sind der Ministerin ausgespro

chen dankbar dafür, dass sie in der Energiepolitik auf seriöse, durchdachte Lösungen setzt und sich nicht an dem Sport beteiligt, jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf zu jagen. Das, was Sie und Macho Gabriel betreiben, ist politische Kraftmeierei, die außer dem eigenen Ego niemandem nützt. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke, Herr Weisbrich. – Für die FDP spricht nun Herr Kollege Ellerbrock.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Aktuelle Stunde gibt dem Kollegen Römer die Gelegenheit, nicht zum Antrag zu reden, sondern seine Textbausteine „Was ich schon immer gegen die Landesregierung vorbringen wollte“ herauszusuchen. Ich habe auch nicht unbedingt eine Relation zwischen seinem Beitrag und der Rede des Kollegen Priggen feststellen können.

Frau Ministerin, Sie haben eben sehr deutlich gesagt, eine Strompreisabsprache sei unerträglich. Dafür danke ich Ihnen ebenso wie dafür, dass Sie ein klares Wort zu dem Vorschlag Ihres hessischen Kollegen zur Enteignung von Kraftwerken gefunden haben.

Dass Sie die Strompreisaufsicht der Länder eingefordert haben, musste Herr Kollege Weisbrich hier noch einmal deutlich machen, weil das anscheinend nicht allen Kollegen im Landtag so bekannt war. Schönen Dank dafür, Herr Kollege.

Herr Kollege Priggen, auf die Drangsalierung der Stadtwerke, die Sie in Ihrem Antrag thematisieren, möchte ich gar nicht näher eingehen. Da unterschreibe ich genau das, was mein Kollege Weisbrich eben dazu ausgeführt hat.

Herr Leuchtenberg, Sie haben unter Bezugnahme auf die Energiepolitik gesagt, die Ministerin rede dem Umweltminister immer rein. Ist Ihnen der Gedanke, dass in der Landesregierung zwischen unterschiedlichen Ministerien eine eng verzahnte Kooperation erfolgt, eventuell vollends fremd? Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass hier so gehandelt wird.

Herr Leuchtenberg, Sie haben kritisiert, die Industrie habe sich hinsichtlich der Gewerbeaufsicht und der Genehmigungsverfahren beklagt. Ist Ihnen denn entgangen – das ist übrigens bereits unter Ihrer Regierungsverantwortung eingeleitet worden –, dass bei Großprojekten und komplizierten Genehmigungsverfahren völlig zu Recht nach

wie vor die langjährig qualifizierten und gut arbeitenden Bezirksplanungsregierungen zuständig sind? Was Sie da eben erzählt haben, kann doch nicht wahr sein.

Daran und an der Tatsache, dass Sie, indem Sie die Gehaltsstruktur in Verbindung mit den Gewinnen von Energiekonzernen ansprechen, praktisch offiziell Tarifverhandlungen im Landtag einführen wollen, kann ich nur erkennen, dass Sie hier pro domo sprechen. Das ist auch eine interessante Art.

Außerdem haben Sie etwas gesagt, was ich ausgesprochen spannend finde und sehr begrüße, wenn es denn so ist. Sie haben nämlich neue Wettbewerber gefordert. Daraus habe ich entnommen, dass die SPD-Fraktion im Regionalrat Düsseldorf nunmehr Ende November dafür eintreten wird, dass die Errichtung von Kraftwerken regionalplanerisch nicht mehr durch Einzelinteressen behindert werden soll, sondern in jedem Gewerbe- und Industriegebiet möglich sein soll.

(Beifall von Christian Weisbrich [CDU])

Ich muss sagen: Aufgrund der Entwicklung im Regierungsbezirk Düsseldorf kann ich diese regionalplanerische Konzeption von Ihnen zwischenzeitlich nur noch unterstützen. Ich finde das ausgesprochen gut. Das hätten Sie allerdings deutlicher sagen sollen. Trotzdem finde ich es gut.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, zwischen der Rede des Kollegen Priggen, dessen energiepolitische Fachkompetenz ich sehr schätze, und dem vorliegenden Antrag habe ich – lassen Sie mich das ganz deutlich sagen – erhebliche Unterschiede feststellen müssen.

Bei dem Antrag habe ich immer gedacht: Was soll das eigentlich? Mehr Wettbewerb Ja, aber bitte keine Kondensationskraftwerke und schon gar keine Kernkraftwerke. Zerschlagung und Enteignung – aus dem Antrag ablesbar – Ja, aber gleichzeitig Investitionen und Ausbau der Netze oder erneuerbare Energien. Das ist dann der VEB Energie des Staates. Das kann der Kollege Priggen ja eigentlich gar nicht meinen. Höhere Preise: Ja, aber dann höhere Preise bei hohem Staatsanteil, Regulierung auf allen Ebenen. Dann kommt wieder die Argumentation des Liberalismus. KraftWärme-Kopplung: Ja, aber Grüne vor Ort: Nein zur Kraft-Wärme-Auskopplung in Krefeld. Dann sagt man auf der anderen Seite: Um Gottes Willen die Strombörse, da werden ja Preise manipuliert und in die Höhe getrieben. – Das verkennt aber, dass selbst die Bundesregierung mit CO2

Emission-Trading, Kraft-Wärme-Kopplung, EEG, Ökosteuer und Erhöhung der Mehrwertsteuer einer der größten Preistreiber der letzten zehn Jahre war. Und zusätzlich – ich erinnere an die Diskussion vorige Tage – die Forderung nach erhöhtem Ausbau der Kraft-Wärme-Nutzung im Ruhrgebiet und einem Ausbau eines Wärme-EEG! – Das passt doch alles nicht zusammen.

(Beifall von FDP und Christian Weisbrich [CDU])

Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist zu Ende. Das passt alles nicht zusammen, was da kommt. Schade! Ich hätte mich gerne anders mit dem Kollegen Priggen auseinandergesetzt. Aber dann kamen die Äußerungen vom Kollegen Römer und von Herrn Leuchtenberg. Abgesehen von der Meinung von Herrn Leuchtenberg, Kraftwerke seien in jedem GIB genehmigungsfähig – das Übrige wird dann durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz geregelt werden, das ist in Ordnung. – Danke schön.

(Beifall von FDP und Christian Weisbrich [CDU] – Thomas Eiskirch [SPD]: Begeiste- rung, Herr Weisbrich!)

Danke schön, Herr Ellerbrock. – Es hat nun Herr Priggen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Lieber Herr Ellerbrock, lieber Herr Brockes, das ganze Wortgeschwurbel kann doch nicht darüber hinwegtäuschen: Es ist eigentlich eine sehr klare und einfache Kernfrage. Um die haben Sie sich in weiten Teilen herumgedrückt. Das waren keine zusammenhanglosen Zitate, sondern sie stammten alle aus der Anhörung zum Bundesgesetz in dieser Woche. Wir haben ein Versagen des Marktes im Energiebereich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben vier große Konzerne, die den Markt dominieren. Das wissen wir alle. Die Kernfrage ist: Wie können wir tatsächlich einen Markt schaffen? Auf diese Frage muss man Antworten geben.

Herr Kollege Weisbrich, der Gesetzentwurf stammt vom CDU-Wirtschaftsminister aus Hessen. Den haben nicht die Grünen gemacht, nicht ich. Den hat er gemacht. Jetzt ist der Mann im Wahlkampf. Aber ich habe schon den Anspruch, dass er einen Vorschlag macht, der zwar nicht richtig sein muss, aber von dem er meint, dass er seriös ist, und mit dem man sich als Mechanismus auseinandersetzen muss.

Es geht darum, ob man, wenn eine Firma einen Markt so dominiert wie zum Beispiel E.ON im Energiebereich, im Gasbereich und auch im Strombereich, sagt: Ihr müsst bestimmte Anlagen an andere verkaufen. – Mit der Frage, ob das ein Mechanismus ist, kann man sich sachlich auseinandersetzen.

(Christian Weisbrich [CDU]: Grenzen auf!)

Das ist nicht der Belzebub. Das ist ein Vorschlag, Herr Weisbrich.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])