Protokoll der Sitzung vom 06.12.2007

Dazu haben die Grünen nicht etwa „Lass uns darüber nachdenken“ oder „Was ist das?“ gesagt. Reflexartig kam sofort: Kiessteuer. Das ist irgendetwas, wo ich etwas abschöpfen und abgreifen kann – ohne zu wissen, was es heißt.

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist denen völlig fremd!)

Das hat mich enttäuscht. Die Menschen sind aber so, wie sie sind.

Frau Ministerin, ich würde mich freuen, wenn Ihr Haus die Überlegungen zur Standortsicherung für Infrastrukturmaßnahmen mithilfe der Landesplanung aufgreifen und diesen Gedanken weiterverfolgen würde. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Priggen.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Auf dem Feld der Landesplanung und des Freiraumschutzes gibt es in der Landesregierung eine klassische Arbeitsteilung.

Der Umweltminister als Vorsitzender der Umweltministerkonferenz macht den Schalmeispieler. Er erzählt uns, der Freiflächenverbrauch müsse drastisch reduziert werden, gründet die „Allianz für die Fläche“ und sagt, wir wollten ihn auf ein Drittel reduzieren, also in Nordrhein-Westfalen von 15 ha auf 5 ha pro Tag. – Das ist der Umweltminister.

Dann gibt es den Bauminister. Er ist hier durch eine gewisse Rüpelhaftigkeit gegenüber dem Freiflächenverbrauch aufgefallen. Als Erstes hat er die positive Regelung von Herrn Vesper aufgehoben, nach der bei Eigenheimen im sozialen Wohnungsbau nur bis 400 m² Grundstücksgröße Zuschüsse gezahlt wurden. Das war eine flächenverbrauchende Maßnahme. Ebenfalls umgehend ist die Pflicht aufgehoben worden, neue Wohnbausiedlungen an den ÖPNV anzubinden. Beide Maßnahmen kosten Freiflächen.

Die Wirtschaftsministerin – das will ich positiv anmerken – hat in Bezug auf den großflächigen Einzelhandel schnell eine Regelung gefunden. Diese Regelung haben wir vonseiten der Fraktionen auch über weite Strecken konsensual begleitet, weil es notwendig war, etwas zu machen.

Allerdings erlebe ich jetzt in Teilen etwas anderes; darauf will ich ganz klar hinweisen. So hat man beim Fachmärktezentrum Kerpen, um ein konkretes Beispiel zu nennen, den Eindruck, dass die Bezirksregierung Köln jetzt eine neue Planungskategorie erfindet, um an dem Gesetz vorbeizukommen. „Ergänzungsbereich zum zentralen Versorgungsbereich“ nennt sie das und büchst damit wieder aus der eigentlich vorgegebenen Regelung aus.

Hier wird man ganz genau darauf achten müssen, ob der eigentlich positiv zu bewertende Sinn des Gesetzes umgesetzt wird oder ob aus dem Druck der lokalen Verhältnisse heraus – und es handelt sich ja um eine Regelung von oben gegen bestimmte Wildwüchse, die unten auftreten können – unten mit Unterstützung des RPs tatsächlich etwas anderes gemacht wird.

Der Kollege Ellerbrock hat gerade ein Problem angesprochen, das aus meiner Sicht auch die GEP-99-Änderung berührt, die jetzt im Regionalrat Düsseldorf ansteht. Aus meiner Sicht ist das eindeutig fatal. Der alte GEP für den Regierungsbezirk Düsseldorf hat ganz klar bestimmte Standorte für Großkraftwerke größer 900 MW vorgesehen. Damals wurde im Text explizit die Begründung festgelegt, man wolle in der anderen Fläche kleinere, dezentrale, Kraft-Wärme-gekoppelte Anlagen, weil das eine sinnvolle Ergänzung sei – genau diese Zielsetzung hat man verfolgt –; aus

dieser grundsätzlich positiven Einschätzung heraus wolle man, wenn große Kraftwerke außer Betrieb gingen, auch nicht neue große Kraftwerke, sondern diese dezentralen Anlagen ersetzen.

Das ist die alte Regelung. Sie soll jetzt aufgehoben werden. An ihrer Stelle soll festgelegt werden, dass überall in Gewerbe- und Industrieflächen auch Kraftwerke gebaut werden können. Das ist ein eindeutiger Rückschritt. Statt in die dezentralen Kraft-Wärme-gekoppelten Anlagen zu gehen, von denen wir alle wissen, dass wir sie brauchen, wird das Ganze jetzt freigegeben und neu geregelt. – Der Kollege Ellerbrock möchte eine Zwischenfrage stellen.

Herr Kollege Ellerbrock, ich öffne Ihnen das Mikrofon. Bitte schön.

Danke schön. – Herr Kollege Priggen, stehen Sie denn auch nach wie vor dazu, dass wir im Rahmen der Konzeption Kraft-Wärme-Kopplung die Forderung erheben müssen, neben einem Kraftwerk grundsätzlich Industriegebiete auszuweisen, und planerisch dafür Sicherheit schaffen müssen?

Ja, klar – wenn ich das jetzt richtig verstehe. Sie müssen grundsätzlich Industriegebiete ausweisen. Ich will Sie aber nicht missverstehen.

Sie dürfen gerne eine Nachfrage stellen, Herr Ellerbrock.

Danke. – Die Zielrichtung meiner Frage geht dahin, Sie zu motivieren, zuzustimmen, dass neben einem Kraftwerk immer ein Industriegebiet auszuweisen ist, damit man Kraft-Wärme-Kopplung nutzen kann.

Herr Kollege Ellerbrock, wenn ich den GEP 99 richtig verstehe – und ich glaube, ich habe ihn richtig verstanden –, legt er Standorte für Großkraftwerke größer 900 MW fest. Kraft-Wärme-gekoppelte Anlagen mit 900 MW werden Sie allerdings nirgendwo finden. Das sind 50 MW-, 100 MW-, 200 MWAnlagen. Da ist eigentlich schon eine Obergrenze. Größer macht auch keinen Sinn. Die sollten Sie – da bin ich ja bei Ihnen –, wenn Sie es können, neben Gewerbegebiete und in kleineren Ausführungen in die Städte setzen. Das ist doch gar keine Frage.

Die Ministerin hat ja recht: Wir werden die ganz großen Fernwärmenetze nicht bekommen. Aber dort, wo es Industrie und dichte Bebauungszonen, zum Beispiel in den Innenstädten, gibt, da kann ich Nahwärmenetze aufbauen. Und da gehört die KWK rein.

Die Sorge ist nur, dass das, was jetzt im Regierungsbezirk Düsseldorf ansteht, eine Aufweichung eines eigentlich vernünftigen Standards ist. Die Landesregierung wäre natürlich in der Lage, zu erklären, dass sie das nicht will. Aber alle Äußerungen, die ich jetzt von Ihnen höre, gehen in die gegensätzliche Richtung, nämlich in die Richtung von mehr Flächenverbrauch.

Ich frage mich, wie Sie das übereinander bekommen wollen. Die eigentlich richtige Ankündigung von Umweltminister Uhlenberg, den Flächenverbrauch auf ein Drittel herunterzufahren, muss ja durch irgendwelche ordnungsrechtlichen Maßnahmen unterlegt werden. Das passiert ja nicht von alleine. Wir alle wissen: Die gesamte kommunale Seite wird immer mehr Flächen haben wollen. Von daher vermisse ich eine Zusammenführung dessen, was die Landesregierung an verschiedenen Stellen macht. Das wird ein Teil der Aufgabe sein, die vor uns liegt. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die Landesregierung spricht Ministerin Thoben.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesplanung steht mit einem Budget von gut 1 Million € im Haushalt.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Das ist nicht viel!)

Die Mittel werden im Wesentlichen für die externe Erarbeitung von Gutachten und Planungsgrundlagen eingesetzt. Sie enthalten auch die institutionelle Förderung des Zentralinstituts für Raumplanung an der Universität Münster und der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung. Haushaltspolitisch ist die Landesplanung also ein Leichtgewicht.

Auf der anderen Seite wollen wir aber Vorsorge und Planungssicherheit für raumbedeutsame Vorhaben in einem ordentlichen Verfahren fortschreiben. Im Koalitionsvertrag ist deshalb vereinbart, das Landesplanungsgesetz im Sinne von Deregulierung und Bürokratieabbau zu novellieren.

Wir werden im kommenden Jahr einen solchen Gesetzentwurf vorlegen, müssen aber – das ist die Veränderung, die zu Beginn der Legislaturperiode so deutlich nicht gesehen werden konnte, Herr Priggen – warten, bis das Bundesraumordnungsgesetz geändert ist und der Bund damit von seiner im Zuge der Föderalismusreform erlangten konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch gemacht hat. Kämen wir der Novelle des Bundesraumordnungsgesetzes zuvor, könnte anschließend das Bundesgesetz Landesrecht brechen. Aus verfahrensökonomischen Gründen müssen wir als Land die Novelle unseres Landesplanungsgesetzes deshalb unter Berücksichtigung und in Kenntnis des geänderten Bundesrechts voranbringen. Die Eckpunkte dazu hatten wir Ihnen vorgetragen.

Beim bisherigen LEP wollen wir für dieses zusammengeführte Planwerk die Rechtsform der Rechtverordnung beibehalten. Der neue LEP soll auf den Zeithorizont 2025 ausgerichtet sein. Wir werden deshalb einen Paradigmenwechsel vollziehen müssen.

Denn anders als in der Vergangenheit müssen wir mit sinkender Bevölkerungszahl rechnen. Es geht nicht mehr darum, ein rasantes Siedlungsflächenwachstum räumlich zu steuern, sondern die entwickelte Struktur zu halten.

Fortschreitende Globalisierung bedeutet einen stärkeren weltweiten Wettbewerb der Regionen. Das bundesweite Leitbild propagiert hierfür die Metropolregion Rhein-Ruhr. Wir haben, als wir im August diesen Jahres in einer Auftaktveranstaltung diese Eckpunkte aufgegriffen und dieses Leitbild diskutiert haben, festgestellt, dass es nicht möglich sein wird, ganz Nordrhein-Westfalen oder den gesamten Ballungsraum an Rhein-Ruhr im Sinne einer Metropolregion zu organisieren. Die Kooperationsbereitschaft der Kommunen würden wir dabei nach unserer Einschätzung überfordern.

Um regionale Identität zu stärken, wollen wir die aktuelle Besinnung auf die heimische Kulturlandschaft unterstützen. Die erhaltende Kulturlandschaftsentwicklung wird deshalb als ein neues Thema in die Landes- und Regionalplanung eingeführt. Als Grundlage dafür haben uns die Landschaftsverbände bereits einen umfangreichen kulturlandschaftlichen Fachbeitrag erarbeitet, der auch eine Fülle von Anregungen für Maßnahmen auf kommunaler Ebene bietet.

Zurzeit werden von der Landesplanungsbehörde die verschiedenen sektoralen und fachplanerischen Ansprüche an den Raum erhoben. Im Jahre 2008 werden auf dieser Basis der konkrete

Entwurf und der europarechtlich notwendige Umweltbericht erarbeitet.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Also 2009, 2010!)

Ja. Wenn Sie es schneller können, dann sagen Sie es. Wir möchten ein ordentliches Verfahren, das hinterher getragen wird.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Ich messe Sie nur an den Aussagen im Koalitionsver- trag!)

Manchmal wird man – das möchte ich gerne zugeben – in der konkreten Politik schlauer. Dann ist das geordnete Verfahren besser als etwas, was nur eine Überschrift abgibt.

(Ralf Jäger [SPD]: Das Problem ist „manch- mal“!)

Bei Ihnen passiert es gar nicht. Das ist der Unterschied.

Meine Damen und Herren, Rohstoffsicherung, Flächenverbrauch: Bei aller Bereitschaft zur Freiflächenschonung, Herr Priggen, dürfen wir nicht so tun, als ob jedes Baugrundstück – so wird ja öffentlich argumentiert – zu 100 % versiegelt würde. Wenn Sie wirklich die Bedürfnisse der Menschen mit in den Blick nehmen, dass sie nicht nur in Betonwüsten leben, sondern Grünflächen in der Nähe haben wollen, dann ist vielleicht die Reduzierung auf eine maximale Förderfläche von 400 m2, die Sie hier nachträglich loben, gar nicht so intelligent.

Sie wissen, dass zum Beispiel zum Flächenverbrauch sogar das Ausbringen eines neuen Friedhofs zählt. Wir müssen die Kraft haben, auch hier zu sagen: Versiegelung heißt, da ist am Ende nur noch Stein. Damit wollen wir nur sehr sparsam umgehen. Damit bin ich einverstanden. Man sollte aber nicht so tun, als ob jedes Baugrundstück Flächenverbrauch und Versiegelung bedeutet. Die Debatte würde ich gerne mit Ihnen führen.

(Beifall von CDU und FDP)

Bei der Rohstoffsicherung wollen wir uns übrigens anderen Bedarfsdeckungen als bisher üblich öffnen, nicht mehr 25/25, sondern in der Summe 30 Jahre, also 15/15.

Darüber hinaus wollen wir die Straffung und zahlenmäßige Verringerung regionalplanerischer Verfahren sowie die Flexibilisierung als Mittel räumlicher Konfliktlösung. Sie wissen, dass wir in manchen Landesteilen Konfliktsituationen geerbt haben, die seit Jahren unauflöslich schienen. Wir hoffen sehr und setzen darauf, dass wir dadurch,

dass wir ein bisschen fairer miteinander umgehen, die Konflikte lösen können.

Frau Ministerin, gestatten Sie jeweils eine Zwischenfrage des Kollegen Ellerbrock und des Kollegen Remmel?

Nein. Herr Ellerbrock ist sicherlich auch zufrieden, wenn ich das einmal nicht tue.