Protokoll der Sitzung vom 07.12.2007

Das sind genau die Bereiche, in denen die Landesregierung nach der Wahl 2005 gehandelt hat. Was tut die Landesregierung, um kompetente Lehrerinnen und Lehrer zu gewinnen? Vor Jahrzehnten, das ist noch gar nicht so lange her, gehörten Lehrer zu den Big Five innerhalb einer Kommune. Sie waren anerkannt und wurden gewürdigt.

Man muss hinterfragen, welche Entwicklung dazu geführt hat, dass das nicht mehr der Fall ist. An dieser Stelle müssen wir doch den Weg zurückfinden. Wir müssen wieder zur Würdigung und zur Achtung eines Personenstandes kommen, der vieles – ich würde fast sagen: alles – in der Hand hat, nämlich die Bildung und die Zukunft unserer jungen Menschen.

Ich möchte Finnland ansprechen. Lehrerinnen und Lehrer werden dort wesentlich schlechter bezahlt als bei uns in Deutschland. Also kann das nicht der Anreiz sein, um die Wertschätzung der Lehrerinnen und Lehrer wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Wir müssen uns also andere Anreize überlegen, damit wir dieses gesellschaftliche Problem in den Griff bekommen. Rolf hat vor vielen Jahren gesagt: Lehrerinnen und Lehrer sind

nicht unser Problem; sie sind unsere einzige Chance.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Erste Schritte haben wir bereits getan. Im September haben wir die Grundsätze für eine neue Lehrerausbildung in Nordrhein-Westfalen beschlossen. Sie wird professioneller, profilierter und praxisnäher. Gerade auch an dem gleich langen Studium, ein Bachelor- und ein Masterstudium, sieht man, wie bedeutungsvoll die Lehrerausbildung sein wird und wie wichtig uns Lehrerinnen und Lehrer für die Zukunft sind.

Zunächst – das gehört zur Verbesserung des Unterrichts – schaffen wir neue Stellen gegen Unterrichtsausfall und für individuelle Förderung. Auch darüber haben wir gestern in den Haushaltsberatungen lange debattiert.

Wir modernisieren auch die Struktur der Lehrerfortbildung. Sie ist jetzt dezentral, orts- und schulnah in 54 Kompetenzteams organisiert. Der Schwerpunkt liegt auf der Unterrichtsentwicklung unter Berücksichtigung von Diagnose und individueller Förderung; das sind wiederum wichtige Bausteine unserer Lehrerausbildung.

Die Verbesserung des Unterrichts ist eng mit der individuellen Förderung verknüpft. Das Rahmenkonzept „Individuelle Förderung“ betont innovative Unterrichtskonzepte, unabhängig von der Schulform. Schulen, die hier weit fortgeschritten sind, zeichnen wir mit dem Gütesiegel aus.

Alle Schulen werden eigenverantwortlich. Dadurch erhalten sie einen großen Gestaltungsspielraum für Unterricht und innerschulische Organisation. Wir haben viel aus dem Modellprojekt „Selbstständige Schule“ gelernt. Nun gilt es, die Ergebnisse dort in die Breite zu bringen

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

und für alle Schulen nutzbar zu machen.

Mit dem von uns vorangetriebenen Ausbau des Ganztags ermöglichen wir, Schülerinnen und Schüler am Nachmittag zu fördern.

Sehr geehrte Damen und Herren, NordrheinWestfalen hat gute Schulen, aber wir können noch besser werden, weil wir die einzelne Schülerin, den einzelnen Schüler in den Mittelpunkt unserer Bemühungen stellen. Wir wollen die Qualität von Unterricht verbessern. Wir wollen die bestmögliche Schule, die bestmöglichen Lehrer und als Ergebnis die besten Schülerinnen und Schüler.

(Beifall von CDU und FDP)

Schule ist dann gut, wenn die Bedingungen stimmen, wenn Leistungen nicht gehemmt, sondern gefördert werden. Wenn Nordrhein-Westfalen an die Spitze will, müssen wir unterschiedliche Begabungen und unterschiedliche Stärken fördern, um jedem das Optimum zu ermöglichen.

Wir dürfen nicht zuerst fragen: „Was kannst du nicht?“, sondern wir müssen – ganz im Gegenteil – fragen: „Was kannst du? Wo bist du stark?“ Dann wird es gut.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, dass das Allheilmittel in der Schulstrukturfrage zu finden ist. Für uns gilt der Dreiklang: Unterricht, Unterricht, Unterricht.

(Ralf Jäger [SPD]: Das war eine Wiederho- lung!)

Wir brauchen guten, qualifizierten Unterricht, der die Kinder individuell fördert, und Unterricht, der auch stattfindet.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir stellen uns den tatsächlichen Herausforderungen, indem wir nicht die Schulform in den Mittelpunkt stellen. Wir wollen ein Schulsystem, das nicht nur Bildung vermittelt, sondern auch von Leistung, Durchlässigkeit, Werten, Herausforderungen, Respekt und bestmöglicher Hilfe getragen wird.

Herr Solf, Sie haben in Ihrem bemerkenswerten Vortrag zwei Schulformen in den Mittelpunkt gestellt. Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass mir als Schulminister natürlich alle Schulformen gleichermaßen am Herzen liegen. Ich greife allerdings gerne auf, was Sie über Hauptschulen und Gymnasien gesagt haben, zumal gerade Hauptschulen und Gymnasien die Eckpunkte unserer parteipolitischen Diskussion sind.

Wir brauchen Hauptschulen, weil wir die Menschen brauchen, die auf den Hauptschulen sind. Sie verdienen unsere ganze Energie und unsere ganze Kraft. Denn sie gehören zu uns, sie sind auch unsere Zukunft, und sie sind auch etwas wert. Deswegen dürfen wir an dieser Stelle nicht unsere Hauptschüler und die Schulabgänger mit einem Hauptschulabschluss vergessen, von denen 30 % an den Gesamtschulen sind.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich denke, wir haben mit dem Ganztagsangebot für die Schulform Hauptschule einen wichtigen Schritt gemacht. Wir werden einen weiteren wichtigen Schritt machen, indem wir planen und dem

nächst umsetzen werden, dass Berufsorientierung von Anfang an in dieser Schulform stattfindet.

Nun zu den Gymnasien. Wenn es um die Abschaffung der Gymnasien als neues, vielleicht sozialdemokratisches Virus geht,

(Ralf Jäger [SPD]: Ach, Sie fordern die Ab- schaffung?)

dann kann man nur mit Heinz-Peter Meidinger, dem Vorsitzenden des Deutschen Philologenverbandes, reagieren. Er stellt fest – ich zitiere –:

„Wer glaubt, durch eine Abschaffung der Gymnasien und eine Benachteiligung leistungsstärkerer Schüler ein gerechteres Schulsystem schaffen zu können, der irrt. … zum anderen nimmt man in einer Einheitsschule den Kindern bildungsferner Schichten gerade die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg …“

(Beifall von CDU und FDP)

„Nicht mehr Chancengerechtigkeit durch Frühförderung ist das erklärte Ziel vieler Bildungspolitiker in den Reihen der SPD, sondern eine Gleichheit der Ergebnisse, sprich: das Abitur für fast alle in einer Schule für fast alle unter Vernachlässigung von Niveau und Qualität.“

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Das, meine Damen und Herren, kann nicht Ziel der Landesregierung sein.

(Carina Gödecke [SPD]: Das ist auch nicht unser Ziel! Erzählen Sie das draußen nicht weiter! Lesen Sie unseren Antrag richtig, und setzen Sie sich mit ihm auseinander! Un- glaublich!)

Unser Ziel ist es, die verschiedenen Schulformen konsequent weiterzuentwickeln, begabungsgerecht zu fördern und hohe Qualitätsstandards zu erreichen.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger sieht das genauso.

(Carina Gödecke [SPD]: Ich würde gerne ei- ne Zwischenfrage stellen, aber Sie würden sie nicht beantworten!)

Laut einer soeben erschienenen forsa-Umfrage, die schon zitiert worden ist, die ich aber gerne noch einmal aufgreife, weil man es nicht oft genug sagen kann, sprechen sich 89 % aller Befragten – und ich betone an dieser Stelle gerne: auch die

meisten Anhänger der SPD und der Linkspartei – für den Erhalt der Gymnasien aus.

(Beifall von CDU und FDP)

68 % sind gegen die Abschaffung der Hauptschule. 60 % lehnen die Einheitsschule ab.

(Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir machen seit zwei Jahren eine neue Schulpolitik, und wir treiben sie erfolgreich voran.

(Beifall von CDU und FDP – Manfred Kuhmi- chel [CDU]: Die nächsten 20 Jahre auch noch!)

Ich möchte noch ganz kurz – Frau Löhrmann hat schon darauf hingewiesen – darauf eingehen, dass es einen Entschließungsantrag der Grünen gibt. Da heißt es, es möge bitte eine interfraktionelle Kommission gegründet werden. Interfraktionell bedeutet, dass ich außen vor bleibe, weil ich nicht zur Fraktion gehöre.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Nein, ich habe ausdrücklich geschrieben, dass die Landes- regierung einbezogen werden soll!)

Lassen Sie es einfach erst einmal so stehen! – Darum war es mir wichtig, dass wir hier noch einmal die Grundsätze festlegen.