Protokoll der Sitzung vom 07.12.2007

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wo bleibt die sachpolitische Auseinandersetzung?)

Ich hätte nichts dagegen, wenn Sie das Ihrer Landesvorsitzenden mit besten Grüßen aus dem Landtag einmal bestellten.

Wir stehen jetzt an folgendem Punkt: Wenn selbsternannte Klimaretter die Menschen jeden Tag und an jeder Straßenecke mit neuen Vorschlägen zulabern, dann werden die Menschen bald nicht mehr zuhören. Das ist eine Gefahr. Da müssen wir ein wenig aufpassen.

Ich muss ehrlich sagen: Dieser Aktionismus um jeden Preis, jede Plenarrunde einen neuen Vorschlag vorzulegen, geht mir langsam auf den Geist. Ich weiß auch nicht, was sich die Kollegen in Baden-Württemberg dabei gedacht haben. Ich halte es nicht für einen Beitrag zur Effizienzsteigerung und auch für keinen zum Bürokratieabbau, wenn sie wussten, dass eine Bundesregelung kommt, eben mal ein Landesgesetz zu beschließen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Fragen Sie doch einmal die Kollegen in Baden- Württemberg!)

Ich denke, so etwas macht man eigentlich nicht.

(Zustimmung von Dietmar Brockes [FDP])

Wir haben jetzt eine neue Situation. Der Entwurf eines Bundesgesetzes befindet sich im Anhörungsverfahren. Eigentlich müssten wir uns mit diesem Bundesgesetz auseinandersetzen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Hat Ihnen das der Redenschreiber von Oettinger aufge- schrieben?)

Ich will gleichwohl sagen: Das Thema, das Sie angesprochen haben, diskutieren wir gerne mit Ihnen, nämlich: Welche Möglichkeiten bestehen zur Reduzierung von Klimagasen und Energieverbrauch in Gebäuden? Immerhin: Auf den Gebäudebereich entfallen 35 % des gesamten Energieverbrauchs und fast 20 % aller CO2Emissionen. Da lohnt es sich zu diskutieren, aber dennoch, meine ich, müssen die Tassen im Schrank bleiben.

Mir ist ein bisschen angst und bange geworden bei dem, Herr Kollege Priggen, was Sie hier etwa zum Ordnungsrecht und zum Anreiz ausgeführt haben. Ich glaube, wir sind besser beraten, wenn wir uns mehr auf Anreize konzentrieren, als dass wir auch in solchen Fällen zum Ordnungsrecht greifen.

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Wir können die Menschen doch nicht endlos mit komplizierten Vorschriften bombardieren, die sie finanziell überfordern und die ihnen die Freude am Wohnen in den eigenen vier Wänden restlos vergällen.

Falls Sie das nicht mitbekommen haben: In den ersten neun Monaten dieses Jahres ist die Zahl der Baugenehmigungen bereits um 27 % zurückgegangen, weil sich viele Menschen nach dem Wegfall der Eigenheimförderung das Bauen einfach nicht mehr leisten können. Bei diesem Sachverhalt muss man gut überlegen, ob wir Bauen und Wohnen durch einen Vorschriftenwust mutwillig weiter verteuern oder ob der Staat den Menschen besser Anreize bietet, für das Klima aus eigener Vernunft etwas Gutes zu tun. Dies sollte aber eben aus eigener Vernunft geschehen und nicht mit einem Riesenapparat behördlich kontrolliert werden, den wir dann auch noch im Hintergrund aufbauen müssten. Wer soll denn all diese Messungen machen, die dann erforderlich sind, um zu schauen, ob die Quote, die Sie in die Welt setzen, auch eingehalten wird? Am Anfang war die Zahl – und darum ranken sich dann Riesenbürokratien. Ich weiß nicht, ob das gut ist.

Sie haben ja zu Recht festgestellt, der jetzt vorliegende Gesetzentwurf des Bundes unterscheide sich deutlich von dem Gesetzentwurf in Baden-Württemberg und damit von Ihrem Gesetzentwurf. Das Bundesgesetz soll im Hinblick auf die Wahrung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit beispielsweise nur für Neubauten gelten, während Baden-Württemberg und Sie der reinen Leere folgend auch Altbauten einbeziehen wollen.

Beim Altbau geht es um ein Riesenvolumen. Die Kollegin in Baden-Württemberg, die das Gesetz dort zu vertreten hat, hat gesagt, dass sei eine einzige Lücke, wenn der Altbau nicht mit erfasst wird. Aber überlegen Sie bitte, ob es nicht sinnvoller ist, den Menschen, die in Altbauten wohnen, bei der Modernisierung ihrer Heizanlagen Anreize zu geben, als dass wir sie par ordre du mufti zwingen, sich in einem bestimmten Umfang zu verhalten.

Ich glaube nicht, dass die Menschen in Deutschland oder irgendwo auf der Welt wollen, dass sie von früh bis spät und in allen Einzelheiten von Politikern vorgeschrieben bekommen, was sie zu tun und zu lassen haben. Das halte ich für keine gute Politik.

Herr Priggen, die Zeit reicht jetzt nicht aus, um die skizzierten Positionen auszudiskutieren. Ich denke, das werden wir im Wirtschaftsausschuss tun. Dort werden wir auch über die Vor- und Nachteile der Gesetzentwürfe diskutieren und darüber, was wir hier in Nordrhein-Westfalen tun wollen.

Ich glaube, Sie gehen mit Ihren Vorschlägen ein ganzes Stück zu weit. Das Ziel lässt sich im Anreizweg sehr viel besser erreichen als mit Zwang. Aber lassen Sie uns das im Wirtschaftsausschuss diskutieren. Ich freue mich auf jeden Fall auf die Beratung. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Weisbrich. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Stinka.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Herr Weisbrich, ich bin schon erstaunt. Sie stellen sich hier hin und reden über Klimaschutz und Menschen, die sich um das Klima Sorgen machen, und sagen wörtlich: Menschen sollen nicht zugelabert werden. – Das ist auch eine Adresse an Ihre Kanzlerin, die sich permanent mit Klimapolitik in der Öffentlichkeit darstellt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das verwundert einen schon sehr.

Zweiter Aspekt Ihres Eingangs: Sie wüssten nicht so genau, was in den Köpfen Ihrer Baden-Württemberger Kollegen vorginge. Doch wie lange haben Sie uns hier erzählt, dass Baden-Württemberg Leitbild ist und Leitbild für uns in Nordrhein-Westfalen sein sollte? Das haben Sie uns früher immer vorgehalten: Danach sollte man sich richten.

(Christian Weisbrich [CDU]: Ich nicht!)

Das hat auch der Ministerpräsident getan. Von daher ist das schon ganz erstaunlich und gibt noch einmal einen Einblick, wie die Kommunikation unter den Fraktionen in der Bundesrepublik läuft.

Bali und die Warnung vor dem Nichtstun – so titelt „Zeit online“ vom 3. Dezember in der Überschrift zur Eröffnung zur Klimakonferenz, die ja seit einigen Tagen läuft.

Das ist der erste Hintergrund, warum wir uns heute Morgen mit diesem Gesetzentwurf ordentlich auseinandersetzen wollten.

Der zweite ist – das wissen Sie besser als einige andere Ihrer Kollegen –: Der Ölpreis ist auf einem Rekordniveau, und wir müssen Antworten finden, wie wir diesem Rekordniveau begegnen wollen.

Der dritte Hintergrund – Herr Knieps ist ja auch hier in der Debatte – ist, dass wir neue Arbeitsplätze schaffen wollen. Wir hatten Gespräche mit Vaillant und weitere Gespräche mit mittelständischen Unternehmern. Von daher lassen uns diese drei Gründe heute Morgen hier zusammen kommen.

Diese drei Aspekte sind Herausforderungen für unser gesamtes energiepolitisches Handeln. Wir müssen das Klima schützen, wir müssen die Kosten in den Griff bekommen, und wir müssen gleichzeitig Arbeitsplätze schaffen. Das ist kein Gelaber, Herr Weisbrich. An diesen Kriterien muss sich der Gesetzgeber orientieren.

Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich die Aspekte der Reihe nach beleuchten.

Zuerst zum Klimaschutz: Zehn Jahre nach Kioto sind die weltweiten Erfolge beim Klimaschutz überschaubar. Ein internationaler Nachfolgevertrag muss her. Und klar ist auch, dass die Umsetzung des Nachfolgevertrags mit stärkerem Nachdruck verfolgt werden muss, als es bei Kioto erfolgt ist.

Von daher ist es gut und richtig, dass die von CDU und SPD getragene Bundesregierung voranschreitet und ehrgeizige Klimaschutzziele flan

kierend durch diesen Beschluss zum Bali-Auftakt einbringt. Das zielt auf einen effizienten Klimaschutz ab. „Die Warnung vor dem Nichtstun“ – das habe ich vorhin aus dem Artikel aus „SpiegelOnline“ zitiert – wird von der SPD-Landtagsfraktion regelmäßig ausgesprochen. Wir sehen, dass die Landesregierung – Sie bestätigen das durch Ihre gerade gemachten Einlassungen – die Hausaufgaben nicht gemacht hat und die Zeit verschläft.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Mehr als die Hälfte Ihrer Regierungszeit ist bereits abgelaufen, und Sie haben noch immer kein Konzept vorgelegt. Auch vorhin waren Ihre Ausführungen nur wenig mit Inhalt gefüllt. Gestern konnten wir in der Debatte um den Umwelthaushalt erkennen, dass Sie nur ein Sammelsurium von Konzepten haben, die man wohl kaum Konzept nennen kann. Sonst wären wir auch nicht in einem internationalen Ranking auf Platz 12.

Deshalb ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz eine gute Idee, denn es beschäftigt sich mit konkreten Maßnahmen, wie wir in Nordrhein-Westfalen, auch wenn es formuliert wäre, Klimaschutzziele erreichen können. Grundgedanke und die Zielsetzung sind gut und richtig. Erneuerbare Energie muss im Werbebereich eingesetzt werden, denn jeder weiß, dass gerade hier der meiste Energieverbrauch stattfindet. Deshalb ist das gemeinsame Ziel aller wichtig und richtig, in Wohnhäuser, Neubauten und in den Bestand zu gehen.

Auch für die Wärmeversorgung gilt die Richtschnur: Wir müssen den Einsatz heimischer erneuerbarer Energien als Beitrag des Klimaschutzes anerkennen. Eigenheimbesitzer, Vermieter und Mieter benötigen kosteneffiziente Heizungen. Es ist eine soziale Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen, ob man sich die Heizung noch leisten kann oder nicht. Von daher ist der Gesetzgeber aufgefordert, etwas zu tun.

Ein Gesetz zur Nutzung erneuerbarer Energien im Bereich der Wärme kann hierzu einen Beitrag leisten. Das ist für den Klimaschutz, für die Bürgerinnen und Bürger gerade vor dem Hintergrund der steigenden Öl- und Gaspreise und – das habe ich vorhin ausgeführt – für den Mittelstand wichtig. Diesbezüglich haben wir Gespräche im Wirtschaftsausschuss geführt.

Das Land Baden-Württemberg hat also in der Idee etwas Gutes vorgelegt. Das einfach zu kopieren, ist schon einmal ein interessanter Ansatz. Für uns Sozialdemokraten gilt aber: Im Energieland Nordrhein-Westfalen, dem Energieland Nummer eins, muss mehr Fleisch an die Knochen.

(Beifall von Wolfram Kuschke [SPD])

Deswegen ist der Auftakt mit der heutigen Beratung wichtig. Wir wollen das Gesetzgebungsverfahren nutzen, um den guten Ansatz aus BadenWürttemberg zu verbessern. Dabei wollen wir drei Aspekte in unsere Überlegungen einfließen lassen: Wie passt der Gesetzentwurf in seiner Systematik? Wie ist die Übertragbarkeit auf NRW zu sehen? Wie ist die gerade von Herrn Priggen angesprochene Vereinbarkeit von Bundesrecht und Landesrecht zu beurteilen?

Das Konzept der Bundesregierung beinhaltet ein Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz. Man wird prüfen, welche Bereiche der Landesgesetzgeber regeln kann und sollte.

Eines aber unterscheidet die Bundesmaßnahme vom vorgelegten Gesetz: Zwar werden für die Gewinnung erneuerbarer Energien verbindliche Regeln festgelegt. Zugleich ist aber der Bund in seinem Programm mit 500 Millionen € in die Vorhand getreten und hat gesagt, dass es unterstützt werden soll.

Die Schwäche des Baden-Württemberger Gesetzes ist die Verteilung der Kosten, nämlich sehr einseitig auf Eigentümer von Wohnhäusern, die Klimaschutzmaßnahmen durchführen sollen. Hier müssen bei den Neubauten – Herr Priggen hat es aufgeführt – 20 % und bei alten Gebäuden auch unter der Berücksichtigung von Härtefallklauseln 10 % aus erneuerbaren Energien gesichert werden. Das ist so weit gut und richtig. Aber es erfasst einen großen Teil privater Nutzer und privater Eigentümer.

Es kann jedoch nicht sein, dass das der einzige Aspekt ist. Deswegen ist für uns wichtig, dass sich die öffentliche Hand diesen Maßnahmen nicht entziehen kann und darf. Wir alle wissen, welche Vorbildfunktion gerade öffentliche Gebäude und die öffentliche Hand hat. Das ist hier auch weitgehend Konsens. Hierin ist für uns die Schwäche zu sehen.

Über die Schwächen im Gesetz und in den Anwendungsfeldern werden wir im Beratungsverfahren sprechen. Ich freue mich sehr auf die Diskussion, zumal die Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP in Baden-Württemberg ein viel visionäreres Ziel, was den Klimaschutz angeht, in ihren Landtag eingebracht und unterstützt haben. Sie können mit konkreten Maßnahmen glänzen, ganz im Gegenteil zu den hier Versammelten. – Schönen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Stinka. – Jetzt redet für die FDP-Fraktion Herr Kollege Brockes.