Wir müssen leider feststellen: Die Antworten auf die beiden Großen Anfragen der SPD-Fraktion durch die Landesregierung sind Ausdruck einer wirtschaftspolitischen Gleichgültigkeit. Lieblos ist eine Bezeichnung, die man für die eine oder andere Antwort mit Sicherheit wählen muss, Frau Thoben. Offensichtlich ist das Interesse, diese wichtige Branche genau zu definieren, zu analysieren und zielgenau zu stärken, eben nicht ausgeprägt.
Die Beantwortung unserer Großen Anfragen wäre auch eine Chance für die Landesregierung gewesen, hier konzeptionell Impulse zu setzen. Wir haben nämlich diese Großen Anfragen mit den Akteuren von der Forschung über die Entwicklung, von der Produktion bis hin zu den Beschäftigten erarbeitet. Wir haben Grundlagen geschaffen, die auch Grundlagen für Ihre politische Arbeit hätten sein können, nein, hätten sein müssen, meine Damen und Herren.
Auch die Stellungnahmen der Sachverständigen im Rahmen der Anhörung des Antrags von Bündnis 90/Die Grünen haben mehr als deutlich gemacht, dass eine Neukonzeption der Branchenförderung im Bereich des Automobilsektors erforderlich ist. Die Ausführungen der Sachverständigen haben deutlich gemacht, dass der NRW-Ziel2-Wettbewerb keine zielführende Strategie zur Stärkung des Sektors darstellt.
Zur Neustrukturierung bei Opel in Bochum: Da gibt es Gott sei Dank gute Nachrichten für die Kolleginnen und Kollegen, gerade mit Blick auf das, was in den letzten Tagen erschienen ist. Diese guten Nachrichten gibt es auch deswegen, weil die Werksleitung gemeinsam mit Betriebsrat und Beschäftigten ein schlüssiges Konzept hat entwickeln können.
Aber ungeachtet dessen: Die Neustrukturierung bei Opel in Bochum und die bei Karmann gefährdeten Arbeitsplätze zeigen, dass unabhängig von der konjunkturellen Situation in der Automobil
Da zeigen sich auch Schwächen und Auffälligkeiten einzelner Hersteller. Wir erkennen: Da, wo der Anteil von Forschung und Entwicklungsleistung am Fahrzeug relativ schwach ausfällt, können Produktionsstandorte schnell kippen. Das ist ein Auftrag an die Politik, an uns im Landtag und an die Landesregierung, hier die notwendigen Schlüsse und Schlussfolgerungen zu ziehen.
Deswegen appellieren wir an Sie: Nutzen Sie die Automobilindustrie als Fortschrittsmotor für Nordrhein-Westfalen! Wir haben die Chance, Nordrhein-Westfalen als Modellland für die beiden Megatrends, die die Innovationskraft der deutschen Automobilindustrie herausfordern, positiv aufzugreifen.
Ich rede von der anhaltenden Verstädterung, und ich rede vom Klima- und Umweltschutz. Das Land Nordrhein-Westfalen sollte seine Wirtschafts- und Innovationspolitik in den Dienst der nationalen Zielvorgaben der Bundesregierung zur Senkung der Schadstoffemissionen stellen. Der Klimaschutz, gutes Klima, Kolleginnen und Kollegen, ist einer der industriepolitischen Megatrends der kommenden Jahre und Jahrzehnte. Hier können wir beispielhaft vorangehen. Das kann unseren Standort nachhaltig stärken.
Unsere Stärken liegen – das haben wir ermitteln können – im Bereich neue Werkstoffe und Antriebe. Nordrhein-Westfalen kann zur Führungsregion für den Einsatz der Brennstoffzelle werden, wenn wir jetzt die Weichen stellen. Das gleiche gilt für die Batterieforschung.
Was macht die Landesregierung? – Frau Thoben, Sie werden versuchen, Antworten zu geben. Aber die Landesregierung stellt 2008 im Zuge des Wettbewerbs „Automotive.NRW“ Mittel von 4 Millionen € bereit.
Überdies – das ist ein wirklich interessanter Aspekt – nimmt die Landesregierung keine eindeutige Eingrenzung des Förderspektrums vor. Schauen Sie sich doch einmal an, was Sie fördern wollen. Gefördert werden können die Entwicklung von Antriebssystemen ebenso wie die Verbesserung von Sicherheitssystemen und die Wiedernutzbarmachung von Industriegeländen.
dass alle mittelbar und unmittelbar mit dem Automobil in Verbindung stehenden Projekte gefördert werden könnten. Das ist – und das sollten Sie sich auf der Zunge zergehen lassen – eine echte Gießkannenpolitik von CDU und FDP.
Die Anhörung hingegen hat verdeutlicht: Ein Schlüssel für Innovation im Bereich des Automobils liegt in interdisziplinären Forschungsprojekten zwischen mittelständischen Unternehmen auf der einen Seite und Forschungsinstitutionen auf der anderen Seite. Hier hat die Landesregierung keine Aktivierungsstrategie, mit der die bestehenden lokalen und regionalen Netzwerke zu neuen themenbezogenen Projekten angeregt werden können.
Hier ist eine Menge zu tun. Hier liegt viel Potenzial für Innovation. Das ist ein Zukunftsfeld für Nordrhein-Westfalen. Wir haben es erkannt. Bündnis 90/Die Grünen gehen in die richtige Richtung und haben hier wichtige Akzente gesetzt. Deswegen fordern wir unter anderem die Landesregierung auf, Fördermittel für Entwicklung und Produktion in der Automobilbranche an kleine und mittelgroße Unternehmen zu vergeben. Die Forschungspolitik im Bereich Automotive muss als strategische Standortpolitik begriffen und deshalb neu ausgerichtet werden.
Meine Damen und Herren, liebe Kollegen und Kollegen, die automobile Wertschöpfungskette ist für NRW zu wichtig, um damit weiterhin so umzugehen. Wir haben die Chance, den Fortschrittsmotor Automobil für Nordrhein-Westfalen zu entwickeln. Der Ball liegt bei Ihnen. Sie können die Chancen nutzen. Wir haben hier die richtige Vorarbeit geleistet. – Herzlichen Dank meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Vielen Dank, Herr Kollege Eumann. – Für die CDU-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Dr. Petersen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Automobilindustrie in NRW ist in der Tat – das klang eben an – ein bedeutender und hoch innovativer Wirtschaftszweig. NRW gehört auch zu den bedeutendsten Automobilstandorten in Europa.
Was allerdings vorhin angeklungen ist, ist eine aus unserer Überzeugung völlig verfehlte Zusammenführung dessen, was Wirtschaftsunter
nehmen der Automobil- und Automobilzulieferindustrie leisten, mit politischen Forderungen und Vorgaben, die damit überhaupt nichts zu tun haben.
Richtig ist, dass Nordrhein-Westfalen ein wichtiger Produktionsstandort sowohl für internationale wie auch für nationale Unternehmen ist. Einige Namen sind genannt worden. Richtig ist ebenfalls, dass viele mittelständische Unternehmen der Automobilzulieferindustrie und des Dienstleistungsbereichs hier tätig sind. Über 200.000 Beschäftigte arbeiten bei fast 1.000 Unternehmen, Hersteller- und Zulieferunternehmen.
Aber richtig ist auch, dass 85 % in der Tat kleine und mittelständische Unternehmen sind. Ihnen sollte in erster Linie unsere Förderung und Aufmerksamkeit gelten.
Die deutsche Automobilindustrie steht vor großen Herausforderungen: Globalisierung der Märkte – das ist schon genannt worden –, Erreichung von Klimaschutzzielen und vieles mehr. Sie hat auch die beste Chance, sich diesen Herausforderungen erfolgreich zu stellen. Insofern ist es nicht erforderlich, dass der Staat, die Politik – in welcher Weise auch immer –, regulierend eingreift, sondern in erster Linie müssen sich die Unternehmen im Wettbewerb diesen Herausforderungen stellen.
Sie sind zum Beispiel – das klang eben überhaupt nicht an – auf exzellente Fachleute angewiesen. Selbstverständlich ist es für diese Branche von entscheidender Bedeutung, gut ausgebildeten Nachwuchs zu bekommen. Die nordrhein-westfälische Landesregierung und die sie tragenden Parteien haben hier in den letzten Jahren verschiedene Aktivitäten gestartet, um einem möglichen Mangel an Fachleuten entgegenzuwirken.
Damit der Sektor auch in Zukunft seine Stärken voll entfalten kann, ist die Politik schon gefordert. Sie ist allerdings nicht gefordert, wie Sie es hier zum Teil angedeutet haben, beliebig Geld zu verteilen oder Wettbewerbe oder Ähnliches auszurufen, sondern es muss ganz gezielt gefördert werden.
Ich will auf ein Thema hinaus, das Sie nur am Rande angedeutet haben, nämlich den Wettbewerb „Automotive.NRW“. Wenn Sie sich diese Unterlage einmal in Ruhe angesehen hätten, hätten Sie zum Beispiel festgestellt, dass kleine und mittlere Unternehmen, KMUs, in der Tat zur Teilnahme daran eingeladen sind.
Das ist wirklich sehr merkwürdig. Ich weiß nicht, wer diesen Entschließungsantrag geschrieben hat, aber derjenige hat sich vor allem nicht mit den Fakten und den bereits vorliegenden Wettbewerben auseinandergesetzt.
In Ihrem Entschließungsantrag wird zum Beispiel auch gefordert, man möge sich a) ausschließlich auf Innovationen und b) vor allem auf emissionssenkende Maßnahmen zur Schonung des Klimas konzentrieren. Es gibt im Automotivebereich noch eine Vielzahl anderer Dinge, zum Beispiel auch Sicherheitsaspekte, die von mindestens genauso großer Bedeutung sind und insofern auch zu Recht gefördert werden.
Insofern bedienen Sie sich einer in Deutschland und NRW starken Branche, um dann daraus irgendwelche aus unserer Sicht nicht nachvollziehbare Forderungen in einem Entschließungsantrag abzuleiten, der sich entweder schon von vorneherein selber erledigt hat oder der Forderungen aufstellt, die schlicht und einfach inhaltlich falsch sind. Wenn man sagt, es muss NRW sein, es muss innovativ sein und es muss emissionssenkend sein, dann können Innovationen dort überhaupt nicht Platz greifen, weil Innovationen schlicht und einfach auch branchenübergreifend, länderübergreifend und international stattfinden.
Das Land NRW, die Landesregierung hat in den vergangenen Jahren eine Menge gemacht. Sie hat unter anderem auch – ich hatte es eben angesprochen – diesen Wettbewerb „Automotive.NRW“ ins Leben gerufen. Wir halten ihn für richtig. Wir haben den gesamten Automobilbereich, das gesamte Cluster zu stärken und für den internationalen Wettbewerb fit zu machen. Das geht nicht über ein Stückwerk, wie Sie es hier fordern.
Die Automobilindustrie hat insofern beste Chancen, den Strukturwandel erfolgreich zu bestehen. Wir begleiten dies, die Landesregierung auch, und unterstützen sorgfältig, aber angemessen. Ihrer überflüssigen Entschließungsanträge bedarf es nicht. Wir werden sie ablehnen. – Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren! Wenn wir uns heute über die Automobilindustrie unterhalten, dann waren sicherlich die Anhörung der Sachverständigen und die schriftlichen Stellungnahmen, die wir dazu erhalten haben, außerordentlich interessant und aufschlussreich. Insofern, Herr Kollege Eumann, hat mich auch ein bisschen gewundert, dass Sie heute hier das Wort ergriffen haben. Denn wenn ich es richtig weiß, haben Sie an der Anhörung gar nicht teilgenommen.
Meine Damen und Herren, ich bin nämlich überzeugt, dass jeder, der dieser Anhörung beigewohnt hat, Neuigkeiten über den Automobilsektor im Allgemeinen und über die Situation der Hersteller, der Zulieferer und der Forschungsaktivitäten an den Hochschulen in unserem Land erfahren hat.
Was mich besonders gefreut hat, ist die Tatsache, dass sich die deutschen Volumenhersteller keinesfalls hinter der viel gepriesenen japanischen Konkurrenz verstecken müssen. Das Öko-Label haftet Toyota nämlich zu Unrecht an. Deren Autos weisen einen höheren Flottenverbrauch auf als zum Beispiel die von General Motors, zu denen ja Opel gehört, Ford oder Volkswagen. Nicht die Ingenieure sind also besonders kreativ, sondern die Marketingexperten der Japaner. Es besteht folglich keinerlei Veranlassung, für Autos des japanischen Herstellers zu werben.
Gleichwohl müssen wir den Herstellern verdeutlichen, dass sie den Kraftstoffverbrauch ihrer Fahrzeuge weiter senken müssen. Dies darf allerdings nicht zulasten der Sicherheit der Autos gehen. Die Europäische Union hat für das Jahr 2020 einen Zielwert von 120 g CO2 je Kilometer vorgegeben. Meine Damen und Herren, 130 g müssen durch effizientere Motorentechnik, Leichtbauweise und sonstige kraftstoffreduzierende Maßnahmen erreicht werden. Der Rest soll den Fahrzeugen über die Anrechnung von biogenen Kraftstoffen gutgeschrieben werden.
Hierzu sollte man wissen, dass es aus wirtschaftlichen Erwägungen nicht darstellbar ist, während der laufenden Produktion tiefgreifende Eingriffe in die gesamte Konzeption des Fahrzeugs – und nichts anderes verlangt ein Grenzwert von 130 g – vorzunehmen.
Die Zulieferer – und davon haben wir sehr viele gute hier in Nordrhein-Westfalen –, die der eigentliche Innovationsmotor im Automotivebereich sind und die mit ihren Produkten in besonderem Maße für zukünftige Reduktionen sorgen werden, haben mit einem besonderen Problem zu kämpfen. Deren Innovationszyklen sind nämlich bedeutend länger als die der Automobilhersteller. Es braucht ungefähr fünf Jahre, bis das erste Produkt irgendwo in kleiner Serie, meist bei Sportwagen oder im Premiumsegment, zur Marktreife gelangt.