Protokoll der Sitzung vom 19.12.2007

Schließlich: Der DGB NRW hat ganz klar gesagt, dass zum Stichtag 30. September 2007 insgesamt 48.000 junge Menschen in NRW keinen Ausbildungsplatz hatten. Das ist die reale Situation.

Der vielbeschworene gelungene Ausbildungskonsens ist eine Seifenblase, und zwar sowohl bundes- als auch landesweit. Noch einmal Herr Guntram Schneider vom DGB:

Laut Deutschem Jugendinstitut sind 28 % der jungen Menschen bis 25 Jahre in NRW ohne beruflichen Abschluss – der höchste Wert bundesweit. Dieser Anteil, der sich auf die versicherungspflichtig Beschäftigten und die gemeldeten Arbeitslosen bezieht, liegt bundesweit bei 22 %.

Das heißt, Sie sind hier in Nordrhein-Westfalen deutlich schlechter. Was das in heutigen Zahlen für betroffene Jugendliche bedeutet, können Sie sich ausmalen.

Meine Schlussfolgerungen lauten: Notwendig ist ein ehrlicher Umgang mit der Ausbildungsstatistik, um die Wirklichkeit der tatsächlichen Ausbildungssituation abzubilden. Geschieht dies ohne Schönrederei, offenbart sich schnell, dass der Ausbildungskonsens gescheitert ist.

Ich und die Linke fordern deshalb, dass Betriebe, die nicht ausbilden, endlich zahlen müssen. Es muss eine Ausbildungsplatzumlage her, und zwar von den zwei Dritteln der nicht ausbildenden Betriebe, um mehr Ausbildungsplätze für alle Jugendlichen zu finanzieren. Es muss das Recht auf einen Ausbildungsplatz geben, und zwar für jeden Jugendlichen. Last but not least: Allein die im öffentlichen Dienst gegenüber dem Vorjahr um 8,8 % gesunkene Ausbildungsquote zu steigern, wäre für die Landesregierung eine angemessene Aufgabe. Das ist das Einzige, was Sie hier ganz konkret machen können. Alles andere ist Konjunk

tur. Und wir werden sehen, wie sich das in den nächsten Jahren fortsetzt. Sie haben sich hier ein absolutes Negativzeugnis ausgestellt.

Danke schön, Herr Sagel. – Es spricht für die Landesregierung noch einmal Herr Minister Laumann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es mag ja sein, dass man mit Statistiken das eine oder andere belegen kann und dass prozentuale Steigerungsraten so oder so zu begründen sind. Aber verständigen wir uns doch einmal darauf, dass wir über die abgeschlossenen Ausbildungsverträge reden.

Im Jahre 2005 gab es im Land NordrheinWestfalen 111.000 abgeschlossene Ausbildungsverträge. Im vorigen Jahr gab es in NordrheinWestfalen 116.000 abgeschlossene Ausbildungsverträge. Und jetzt gibt es 132.000 abgeschlossene Ausbildungsverträge.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn Sie sagen, wir kommen von einem geringen Niveau, dann ist das wahr: Die 111.000 im Jahre 2005 – die Schlussbilanz von Rot-Grün – war ein niedriges Niveau!

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist wahr. Aber wir haben es dann doch kontinuierlich gesteigert.

Der zweite Punkt, den ich gerne einmal nennen will, ist: Das Land Nordrhein-Westfalen ist an der geschilderten Entwicklung beteiligt, und zwar – noch einmal und in aller Ruhe – mit 800 Ausbildungsplätzen im dritten Weg. Das ist eine modulare Ausbildung für ganz Schwache, bei der wir die Berufsbilder in Teilabschnitte zerlegt haben, bei der die jungen Leute einen Ausbildungsvertrag mit einem Träger – das heißt, mit einem Bildungsinstitut – abschließen, bei der sie lange Praktika in den Betrieben machen und bei der wir im Ganzen fünf Jahre für die Lehrzeit ansetzen. Denn wir sagen: Die, die nicht so gut lernen können, sollen mehr Zeit haben, oben anzukommen.

(Beifall von der CDU)

Das sind Ausbildungsplätze, die ausschließlich über den Landeshaushalt finanziert werden. 800! Wir werden auch im nächsten Jahr wieder 800 solcher Plätze schaffen, weil wir gesehen haben, dass sich dieses Instrument bewährt hat – weil die

jungen Leute nicht abbrechen, weil sie durchhalten und weil sie sich gut entwickeln.

Diesen dritten Weg – um das einmal ganz ruhig zu sagen – hat es unter Ihnen nicht gegeben. Den haben wir eingeführt. Denn ich habe gesagt: Ich will, dass Kinder, die nicht so gut lernen können, mehr Zeit zum Lernen haben. Das ist doch auch in Ordnung. Schauen Sie, in der Lehre ist das so: Die Gesellenprüfung muss man nach drei bis dreieinhalb Jahren ablegen; da werden alle jungen Leute durch eine Schablone gepresst. Für die meisten passt sie auch. Bei den Studenten ist das so: Der eine studiert 8 Semester, der andere 12 Semester, und die Linken studieren meistens 18 Semester, aber irgendwo kommen sie oben an.

(Beifall von CDU und FDP -Widerspruch von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Jetzt sage ich Ihnen: Warum sollen wir das denn in der Ausbildung nicht auch so machen, dass diejenigen, denen das Lernen schwerer fällt, mehr Zeit haben, das Ziel zu erreichen? Das ist eine Idee, die wir jetzt umsetzen.

Dann haben wir über das Lehrstellenprogramm ca. 3.000 Ausbildungsplätze geschaffen. Das kostet uns jedes Jahr ca. 30 Millionen €. Pro Lehrling in dieser Ausbildung sind das 10.000 € im Jahr.

Dann haben wir 1.400 junge Leute in die Altenpflegeausbildung genommen.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Das heißt, wir haben auf der Payroll meines Ministeriums allein an richtig eingetragenen Lehrstellen zurzeit 5.200.

(Beifall von CDU und FDP)

Davon ist nichts von der BA, sondern alles vom MAGS.

Zusätzlich haben wir in den Berufsschulen dafür gesorgt haben, dass in einigen kaufmännischen Bereichen die jungen Leute bis zur Gesellenprüfung gebracht werden, ohne dass sie das Duale System belasten.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Belasten?)

In dieser Ausbildung, die es vorher gar nicht gegeben hat, befinden sich zurzeit weitere 1.000 Leute. Das sind schon 6.200.

Dann haben wir, wie Sie wissen, bei den Bergwerken noch einmal die 220, die die Bergwerke nicht mehr eingestellt haben. Ich denke, dass wir das im Januar voreinander haben. Sie werden ausschließlich über das MAGS finanziert.

Sich dann hier hinzustellen und zu behaupten, Minister Laumann, die Landesregierung und das Ministerium hätten mit dieser Entwicklung nun wirklich gar nichts zu tun, ist irgendwie nicht ganz in Ordnung.

(Zuruf von Manfred Kuhmichel [CDU])

Die Wahrheit ist, dass wir auf jeden Fall ein Drittel dieses Zuwachses ausschließlich durch die politischen Programme des Landes erreicht haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Dabei wiederum handelt es sich ausschließlich um Programme des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

(Beifall von der CDU)

Das sind ausschließlich Programme, die es zu Ihrer Zeit noch gar nicht gegeben hat, weil Sie in Modellprojekte verliebt waren, die tausendmal in Nordrhein-Westfalen stattgefunden und am meisten denjenigen geholfen haben, die in diesen Modellprojekten gearbeitet und sie selber veranstaltet haben. Das war Ihre Politik in diesem Bereich.

(Beifall von CDU und FDP)

Die anderen gut 10.000 haben wir über die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Als wir uns vor einem Jahr im Landtag über Ausbildung unterhalten haben, war Ihre Antwort: Knebelt die Wirtschaft. Macht eine Ausbildungsplatzumlage. Macht einen Zwang zur Errichtung von Lehrstellen. – Ihre Politik war nicht von Vertrauen, sondern von Misstrauen bestimmt.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Rüdi- ger Sagel [fraktionslos])

Wir haben ganz bewusst einen anderen Akzent gesetzt, indem wir dafür gesorgt haben, dass in der Wirtschaft Ausbildung attraktiver wird. Ich habe eben das Beispiel Berufsschule genannt und gesagt, dass wir uns erhebliche Mühe geben, auch die schwierigen Jugendlichen beim Übergang von der Schule zum Beruf zu begleiten – lange Jahre über Programme des MAGS, Gott sei Dank heute über Programme der Bundesagentur für Arbeit und des Schulministeriums, sodass wir uns mit unserem knappen Geld aus der Finanzierung zurückziehen können.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Aber das ist ein Beispiel dafür, dass das MAGS in Nordrhein-Westfalen die Dinge anstößt, die später von anderen kopiert und weitergeführt werden. Es ist gut, wenn die Ausbildungsprogramme, die jetzt das MAGS finanziert, im nächsten Jahr von der

Bundesagentur für Arbeit finanziert werden. Von der nordrhein-westfälischen Arbeitsmarktpolitik zu lernen, heißt, innovativ zu sein. Das gönne ich der Bundesagentur für Arbeit von ganzem Herzen. – In diesem Sinne schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP – Norbert Kille- wald [SPD]: Der hätte jeden Matheschein nicht geschafft! – Rüdiger Sagel [fraktions- los]: Der war ja auch zu blöd zum Studieren!)

Danke schön, Herr Minister. – Herr Schmeltzer hat sich noch gemeldet.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist selten, dass ich Herrn Brockes dadurch erstaunt habe, dass ich nicht laut geworden bin, aber da hat der Herr Minister in seinem ersten Wortbeitrag massiv aufgeholt, den Sie dann bei Ihrer Kritik vergessen haben.

Lassen Sie mich nur noch wenige Worte zu dem sagen, was hier eben ausgeführt worden ist. Der Minister hat darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung nichts tut, und sie aufgefordert, etwas zu unternehmen. Ihm scheint dabei entgangen zu sein, dass im Sommer dieses Jahres einiges vom Kabinett dieser Bundesregierung auf Initiative des Bundesarbeitsministers Franz Müntefering auf den Weg gebracht wurde.

(Minister Karl-Josef Laumann: Was denn?)

Ich spreche nur die Arbeitgeberzuschüsse, den Eingliederungszuschuss und den Qualifizierungszuschuss an. Im Gegensatz zur Landesregierung hat die Bundesregierung für die nächsten drei Jahre den Ausbildungspakt und im Rahmen dessen das Sonderprogramm Einstiegsqualifizierung Jugendlicher – EQJ – gesichert. Sie hingegen ziehen sich nach einem Sonderprogramm 2006 im Jahre 2008 sofort wieder aus der Verantwortung heraus.