Protokoll der Sitzung vom 24.01.2008

Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, 82. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich elf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir haben Geburtstagskinder unter uns. Geburtstag feiern heute Barbara Steffens – herzlichen Glückwunsch, Frau Kollegin! –

(Allgemeiner Beifall)

und Wolfgang Jörg; er wird heute 45 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch!

(Allgemeiner Beifall)

Wir treten in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Aktuelle Stunde

PFT-Umweltskandal: Schwere Manipulationsvorwürfe gegen Minister Uhlenberg

Antrag

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 14/6048

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit Schreiben vom 21. Januar 2008 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu diesem aktuellen Thema der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner Herrn Remmel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön, Herr Remmel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines kann ich Ihnen direkt am Anfang versprechen: Die heutige Debatte über das Thema PFT wird nicht die letzte sein. Deshalb nicht „PFT von A bis Z“, sondern es geht heute zentral um die Vorwürfe gegen den zuständigen Minister. Hier und jetzt ist Gelegenheit, Ihre Gelegenheit, sich den schwerwiegenden Anwürfen zu stellen. Aber bitte keine Ausflüchte! Lassen Sie doch den Kampagnenvorwurf: die bösen Grünen Arm in Arm mit bösen Journalisten, die dem netten und lieben Minister

was wollen! Lassen Sie diese Vorwürfe einfach stecken! Ihr Dauerverweis auf Frau Höhn hilft heute auch nicht weiter.

Es geht um Ihre Verantwortung. Die üblichen Lobeslitaneien Ihrer guten Taten schaffen auch keinen einzigen Vorwurf aus der Welt. Die zentrale Frage ist und bleibt: Wer sind die Verursacher der PFT-Belastung in der gesamten Ruhr und damit auch der des Trinkwassers von 5 Millionen Menschen?

(Beifall von den GRÜNEN)

Was sind die Vorwürfe?

Erstens. Informationen werden verweigert und verheimlicht. Warum, Herr Minister, ist eigentlich der Maulkorberlass an alle nachgeordneten Behörden einschließlich der Kreise und kreisfreien Städte mit ausdrücklichem Bezug auf meine Person immer noch in Kraft? Warum haben Sie bis heute die industriellen Indirekteinleiter nicht genannt? Warum werden die Angaben über die belasteten Flächen nicht veröffentlicht? Warum müssen Journalisten ihre Informationsrechte über Verwaltungsgerichte einklagen? Warum haben Sie als Minister teure Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, die klären sollen, ob Abgeordnete bestimmte Informationen zu Ablaufwerten von Kläranlagen überhaupt bekommen dürfen? Und all das geschieht zu Zeiten von Informationsfreiheitsrecht und gestärkten Umweltinformationsrechten.

Zweitens. Daten werden frisiert, vertuscht und als Halbwahrheiten verbreitet. Warum zum Beispiel sind Ergebnisse einer umfangreichen Bodenuntersuchung von über 300 Flächen auf PFT im Kreis Soest nur in einer einzigen Zeile zusammengefasst veröffentlicht? Warum übermitteln Sie dem Parlament auf umfangreiche Kleine Anfragen meiner Fraktion am 20. Dezember bearbeitete Tabellen mit Durchschnittswerten über die PFTBelastung bei Kläranlagen? Fast zeitgleich bekommt ein Journalist die Original-Rohdaten der Bezirksregierung Arnsberg.

Warum brauchen Abgeordnete bevormundete Interpretationshilfen? – Durchschnittswerte, meine Damen und Herren, sollen den Blick auf Spitzenbelastungen verstellen. Warum, Herr Minister, werden Messergebnisse der Frachtenbelastung in Brilon-Scharfenberg einfach ausgeblendet? Und warum lässt das Ministerium ganze Frachtenbetrachtungen kleiner Belastungen – immerhin 40 g in der Gesamtbelastung – einfach unter den Tisch fallen?

Drittens. Daten werden manipuliert und Falschmeldungen werden verbreitet. Mit der Veröffentli

chung vom 20. Dezember 2007 verkündet der Umweltminister, die PFT-Belastung in der Ruhr habe um 68 g abgenommen, im Vergleich zur Gesamtbelastung von 215 g. Diese Meldung ist eindeutig falsch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bei genauer Analyse der Daten wird deutlich: Die Frachten sind zwar an einigen Stellen gesunken, an anderer Stelle sind wie jedoch entsprechend angestiegen. Es ist also ein Nullsummenspiel. Dies wird aber in der Information an die Öffentlichkeit und an den Landtag einfach weggelassen.

Geradezu skandalös ist die Pressemitteilung von Minister Uhlenberg vom 21. Januar 2008. Dort wird behauptet, die Gesamtfrachtbelastung der Ruhr betrage 147 g pro Tag. Uns liegen allerdings Daten des Ruhrverbandes vor, vom 9. Januar 2008: Am Messtag 10. Dezember 2008 beträgt die Gesamtbelastung der Ruhr 607 g.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Hört, hört!)

Also vier Mal so viel wie die offizielle Angabe des Ministers und über 25 Mal so viel wie die angeblich in Rede stehende, noch nicht sanierte Fläche in Brilon-Scharfenberg.

(Beifall von den GRÜNEN)

Viertens. Wesentliche Hauptverursacher werden geschont und Trinkwasserverschmutzung wird in Kauf genommen. Seit über 20 Monaten ist der PFT-Umweltskandal in NRW immer noch nicht aufgeklärt. Aber warum werden Ruhrverband und die PFT-Betriebe, die fast täglich PFT in einer Größenordnung von 250 g in die Ruhr abgeben, seit 20 Monaten geschont? Warum werden Daten verheimlicht und nicht herausgegeben?

Noch im August 2007 hält Minister Uhlenberg die Größenordnung der Belastung durch die Kläranlagen für eine einprozentige Hintergrundbelastung. Sogar noch in der Antwort auf eine Kleine Anfrage im Januar 2008 führt der Minister aus, dass wesentliche Teile der Belastung der Gewässer von den beaufschlagten Flächen stammen.

Uns wird jetzt klar – das ist der eigentliche Kern des Skandals und unserer Vorwürfe –: Die Belastung durch die Kläranlagen und damit auch durch die Indirekteinleiter sind dem Minister seit Dezember 2006 bekannt. Das heißt, zu einem Zeitpunkt, als der Minister öffentlichkeitswirksam die Sanierung der Flächen in Brilon-Scharfenberg eingeleitet und gleichzeitig die Wasserwerke ihre provisorischen PFT-Filter eigenmächtig abgeschaltet haben, lässt er – wohl wissend, dass die Kläranlagen Hauptverursacher sind – über ein

Dreivierteljahr lang tatenlos PFT in das Trinkwasser von Millionen Menschen im Ruhrgebiet gelangen.

Ich meine, Herr Minister, es wird Zeit, dass Sie für alles das jetzt endlich die Verantwortung übernehmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Remmel. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Ortgies.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden heute zum wiederholten Male über das Steckenpferd von Herrn Remmel, über das Thema PFT. Herr Remmel, Sie haben eben angekündigt, dass Sie vorhaben, das noch einige Male im Parlament zu thematisieren.

Sie reden von Skandalen, von Verharmlosung, von Falschmeldung, von Irreführung. Es ist immer wieder dieselbe Leier, die abgezogen wird. Sie wollen eine parlamentarische Show abziehen, die zur Verunsicherung der Menschen führen soll.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wir kümmern uns um die Menschen!)

Vor allen Dingen geschieht das alles, ohne die Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Denn Fakt ist: Es besteht keine Gesundheitsgefahr. Das Herbeireden eines Skandals geht ins Leere. Wir werden diese Aktuelle Stunde nutzen, um aufzuklären und nicht weiter zu verunsichern, wie Sie das tun. Sie versuchen immer wieder, Umweltminister Uhlenberg zu diskreditieren und persönlich anzugreifen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Seine Arbeit, nicht seine Person!)

Sie tun so, als hätte Eckhard Uhlenberg persönlich das PFT auf den Acker gekippt. Was Sie hier abziehen, ist schon skandalös.

(Beifall von der CDU)

Die gesamte Diskussion seit 20 Monaten ist daraus entstanden, dass ein kriminelles Unternehmen den Acker als Müllkippe missbraucht und Profit herausgeschlagen hat. Das müssen wir besonders hart kritisieren. Ich sage aber auch ganz klar, dass dieser Minister Uhlenberg NordrheinWestfalen zum Vorreiter bei der PFT-Bekämpfung gemacht hat. Kein anderes Bundesland ist in dieser Beziehung so weit wie wir. Sie brauchen nur ins Internet zu gucken, wie viele Veröffentlichungen zum Thema PFT gemacht worden sind.

Grund für die heutige Aktuelle Stunde ist ein Artikel der „Welt am Sonntag“ eines, wie man so schön sagt, gewöhnlich gut unterrichteten Journalisten mit den Vorwürfen an das MUNLV, es hätte verschiedene Daten manipuliert. Ich sage: Das ist falsch und eine verantwortungslose Verbrauchertäuschung. Ich werde gleich noch auf einige Punkte eingehen.

Mit diesem unverantwortlichen Theater schaden Sie auch dem Wirtschaftsstandort NRW und vielen mittelständischen Unternehmen, die PFT – das muss man einmal sagen – ganz legal benutzen dürfen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Haben Sie schon einmal etwas von Nachhaltigkeit ge- hört?)

Grundsätzlich muss man feststellen: PFT ist eine weltweit eingesetzte Substanz, die zum Beispiel in der Metallindustrie als Netzmittel benutzt wird, um Arbeitnehmer in galvanischen Betrieben vor giftigen Dämpfen zu schützen.

Die Anstrengungen des MUNLV bei der Bekämpfung von PFT haben Vorbildcharakter in Europa. Nordrhein-Westfalen hat als erstes Bundesland überhaupt Ablaufwerte von Kläranlagen untersucht, um Einleiter zu identifizieren. NordrheinWestfalen hat als einziges Land eine PFTDatenbank. In anderen Ländern wird erst gar nicht gemessen. Weiter möchte ich an das intensive Engagement erinnern, das Minister Uhlenberg beim Thema PFT an den Tag gelegt hat. Ich nenne die Arnsberger Vereinbarung und den Dialog „Wirtschaft und Umwelt“.