Protokoll der Sitzung vom 12.03.2008

Herr Kollege Remmel, ist Ihnen vielleicht aufgrund einer gewissen inneren Unruhe oder einer Unruhe im Hause entgangen, dass mein Kollege Papke gerade interpretationsfrei deutlich gemacht hat, dass sich die betreffende Region im Moment in einem Klärungsprozess befindet und die Landesregierung anstrebt, das alles im Einvernehmen mit den betroffenen Kommunen zu machen?

Damit verbinde ich folgende Frage: Sie haben eben Kritik an den Nutzungsmöglichkeiten in Naturschutzgebieten geübt. Die Koalition der Erneuerung hat es sich zum Ziel gemacht, Naturschutz nicht hinter einem Zaun zu verwirklichen, sondern mit Augenmaß mit den Menschen vor Ort zu betreiben, um dadurch eine viel größere Akzeptanz für den Naturschutz zu erreichen, als es bislang gelungen war.

Herr Kollege Ellerbrock, es ist eine sehr lange Frage gewesen. Darauf weise ich hin. – Herr Kollege Remmel, Sie haben das Wort.

In der Tat müsste man sich damit eigentlich länger auseinandersetzen. Bei den verklausulierten Fragen von Herrn Ellerbrock weiß ich ja, was er eigentlich damit meint. Für die FDP ist Naturschutz offensichtlich etwas, was abgegrenzt in einem zoologischen Garten stattfindet

(Widerspruch von Ralf Witzel [FDP])

mit einem Zaun drum herum, was man sich dann angucken kann. Wir reden hier aber über Wildnis in Nordrhein-Westfalen und über Artenschutz, wo man eben einmal nicht den menschlichen Eingriff an erster Stelle propagiert, sondern sich die Natur entwickeln lässt. Davon habe ich in Ihren Wortmeldungen nichts gehört. Insofern unterscheiden wir uns an diesem Punkt sehr deutlich und haben ein anderes Verständnis.

Ich gehe aber davon aus, dass sich Ihr Verständnis auch diametral vom Verständnis der 5.000 Teilnehmer an der Weltartenschutzkonferenz unterscheidet.

Insofern wünsche ich Ihnen mit Ihrer Position dort viel Spaß. Jedenfalls wird sie nicht reüssieren. Wir wollen in der Fachdebatte den Antrag sehr kritisch begleiten. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD Kollegin Wiegand das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit Ihrem Antrag „Biodiversität in NordrheinWestfalen bewahren“ haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU, im wahrsten Sinne des Wortes den Vogel abgeschossen.

(Beifall von der SPD)

Es ist schon ein starkes Stück, wie Sie hier versuchen, mit Ihrem „Softantrag“ davon abzulenken, dass Sie es in Einzelfällen, wie zum Beispiel beim Kormoran, mit der Biodiversität gar nicht so eng nehmen und unliebsamen geflügelten Bewohnern Nordrhein-Westfalens wie zum Beispiel diesem Kormoran an die Federn wollen.

Studien belegen, dass der Kormoran bis ins Mittelalter auch in Nordrhein-Westfalen heimisch war. Dann wurde er im europäischen Binnenland praktisch ausgerottet und gehörte bis Ende der 70er-Jahre zu den hochrangig gefährdeten Vogelarten. Dank des europaweiten Jagdverbotes konnte er seinen früheren Lebensraum in Deutschland und auch in Nordrhein-Westfalen wiederbesiedeln.

Was Hänschen schon in der Schule lernen sollte, zeigt sich auch hier. Da das Nahrungsangebot die Populationsdichte bestimmt, steigt die Zahl der Kormorane auch hier in Nordrhein-Westfalen schon seit Jahren nicht mehr richtig an. Aber da hat der Hans von CDU und FDP wohl in der Schule nicht richtig aufgepasst.

(Zuruf von der CDU: Doch, haben wir!)

Fest steht jedenfalls, dass die sogenannte letale Vergrämung einer Tierart keine Lösung ist, um die Biodiversität in Nordrhein-Westfalen zu erhalten. Wenn ein Bestand durch Abschuss reduziert wird, so erholt er sich schnell durch eine erhöhte Geburtenrate oder durch das Verbleiben von ursprünglich durchziehenden Tieren dieser Art. Hier wird also eine Sisyphusarbeit zulasten der Kormorane betrieben, die am Ende doch niemandem nützt.

Natürlich ist uns bewusst, dass ein Kormoranschwarm im Einzelfall einen erheblichen Schaden auf einen Fischteich verursachen kann. Daher gehen wir von der SPD-Fraktion nicht so weit wie Bündnis 90/Die Grünen, die die Außerkraftsetzung der Kormoranverordnung vom 2. Mai 2006 fordern.

Im Dialog mit den Fischereiverbänden halten wir es momentan noch für sinnvoll, dass wirtschaftlich genutzte Fischteiche von den Betreibern geschützt werden können. Aber eine Ausweitung der Kormoranverordnung, auch innerhalb von Schutzgebieten, lehnen wir von der SPD-Fraktion rigoros ab.

Ich sagte gerade, dass wir es momentan noch für sinnvoll halten, Fischteiche vor Kormoranen schützen zu können, denn noch fehlt ein Kormoran-Monitoring in Nordrhein-Westfalen. Wenn man sich die Beantwortung der Kleinen Anfrage von Herrn Unruhe und von mir zu diesem Thema ansieht, so scheint es dieses auch in absehbarer Zeit nicht zu geben, da zurzeit nur informelle Kontakte in Sachen Kormorane gepflegt werden und es keine landesübergreifenden Abstimmungen in dieser Sache gibt.

Also, werden Sie endlich aktiv. Setzen Sie sich mit den Beteiligten an einen Tisch und initiieren Sie ein Kormoran-Monitoring für einen besseren Schutz dieser Tiere.

(Beifall von der SPD)

Im Übrigen wundere ich mich über das anscheinend sehr zwiespältige Verhältnis des Umweltministeriums zum Kormoran. Auf der einen Seite wollen Sie diesen Vogel aufs Korn nehmen, auf der anderen Seite werben Sie auf Ihren Internetseiten für den Naturpark Hohe Mark mit der Besonderheit der ersten westfälischen KormoranKolonie in der Heubachniederung bei Dülmen als Zeichen einer artenreichen Flora und Fauna.

(Zuruf von Minister Eckhard Uhlenberg)

Was denn nun? Wird der bei Ihnen eingestellte Prospekt mit den Hinweisen für Wanderer, Reiter und Radfahrer nun um den Hinweis für Jäger „Möglichkeiten zur Kormoranjagd“ erweitert, oder wollen Sie diesen Naturpark zukünftig bewerben mit dem Hinweis „ehemals artenreiche Fauna“?

Sorge bereitet uns auch, ob der Kormoran nur das Versuchskaninchen für andere Tierarten ist, die Ihnen aufgrund ihres Speiseplans, ihres Aussehens oder sonstiger spezifischer Eigenarten nicht angenehm sind und daher von Ihnen zum Abschuss freigegeben werden sollen.

Haben Sie je darüber nachgedacht, ob es auch andere Möglichkeiten gibt, den Bestand von bestimmten Tieren mit tierschutzfreundlicheren Mitteln unter Kontrolle zu halten? Das Stadttaubenprojekt, das kürzlich den Tierschutzpreis NRW erhalten hat, erzielt große Erfolge mit der Geburtenkontrolle durch Gelegeaustausch. Warum verknüpfen Sie nicht diese Erfahrung aus solchen Projekten sinnvoll miteinander? Was bei den Stadttauben funktioniert, kann auch bei den Kormoranen klappen.

Außerdem ist allgemein bekannt, dass naturnahe Gewässer Fischbestände besser vor Vogelfraß schützen können als alle anderen von Ihnen angedachten Maßnahmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU, mit Ihrem Antrag zur Biodiversität in Verbindung mit der Kormoran-Verordnung haben Sie sich heute einen Bärendienst erwiesen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wiegand, auch für die Punktlandung, was die Redezeit angeht. – Als nächster Redner hat Herr Minister Uhlenberg für die Landesregierung das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Erhaltung der biologischen Vielfalt, der Biodiversität, ist eine zentrale Aufgabe menschlicher Daseinsvorsorge. Biodiversität ist die Basis für die Ernährung, die menschliche Gesundheit, technische Innovation, intakte Böden und Gewässer sowie das seelische Wohlbefinden der Menschen.

Die Landesregierung begrüßt ausdrücklich den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP, denn der befürchtete Verlust von Biodiversität hat weitreichende negative Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

Angesichts dieser Situation ist es wichtig, das öffentliche Bewusstsein für den Wert biologischer Vielfalt weiter zu stärken. Die Grundlagen hierfür sind bereits sehr gut. Nordrhein-Westfalen unternimmt darauf aufbauend zahlreiche Aktivitäten. So habe ich bereits im November 2007 stellvertretend für das Land Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit zahlreichen Partnern aus Wirtschaft, Verbänden und Kommunen im „Bündnis für die Natur“ den Countdown-2010-Deklarationsprozess unterzeichnet. Damit verpflichten sich mehr als 60

Partner unter dem Motto „Mensch, Natur, Heimat – Partnerschaften für natürliche Lebensvielfalt vor Ort“ zu über 80 freiwilligen Maßnahmen für die Erhaltung und Entwicklung der biologischen Vielfalt.

Lassen Sie mich einige Maßnahmen des Landes kurz nennen, da sie offensichtlich nicht bekannt sind:

Wir werden die Flächenkulisse des Projekts „Industriewald Ruhrgebiet“ um weitere Flächen ergänzen. Denn gerade die Biodiversität in unseren dicht besiedelten Ballungsräumen ist etwas Besonderes und findet auch auf europäischer Ebene zunehmende Beachtung. Ein Teil der während des Sturms Kyrill im Staatswald geworfenen Flächen wird nicht aufgeforstet, sondern der natürlichen Wiederbewaldung überlassen.

(Beifall von Johannes Remmel [GRÜNE])

Nicht zuletzt unterstützen wir es im Siebengebirge, das eine einzigartige biologische Vielfalt von landesweiter Bedeutung aufweist, in Ergänzung des bestehenden Nationalparks in der Eifel einen Nationalpark einzurichten. Hier unterscheiden wir uns in der Tat – darauf ist gerade schon hingewiesen worden, Herr Abgeordneter Remmel – sehr stark von der Vorgängerregierung, was das Thema Senne angeht. Sie sind damals dort eingeflogen, wollten in der Senne einen Nationalpark gegen die Menschen vor Ort durchsetzen, mit dem Ergebnis, dass dies gescheitert ist.

(Beifall von Bernhard Recker [CDU])

Wir gehen im Siebengebirge einen anderen Weg – mit den Menschen, mit den Kommunen. Die Initiative ist aus der Region gekommen. Das ist schon die Hälfte des Erfolgs. Von daher werden wir wohl erfolgreich sein.

Sie sind damals einen anderen Weg gegangen, weil sie vom Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern und davon, wie Umweltpolitik in NordrheinWestfalen umgesetzt wird, ein anderes Verständnis hatten. Gerade bei der Frage Siebengebirge und Senne kann man das sehr deutlich machen. Das Ergebnis war für Ihre Partei, Herr Abgeordneter Remmel – wenn ich das mal sagen darf – so, dass in der Region Paderborn nicht 7 oder 10 % gesagt haben: Jawohl, die Grünen müssen gestärkt werden. Ich glaube, Sie haben damals in der Region nur 3 % bekommen, weil insbesondere der Politikstil, Umwelt- und Naturschutzpolitik in Nordrhein-Westfalen zu betreiben, von der betroffenen Bevölkerung strikt abgelehnt worden ist.

(Beifall von CDU und FDP)

In diesem Jahr findet in Bonn die 9. UNNaturschutzkonferenz statt, in deren Mittelpunkt die Bemühungen um den Schutz der biologischen Vielfalt, der Biodiversität, stehen. Hier werden 5.000 Delegierte aus 190 Ländern über geeignete Maßnahmen und Konzepte zum Schutz der biologischen Vielfalt diskutieren. Als gastgebendes Bundesland wird sich Nordrhein-Westfalen durch einen Messestand und attraktive Begleitexkursionen für die Delegierten präsentieren.

Im Vorfeld der Konferenz bildet der bundesweite Länderaktionstag am 4. April dieses Jahres den Auftakt für zahlreiche Aktionen und Exkursionen rund um das Thema „Biologische Vielfalt“. Die Aktivitäten finden während des gesamten Jahres über das Land verteilt statt. Als Startsignal werde ich am 4. April im Landtag die Ausstellung „Mensch, Natur, Heimat – Biologische Vielfalt in Nordrhein-Westfalen“ eröffnen. Hier wird auch das Internetportal „natur-erleben.nrw.de“ vorgestellt.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Remmel?

Gerne.

Bitte schön, Herr Kollege Remmel.

Vielleicht können Sie, da Sie gerade die Aktivitäten der Landesregierung aufzählen, die Unklarheiten beseitigen. Ich war heute Morgen etwas irritiert. Uns ist gesagt worden, dass das Wirtschaftsministerium für die Begleitung dieser Artenschutzkonferenz durch die Landesregierung federführend zuständig sei. Ist das so?

Nein, Herr Abgeordneter Remmel, diese Information ist falsch. Zuständig ist auch nicht das Umweltministerium, sondern zuständig ist die Bundesregierung, die diese Konferenz zur Biodiversität in Bonn durchführt. Der Bundesumweltminister ist Gastgeber, aber das Land Nordrhein-Westfalen freut sich darüber, dass diese wichtige, weltweit anerkannte Konferenz bei uns in Nordrhein-Westfalen stattfindet. Deswegen hängen wir uns dort ganz aktiv hinein. Der nordrhein-westfälische Teil liegt natürlich in der Zuständigkeit des Umweltministeriums. Aber Gastgeber ist der Bundesumweltminister.

Auf das Thema „Natur erleben“ habe ich gerade hingewiesen. Ich möchte Sie jetzt schon einladen, an möglichst vielen dieser Aktionen teilzunehmen. Machen Sie Biodiversität in Nordrhein-Westfalen zu Ihrem Thema!