Kein weiteres parteitaktisches Fummeln an Wahlterminen durch FDP und CDU in NRW: Kommunalwahlen und Bundestagswahlen 2009 zusammen durchführen!
Ich eröffne die Beratung und erteile für die erste antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Körfges das Wort. – Bitte verlassen Sie den Saal ruhig und leise, damit der Redner Gehör findet. – Bitte schön, Herr Körfges.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann verstehen, dass die Koalitionsfraktionen bei dem Tagesordnungspunkt das Weite suchen. Ich würde das aber an ihrer Stelle aber nicht so ohne Weiteres tun, weil ich glaube, wir haben ein sehr wichtiges Thema auf die Tagesordnung gebracht.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wahlen sind Grundvoraussetzungen für ein demokratisches Gemeinwesen. Sie spiegeln den Willen von Wählerinnen und Wählern wider
und legitimieren Repräsentanten. Wegen dieser einzigartigen Bedeutung sind alle Änderungen bezogen auf Verfahren und Ablauf von Wahlen mit ausgesprochen strengen Maßstäben zu beurteilen. Diese ganz besondere Sensibilität im Umgang mit dem Thema Wahlen drückt sich besonders dadurch aus, dass vernünftige und verantwortungsvolle Politik es vermeidet, Wahlverfahren und Termine unter parteipolitischen Gesichtspunkten zu verändern.
In Nordrhein-Westfalen hat es über Jahrzehnte einen breiten Konsens zwischen den großen Volksparteien gegeben, Fragen im Zusammenhang mit Wahlen und Wahlterminen einvernehmlich zu regeln. Daran ändert auch die spaßige Anmerkung des Kollegen Jarzombek im Fachausschuss nichts, man habe ja bei den Wahlkreisen für die Landtagswahl getrickst. – Das ist erstens unrichtig und spiegelt zweitens ganz offensichtlich wider, unter welchem Vorzeichen Sie an die Sache herangegangen sind.
Die gegenwärtige Landtagsmehrheit verlässt mit dem Vorschlag, die Kommunalwahl für das Jahr 2009 vorzuziehen, zum wiederholten Mal den Weg der Gemeinsamkeit und folgt einseitig parteipolitischen Machtinteressen.
Sie haben schon bei der Entkopplung von Ratswahl und der Wahl von Hauptverwaltungsbeamten alle Bedenken – von daher ist Ihre Begründung scheinheilig, nicht mehr und nicht weniger –,
auch hinsichtlich eines zusätzlichen Wahltermins, außer Acht gelassen. Sie haben den Bürgerinnen und Bürgern in unregelmäßig wiederkehrenden Abständen zusätzliche Wahltermine beschert.
Darüber hinaus ist die Abschaffung von Stichwahlen auch im parteipolitischen Streit wider jede bessere Überzeugung und wider jede Regelung in einem anderen Bundesland von Ihnen als parteipolitischer Alleingang in Nordrhein-Westfalen durchgezogen worden. Jetzt setzen Sie dem Ganzen die Krone auf und tricksen bei dem Termin für die Kommunalwahl.
Die vorgeschobenen Begründungen lassen keinen anderen Schluss zu: Bei Ihnen steht die Verhinderung einer möglichst hohen Wahlbeteiligung im Vordergrund. Das kann man belegen; das kann man nachweisen. Dankenswerterweise werden gewisse Gespräche protokolliert; wir haben
Vermerke darüber. Ich meine den Vermerk vom 12. Juni 2007, als Herr Staatssekretär Brendel hohen Besuch von den Generalsekretären von FDP und CDU hatte. Da ist erörtert worden – wir können es gerne nachlesen; ich habe den Vermerk körperlich vorliegen –, wie es sich vermeiden lässt, die Bundestagswahl und die Kommunalwahl an einem Termin zu haben, und das nur aus parteipolitischem, egoistischem Interesse der FDP.
Dieser Vermerk ist auch juristisch richtungweisend, weil er eine gewisse Tiefe und Problemorientierung zeigt. Seinerzeit hat der ehemalige Kollege und jetzige Staatssekretär Brendel darauf hingewiesen, dass eine Verkürzung von Wahlperioden aus verfassungsrechtlichen Gründen ausscheidet.
Nun zitiere ich, wie Sie, verehrter Kollege Wüst, sich mit Ihrer Äußerung in dem Vermerk wiederfinden:
Außerdem verweist er auf mögliche Vermittlungsprobleme im Hinblick darauf, dass die alte Vertretung noch im Amte, die neue schon gewählt ist, aber ihr Mandat noch nicht ausüben kann.
Das hat Herr Wüst damals in der Besprechung bei Herrn Brendel zutreffend gesagt. Das genau trifft unsere Bedenken. Sie hätten Ihre Bedenken besser beibehalten, statt sich unter die Knute der FDP zu begeben, meine Damen und Herren.
Denn das ist in der Sache richtig: Was Sie da anrichten, ist tatsächlich einmalig, einzigartig. Sie haben vor, einen Zustand zu schaffen, in dem über mehr als vier Monate amtierende Gemeindeorgane und gewählte Gemeindeorgane parallel zueinander bestehen. Wir haben einen amtierenden Rat, amtierende Hauptverwaltungsbeamte, und wir haben welche, die schon gewählt sind und sich sozusagen in der Warteschleife befinden. Nicht ohne Grund sieht die Gemeindeordnung die Vier-Wochen-Frist vor, in der sich ein Rat in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Wahlakt zu konstituieren hat.
Das gehört im Übrigen in den Bereich hinein: Es wäre besser gewesen, vorher einmal darüber nachzudenken. Zumindest im Ausschuss konnte die Landesregierung keine genaue Antwort auf die Frage geben, wie viele Gesetze wir im Detail
Es kann doch nicht angehen, dass Wählerinnen und Wähler in einer Wahl ihren ausdrücklichen Willen äußern, gegebenenfalls eine andere Mehrheit wählen, Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamte abwählen, und es dann mehr vier Monate Zeit in Anspruch nimmt, bis diejenigen, die gewählt sind, tatsächlich ihre Ämter ausüben können.
Meine Damen und Herren, das ist nicht vorstellbar. Das ist ohne Beispiel. Mit dem Wählervotum, das Sie dann haben, erlischt doch streng genommen auch die demokratische Legitimation der vorher Gewählten.
Im Gegensatz zu Ihnen, haben wir uns im Vorfeld schon einmal schlau gemacht. Das, was Sie da vorhaben, ist Absurdistan in Nordrhein-Westfalen. Das ist mit geltendem Verfassungsrecht schwerlich zu vereinbaren.
Uns haben führende Verfassungsrechtler gesagt, wie man es mit Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz – Demokratiegebot – hält.
Meine Damen und Herren, das, was Sie da vorhaben, ist im Prinzip eine Verhohnepipelung des Wählerwillens.
Die einen haben ihre Stimme im Vertrauen darauf abgegeben, dass diejenigen, die sie wählen, fünf Jahre amtieren dürfen; die anderen geben ihre Stimme im Vertrauen darauf ab, dass unmittelbar nach der Wahl eine demokratische Reaktion auf ihre Wahl erfolgt. Und was ist? Kuddelmuddel! Den konstruieren Sie hier, und zwar nur aus eigenen egoistischen Gründen.
Wir wären sehr gerne dazu bereit gewesen, uns dem Thema zu nähern, wie man es normalerweise sach- und fachgerecht tut. Wer mit uns über die Zusammenlegung von Wahlen insgesamt hätte reden wollen, hätte das machen können. Aber
eine solche Nacht-und-Nebel-Aktion bezogen auf eine Wahlperiode, die noch nicht abgeschlossen ist, und bezogen auf eine Wahlperiode, die unmittelbar bevorsteht, kann man nicht machen. Das hat Friktionen und Verluste an demokratischer Willensbildung zur Folge. Änderungen im Zusammenhang mit Wahlen werden in vernünftig regierten Bundesländern immer im Vorgriff auf die übernächste Wahl gemacht. Dazu gibt es einige Beispiele. Aber so vernünftig sind Sie offensichtlich nicht.
Städte und Gemeinden sind Ursprung und Keimzelle der Demokratie. Sie machen Städte und Gemeinden zum Spielfeld für parteipolitische Tricksereien. Es geht Ihnen dabei nur um eines: Sie spekulieren bei den vor uns liegenden Kommunalwahlen und nehmen billigend in Kauf, dass das für Ihren kleinen Koalitionspartner, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, hilfreich ist. Sie nehmen aber genauso billigend in Kauf, dass bei einer niedrigen Wahlbeteiligung womöglich rechtsradikale Splittergruppierungen in überproportionalem Maß in die Räte einziehen.
In der Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland – Herr Löttgen, ich würde Ihnen empfehlen, sich einmal damit zu beschäftigen – wollen Sie den einmaligen Fall einer Wahl auf Vorrat kreieren. Dem kann man sich sowohl unter demokratietheoretischen als auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten nur widersetzen.