Wir haben hier im Landtag tatsächlich die Möglichkeit aufzuklären. Ich erwarte von Ihnen – nicht nur von den Grünen, sondern auch von der SPD – , dass Sie sagen: Jawohl, wir wollen Transparenz in die Landespolitik bringen und nicht, dass Millionensummen einfach verschleiert werden können und dass getrickst werden kann. – Deswegen appelliere ich noch einmal an Sie ganz konkret, das mit zu beschließen.
Vielen Dank, Herr Kollege Sagel. – Als nächster Redner spricht für die Fraktion der CDU der Kollege Biesenbach.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen könnte eine Versuchung sein, sich in dem gewünschten Untersuchungsausschuss mit der Frage zu befassen, inwieweit die damalige rot-grüne Landesregierung insbesondere im Ruhrgebiet in der Zeit von 2000 bis 2004 Missbrauch mit Fördermaßnahmen betrieben hat.
Exemplarisch ist, was der „Spiegel“ in seiner Ausgabe vom 28. Januar 2008 zum HDO-Skandal unter der Überschrift „Getäuscht und reingelegt“ wie folgt beschreibt:
„Treffen die Anschuldigungen zu, dann lieferte der Fall HDO ein Zeugnis über den Filz eines Bundeslandes, das 39 Jahre lang von derselben Partei regiert wurde; in dem sich Genossen wie Beamte über Vorschriften und Gesetze hinwegsetzten; in dem die Regierenden Steu
ermillionen für ein wirtschaftlich unsinniges Prestigeobjekt verpulverten; und in dem das Parlament und zwei Untersuchungsausschüsse belogen wurden.“
Das zuständige Landgericht wird sich aufgrund der Klagen der Familie Breuer damit befassen, inwieweit diese Anschuldigungen zutreffen.
Eine übergroße Zahl von Beispielfällen, die im Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie dieses Landes untersucht worden sind, belegt, dass der Förderpolitik als Überschrift zugrunde lag: Inkompetenz, Ineffizienz und Insolvenz – mit einigen Beispielen wie etwa „Privat vor Staat“ in der Fördermittelpolitik.
Häufig waren private Beziehungen und Kontakte von Kabinettsmitgliedern ausschlaggebend für solche Förderentscheidungen. So wird in dem bereits zitierten „Spiegel“-Artikel dargestellt, wie der seinerzeitige Medienberater von Herrn Clement auf die Brüder Breuer mit dem Satz zuging: „Ministerpräsident Clement braucht deine Hilfe.“ Hier wie in anderen Fällen lässt sich die Ausstrahlungswirkung privater Kontakte auf die Fördermittelpolitik eindrucksvoll belegen.
Mein zweites Stichwort lautet: Panik statt Planung. Die meisten der untersuchten Förderentscheidungen beruhten nicht auf strategischen Planungen der Landesregierung, sondern auf Paniksituationen, in denen die Landesregierung kurzfristig ihre vermeintliche Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen sollte. Vor allem HDO und Inkubator sind dafür die anschaulichsten Beispiele.
Die dritte Überschrift könnte heißen: kein Skandal vor der Wahl. Besonders hoch wurde die Fehlerrate offenkundig bei anstehenden Landtagswahlen. So mutmaßt der genannte „Spiegel“-Bericht noch einmal im Zusammenhang mit dem HDOFall, dass die Gefahr einer „Pleite so eines Imageträgers kurz vor den Landtagswahlen den Machterhalt der Regenten in Gefahr gebracht hätte“. Daher sei das Engagement der Breuer-Brüder erbeten worden.
Aber auch der aktuelle Fall Nokia zeigt, dass schriftliche Hinweise des Fachreferats an den damaligen Minister Schartau vor der Landtagswahl 2005 keine Beachtung mehr fanden.
Noch einmal: Es gab eine Versuchung, diesem Antrag zu folgen. Wenn wir uns heute trotzdem dagegen entscheiden, dann aus einigen tragenden Gründen.
Erstens. Die wesentlichen Fakten in den beispielhaft genannten Fällen wie in den weiter untersuchten Fällen sind öffentlich bekannt. Sie stehen entweder in Berichten des Landesrechnungshofes oder in den Medien. Wenn sie bekannt sind, brauchen wir keinen Untersuchungsausschuss mehr. Kein Medium würde darüber berichten.
Darüber hinaus beschäftigen zahlreiche Vorgänge die Gerichte unseres Landes. In Bezug auf das Projekt HDO haben vor wenigen Wochen die geschädigten Unternehmer das Land auf Schadenersatz von über 13 Millionen € verklagt. Das Verfahren wird öffentlich geführt. In sieben weiteren Projektvorgängen, die sich über den Zeitraum von 1999 bis 2005 erstrecken, prüft die Staatsanwaltschaft den Anfangsverdacht des Subventionsbetrugs oder führt bereits Ermittlungsverfahren durch. In diesen Fällen sind die Akten einem Untersuchungsausschuss bis zum Abschluss der Verfahren entzogen.
Aus den anderen genannten, mehr als 100 untersuchten Förderprojekten hat Wirtschaftsministerin Christa Thoben die Konsequenzen gezogen. In ihrer Pressekonferenz vom vergangenen Montag hat sie ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Verbesserung von Ablauf, Effizienz und Kontrolle in der Wirtschaftsförderung vorgestellt. Unter anderem mit diesem Maßnahmenpaket hat die Landesregierung erreicht, was nach dem Antrag der Grünen der Ausschuss herausarbeiten sollte, nämlich wie künftig derartige Vorkommnisse verhindert oder reduziert werden können.
Bei dieser Sachlage – die Fakten sind bekannt, Gerichte beschäftigen sich damit, und die Maßnahmekonsequenzen sind gezogen – erscheint uns der personelle Aufwand für einen PUA nicht mehr zu rechtfertigen mit dem möglichen weiteren Ergebnis, von dem wir glauben, es werden keine weiteren wirklich wichtigen Dinge herausgearbeitet.
Sollte sich bei den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren Näheres ergeben, dann sind auch wir gerne bereit, möglicherweise selbst einen solchen Antrag zu stellen.
Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Kollege Gatter das Wort.
überlegt, wie Herr Biesenbach die Kurve noch bekommt. Denn so, wie er am Anfang geredet hat, hat er eigentlich für einen Untersuchungsausschuss geredet.
Ich muss ehrlich sagen: Er hat auch mit ein paar geschickt ausgewählten Zitaten und Unterstellungen versucht, das zu begründen.
Ich möchte auf das zurückkommen, worum es hier eigentlich geht. Es geht um die Beantragung eines Untersuchungsausschusses in dem Fall „Inkubator“.
Was ist bis jetzt passiert? Ich möchte es gerne wiederholen: Das Projekt ist letztlich daran gescheitert, dass sich eine Gruppe zusammengetan hat, um möglichst viel öffentliche Mittel in die eigene Tasche umzuleiten. Beratungen haben nur zum Schein stattgefunden, Leistungen wurden abgerechnet und nicht wirklich erbracht.
Im Dezember 2007 wurde ein erstes Urteil gegen einen Recklinghäuser Arzt gesprochen, der an der FH Gelsenkirchen Honorarprofessor war. Er wurde wegen Subventionsbetrugs und Bestechung eines Ministerialrats zu zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt. Das war zwar nicht der Fall „Inkubator“, aber durch diesen Ministerialrat ist diese „Inkubator“-Geschichte dann erst richtig aufgefallen. Dieser Ministerialrat zum Beispiel, der für die Verteilung der Fördermittel für den Inkubator zuständig war, hat nach Überzeugung des Gerichts Geld in die Taschen von Professoren umgeleitet, und im Gegenzug hat er selbst die Hand aufgehalten.
Konsequenterweise hat das Gericht im Januar eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung sowie eine Geldauflage wegen Bestechlichkeit verhängt. Der Ministerialrat ist aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden. In den kommenden Monaten werden die übrigen beschuldigten Professoren mit einem Urteil rechnen können, berichtete vor Kurzem die „WAZ“.
Es gab eklatante Versäumnisse bei der Kontrolle der Verwendung der Fördermittel. Das ist so. Deshalb war es wichtig, die Wege des Missbrauchs aufzuzeigen, Schlüsse daraus zu ziehen, die Gründe des Versagens der Überwachung im Ministerium bei der Bezirksregierung Münster und bei der FH Gelsenkirchen herauszufinden und vorhandene Missstände abzustellen.
Am 23. August 2007 lehnte der Landtag mit Stimmen von CDU, SPD und FDP die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ab. Stattdessen wurde ein Entschließungsantrag beschlossen, der von der Landesregierung einen Bericht forderte, ob und inwieweit von den Zuständen, wie sie beim „Inkubator“ festgestellt wurden, auch bei anderen Förderprojekten ausgegangen werden muss. Dieser Bericht wurde dem Landtag am 21. Dezember 2007 vom Finanzminister übersandt. Es war eine interne Prüfung zu Förderprojekten im Hinblick auf Missbrauchsanfälligkeit durchgeführt worden.
Laut Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben – so steht es in dem Bericht –, dass die geprüften Sachverhalte Anlass zu Bedenken in der Art geben würden, dass eine dem Inkubator-Zentrum vergleichbare Konstellation gegeben sein könnte. Bei sechs Prüfungen sind Defizite bei der Dokumentation der Vergabeverfahren erkannt worden.
Daraus resultiert indes nicht automatisch, dass es sich um eine rechtswidrige Vergabe gehandelt habe. Im Wesentlichen sei lediglich die Dokumentation nicht in allen Fällen nachvollziehbar erfolgt. Insgesamt ergebe sich daher, dass Verstöße gegen das Vergaberecht nicht mit Sicherheit auszuschließen, aber auch nicht mit Sicherheit festzustellen seien. Zwei der Fälle waren Gegenstand des Jahresberichts des Landesrechnungshofes. Hierzu hat der zuständige Haushaltskontrollausschuss auch schon Beschlussfassungen erarbeitet.
Das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie hat drei sogenannte Auffälligkeiten festgestellt. Ein Fall war im Dezember im Haushaltskontrollausschuss und ist dort auch endgültig behandelt worden. In einem anderen Fall ist das kontradiktorische Verfahren zu den Prüfstellungen des Landesrechnungshofes noch nicht abgeschlossen. In dem Bericht der Landesregierung steht: In einem Fall – ich weiß nicht, von wie vielen anderen Fällen Sie reden, Herr Kollege Biesenbach – gibt es staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Sie haben gerade gesagt, in mehreren Fällen gebe es staatsanwaltschaftliche Ermittlungen.
In der Schlussfolgerung des Berichts der Landesregierung kritisiert der Finanzminister, dass es nach seiner Sicht nicht auszuschließen ist, dass es Fördervorgänge gibt, die zwar formal und unter Zugrundelegung von Prüfkriterien nicht zu beanstanden sind, bei denen aber eine Förderung politisch gewollt und erwünscht war.
Na ja, jetzt kann ich feststellen: Wenn die Wirtschaftsministerin in einer Presseerklärung vom 10. März schreibt, dass bei einer zukünftigen Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen Handwerker, Gründer und junge Wissenschaftler klar im Vordergrund stehen, dann ist das sicherlich ebenfalls politisch gewollt und erwünscht. Wo ist da der Unterschied?
Die Wirtschaftsministerin hat zum Beispiel als Folge der Vorgänge um den „Inkubator“ nun ein Programm zur kontinuierlichen Sicherstellung von Effektivität, Effizienz und Rechtmäßigkeit der Fördermittel im Ministerium vorgelegt. Es wird „KONTER“ genannt. Hierbei stelle ich mir übrigens vor, wie Kollege Sagel demnächst mit dem Begriff Konterrevolution umgehen wird. – Aber Spaß beiseite!
Dieses 27-Punkte-Programm ist auf den ersten Blick ein sehr beeindruckender Vorgang. Man muss das neidlos zugeben. Es sind viele sinnvolle Maßnahmen dabei, zum Beispiel die Vermeidung von Interessenkonflikten bei der Mitwirkung in Gremien, Einführung von Prüfpools bei den Bezirksregierungen, Rotation von Beschäftigten in Förderbereichen. Das sind genau die drei Punkte, weswegen es diesen „Inkubator“ gegeben hat: weil in diesen Bereichen im Grunde genommen geschlampt worden ist.
Aber das muss sich alles noch in der Praxis bewähren. Auch hier ist der Haushaltskontrollausschuss das parlamentarische Gremium, das dies dann feststellen kann. Wenn in Zukunft keine Prüffeststellungen mehr kommen, dann hat das 27-Punkte-Programm Erfolg.
Abschließend möchte ich noch kurz feststellen: In Bezug auf den Subventionsbetrug des Inkubators werden die strafrechtlichen Verfahren abgeschlossen. Der Haushaltskontrollausschuss hat noch keine endgültige Prüffeststellung gemacht. Die Landesregierung untersuchte und hat Schlussfolgerungen gezogen. Deshalb stellt sich für mich die Frage: Ist hier ein PUA noch vonnö