Protokoll der Sitzung vom 13.03.2008

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Weisbrich. – Es spricht nun der fraktionslose Abgeordnete Kollege Sagel.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Die SPD hat es immerhin noch wunderschön vorgetragen – das kann man vom Minister nicht sagen. Er hat schlecht abgelesen und war reichlich „uninspiriert“ bei diesem Thema. Das muss man feststellen. Das ist ja auch kein Wunder. Denn die Neoliberalen von der FDP, die da vorne sitzen, sind erst zufrieden, wenn alle nur noch Zeitarbeitsverträge haben. Das ist das, worauf es Ihnen ankommt.

Worum geht es eigentlich? – Wir haben den Fall Nokia – das ist auch angekündigt. Wir haben allerdings zum Fall Nokia nichts Konkretes gehört. Die Realität sieht aber so aus, dass Nokia im Sommer dichtgemacht wird; ein paar Tausend Leute werden entlassen. Besonders hart trifft es die Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitnehmer, die jetzt schon entlassen werden und für die es keinen Sozialplan und auch keinen Interessenausgleich gibt.

Man muss sich fragen: Was macht eigentlich die Landesregierung? – Sie führt hier in NordrheinWestfalen ein absurdes Theater auf, um von ihren eigenen Versäumnissen abzulenken, versucht jetzt, Subventionen zurückzubekommen – von 60 Millionen ist die Rede. Jeder weiß genau: Wahrscheinlich ist das überhaupt nicht möglich, weil es unzulässig ist. Man muss sich schon fragen: Warum wurden die Subventionen nicht vorher zurückverlangt? Die Antwort ist klar: Es geht Ihnen gar nicht um die Sache, sondern Sie wollen heiße Luft produzieren, um von Ihren Problemen, Ihren Versäumnissen und Ihrem Verschulden abzulenken, was Sie im Falle Nokia trifft.

Man muss deutlich sagen: Die Zeitarbeitsgesetze sind unsozial. Der Vorwurf geht natürlich auch nach Berlin, Herr Weisbrich – Sie sitzen mit in der Regierung. Sie haben da unsoziale Gesetze. Und Sie haben alle Initiativen, um diese unsozialen Gesetze zu ändern, verhindert – übrigens gemeinsam mit der SPD. Denn wir haben vor einiger Zeit im Bundestag Anträge eingebracht, damit andere Perspektiven vorhanden sind. Wir haben auch davon gesprochen, dass es ein Verbot für Massenentlassungen geben muss. Auch da sollte man darüber nachdenken, welche Bedingungen es ermöglichen, dass so etwas gemacht wird.

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Ja, genau. Wunderbar, Herr Weisbrich: Immerhin geben Sie Fehler zu.

(Christian Weisbrich [CDU]: Ihre Fehler!)

Sie haben unseren Anträgen in Berlin aber nicht zugestimmt. Ich habe die große Befürchtung,

dass in Berlin auch keinerlei Bereitschaft vorhanden ist, das, was Sie hier zum Teil großspurig verkünden, übrigens auch das von der SPD, in Berlin tatsächlich umzusetzen; denn in Berlin – Sie gehören zu der Großen Koalition dort – hätten Sie die Möglichkeit, das zu tun.

Es ist schon sehr merkwürdig, dass es erst eines Beispiels wie Nokia bedarf, bis auch die SPD begreift, dass die Zeitarbeitspolitik, die im Wesentlichen Schröder verursacht hat, ein großer Fehler ist und dass es so nicht geht.

Man muss sehen, wie die Entwicklung ist. Die Situation ist mittlerweile so, dass bei BMW 8.300 Leute nur deswegen entlassen werden sollen, weil man die Profitmaximierung noch weiter antreiben will. Man will nicht 20 %, sondern 26 % Eigenkapitalrendite haben. Da werden mal eben 8.300 Leute entlassen. Das ist die Lage, die wir mittlerweile in der Bundesrepublik haben.

War früher die Situation hinsichtlich der Zeitarbeit so, dass man kurzfristige Engpässe vermeiden wollte, wenn, zum Beispiel durch Krankheit verschuldet, so etwas entstanden war, dann gibt es mittlerweile einen Reformwahn, und man versucht alles, um noch mehr Leute in die Zeitarbeit hineinzudrängen. Deswegen kann ich das, was von Minister Laumann zu hören war, nicht ernst nehmen. Das ist alles nur Wortgeklingel, was Sie hier machen. Ich erwarte Taten. Wenn hier die Rede von gleichem Lohn für gleiche Arbeit ist, dann sollte das auch für die Leiharbeit gelten. Ich kann überhaupt nicht erkennen, dass hier real etwas gemacht wird.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Abschließend noch einen Satz: Es gibt eine klare Mehrheit für eine sozial gerechte Politik – das gilt auch für die Leiharbeit –, aber man muss die konkreten Möglichkeiten, die eine solche Mehrheit bietet, auch umsetzen. Ich hoffe, dass entsprechende Beschlüsse in der Republik bald gefasst werden, damit wir andere und bessere Bedingungen für die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter bzw. Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter haben. – Danke schön.

Danke schön, Herr Sagel. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ich habe mich doch gemeldet!)

Herr Schmeltzer? – Bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte mich sehr kurz fassen; denn ich habe bezüglich des von uns eingebrachten Antrages große Übereinstimmung zwischen mir, dem Kollegen Kern, der Kollegin Steffens, Herrn Minister Laumann festgestellt, aber überhaupt keine Übereinstimmung in der Koalition. Herr Romberg als hehrer Verfechter des Arbeitgeberlagers war als einzelner Redner fern von Gut und Böse. Dazu wird es in der Ausschussdebatte sicherlich noch den einen oder anderen Wortbeitrag geben, den man auch veröffentlichen muss, insbesondere für diejenigen Menschen, die von seinen Steuersubventionen zukünftig leben müssen.

Ich möchte nur auf zwei oder drei Aspekte eingehen. – Herr Kollege Weisbrich, hier geht es nicht um die Schützenhilfe von Gewerkschaften. Ich bedauere, dass ich Ihnen dieses Mal nicht ansatzweise die Gelegenheit gegeben habe, mich als Lobbyisten der ver.di-Gewerkschaft darzustellen, weil ich dieses Mal von ganz anderen Branchen gesprochen habe. Ich bitte Sie einfach, weniger auf mich zu hören; denn hier geht es um die Inhalte, die der Kollege Kern, Herr Minister Laumann und die Kollegin Steffens dargelegt haben. Wenn Sie schon mal denen Gehör schenken mit den Inhalten, die sich nicht 1:1, aber weitestgehend mit denen decken, die wir in den Antrag eingebracht haben, dann sind wir schon einen wesentlichen Schritt weiter. Die sachliche Diskussion wird im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales dann auch geführt werden können.

Hier geht es natürlich darum, dass wir Unternehmen flexibel halten müssen. Herr Minister, wir sind uns darin einig. Es geht nicht darum, dass wir die Zeitarbeitsbranche vom Markt weghaben wollen. Die ist richtig und wichtig. Bei der Zeitarbeitsbranche geht es darum, saisonale Spitzen abzudecken und die Flexibilität durch den Einsatz von Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern zu fördern. Aber – ich sage es noch einmal – nicht die Leiharbeit ist unanständig, sondern es gibt unanständige Unternehmen, die mit den Änderungen, die im Jahre 2004 in der Tat auf den Weg gebracht wurden, regelrecht Missbrauch treiben.

Herr Kollege Weisbrich, ich weiß, wer dieses Gesetz im Jahre 2004 geändert hat. Wenn Sie meinem ersten Redebeitrag aufmerksam gefolgt wären, dann hätten Sie festgestellt, dass ich damit auch sehr selbstkritisch umgehe. Wenn man Absichten bei der Änderung eines Gesetzes auf Bundesebene hatte, diese Absichten aber nicht in die Tat umgesetzt oder missbraucht werden, dann muss man auch sehr selbstkritisch sein dürfen

und sagen können, dass wir das ändern müssen. Wir werden dies weitertransportieren. Zumindest wir sind so selbstkritisch und sagen, dass das, was wir damals gemacht haben, Folge einer Fehleinschätzung war. Das muss auf einen ordentlichen Weg gebracht werden.

(Beifall von der SPD)

Die Beispiele, die ich genannt habe, könnten wir weiter ausufern lassen. Herr Minister Laumann, Sie wissen, im Münsterland gibt es die Firma Stute, einen Lebensmittelbetrieb. Vor wenigen Wochen war ich in Versmold, wo es fleisch- und wurstverarbeitende Betriebe ohne Ende gibt, die das Problem der Leiharbeit genauso haben. Wir könnten das immer weiter ausdehnen. Es wird Missbrauch getrieben, und um die Bekämpfung dieses Missbrauches geht es.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Schmeltzer. – Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Wir kommen zum Schluss der Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 14/6312 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – federführend – sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf:

5 Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen: Erhalt eines leistungsstarken Bibliothekssystems zur Landesaufgabe erklären!

Antrag

der Fraktion der SPD

Drucksache 14/6316

In Verbindung mit:

Bibliotheken als Orte der Bildung stärken – Bibliothekslandschaft in Nordrhein-Westfalen analysieren

Antrag

der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP

Drucksache 14/6319

Ich eröffne die Beratung und gebe Frau Nell-Paul von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute einen sehr umfangreichen Antrag zum Thema Bibliotheken in den Landtag eingebracht, weil wir die Arbeit der Bibliotheken einmal würdigen und sie auch ins Licht der Öffentlichkeit setzen wollen.

Bibliotheken leisten eine Arbeit, die nicht in den Feuilletons der großen Zeitschriften vorkommt. Sie sind nicht eventgeeignet. Aber sie sind, was die Bedeutung für die Kultur und für die Menschen in diesem Lande angeht, ganz herausragend.

(Beifall von der SPD)

„Bibliotheken sind allein das sichere und bleibende Gedächtnis des menschlichen Geschlechts“, so hat es einmal Arthur Schopenhauer formuliert. Dieser Maxime folgend, dokumentieren die drei Landesbibliotheken in NRW die Literatur aus unserem Land und über unser Land. Diese Aufgabe ist seit 1993 im Pflichtexemplargesetz geregelt.

Nicht geregelt ist dagegen die auskömmliche Finanzierung dieser kulturellen Gedächtnisse. Den diesbezüglichen Hilferuf vonseiten der Landesbibliotheken, der vor einigen Wochen bei uns im Kulturausschuss des Landtags deutlich geworden ist, nehmen wir jetzt zum Anlass, einen weitreichenden Antrag zum Erhalt des leistungsstarken Bibliothekssystems in Nordrhein-Westfalen zu stellen.

Neben den Landesbibliotheken sind es die rund 300 Büchereien – ich betone: 300! – in kommunaler Trägerschaft und unzählige ehrenamtlich geführte Bibliotheken der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände, von Vereinen, die praktisch jeden Tag den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes offenstehen.

Mit 26 Millionen Besucherinnen und Besuchern pro Jahr – Tendenz steigend – sind die öffentlichen Bibliotheken ohnehin seit Jahren die meistbesuchten Kultur- und Bildungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen. 66 Millionen Ausleihen im Jahr belegen, wie intensiv diese Einrichtungen genutzt werden. Keine andere Kultureinrichtung – weder Museen noch Theater noch große Konzerthäuser – kann einen solchen Erfolg und eine solche Anerkennung verbuchen.

Trotz alledem ist die Existenz vieler Büchereien bedroht. Vielen Städten und Gemeinden, insbesondere bei denen mit Haushaltssicherung, bleibt kaum eine Chance, ihre Bibliotheken als freiwillige Aufgabe zu halten. Wenn sie auch nicht überall in

der Existenz bedroht sind, so geraten sie doch immer mehr an den Rand des Existenzminimums – personell und in der Ausstattung. Hier zeigt sich der Skandal der Unterfinanzierung unserer Kommunen ganz besonders deutlich.

Deswegen hat die Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages Folgendes festgestellt:

„Die Enquete-Kommission empfiehlt den Ländern, Aufgaben und Finanzierung der öffentlichen Bibliotheken in Bibliotheksgesetzen zu regeln. Öffentliche Bibliotheken sollen keine freiwillige Aufgabe sein, sondern eine Pflichtaufgabe werden.